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PDF-Ausgabe - Bergischer Bote

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Von Sebastian Last<br />

Die Kunst mit dem Rasen<br />

Kunst- oder Naturrasen? Der SV Bechen und Union Biesfeld beantworteten dies auf unterschiedliche Weise<br />

KüRTEN Asche zu Rasen, Staub zu Grün.<br />

Viele Vereine haben genug von den Mondlandschaften,<br />

auf denen ihr kickender<br />

Nachwuchs einem Feinstaubangriff nach<br />

dem nächsten ausgesetzt ist. Genug von<br />

Äckern, die bestenfalls mit Gummistiefeln<br />

betreten werden können. Ascheplätze sind<br />

out. Mit der Union Blau-Weiß Biesfeld/Offermannsheide<br />

1930/53 und dem SV Bechen<br />

1930 stehen zwei Kürtener Vereine<br />

mit zwei unterschiedlichen Konzepten an<br />

der Spitze einer Bewegung.<br />

Die Kreisliga B-Fußballer von Union tragen<br />

ihre Heimspiele seit Sommer 2010 auf<br />

dem ersten Kunstrasenplatz der Region<br />

aus. Den Bechenern war diese Variante<br />

zu teuer. Sie beschreiten mit einem noch<br />

weitgehend unbekannten Echtrasen-Modell<br />

einen Weg entgegen dem allgemeinen<br />

Trend. Im Sommer 2013 soll der Platz<br />

vom „Rasenpapst“ Dr. Clemens Mehnert<br />

aus Süddeutschland fertiggestellt sein.<br />

„Ein Ascheplatz kann einen Verein<br />

heutzutage ruinieren“, sagt der Bechener<br />

Thomas Nöthen. Viele Kinder, Jugendliche<br />

und Erwachsene würden zu Vereinen<br />

mit Kunstrasenplätzen abwandern. Die<br />

sportliche Substanz geht verloren. Den<br />

Satz, „mein Kind spielt nicht auf Asche“,<br />

kennt auch der Biesfelder Vorsitzende<br />

Dirk Rappenhöhner: „Nass ist Asche zu<br />

weich, trocken zu hart.“ Und wenn dann<br />

auch noch die Drainage des Platzes nicht<br />

funktioniert, kommt es regelmäßig zu<br />

Trainings- und Spielausfällen oder jeder<br />

Menge schmutziger Wäsche. Die Asche –<br />

ein ständiges Ärgernis. „Uns geht es nicht<br />

darum Spieler von anderen Vereinen abzuwerben.<br />

Wir wollen lediglich unsere<br />

Mitgliederzahl halten“, erklärt SVB-Urgestein<br />

„Ronny“ Runschke, „sonst gibt es in<br />

Bechen bald gar keinen Fußball mehr.“ Er<br />

wünscht sich, dass die Kinder im Vereinsgefüge<br />

groß werden – „so wie wir früher.“<br />

Reiner Naturrasen, da sind sich Vertreter<br />

beider Vereine einig, ist in Anschaffung<br />

und Pflege im Verhältnis zur Nutzungszeit<br />

zu teuer. Ein Naturrasenplatz ist ab der<br />

Landesliga verpflichtend, Bechen spielt<br />

Kreisliga C. Er ist laut Angaben des DFBs 35<br />

bis 60 Stunden pro Monat bespielbar, ohne<br />

Gefahr zu laufen sich danach in einen<br />

Acker zu verwandeln. Asche verträgt monatlich<br />

bis zu 140 Stunden, das Bechener<br />

Modell 100, Kunstrasen etwa 200.<br />

Die Belastungszeit der Plätze ist in beiden<br />

Vereinen vergleichbar. Den Platz des<br />

SV Bechen in Neuensaal teilen sich elf<br />

Jugend- und drei Seniorenmannschaften.<br />

„Leichtgewichte unter 50 Kilo darf man<br />

jedoch nicht mitrechnen. Ab der C-Jugend<br />

zählt die Belastung“, meint Nöthen. Die<br />

Biesfelder Jahnstraße wird von zehn Jugend-<br />

und fünf Seniorenteams aufgesucht.<br />

Seit der letzten Saison stellt Biesfeld eine<br />

zweite Damenmannschaft und auch nach<br />

dem Training wird der Platz häufiger bespielt.<br />

Ex-Vorstand Erich Bosbach führt<br />

dies auf den Kunstrasen zurück. Die Trainer<br />

hätten in der Hand, wie sehr ein Spielfeld<br />

beansprucht wird, unterstreicht Rappenhöhner.<br />

Wird in jeder Einheit im Strafraum<br />

trainiert, ist dort die Abnutzung entsprechend<br />

größer. Das Rotationsprinzip ist also<br />

sinnvoll.<br />

Die Bechener nahmen seit Oktober<br />

2011 verschiedenen Referenzplätze des<br />

„Rasenpapstes“ in Augenschein. Die anfängliche<br />

Skepsis wich allmählich der<br />

Überzeugung auf dem richtigen Weg zu<br />

sein. Bisher baute Mehnert etwa 30 derartige<br />

Plätze. So funktioniert's: Die Tenne<br />

10.000 Euro spendete die Raiffeisenbank Kürten-Odenthal für die neue Beregnungsanlage<br />

des SV Bechen. Nach der Saison 2012/13 wird hier der Rasen gesäht.<br />

wird, im Gegensatz zum Kunstrasenplatz,<br />

beim Umbau nicht entfernt. Rund 600 Tonnen<br />

feiner Sand werden zusätzlich aufgetragen<br />

und vermischt mit roter Erde zum<br />

Substrat für den Rasensamen. Darunter<br />

befindet sich eine Schicht Schotter, die<br />

auf einer noch grobkörnigeren Tragschicht<br />

ruht. „Man erhält einen Platz der härter ist<br />

als Rasen, aber weicher als Asche“, erklärt<br />

Mehnert. Kostenpunkt je nach Platzgröße<br />

zwischen 40.000 und 60.000 Euro.<br />

Direkt nach der Saison 2012/13, in der<br />

Wachstumsphase April und Mai, will der SV<br />

Bechen den Samen streuen. Anfangs muss<br />

dieses 7.500 große Beet jeden zweiten Tag<br />

gewässert werden. 30.000 Euro kostet die<br />

dafür vorgesehene Beregnungsanlage. Mit<br />

13.500 Euro schlug der Bau eines Brunnens<br />

zu Buche. Pro Stunde kann dieser bis zu 7,4<br />

Kubikmeter Wasser auf den Platz fördern.<br />

Die Leitungswasserpreise wären auf Dauer<br />

zu teuer gewesen. Um seine gärtnerischen<br />

Pflichten, das Rasenmähen (1-2 mal/Woche)<br />

und Düngen (3-6 mal/Jahr), kommt<br />

der SVB nicht mehr herum. Dafür spielen<br />

sie nach jeder Sommerpause auf frischem<br />

Grün. Der Platz regeneriert sich von selbst,<br />

ist „im Prinzip unkaputtbar und wird von<br />

Jahr zu Jahr besser“, so Nöten, solange die<br />

Wurzeln nicht rausgerissen werden. Diese<br />

Gefahr besteht bei Frost. Ein schneebedeckter<br />

Platz wäre wiederum bespielbar.<br />

Die gesamten Kosten inklusive der Rasenpflege<br />

betragen rund 150.000 Euro, die<br />

die SV-Fußballabteilung komplett alleine<br />

trägt. „Wir wollen den Gesamtverein nicht<br />

belasten“, begründet Nöthen. Die Refinanzierung<br />

läuft über Spenden, derzeit<br />

35.000 Euro, und Kosteneinsparungen. Als<br />

die Gelder aus dem Konjunkturpaket II frei<br />

wurden, investierten die Bechener ihren<br />

Anteil von 70.000 Euro nämlich in die Renovierung<br />

ihres Vereinsheims. „Wir haben<br />

15.000 bis 20.000 Liter Heizöl im Jahr weggeblasen.<br />

Das hätte uns über kurz oder<br />

lang aufgefressen“, erklärt Runschke.<br />

Union nutzte das Konjunkturpaket hingegen<br />

für den Bau des Kunstrasenplatzes,<br />

der insgesamt 250.000 Euro kostete. Biesfeld<br />

stemmte 150.000 Euro aus Eigenmitteln<br />

und Sponsorengeldern. Schirmherr<br />

Jens Nowotny verdiente sich hierbei seine<br />

Lorbeeren. Der in Biesfeld wohnhafte Ex-<br />

Profi war es auch, der den Stein ins Rollen<br />

gebracht hatte: „Das ist der Vorteil im Dorf<br />

– man muss nur an der richtigen Stelle etwas<br />

in den Raum werfen.“ Die Bechener<br />

werden von Nowotnys ehemaligem Nationalelf-<br />

und Bayer 04-Kollegen Carsten<br />

Ramelow unterstützt. Biesfeld hat zudem<br />

einen monatlichen Sonderbeitrag zur Kos-<br />

Die Ex-Profis Carsten<br />

Ramelow (l.) für den<br />

SV Bechen und Jens<br />

Nowotny (r.) bei Union<br />

Biesfeld sind Schirmherren<br />

der Natur- bzw.<br />

Kunstrasenprojekte.<br />

Rechts oben: Echter<br />

Rasen regeneriert sich<br />

selbst. Rechts<br />

unten: Tonnenweise<br />

Granulat stützt die Halme<br />

des Kunstrasens.<br />

tendeckung (4 Euro Erwachsene, 2,50 Euro<br />

Kinder/Studenten) angesetzt und die Einnahmen<br />

des jährlichen Fußballcamps fließen<br />

mit ein. „Im Endeffekt muss alles der<br />

Jugendförderung zugutekommen“, fordert<br />

Nowotny und Bosbach ergänzt: „Unsere<br />

Gemeinschaft ist bärenstark.“<br />

15 bis 20 Jahre verspricht sich Bosbach<br />

von seinem Platz. Bei Bedarf könnten einzelne<br />

Abschnitte auch früher ersetzt werden.<br />

Kunstrasen-Kritiker gehen von maximal<br />

zehn Jahren Haltbarkeitsdauer aus.<br />

Langfristige Studien gibt es noch nicht.<br />

Ausgedienter Kunstrasen wird geschreddert<br />

und verbrannt. „Wir haben versucht<br />

ein Haar in der Suppe zu finden, sahen<br />

aber nur Vorteile“, so Bosbach. „Dieser<br />

Kunstrasen hat ähnlich viele Halme wie<br />

Naturrasen, über 210.000 pro Quadratmeter“,<br />

versichert Eike Wedell vom Hersteller<br />

Trofil Sportbodensysteme. Jeder Halm<br />

ist eine einzeln hergestellte Faser, die zu<br />

mehreren zu Bündeln verdreht wird. Gummigranulat<br />

auf dem Platz stützt die Halme.<br />

Schürfwunden bei Tacklings entstünden<br />

nur, wenn Granulat über den Halmen<br />

liegt. „Die Dämpfungseigenschaften sind<br />

vergleichbar mit Naturrasen“, sagt Wedell.<br />

Auch Kunstrasen kommt ohne Pflege nicht<br />

aus. 14-tägig schüttet der Platzwart Granulat<br />

nach und zieht den Platz ab. Dreimal<br />

im Jahr rückt Trofil zur Trockenreinigung<br />

an, bei der das Granulat mit einer Spezialmaschine<br />

gereinigt wird. „Das Spielgefühl<br />

kommt dem Naturrasen schon sehr nahe“,<br />

urteilt Rappenhöhner. „Wir würden uns<br />

sofort wieder für Kunstrasen entscheiden,<br />

alleine schon wegen der vielen lachenden<br />

Kindergesichter.“ Und das zählt. III<br />

36 <strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 4-2012 <strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 4-2012<br />

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