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ZUCKERRÜBEN J O U R N A L

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4 / 2011<br />

Z U C K E R R Ü B E N<br />

J O U R N A L<br />

2011 bringt Rekordernte<br />

Anbau<br />

Rüben genauso gut wie Mais?<br />

Anbau<br />

Die richtige Sorte fürs Feld<br />

Technik<br />

Landtechnik-Schau der Rekorde


I N h A l T A k T u E l l E S P o l I T I k M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Nach Meinung der europäischen Rübenanbauer gibt es keine<br />

Alternative zur Verlängerung der Marktordnung.<br />

lesen Sie ab Seite 5.<br />

Titelbild:<br />

Die Roderflotte des<br />

Maschinenring<br />

Rheinland West beim<br />

Feldtag in Dürwiß im<br />

Einsatz.<br />

Foto: Eduard Eich<br />

Das Institut für Zuckerrübenforschung<br />

hat die<br />

Energiebilanz der Zuckerrübe<br />

untersucht – mit sehr<br />

erfreulichen Ergebnissen<br />

für die Rübe.<br />

lesen Sie ab Seite 9.<br />

Mitteilungen des Rheinischen<br />

Rübenbauer-Verbandes e.V. und der<br />

Bezirksgruppe Nordrhein des Vereins<br />

der Zuckerindustrie e. V.<br />

Redaktion:<br />

Natascha Kreuzer (verantwortlich)<br />

Rochusstraße 18, 53123 Bonn<br />

Telefon: (02 28) 96 49 97 17<br />

Fax: (02 28) 96 49 97 18<br />

E-Mail: ZRJournal@aol.com<br />

Zum Teil gab es Detailverbesserungen,<br />

zum Teil aber auch komplett neue<br />

Maschinenreihen auf der Agritechnica.<br />

Dr. klaus Ziegler hat die Trends bei der<br />

Rübentechnik ab Seite 18 zusammengefasst.<br />

Aktuelles<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband e. V.<br />

Telefon: (02 28) 65 25 34<br />

Bezirksgruppe Nordrhein des<br />

Vereins der Zuckerindustrie e. V.<br />

Telefon: (02 21) 4 98 03 32<br />

Redaktionsbeirat:<br />

Heinrich Brockerhoff, Johannes Brünker,<br />

Dr. Helmut Esser, Dr. Bernd Kämmerling,<br />

Dr. Peter Kasten, Dr. Willi Kremer-Schillings<br />

Jahresrückblick von Dr. Botho von Schwarzkopf<br />

Ein Jahr, an das man sich erinnern wird 3<br />

Termine rund um die Rübe 4<br />

Mitgliederversammlung RRV 4<br />

Verlag:<br />

Rheinischer Landwirtschafts-Verlag GmbH<br />

Rochusstraße 18, 53123 Bonn<br />

Telefon: (02 28) 5 20 06-535<br />

Fax: (02 28) 5 20 06-560<br />

Satz:<br />

Print PrePress GmbH & Co. KG<br />

53340 Meckenheim<br />

Druck:<br />

L.N. Schaffrath Druck Medien, 47594 Geldern<br />

2 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011<br />

Politik<br />

Verlängerung der Marktordnung ohne echte Alternative 5<br />

Markt<br />

Brasilien am Scheideweg 6<br />

Anbau<br />

Rüben genauso gut wie Mais? 8<br />

Bei der Energiebilanz ganz vorn dabei 9<br />

Die richtige Sorte für das Feld 11<br />

Neue Ergebnisse rund um die Rübe 15<br />

Feldtag in Wijnandsrade 16<br />

Feldtag des Maschinenrings 17<br />

Technik<br />

Agritechnica 2011<br />

Landtechnik-Schau der Rekorde 18<br />

Vorführung in Kerken 21<br />

Entblatten, microtoppen oder köpfen? 22<br />

Kinderfest in der Zuckerfabrik Euskirchen 22<br />

Zucker<br />

Mehr als 10 000 Jahre süße Geschichte 23<br />

Stevia als Süßstoff zugelassen 24


Foto: Natascha kreuzer<br />

Z u c k E R<br />

Ein Jahr, an das man sich erinnern wird<br />

„Solche Erträge werden wir wohl so bald nicht mehr wieder<br />

sehen“ meinten viele landwirte nach dem Rübenjahr 2009.<br />

Im Durchschnitt des Rheinlandes wurden 2009 71,8 t / ha<br />

Rübenertrag geerntet, Spitzenbetriebe konnten damals schon<br />

die magische Zahl von 15 t / ha Zuckerertrag nicht nur erreichen,<br />

sondern zum Teil übertreffen.<br />

Dr. Botho von<br />

Schwarzkopf<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

Rekorderträge, Diskussion um die Marktordnung und unsicherer Weltmarkt<br />

Und jetzt kommt 2011: Noch ist die Kampagne<br />

nicht zu Ende, aber unsere Werke<br />

in Appeldorn und Jülich planen mit unglaublichen<br />

78 t / ha, Euskirchen mit<br />

75 t / ha Rübenertrag! Und auf so mancher<br />

Parzelle sind 100 t / ha mit mehr als<br />

17 % Zuckergehalt herangewachsen. Wer<br />

hätte das nach dem extrem trockenen<br />

Frühjahr gedacht? Zeigt dies doch, zu<br />

welchen Leistungen die Zuckerrübe auch<br />

in ungewöhnlichen Jahren fähig ist. Und<br />

der Trend im Ertragszuwachs ist ungebrochen.<br />

Wir müssen uns das noch einmal<br />

klarmachen: In den drei Jahren 1996 bis<br />

1999 lag der rheinische Schnitt gerade<br />

mal bei 53 t / ha und noch im Jahr 2006<br />

wurden im gesamten Rheinland nicht<br />

mehr als 59,4 t / ha eingefahren.<br />

„Der Erfolg hat viele Väter“ sagt ein<br />

Sprichwort. Der enorm hohe Rübenertrag<br />

ist ein Erfolg, den unsere exzellenten<br />

Ackerbauern für sich verbuchen dürfen.<br />

Mit geholfen hat sicherlich eine weiter<br />

gestellte Fruchtfolge, ein gezieltes Management<br />

zur Kontrolle der Rübennematoden,<br />

zu dem auch die Züchter mit beitragen,<br />

ein umfassendes Monitoring der<br />

Blattkrankheiten und viele weitere Bausteine.<br />

Dazu gehört auch die schnelle und<br />

zielorientierte Information über das Inter-<br />

net, www.liz-online.de wird täglich mehr<br />

als tausendmal aufgerufen.<br />

Unvergesslich wird das Jahr 2011 für<br />

Pfeifer & Langen auch deshalb, weil wir<br />

in unseren eigenen Untersuchungen feststellen<br />

mussten, dass in einigen Partien<br />

unserer Futtermittel in den Werken Euskirchen<br />

und Könnern der Grenzwert von<br />

Dioxin überschritten wurde. Nachdem<br />

die Ursache gefunden und das Produktionsverfahren<br />

geändert wurde, waren<br />

die Werte wieder unterhalb des Grenzwertes.<br />

Von den Behörden wurde unsere<br />

offene und konstruktive Zusammenarbeit<br />

betont und auch wir sind dankbar, dass<br />

die handelnden Personen in den Ämtern,<br />

aber auch unsere Kunden, sehr zur Versachlichung<br />

dieses brisanten Themas beigetragen<br />

haben.<br />

Rübe im Wettbewerb<br />

Die Königin der Feldfrüchte hatte es in<br />

den letzten Jahren schwer, sich immer<br />

gegen die alternativen Kulturen zu behaupten.<br />

In 2011 dürfte sie jedoch wieder<br />

unangefochten an der Spitze liegen, weil<br />

Rekordertrag und eine gute Bezahlung<br />

zusammenkommen. Das ist bei vielen<br />

Kulturen anders: Wenn gut geerntet wurde,<br />

sind die Erlöse meist niedrig. Kartoffelanbauer<br />

können davon ein Lied singen.<br />

Unser Unternehmen hat für das Jahr<br />

2012 gute Kontrakte gemacht und daher<br />

haben wir uns mit dem Rheinischen<br />

Rübenbauer-Verband darauf verständigt,<br />

bereits für die Quotenrüben 2011 mehr<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

als den Quotenpreis zu zahlen. Und auch<br />

für die Ernte 2012 wird es einen deutlichen<br />

Zuschlag auf den Quotenrübenpreis<br />

geben.<br />

Es zeigt sich in diesem Jahr, dass es<br />

richtig war, auch in Zeiten, in denen der<br />

Deckungsbeitrag der Zuckerrübe nur mit<br />

anderen Kulturen gleichauf lag, bei der<br />

Rübe zu bleiben. Jetzt zahlt es sich aus.<br />

Die Rübe wird auch in Zukunft das stabile<br />

Element rheinischer Betriebe bleiben.<br />

Dies zeigt sich am großen Interesse an<br />

Verträgen für zusätzlichen Rübenanbau<br />

für Industrierüben oder Zusatzrüben zum<br />

Quotenpreis, die in voller Höhe gezeichnet<br />

wurden.<br />

lange kampagne<br />

Nach der Kampagne 2010 / 11 haben wir<br />

uns in den Fabriken einiges an Missstimmung<br />

anhören müssen. Das ist verständlich<br />

nach zwei Wintern, wie wir sie alle<br />

schon lange nicht mehr gekannt haben,<br />

und den damit verbundenen Schwierigkeiten<br />

beim Transport. Das wird aber<br />

(hoffentlich) nicht die Regel werden. Kritisiert<br />

wird auch, warum sich die Fabriken<br />

nicht mehr Rüben auf den Hof legen. Die<br />

Erklärung ist einfach: weil mehr nicht<br />

geht. Und selbst wenn es uns gelingen<br />

würde, noch 30 000 t in irgendeine Ecke<br />

zu packen: Das reicht in Euskirchen für<br />

drei Tage, in Jülich nur für zwei. Also<br />

nichts, womit man lange Kampagnen<br />

wesentlich verkürzen könnte.<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 3


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

Termine rund um die Rübe<br />

Termin uhrzeit ort / Veranstaltung<br />

27. Januar 9.00 Uhr Kruft, Vulkanhalle, Pfeifer & Langen<br />

Euskirchen, Rheinischer<br />

Rübenbauer-Verband,<br />

DLR Westerwald-Osteifel<br />

27. Januar 13.30 Uhr Stadthalle Heinsberg, Pfeifer &<br />

Langen Jülich, VLF Heinsberg,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

30. Januar 13.30 Uhr Wesel, Niederrhein-Halle,<br />

Pfeifer & Langen Appeldorn,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

2. Februar 13.30 Uhr Korschenbroich-Pesch,<br />

Haus Schellen, Pfeifer & Langen<br />

Jülich und Appeldorn, VLF Neuss-<br />

Mönchengladbach, Rheinischer<br />

Rübenbauer-Verband<br />

3. Februar 9.00 Uhr Zuckerfabrik Jülich, Kantine,<br />

Pfeifer & Langen Jülich,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

6. Februar 10.00 Uhr Köln-Auweiler, Landwirtschaftskammer<br />

NRW, Pfeifer & Langen<br />

Euskirchen, Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

6. Februar 13.30 Uhr Kalkar-Appeldorn, Op den Huck-<br />

Janssen, Pfeifer & Langen<br />

Appeldorn, Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

7. Februar 10.00 Uhr Vettweiß, Bürgerbegegnungsstätte,<br />

Pfeifer & Langen Euskirchen,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband,<br />

Landwirtschaftskammer NRW<br />

7. Februar 13.30 Uhr Tönisvorst-Vorst, Haus Vorst,<br />

Pfeifer & Langen Appeldorn,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

8. Februar 10.00 Uhr Rhede-Vardingholt, Haus Stockhorst,<br />

Pfeifer & Langen Appeldorn,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

8. Februar 15.00 Uhr Ranzel, Hotel zur Krone,<br />

Pfeifer & Langen Euskirchen,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

9. Februar 9.00 Uhr Palmersheim 1, Dorfgemeinschaftshaus,<br />

Pfeifer & Langen Euskirchen,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

9. Februar 14.00 Uhr Palmersheim 2, Dorfgemeinschaftshaus,<br />

Pfeifer & Langen Euskirchen,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

10. Februar 10.00 Uhr Baesweiler, Alte Schmiede,<br />

Pfeifer & Langen Jülich,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband,<br />

Landwirtschaftskammer NRW<br />

13. Februar 9.30 Uhr Ratingen, Scheune Bergermann,<br />

Pfeifer & Langen Appeldorn,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

14. Februar 13.30 Uhr Geldern-Hartefeld, Alte Schmiede,<br />

Pfeifer & Langen Appeldorn,<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Bis Anfang Dezember<br />

ist die Kampagne<br />

2011 unter<br />

traumhaften Bedingungen<br />

verlaufen. Und da<br />

jetzt wohl alle Rüben gerodet<br />

sind, sollten auch die Verladung<br />

und der Transport hoffentlich<br />

keine allzu großen Probleme<br />

mehr machen. Denn trocken und frostfrei<br />

gerodete Rüben lassen sich gut lagern,<br />

verladen und verarbeiten. Aber<br />

noch ist die Kampagne nicht zu Ende. Sie<br />

wird mit über 130 Tagen die längste Kampagne<br />

werden, die im Rheinland jemals<br />

gefahren wurde. (Wenn wir davon absehen,<br />

dass die Kampagne 1901 / 02 vom<br />

20. September bis zum 15. Februar dauerte.<br />

Aber daran kann sich niemand von<br />

uns erinnern.) Hoffen wir, dass Wetter<br />

und Technik weiter mitspielen und alle an<br />

dem Weg vom Feld bis ins Zuckersilo Beteiligten<br />

weiter mit dem hohen Engagement<br />

bei der Sache sind, das sie bisher<br />

schon bewiesen haben.<br />

ohne Marktordnung geht es nicht<br />

Alle ackerbaulichen Maßnahmen sind nur<br />

Makulatur, wenn die politischen Rahmenbedingungen<br />

nicht stimmen. Wir erleben<br />

dies gerade bei der Diskussion um die<br />

GAP-Reform. Angesichts der Notwendigkeit,<br />

ausreichend Nahrungsmittel für eine<br />

wachsende Weltbevölkerung bereitzustellen,<br />

ist der Vorschlag, 7 % der Ackerfläche<br />

aus der Produktion zu nehmen, wenig<br />

verständlich. Und spätestens, wenn bei<br />

der Diskussion um die Zuckermarktordnung<br />

mit einer Studie argumentiert wird,<br />

dass bei sinkenden Erträgen und sinkenden<br />

Preisen der Anbau von Zuckerrüben<br />

ausgedehnt werden würde, fragt man<br />

sich, wer denn da wie gerechnet hat. Klar<br />

dürfte sein, dass an einer Verlängerung<br />

der Zuckermarktordnung kein Weg vorbeiführt.<br />

In einem Europa ohne Zuckermarktordnung<br />

würden die Schwankungen<br />

des Weltmarktes in vollem Umfange<br />

durchschlagen. Dies gilt sowohl für den<br />

Preis als auch für die Mengenverfügbarkeit.<br />

Daher hat auch das Europäische Parlament<br />

bereits im Juni 2011 die Fortsetzung<br />

des zuckerpolitischen Instrumenta-<br />

Mitgliederversammlung RRV<br />

Die Mitgliederversammlung des Rheinischen Rübenbauer-<br />

Verbandes e.V. findet am Mittwoch, dem 1. Februar 2012,<br />

um 13.30 Uhr in Bergheim statt. Auf dem Programm stehen<br />

zwei Vorträge: Gerd Sonnleitner, Präsident des Europäischen<br />

und Deutschen Bauernverbandes, spricht zum<br />

Thema „EU-Agrarpolitik bis 2020 und Perspektiven für<br />

die rheinische Rübenbauregion“. Außerdem erläutert<br />

Henning Koch von der August Töpfer & Co. (GmbH<br />

& Co.) KG Entwicklungen und Tendenzen an den<br />

internationalen Zuckermärkten.<br />

Die Mitgliederversammlung findet statt<br />

in der Medio.Rhein.Erft, Konrad-Adenauer-Platz<br />

1, ehemals Bethlehemer<br />

Straße in Bergheim.<br />

riums bis<br />

mindestens<br />

2020 gefordert. Und<br />

außerdem ist es noch nicht mal<br />

ein Jahr her, dass wir die Restrukturierung<br />

unserer Werke mit dem Abriss des letzten<br />

Zuckersilos in Elsdorf beendet haben. Um<br />

langfristige Entscheidungen treffen zu<br />

können, benötigen Landwirte und Zuckerfabriken<br />

einen Planungshorizont von<br />

mehr als nur fünf oder sechs Jahren. Das<br />

ist ja weniger als der Abschreibungszeitraum<br />

unserer Maschinen!<br />

Ausblick<br />

Der europäische Zuckermarkt wird auch<br />

in den nächsten Monaten angespannt<br />

bleiben. Steigende oder fallende Weltmarktpreise<br />

haben darauf nur einen geringen<br />

Einfluss. Für knappe Güter kann<br />

meist auch ein guter Preis erzielt werden,<br />

den wir im Rahmen unser Vereinbarungen<br />

mit den Rübenanbauer-Verbänden<br />

auch an die Anbauer weitergeben. Somit<br />

gehen wir derzeit sowohl von einem höheren<br />

Quotenrübenpreis als auch einem<br />

interessanten Industrierüben-Preis aus.<br />

Für 2012 gilt wie bisher, dass für Überschussrüben<br />

mindestens der Preis wie für<br />

Vortragsrüben bezahlt wird. Wenn es<br />

machbar ist und der Markt es hergibt,<br />

auch mehr! Planen Sie deshalb die sichere<br />

Erfüllung aller Vertragsrüben (Quoten-<br />

und Industrierüben). Nehmen Sie zum<br />

Maßstab den Durchschnitt der letzten<br />

fünf Jahre. Denn 2011 wird wahrscheinlich<br />

ein Jahr sein, an das wir uns noch lange<br />

erinnern werden.<br />

Dr. Botho von Schwarzkopf<br />

Pfeifer & langen<br />

4 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

Das Prinzip des Referenzpreises für Zucker<br />

will man beibehalten und ebenso die<br />

private Lagerhaltung. Ein Markteingriff<br />

soll aber erst erfolgen, wenn der Marktpreis<br />

um mehr als 15 % unter den Referenzpreis<br />

sinkt. Die Kommission strebt<br />

an, mit der Aufgabe von Kernelementen<br />

des bisherigen Regelwerks eine Verwaltungsvereinfachung<br />

herbeizuführen und<br />

wieder eine unbeschränkte Exportfähigkeit<br />

zu erlangen. Auf den ersten Blick wäre<br />

die Möglichkeit unbegrenzter Exporte<br />

ein interessanter Gedanke. Das Gesamtpaket<br />

des Vorschlags trägt jedoch bei genauerem<br />

Hinsehen eher anbaugefährdende<br />

Elemente in sich.<br />

Das Argument der EU-Kommission,<br />

die zusätzlichen Exportmöglichkeiten ließen<br />

eine Anbauausdehnung erwarten,<br />

stößt zunächst schnell an Praktikabilitätsgrenzen.<br />

In vielen europäischen Anbauregionen,<br />

wie im Rheinland, sind die<br />

nach der Restrukturierung verbliebenen<br />

Zuckerfabriken bis zum Anschlag ausgelastet.<br />

In Großbritannien, den Niederlanden,<br />

Deutschland oder Polen besteht<br />

kaum noch Potenzial für eine Anbau-<br />

oder Kampagneausdehnung bei Kampagnelängen<br />

bis Ende Januar beziehungs-<br />

weise in Großbritannien bis Mitte März.<br />

Hier könnte nur der Neubau von Zuckerfabriken<br />

oder der massive Ausbau vorhandener<br />

Kapazitäten Potenziale schaffen.<br />

Beides ist aber wenig wahrscheinlich.<br />

Und eine weitere Kampagneverlängerung<br />

findet bei den hiesigen Anbauern keine<br />

Akzeptanz.<br />

Schwankende Preise auf dem<br />

Weltmarkt<br />

Liegt zudem der Weltmarktpreis wie häufig<br />

in den vergangenen Monaten über<br />

dem EU-Binnenmarktpreis, sind die Vorgaben<br />

für eine Exportbeschränkung prinzipiell<br />

bereits heute nicht mehr gegeben.<br />

Unter diesen Bedingungen könnte man<br />

schon jetzt mehr Zucker exportieren als<br />

die WTO-konformen 1,37 Mio. t. Mit dieser<br />

Begründung ließ die EU-Kommission<br />

im Frühjahr 2010 auch folgerichtig zusätzliche<br />

Zuckerexporte aus der EU zu.<br />

Sinkt der Zuckerweltmarktpreis aber irgendwann<br />

wieder und wäre man auf Exporte<br />

angewiesen, bestünde die Gefahr,<br />

dass man Zucker auf dem Weltmarkt nur<br />

noch zu Niedrigpreisen absetzen kann,<br />

was auch entsprechend niedrige Rübenpreise<br />

bedeuten würde. Die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Rübenanbaus im Vergleich<br />

zu anderen Ackerfrüchten ist jedoch<br />

schon unter den gegenwärtigen Bedingungen<br />

grenzwertig. Bei noch ungünstigeren<br />

Bedingungen dürften wohl<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Verlängerung der Marktordnung<br />

ohne echte Alternative<br />

Kommissionsvorschlag sorgt in der Branche für Unverständnis<br />

Am 12. oktober veröffentlichte die Eu-kommission ihre Vorschläge<br />

zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. In diesem<br />

Rahmen stellte sie auch ihre Überlegungen zur künftigen europäischen<br />

Zuckerpolitik vor. Danach plant die kommission, die<br />

Zuckerquoten und in Verbindung damit auch die Rübenmindestpreisregelung<br />

auslaufen zu lassen.<br />

Am 14. November traf das Präsidium der Vereinigung der Europäischen Rübenanbauer (cIBE) den amtierenden Vorsitzenden<br />

des Agrarministerrates, den polnischen landwirtschaftsminister Marek Sawicki, und erläuterte noch einmal die<br />

Position der Rübenanbauer zur künftigen Eu-Zuckerpolitik. Minister Sawicki erklärte, dass er selbst und Polen die<br />

cIBE-Forderung nach einer Verlängerung der aktuellen Regelung mit einer Mengenregelung über Quoten und einem<br />

Rübenmindestpreis unterstütze. (V.l.n.r.): Elisabeth lacoste, General sekretärin der cIBE, Vizepräsident Eric lainé,<br />

cIBE-Präsident Jorn Dalby, Jos van campen und Vizepräsident Bernhard conzen in Brüssel. Foto: cIBE<br />

Die Zuckerfabriken sind nach der Restrukturierung<br />

in vielen Regionen bis zum Anschlag ausgelastet.<br />

Foto: Natascha kreuzer<br />

nur die wenigsten Zuckerrübenanbauer<br />

bereit sein, Rüben anbauen.<br />

Ertrags- und Preisrückgang gleich<br />

Anbauausdehnung?<br />

In ihren Überlegungen zur Neuregelung<br />

des Zuckersektors geht die EU-Kommission<br />

dennoch von einer Anbauausdehnung<br />

aus, wenn Quoten und Rübenmindestpreis<br />

fallen. Aus ihrer eigens zur Bewertung<br />

unterschiedlicher Szenarien für die<br />

Zukunft des EU-Zuckersektors durchgeführten<br />

Folgenabschätzung (Impact Assessment)<br />

geht hervor, dass man für das<br />

Jahr 2020 gegenüber 2010 von leicht sinkenden<br />

Erträgen und deutlich sinkenden<br />

Preisen von minus 20 % gegenüber<br />

2009 / 10 ausgehen müsse. Wie man daraus<br />

folgern kann, dass beispielsweise in<br />

Deutschland und dem Rheinland der Rübenanbau<br />

ausgedehnt werde, ist wenig<br />

nachvollziehbar. Wie der Rheinische Rübenbauer-Verband<br />

sehen auch viele andere<br />

Verbände den Rübenanbau in ihren<br />

jeweiligen Anbaugebieten bei einer Umsetzung<br />

der Kommissionspläne als gefährdet<br />

an. Angesichts der Attraktivität<br />

anderer Feldfrüchte würde sich der Rübenanbau<br />

nur noch schwer rechnen.<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 5


A k T u E l l E S P o l I T I k M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Kernforderungen der<br />

deutschen Zuckerwirtschaft<br />

■ Fortsetzung der Zuckermarktordnung bis mindestens<br />

2020<br />

■ Abgestimmte Import- und Handelspolitik, einschließlich<br />

eines ausreichenden Außenschutzes<br />

■ Fortsetzung des Mengenmanagements mit nationalen<br />

Quoten<br />

■ Beibehaltung des Rübenmindestpreises<br />

■ Erhalt der Branchenvereinbarungen<br />

■ Keine Beschränkung der Exporte<br />

■ Abschaffung der Produktionsabgabe<br />

■ Beibehaltung des Preisberichterstattungssystems<br />

■ Freigabe von Nichtquotenzucker auf Basis eines klar definierten<br />

Auslösemechanismus im Falle des Ausfalls von<br />

Importen<br />

■ Beibehaltung der Marktrücknahme und Einbeziehung der<br />

Importe in diesen Mechanismus<br />

WVZ<br />

Des Weiteren bestünde die Gefahr,<br />

dass bei einem Verlust der Quotenregelung<br />

Teile des Rübenzucker- und Saccharosemarktes<br />

an den Isoglukosebereich<br />

abgegeben würden und damit dem Rübenanbau<br />

verloren gingen. Experten halten<br />

hier mehrere Millionen Tonnen Zucker<br />

Diese Verlangsamung der Expansion ging<br />

einher mit einem Anstieg der Weltmarktpreise<br />

für Zucker und Ethanol, die 2011<br />

ihren Höhepunkt erreichten. Der Preisanstieg<br />

wurde auch durch eine unterdurchschnittliche<br />

Ernte im Hauptanbaugebiet<br />

Brasiliens verursacht. Dies hatte mehrere<br />

Gründe:<br />

■ Die Trockenheit 2010 hatte Auswirkungen<br />

auf das Wachstum des Zuckerrohrs<br />

auch 2011.<br />

für denkbar. Isoglukose wird unter anderem<br />

aus Mais gewonnen. Wie dieser Vorschlag,<br />

der zu Lasten der Fruchtfolgekultur<br />

Zuckerrüben ginge, in das Greening-<br />

Konzept der Kommission passt, ist nicht<br />

nachvollziehbar.<br />

Bleiben noch die Auswirkungen auf<br />

den Markt. Das bestehende Regelwerk<br />

mit Quoten und Mindestpreis hat unzweifelhaft<br />

gerade in den letzten Jahren<br />

bewiesen, dass es extreme Preis- und Angebotsausschläge<br />

bei Zucker abpuffern<br />

kann, zum Wohle der Verbraucher und<br />

auch der Erzeuger. Dieses stabilisierende<br />

Element will man nun opfern, obwohl<br />

doch die nachhaltige Sicherung der Nahrungsmittelversorgung<br />

der EU-Bürger<br />

ganz weit oben auf der Agenda der EU-<br />

Kommission steht.<br />

Nicht ohne Grund repräsentiert daher<br />

die Liste derjenigen, die gegen die Kommissionspläne<br />

sind, bedeutende Institutionen<br />

und Interessengruppen. So fordert<br />

neben der EU-Zuckerwirtschaft das Europäische<br />

Parlament, die bestehende Zuckermarktordnung<br />

bis mindestens 2020<br />

Brasilien am Scheideweg<br />

Zucker oder Ethanol – das ist die Frage<br />

Wegen der hervorragenden klimatischen Bedingungen und<br />

der großen landreserven für den Zuckerrohranbau hat die<br />

Welt darauf vertraut, dass der Zuwachs an Zucker und Ethanol,<br />

der für den stetig steigenden Verbrauch benötigt wird, aus<br />

Brasilien kommen wird. Die Expansion der letzten Jahre, die<br />

sich in einer ständig steigenden Anzahl neuer Zuckermühlen<br />

zeigte, scheint derzeit ins Stocken geraten zu sein. In der kampagne<br />

2011 / 12 gingen nur noch fünf neue Mühlen in die Produktion.<br />

■ Die Neuanpflanzungen von Zuckerrohr<br />

wurden aufgrund finanzieller Probleme<br />

um ein Jahr verschoben. Zuckerrohr<br />

ist mehrjährig und wird meist<br />

nach vier bis fünf Jahren der Nutzung<br />

neu gepflanzt.<br />

■ Diese Verschiebung der Neuanpflanzungen<br />

führte zu niedrigeren Erträgen,<br />

Zuckergehalten und schlechterer<br />

Ausbeute.<br />

Brasilien – Weltmarktführer beim<br />

Export<br />

Mehr als 50 % des weltweit exportierten<br />

Zuckers stammt aus Brasilien (siehe Grafik<br />

2). Dies wird sich auch in Zukunft nicht<br />

ändern, denn Länder wie Indien, Thailand<br />

oder Australien exportieren zwar Zucker,<br />

jedoch ist dieser Überschuss von Jahr zu<br />

fortzusetzen. Auch die am wenigsten entwickelten<br />

Länder der Erde, die LDC, und<br />

die Staaten des Afrikanisch-Karibisch-Pazifischen<br />

Raums (AKP-Staaten) sehen ihre<br />

Präferenzen durch die Kommissionsüberlegungen<br />

gefährdet und kämpfen dagegen.<br />

Schließlich stehen auch der Deutsche<br />

und Europäische Bauernverband uneingeschränkt<br />

an der Seite der Rübenanbauer.<br />

Es muss das Ziel der kommenden<br />

Monate sein, mit den vorhandenen guten<br />

Argumenten Überzeugungsarbeit in<br />

Brüssel für das bestehende System zu<br />

leisten. Denn nur mit dessen Fortführung<br />

kann die EU-Kommission ihre Ziele für die<br />

Gemeinsame Agrarpolitik bezogen auf<br />

Zucker realisieren:<br />

■ Nachhaltige Versorgungssicherheit<br />

der EU-Bevölkerung,<br />

■ Stabilisierung der bäuerlichen Einkünfte<br />

und<br />

■ umweltverträgliche Erzeugung und<br />

gesunde Fruchtfolgen.<br />

Dr. Peter kasten<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband e.V.<br />

Jahr schwankend und macht nur einige<br />

wenige Millionen Tonnen aus. So war beispielsweise<br />

Indien in der vergangenen<br />

Kampagne noch Zuckerimporteur. Auch<br />

beim Ethanol spielt Brasilien die Hauptrolle.<br />

Allerdings wird der weitaus größte<br />

Teil in Brasilien selbst verbraucht, da Brasilien<br />

sich von ausländischem Rohöl unabhängig<br />

machen will und die Regierung<br />

daher den Verbrauch von Ethanol auf vielerlei<br />

Weise unterstützt. 2011 fuhr bereits<br />

jedes zweite Fahrzeug mit Ethanol oder<br />

Gemischen, nur noch 50 % mit reinem<br />

Benzin.<br />

Die Expansion stößt jedoch auch an<br />

andere Grenzen. Das Lohnniveau in Brasilien<br />

ist aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen<br />

Lage des Landes gestiegen,<br />

die Preise für Stahl und andere Metalle,<br />

zum Beispiel Kupfer für Elektrokabel, die<br />

zur Errichtung neuer Fabriken notwendig<br />

6 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R<br />

sind, sind deutlich teurer geworden, der<br />

Zugang zu Krediten ist nicht mehr so einfach<br />

wie vor der Finanzkrise 2008 und die<br />

Zahl der ausländischen Investoren hat<br />

abgenommen. Und auch die Betriebsmittel<br />

für den Anbau von Zuckerrohr, vor allem<br />

Dünger, sind deutlich teurer geworden,<br />

sodass der Vorteil der niedrigen Produktionskosten<br />

für Zucker aus Brasilien<br />

immer geringer wird.<br />

Ein weiterer Grund für die langsamere<br />

Expansion ist die Gesetzgebung. War der<br />

Zugang zu Land bis vor wenigen Jahren<br />

noch relativ unkompliziert, so schaut die<br />

Welt und deren Nichtregierungsorganisationen<br />

heute mehr auf die Umwidmung<br />

von Savanne und Regenwald, auch wenn<br />

Letzterer nicht für das Wachstum von Zuckerrohr<br />

infrage kommt. Für die Zuckerunternehmen<br />

ist Kauf oder Pacht von<br />

Land durch neue Gesetze erschwert worden.<br />

Der Schutz der Umwelt wird auch insofern<br />

ernster genommen, als bis zum<br />

Jahr 2017 das Abbrennen der Zuckerrohrfelder<br />

zur Ernteerleichterung verboten<br />

sein wird. Die bisher übliche Handarbeit<br />

wird wohl vollständig durch die maschinelle<br />

Ernte ersetzt.<br />

Zwickmühle Ethanol<br />

Aufgrund der geringeren Zuckerrohrernte<br />

gerieten die brasilianische Regierung und<br />

die Zuckerrohrindustrie in eine Zwickmühle:<br />

Der steigende Verbrauch zwingt<br />

dazu, einen bestimmten Anteil des Rohstoffes<br />

in die Ethanolproduktion zu schicken.<br />

Aufgrund der Rohstoffknappheit<br />

wurde die Zumischung von Ethanol zum<br />

Benzin zum 1. Oktober 2011 von 25 auf<br />

20 % gesenkt, gleichzeitig hat Brasilien<br />

vor Kurzem den Import von 1 Mrd. l Etha-<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

nol bekannt gegeben. In den Boom-Jahren<br />

des Ethanols hat die brasilianische Öl-<br />

Gesellschaft Petrobras mit dem japanischen<br />

Konzern Mitsui eine Gesellschaft<br />

gegründet, die den Bau einer Ethanol-<br />

Pipeline finanziert, die Ende dieses Jahres<br />

in Betrieb gehen soll. Diese Kooperation<br />

ist an die Zusage gebunden, Ethanol aus<br />

Brasilien nach Japan zu liefern.<br />

Um den steigenden Verbrauch von Zucker<br />

weltweit zu decken, wäre ein zusätzlicher<br />

Export von Zucker von 2,0 bis 2,5<br />

Mio. t jährlich notwendig. Sollte Brasilien<br />

als Hauptexporteur dies nicht leisten<br />

können, könnten Indien oder Thailand<br />

einspringen. Motivation für diesen zusätzlichen<br />

Anbau müssten hohe Zuckerpreise<br />

sein. Würde auch eines dieser Länder<br />

teil- oder zeitweise ausfallen, hätte<br />

dies weitreichende Konsequenzen für<br />

den Zuckerpreis.<br />

Was bedeutet dies alles für Europa?<br />

Die EU hat sich mit der 2006 reformierten<br />

Zuckermarktordnung verpflichtet, den<br />

am wenigsten entwickelten Ländern<br />

(LDC) einen Marktzugang zu verschaffen.<br />

Damit ist die EU vom Exporteur zum Importeur<br />

geworden. Aufgrund des hohen<br />

Weltmarktpreises sind die erwarteten<br />

Importe aus den LDC aber weitestgehend<br />

ausgeblieben. Die EU-Kommission hat<br />

kurzfristig mit der Umwidmung einer begrenzten<br />

Menge von Nicht-Quotenzucker<br />

zu Quotenzucker reagiert. Trotzdem kam<br />

es zu Engpässen in der Versorgung. Das<br />

EU-Parlament spricht sich derzeit für eine<br />

Verlängerung der bestehenden Zuckermarktordnung<br />

bis mindestens 2020 aus,<br />

die Kommission will sie bereits 2015 aus-<br />

Grafik 1: Neue Zuckermühlen in Brasilien<br />

2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12*<br />

*Prognose Quelle: UNICA 2011<br />

laufen lassen. Bleibt zu hoffen, dass die<br />

Politik eine kluge Entscheidung trifft, die<br />

eine verlässliche und planbare Versorgung<br />

des Verbrauchers mit qualitativ<br />

hochwertigem Zucker zu moderaten Preisen<br />

garantiert.<br />

Dr. Willi kremer-Schillings<br />

Pfeifer & langen Jülich<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 7<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Grafik 2: Zuckerrohrproduktion in Brasilien 1999 bis 2012<br />

(geschätzt)<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

1999/2000<br />

2000/2001<br />

2001/2002<br />

2002/2003<br />

*Schätzung, **Prognose<br />

Die handernte von Zuckerrohr wird in Brasilien<br />

völlig verschwinden, weil bis 2017 das Abbrennen<br />

der Zuckerrohrfelder zur Ernteerleicherung<br />

verboten werden wird. Dann wird es nur noch<br />

eine maschinelle Ernte geben.<br />

Foto: landpixel<br />

2003/2004<br />

2004/2005<br />

2005/2006<br />

2006/2007<br />

2007/2008<br />

2008/2009<br />

2009/2010<br />

2010/2011*<br />

2011/2012**<br />

Quelle: UNICA, Datagro, Rabobank 2011


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

Im Spektrum der als Biogassubstrat angebauten kulturpflanzen<br />

dominiert bisher der Mais. Sowohl aus rechtlichen als auch<br />

aus pflanzenbaulichen und wirtschaftlichen Gründen prüft<br />

man allerdings in steigendem Maße Alternativen zum Mais.<br />

Dabei kommt der Rübe offensichtlich eine besondere Rolle zu.<br />

In Grundlagenversuchen und ersten Praxiseinsätzen bewährte<br />

sie sich als Substratkultur. Eine breitere Einsatzsicherheit und<br />

Akzeptanz sind aber nur durch ein vertiefendes Wissen rund<br />

um den Einsatz von Rüben in Biogasanlagen zu gewährleisten.<br />

Gleichzeitig gilt es, den Einsatz von Rüben im Vergleich zur<br />

hauptsubstratkultur Mais zu beurteilen. Für die landwirtschaftliche<br />

Praxis stellen sich aktuell folgende Fragen:<br />

■ Wie stellt sich für Biogasanlagen der<br />

Einsatz von Rüben im Vergleich zum<br />

Mais dar?<br />

■ Welcher Gasertrag ist mit dem Rübenanbau<br />

im Vergleich zum Maisanbau<br />

zu erzielen, insbesondere auf<br />

Standorten, die für den Maisanbau<br />

grenzwertig sind, wie Sandböden oder<br />

Höhenlagen?<br />

■ Welche Lagerungs- und Aufbereitungstechnik<br />

ist für Rüben am besten<br />

geeignet und wie hoch sind die Lagerverluste?<br />

Diese Fragen werden in den kommenden<br />

zwei Jahren in einem Forschungsprojekt<br />

beantwortet, das der Rheinische Rübenbauer-Verband<br />

durchführt. Es wird<br />

„Die Bedeutung der klimafreundlichenErzeugung<br />

von Bioenergie hat<br />

in Deutschland erheblich<br />

zugenommen. Dabei<br />

spielt die Biogasproduktion<br />

eine zunehmend<br />

wichtige Rolle. Mittlerweile<br />

sind in Deutschland<br />

rund 6 000 Biogas-<br />

Johannes Remmel<br />

anlagen auf landwirtschaftlichen<br />

Betrieben entstanden. In NRW<br />

geht man davon aus, dass bis Ende 2011 voraussichtlich<br />

etwa 500 Biogasanlagen mit einer<br />

installierten elektrischen Gesamtleistung von<br />

200 MW in Betrieb sein werden.<br />

Vornehmlich werden nachwachsende Rohstoffe<br />

in den Biogasanlagen vergoren, wobei 98 % aller<br />

landwirtschaftlichen Anlagen in NRW Mais<br />

einsetzen. Rüben werden bislang nur in Einzelfällen<br />

als Biogassubstrat verwendet. Diese ein-<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Rüben genauso gut wie Mais?<br />

NRW-Landwirtschaftsministerium fördert RRV-Forschungsprojekt zu Biogasrüben<br />

vom nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium<br />

gefördert.<br />

Um zunächst das Ertragsniveau von<br />

Rüben im Vergleich zu Mais sowohl auf<br />

Gunststandorten als auch auf Grenzstandorten<br />

beurteilen zu können, sollen<br />

auf entsprechenden Standorten Anbauversuche<br />

mit Rüben und Mais durchgeführt<br />

werden. Die erzielten Masse- und<br />

Gaserträge bei Rüben werden mit dem<br />

parallel angebauten Mais verglichen und<br />

daraus Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit<br />

des Anbaus und des Sub strats<br />

gezogen.<br />

lagerung und Aufbereitung<br />

Neben Sortenversuchen mit geeigneten<br />

Rüben- und Maissorten an den beschriebenen<br />

Standorten werden Lagerungsversuche<br />

durchgeführt. Dabei werden drei<br />

Aufbereitungs- und Lagerungsvarianten<br />

miteinander verglichen:<br />

■ Lagerung gemuster Rüben in einer Lagune,<br />

■ Silierung ganzer Rübenkörper in einer<br />

Fahrsiloanlage,<br />

■ Lagerung von gebröckelten Rüben mit<br />

CCM oder LKS.<br />

seitige Ausrichtung führt regional zu immer<br />

weiter steigenden Maisanteilen an der Fruchtfolge.<br />

Zunehmende Konflikte mit dem Naturschutz<br />

und abnehmende Akzeptanz in der Bevölkerung<br />

sind die Folge. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />

sieht vor, dass Mais<br />

zukünftig nur noch 60 Masse-Prozent des Gärsubstrates<br />

ausmachen darf. Aufgrund dieser<br />

Entwicklungen hat die Suche nach alternativen<br />

Fruchtarten, die für den Einsatz in Biogasanlagen<br />

geeignet sind und in eine mehrgliedrige<br />

Fruchtfolge integriert werden können, hohe Priorität.<br />

Bisherige Versuche haben gezeigt, dass sich Rüben<br />

grundsätzlich sehr gut für die Verwendung<br />

als Gärsubstrat eignen. Die enormen Ertragsfortschritte<br />

der letzten Jahre und intensive<br />

Zuchtarbeit versprechen für die Zukunft gute<br />

Chancen. Der Rübenanbau ist zudem seit 150<br />

Jahren in NRW heimisch, die Produktionstechnik<br />

ist bekannt und die Mechanisierung vor-<br />

Foto: agrar-press<br />

handen. Vor dem Hintergrund des absehbaren<br />

Auslaufens der Zuckermarktordnung könnte<br />

der Rübenanbau für Biogasanlagen einen wichtigen<br />

Beitrag zur Stabilisierung des Anbaus in<br />

Nordrhein-Westfalen leisten.<br />

Gerne habe ich deshalb den Vorschlag des Rheinischen<br />

Rübenbauer-Verbandes für ein Versuchsprojekt<br />

zum Einsatz von Rüben in Biogasanlagen<br />

angenommen und die erbetene Unterstützung<br />

zur Verfügung gestellt. Hiermit sollen<br />

insbesondere Fragen geklärt werden, die eine<br />

unmittelbare Bedeutung für die landwirtschaftlichen<br />

Betriebe und deren Anbauentscheidung<br />

haben – von der Wirtschaftlichkeit bis zur Lagerungs-<br />

und Aufbereitungstechnik. Den Ergebnissen<br />

sehe ich mit Spannung entgegen.“<br />

Johannes Remmel<br />

Minister für klimaschutz, umwelt, landwirtschaft,<br />

Natur- und Verbraucherschutz des landes<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

8 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

Die Aufbereitungs- und Lagerungsversuche<br />

werden im Landwirtschaftszentrum<br />

Haus Düsse der Landwirtschaftskammer<br />

NRW durchgeführt. Zentrales Ziel des<br />

Projektes ist es, mehr Sicherheit und Klarheit<br />

über den Einsatz von Rüben in Biogasanlagen<br />

zu gewinnen und eine realistische<br />

Bewertung des Rohstoffs Rübe im<br />

Vergleich zu Mais vornehmen zu können.<br />

Dr. Peter kasten<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband e.V.<br />

landwirtschaftliche Produktionsverfahren werden heute auch<br />

in hinsicht auf ihre Energiebilanz beurteilt. hohe Energiegewinne<br />

lassen sich erzielen, wenn zum Anbau möglichst wenig<br />

Energie verbraucht wird und das Erntegut möglichst viel Energie<br />

enthält. Energiebilanzen dienen auch zur umweltbewertung<br />

des Anbauverfahrens und werden zum Vergleich mit anderen<br />

Rohstoffen für die bioenergetische Verwertung genutzt.<br />

Energiebilanzen für Anbauverfahren ermöglichen<br />

eine Bewertung der Energieeffizienz.<br />

Als grundlegende Größen werden<br />

der Energieaufwand für den Anbau und<br />

der Energieertrag des Ernteguts bestimmt:<br />

Daraus lassen sich Netto-Energiegewinn<br />

und Output / Input-Verhältnis<br />

berechnen.<br />

Der Energiegewinn ergibt sich als Differenz<br />

zwischen Energieertrag und Energieaufwand<br />

und beschreibt, wie effizient<br />

die Anbaufläche genutzt wird. Anbauverfahren<br />

sollten einen möglichst hohen<br />

Energiegewinn und einen möglichst hohen<br />

Flächenertrag aufweisen, weil Ackerflächen<br />

nur begrenzt verfügbar sind und<br />

global der Bedarf an Lebensmitteln, Futtermitteln<br />

und Bioenergie steigt.<br />

Das Output / Input-Verhältnis ist das<br />

Verhältnis von Energieertrag zu Energieaufwand<br />

und beschreibt, wie effizient die<br />

eingesetzte Energie genutzt wird. Auch<br />

das Output / Input-Verhältnis sollte möglichst<br />

groß sein, weil die Nutzung fossiler<br />

„Spätestens seit dem Beschluss<br />

der Bundesregierung<br />

zur sogenannten<br />

Energiewende ist Deutschland<br />

gefordert, alle sinnvollen<br />

Potenziale der Bioenergieerzeugung<br />

zu erschließen.<br />

Dies bezieht zweifellos<br />

die Biogaserzeugung<br />

mit ein. Rüben eignen sich<br />

Bernhard conzen<br />

offensichtlich hervorragend<br />

zur Verwertung in Biogasanlagen. Im Hinblick<br />

auf deren optimalen Einsatz sind allerdings<br />

noch zahlreiche Punkte zu klären, insbesondere im<br />

Vergleich zu Mais als Substratkultur. Sie reichen<br />

von der Frage der jeweiligen Standortvorzüglich-<br />

Energien mit Emissionen und der Verknappung<br />

von Ressourcen verbunden ist.<br />

Bisher wurden Energiebilanzen für<br />

den Zuckerrübenanbau vor allem mit Daten<br />

aus Versuchen berechnet.<br />

Energiebilanzen für die<br />

vielfältigen Anbauverfahren<br />

aus der Praxis<br />

sind hingegen kaum<br />

verfügbar und<br />

wurden erstmals<br />

aus Daten einer<br />

Betriebsbefragung<br />

berechnet.<br />

Datengrundlage<br />

109 Betriebe in allen Anbauregionen<br />

Deutschlands wurden<br />

zum Zuckerrübenanbau 2004 befragt.<br />

Für bis zu drei Rübenschläge je Betrieb<br />

– insgesamt 285 Schläge – wurden<br />

alle Anbaumaßnahmen nach Ernte der<br />

Vorfrucht bis einschließlich der Ernte der<br />

Zuckerrüben erfasst. Die Betriebsleiter<br />

machten auch Angaben zu Ertrag und<br />

Qualität der Rüben.<br />

Auf Basis der Befragung wurde der<br />

Aufwand an Saatgut, Grunddünger, N-<br />

Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Kraftstoff<br />

sowie der Aufwand für Herstellung<br />

und Abnutzung der eingesetzten Maschi-<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

keit bis zu Aspekten der Substratlagerung und<br />

-aufbereitung. Mit diesem vom Ministerium geförderten<br />

Forschungsprojekt will der Rheinische Rübenbauer-Verband<br />

die Wissensbasis zum regionalen<br />

Einsatz von Rüben in Biogasanlagen in Kernfragen<br />

so erweitern, dass die Einsatzsicherheit von<br />

Rüben in Biogasanlagen wesentlich vorangebracht<br />

wird. Ich bin überzeugt, dass damit die Bedeutung<br />

der Rübe als Substratkultur für Biogasanlagen in<br />

Nordrhein-Westfalen noch deutlich wachsen<br />

wird.“<br />

Bernhard conzen<br />

Vorsitzender des Rheinischen<br />

Rübenbauer-Verbandes e.V.<br />

Bei der Energiebilanz ganz vorn dabei<br />

Institut für Zuckerrübenforschung untersucht Energieeffizienz der Rübe<br />

nen ermittelt. Alle Aufwendungen wurden<br />

mit Energieäquivalenten energetisch<br />

bewertet, zum Beispiel wurde der Energieaufwand<br />

für Herstellung und Lieferung<br />

von N-Dünger mit 40 MJ je<br />

kg N und damit der Energieaufwand<br />

berechnet.<br />

Für den Energieertrag<br />

wurde der Trockenmasseertrag<br />

aus dem Rübenertragberechnet.<br />

Um unterschiedlicheRübenerträge<br />

und<br />

Zuckergehalte auf<br />

den Schlägen zu berücksichtigen,<br />

wurden<br />

die Rübenerträge auf eine<br />

einheitliche Basis mit 16 % Zuckergehalt<br />

umgerechnet. Der Blattertrag<br />

wurde nicht berücksichtigt. Der Energieertrag<br />

wurde mit dem Brennwert von<br />

17,55 MJ / kg Rüben-Trockenmasse kalkuliert.<br />

Energieaufwand<br />

Der durchschnittliche Energieaufwand<br />

für den Zuckerrübenanbau lag bei 17,3 GJ<br />

je ha. Umgerechnet entspricht das der<br />

Energie von 450 l Heizöl. Da der Zucker-<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 9


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

Durch die steigenden<br />

Rübenerträge der<br />

letzten Jahre haben<br />

sich auch die Energiegewinne<br />

pro hektar<br />

erhöht.<br />

Fotos: heinrich<br />

Reineke<br />

rübenanbau von verschiedenen Landwirten<br />

und an verschiedenen Standorten unterschiedlich<br />

gestaltet wurde, gab es zwischen<br />

den einzelnen Schlägen große Unterschiede<br />

im Energieaufwand von 11 bis<br />

36 GJ / ha. Besonders niedrige Energieaufwendungen<br />

ergaben sich, wenn Zuckerrüben<br />

mit geringer Intensität von Bodenbearbeitung<br />

und N-Düngung angebaut<br />

wurden. Hohe Energieaufwendungen ka-<br />

Grafik 1: Anteile verschiedener Betriebsmittel am<br />

Energieaufwand im Zuckerrübenanbau (Mittel von 285 Schlägen)<br />

Grafik 2: Energiegewinn (A) und output / Input-Verhältnis (B)<br />

im Zuckerrübenanbau in Deutschland 2004, 285 Schläge<br />

Energiegewinn GJ/ha<br />

Grunddünger:<br />

P 2 O 5 , K 2 O, CaO<br />

18 %<br />

Stickstoffdünger<br />

34 %<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

0<br />

A<br />

Maximum<br />

35<br />

30<br />

25<br />

B<br />

Minimum<br />

Saatgut<br />

3 %<br />

Output/Input-Verhältnis<br />

Maschinen<br />

5 %<br />

Pflanzenschutzmittel<br />

8 %<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Kraftstoff<br />

32 %<br />

men bei Zwischenfruchtanbau, intensiver<br />

Bodenbearbeitung, höherer N-Düngung<br />

und Beregnung zustande.<br />

Wie Grafik 1 zeigt, hatten die Aufwendungen<br />

für Kraftstoff, N-Dünger und<br />

Grunddünger die größten Anteile am<br />

Energieaufwand. Diese Betriebsmittel<br />

wurden im Vergleich zu Saatgut und<br />

Pflanzenschutzmitteln in deutlich größeren<br />

Mengen eingesetzt. Zukünftig sind<br />

deutliche Einsparungen beim Energieaufwand<br />

nur durch geringere Aufwendungen<br />

für Kraftstoff und N-Dünger zu erreichen.<br />

Teilweise kann dazu eine verbesserte<br />

Effizienz von Düngerherstellung und<br />

Maschineneinsatz beitragen, aber auch<br />

eine schlagspezifische Anpassung von<br />

N-Düngung und Bodenbearbeitung.<br />

Energiegewinn und output /<br />

Input-Verhältnis<br />

Auf den untersuchten Schlägen wurden<br />

im Durchschnitt Zuckererträge von<br />

11,5 t / ha und Trockenmasseerträge von<br />

15,1 t / ha erreicht. Daraus wurde für den<br />

Zuckerrübenanbau ein Energieertrag von<br />

durchschnittlich 261,7 GJ / ha berechnet.<br />

Der Energiegewinn lag im Mittel der<br />

Untersuchung bei 244,6 GJ / ha und wurde<br />

wesentlich von der Höhe des Energieertrags<br />

bestimmt. Die Schläge unterschieden<br />

sich deutlich in den Erträgen<br />

und daher auch im Energiegewinn, wie<br />

Grafik 2A zeigt.<br />

Im Mittel betrug das Output / Input-<br />

Verhältnis 15,4. Sowohl der Energieertrag<br />

als auch der Energieaufwand des Anbaus<br />

beeinflussen das Output / Input-Verhältnis.<br />

Deshalb ließen sich hohe Output /<br />

Input-Verhältnisse, zum Beispiel durch<br />

mittlere Energieerträge und niedrige<br />

Energieaufwendungen oder durch hohe<br />

Energieerträge und mittlere Energieaufwendungen,<br />

erreichen. Weil sich die<br />

Schläge vielfältig bei Energieaufwand<br />

und Energieertrag unterschieden, war die<br />

Streuung des Output / Input-Verhältnisses<br />

sehr groß, siehe Grafik 2B.<br />

Bei Zuckerrüben sind durch die Steigerung<br />

der Erträge die Energieerträge erhöht<br />

und durch die Verminderung der<br />

Anbauintensität die Energieaufwendungen<br />

vermindert worden. Die berechneten<br />

Energiegewinne und Output / Input-Verhältnisse<br />

waren daher höher als in Untersuchungen<br />

aus den 1970er Jahren mit einem<br />

mittleren Energiegewinn von etwa<br />

160 und einem Output / Input-Verhältnis<br />

von etwa 6. Energiegewinn und Output<br />

/ Input-Verhältnis des Zuckerrübenanbaus<br />

fielen auch höher aus als bei vielen<br />

anderen Feldfrüchten. Im Vergleich werden<br />

beim Anbau von Winterweizen geringere<br />

Energiegewinne von 80 bis 130 GJ / ha<br />

und Output / Input-Verhältnisse von 7 bis<br />

10 erreicht. Der Anbau von Mais ist mit<br />

Energiegewinnen von 200 bis 280 GJ / ha<br />

und Output / Input-Verhältnissen von<br />

13 bis 20 ähnlich effizient wie der Zuckerrübenanbau.<br />

10 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011<br />

Fazit<br />

Zuckerrüben tragen mit hohen Energiegewinnen<br />

und großen Output / Input-Verhältnissen<br />

deutlich positiv zur Energiebilanz<br />

einer Fruchtfolge bei. Die erhebliche<br />

Steigerung von Energiegewinn und Output<br />

/ Input-Verhältnis in den letzten Jahrzehnten<br />

zeigt, wie Rübenanbauer und<br />

vorgelagerte Teile der Wertschöpfungskette<br />

Zucker die Energiebilanz verbessert<br />

haben. Die ausgeprägte Streuung der Ergebnisse<br />

in der Praxis lässt erahnen, dass<br />

sich zukünftig der Energiegewinn und<br />

das Output / Input-Verhältnis des Rübenanbaus<br />

weiter steigern lassen.<br />

heinrich Reineke<br />

Dr. Nicole Stockfisch<br />

Institut für Zuckerrübenforschung<br />

Göttingen


Z u c k E R<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

Die richtige Sorte für das Feld<br />

Sorteneigenschaften gezielt nutzen<br />

Die praktischen Anbauvoraussetzungen für Zuckerrüben können<br />

sehr unterschiedlich sein. Das breite Angebot an Sorteneigenschaften<br />

kommt dem entgegen. Wichtig ist zunächst die<br />

Frage, inwieweit mit der Sortenwahl eine Risikoabsicherung<br />

gegenüber krankheiten und Schädlingen erreicht werden<br />

kann. Erst danach kann die Auswahl anhand der leistungsdaten<br />

von Ertrags- und Qualitätsvergleichen getroffen werden.<br />

2011 beschert wie 2009 Rekorderträge<br />

mit guten inneren Qualitäten. Nach einem<br />

gelungenen frühen Start bei trockenen<br />

Bedingungen überraschte der milde<br />

Sommer besonders auf besseren Böden<br />

mit hohen Zuwachsraten und Spitzenerträgen<br />

im Herbst. Da aber von Jahr zu<br />

Jahr immer wieder mit einem unterschiedlichen<br />

Wachstumsverlauf zu rechnen<br />

ist, werden stets mehrjährige Ergebnisse<br />

für die Sortenbeurteilung herangezogen.<br />

Um auch eine gesicherte Datenbasis<br />

über viele Standorte und beim Krankheits-<br />

und Schädlingsauftreten zu<br />

erhalten, werden die überregionalen Versuche<br />

zugrunde gelegt.<br />

Die Tabellen gliedern sich in die Sortimente<br />

Sortenversuche mit und ohne Rizomaniabefall<br />

(SV-R) mit den im Anbau<br />

Tabelle 1: Schadwirkung von Rübennematoden<br />

Stärkere Schäden möglich<br />

bei …<br />

Befall über 250 Eiern und<br />

Larven / 100 ml<br />

Geringere Schäden möglich<br />

bei …<br />

Befall unter 250 Eier und<br />

Larven / 100 ml Boden<br />

Enge Rübenfruchtfolgen Rüben alle vier Jahre oder weiter<br />

Intensivem Anbau in der Vergangenheit<br />

Keine nematodenbekämpfende<br />

Zwischenfrucht<br />

Geringem Anbau bisher<br />

Intensiver Zwischenfruchtanbau<br />

Warmer, leichter, sandiger Boden Schwerer, feuchter, kalter Boden<br />

Späte Saat, frühe Erwärmung<br />

nach der Saat<br />

Frühe Saat, kühles, feuchtes Frühjahr<br />

Geringe nutzbare Feldkapazität Hohe Wassernachlieferung<br />

Trockene Lagen Feuchte Lagen<br />

Tabelle 2: Welche Spezialsorte beim Auftreten von…?<br />

Rhizoctonia Zystennematoden<br />

Premiere Pauletta<br />

Kühn<br />

Rübenkopfälchen<br />

Syncro,<br />

Premiere<br />

Nauta Adrianna KWS Beretta<br />

Mattea KWS 1) Kristallina KWS 1)<br />

1) zur Probe<br />

Hella<br />

Kepler 1)<br />

beiden Nematodenarten<br />

Nemata<br />

befindlichen Sorten und den SSV-R einschließlich<br />

toleranter und resistenter Spezialsorten<br />

auf Standorten ohne speziellen<br />

Schädlings- oder Krankheitsdruck. Gegenüber<br />

2010 haben im SV-R die Sorten Budera,<br />

Eleonora KWS, Felicita, Klarina, Lessing<br />

und Ruveta das Sortiment verlassen.<br />

Neu hinzugekommen sind die Sorten Arnold,<br />

Adrianna KWS, Belladonna KWS, Isabella<br />

KWS, Ludwina KWS und SY Belana.<br />

Die dreizehn 2011 zugelassenen Sorten<br />

Annika KWS, Artus, Birtha KWS, Britta,<br />

Elaina KWS, Haydn, Julius, Kepler und<br />

Kristallina KWS (beide nematodentolerant),<br />

Mattea KWS und Taifun (beide rhizoctoniatolerant),<br />

Sandra KWS und SY Securita<br />

werden im Sortiment LNS (Leistungsprüfung<br />

Neuer Sorten) an den<br />

Wertprüfungs-Standorten ohne speziellen<br />

Krankheits- und Schädlingsdruck geprüft.<br />

Weitere Sortimente bilden der Sortenversuch<br />

mit nematodentoleranten<br />

Sorten unter Nematodenbefall (SVN) sowie<br />

der Sortenversuch mit rhizoctoniatoleranten<br />

Sorten unter Rhizoctoniabefall<br />

(SV Rh). Auf Befallsflächen mit Rübenkopfälchen<br />

werden neue Sorten hinsichtlich<br />

ihrer Toleranzeigenschaften gegenüber<br />

diesem Erreger beobachtet.<br />

Gesunde Rüben haben Priorität<br />

Immer wieder bereiten im Herbst verdorbene<br />

Rüben Probleme bei der Lagerung<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

und Verarbeitung in der Zuckerfabrik. Die<br />

Ursachen können sehr unterschiedlich<br />

sein. Vielfach ist die Späte Rübenfäule,<br />

hervorgerufen durch den bodenbürtigen<br />

Pilz Rhizoctonia solani, die Ursache. Bei<br />

entsprechendem Erregerpotenzial im Boden<br />

oder sehr ungünstiger Bodenstruktur<br />

verursacht dieser Pilz bei anfälligen Normalsorten<br />

tiefreichende Schäden an der<br />

Wurzel bis hin zum Totalverlust. Nach der<br />

frühen und starken Trockenheit 2011 ist<br />

diese Krankheit oftmals erst als Spätbefall<br />

oder nur stellenweise in Erscheinung<br />

getreten. Dort, wo sich befallsbedingt ein<br />

Erregerpotenzial im Boden angesammelt<br />

hat, müssen für den kommenden Rübenanbau<br />

hochtolerante Sorten angebaut<br />

werden, wie zum Beispiel Premiere,<br />

Syncro, Nauta, Mattea KWS oder Taifun.<br />

Zusätzlich muss besonderer Wert auf eine<br />

gute Bodenstruktur gelegt werden.<br />

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass<br />

weitere Wirtspflanzen im Anbau, wie<br />

Mais und Feldgras, das Infektionsrisiko<br />

zusätzlich erhöhen können.<br />

2011 mehr Rotfäule<br />

2011 ist auf manchen Feldern Rotfäule<br />

(Rhizoctonia violacea) stärker als sonst<br />

aufgetreten. Die Außenhaut erkrankter<br />

Rüben erscheint rötlich-violett, der Schaden<br />

bleibt aber meist oberflächlich und<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 11


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

geht nur selten etwas tiefer in den Rübenkörper.<br />

Der Pilz kann im Boden mehrere<br />

Jahre überdauern und beim nächsten<br />

Rübenanbau erneut Infektionen hervorrufen.<br />

Bisher trat Rotfäule nur sporadisch<br />

oder nur stellenweise auf. Daher hatte<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Tabelle 3: Rizomaniatolerante Sorten ohne Rizomaniabefall – SV-R und SSV-R 2009 bis 2011<br />

Sorten Züchter Rübenertrag<br />

Ertrag und Qualität, relativ Toleranz und Resistenz (Blattkrankheiten)<br />

Zuckergehalt<br />

Standardmelasseverluste<br />

Bereinigter<br />

Zuckerertrag<br />

der Erreger für den praktischen Anbau<br />

nur wenig Bedeutung, sodass keine konkreten<br />

Bekämpfungshinweise oder Sortentoleranzen<br />

bekannt sind.<br />

Bereits bei latenter Belastung mit dem<br />

Rübenzystennematoden Heterodera<br />

Toleranz** Cercospora Mehltau Feldaufgang<br />

Bonituren relativ<br />

58 Versuche ohne Rizomaniabefall, ohne Rhizoctonia- oder Nematodenbefall<br />

Alabama KWS 102,4 97,0 100,8 99,0 –3,2 + 3,1 2,6 99,8 7<br />

William Strube 95,0 102,8 95,0 98,6 –5,1 – 3,4 4,5 99,9 32<br />

Beretta KWS 104,3 98,6 103,4 102,5 –4,0 0 3,3 2,4 100,1 3<br />

Rubens Strube 98,3 101,5 100,8 99,9 –5,9 – 3,6 4,2 100,2 10<br />

anfällige Sorte 99,6 98,8 99,3 98,3 3,3 1,9 98,0 18<br />

Sabrina KWS1) KWS 103,7 100,2 99,9 104,0 –3,6 0 3,7 2,4 101,1 22<br />

Arnold2) Strube 96,9 103,0 94,0 100,6 –3,9 0 3,5 4,1 102,1 24<br />

Lucata Hil 99,3 98,8 104,8 97,7 –3,6 0 2,7 2,6 94,9 5<br />

Benno Strube 102,6 99,8 98,3 102,5 –5,0 – 3,7 4,4 101,2 5<br />

Sporta Hil 98,2 100,5 107,1 98,2 –3,8 0 2,6 2,8 98,1 2<br />

Sophia Hil 100,9 98,9 101,5 99,6 –3,9 0 4,0 3,1 98,9 29<br />

Robinson Strube 100,5 100,5 96,6 101,4 –4,3 0 3,1 4,1 100,8 59<br />

Emilia KWS KWS 99,6 102,7 97,7 102,9 –5,2 – 4,0 3,3 98,0 20<br />

Debora KWS KWS 97,7 102,9 102,3 100,7 –4,9 – 3,9 3,7 99,0 2<br />

Dante Mar 97,2 100,3 108,9 96,9 –2,5 + 2,8 2,7 95,7 10<br />

Lukas Strube 98,3 103,8 95,5 103,0 –5,3 – 3,3 3,9 100,3 25<br />

Schubert1) Strube 99,7 101,6 93,8 102,1 –4,9 – 3,3 3,7 100,7 9<br />

Belladonna KWS (nt) 3) KWS 94,8 103,5 100,1 98,6 –4,4 0 2,9 3,7 98,8 5<br />

Adrianna KWS (nt) 3) KWS 99,0 100,6 101,8 99,6 –4,9 – 3,3 3,6 101,7 6<br />

SY Belana2) Hil 97,2 100,5 104,2 97,4 –1,8 + 2,5 3,2 99,3 41<br />

Ludwina KWS2) KWS 103,1 100,9 104,1 103,8 –3,8 0 4,0 2,2 99,3 8<br />

Isabella KWS (rh) 2) KWS 104,2 100,0 103,2 103,9 –2,2 + 3,3 2,2 99,9 33<br />

34 Versuche ohne und mit Rizomaniabefall, ohne Rhizoctonia- oder Nematodenbefall<br />

Premiere (rh) 4) Strube 90,5 99,1 97,9 89,9 –3,9 0 2,7 4,3 97,2 259<br />

Syncro (rh) 4) Hil 80,9 102,9 111,6 82,9 –3,5 + 2,2 4,7 89,6 16<br />

Pauletta (nt) KWS 98,1 94,2 123,1 90,1 –4,9 0 3,7 4,3 100,4 24<br />

Nauta (rh) Hil 93,4 95,9 113,0 88,2 –2,6 ++ 2,6 4,8 98,1 20<br />

Prestige (rh) Strube 92,6 100,0 102,8 92,5 –5,4 – 3,4 4,0 99,4 69<br />

Santino (rh) Strube 92,1 99,9 99,1 92,1 –4,6 0 3,6 4,7 97,8 10<br />

Berenika KWS 96,2 100,2 109,6 95,9 –1,7 ++ 2,4 2,2 100,0 5<br />

Theresa KWS (nt) KWS 95,4 102,2 103,4 97,6 –5,2 – 3,8 3,4 98,9 48<br />

Jenna KWS (rh) 4) KWS 87,2 100,4 99,7 87,7 –3,5 + 2,9 3,3 98,2 8<br />

Nemata (nr) 5) Hil 91,5 95,0 109,5 85,8 –3,8 + 2,8 3,7 97,0 0<br />

Kühn (nt) 5) Strube 104,3 95,6 102,9 99,1 –7,5 –– 4,4 5,1 102,4 17<br />

Hella (nt) 5) Hil 99,2 97,1 122,7 94,2 –5,6 – 3,6 5,0 100,6 30<br />

Kepler (nt) 6) Strube 101,5 97,8 103,2 98,9 –4,7 0 3,8 3,5 25<br />

Kristallina KWS (nt) 6) KWS 96,5 103,4 94,2 100,6 –3,5 + 2,7 2,9 73<br />

Mattea KWS (rh) 6) KWS 91,6 98,5 105,2 89,6 –4,2 0 3,3 3,5 4<br />

Schosser<br />

Anzahl<br />

/ ha<br />

Relativ 100 = Verrechnungs-Mittel der Sorten Alabama, William, Beretta, Rubens (rh) rhizoctoniatolerant; (nt) nematodentolerant; (nr) nematodenresistent<br />

– – – = sehr anfällig; ** relativer Bereinigter Zuckerertrag-Verlust bei Befall mit Blattkrankheiten (ohne Behandlung); +++ = wenig anfällig<br />

1) Daten 2009 aus LNS 2) 2009 WP S2 und 2010 LNS 3) 2009 LNS + 2010 SSV-R ohne Befall<br />

4) nur 2010 + 2011 im SSV-R 5) 2009 WP Ri2 + S2, Feldaufgang zweijährig 6) 2009 WP Ri1 + S1, 2010 WP Ri2 + S2<br />

schachtii können nematodentolerante<br />

Zuckerrüben deutliche Ertragsvorteile<br />

bringen. Bei stärkerem Nematodenbefall<br />

kann auch der Anbau einer nematodenresistenten<br />

Zuckerrübensorte sinnvoll sein,<br />

da damit gleichzeitig auch der Nemato-<br />

12 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

Tabelle 4: leistungsprüfung Neuer Sorten ohne Rizomaniabefall – lNS 2009 bis 2011<br />

Sorten Züchter Rübenertrag<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Ertrag und Qualität, relativ Toleranz und Resistenz (Blattkrankheiten)<br />

Zuckergehalt<br />

Standardmelasseverluste<br />

Bereinigter<br />

Zuckerertrag<br />

Toleranz** Cercospora Mehltau Feldaufgang<br />

2011<br />

Bonituren relativ<br />

lNS 34 Versuche ohne Rizomania-, Rhizoctonia- und Nematodenbefall<br />

Alabama KWS 102,8 96,8 101,4 99,2 –4,9 0 3,5 2,6 101,4 0<br />

William Strube 95,6 102,8 95,2 99,1 –5,9 – 3,9 4,8 99,0 55<br />

Beretta KWS 103,1 99,1 102,9 101,9 –3,3 + 3,6 2,4 100,8 9<br />

Rubens Strube 98,5 101,2 100,5 99,9 –5,0 0 3,9 4,5 98,7 15<br />

anfällige Sorte 100,1 98,5 98,8 98,5 3,5 2,0 97,3 23<br />

Julius Hil 101,2 101,4 94,9 103,2 –5,9 – 3,9 4,0 105,5 21<br />

Artus Strube 101,8 100,4 94,8 102,7 –4,3 0 3,4 3,4 104,3 0<br />

Haydn Strube 99,6 102,3 92,6 102,8 –5,4 – 3,7 3,9 103,7 22<br />

Kepler (nt) Strube 101,4 97,7 103,3 98,5 –5,0 0 3,7 3,8 105,9 23<br />

SY Securita Hil 96,8 102,7 101,4 99,7 –5,6 – 2,7 4,7 99,0 46<br />

Britta Hil 104,8 99,2 101,4 103,7 –4,0 + 3,5 2,4 103,9 10<br />

Elaina KWS KWS 97,9 102,9 102,3 100,9 –5,5 – 2,3 2,7 98,5 11<br />

Kristallina KWS (nt) KWS 96,6 103,1 93,8 100,3 –4,2 + 2,5 3,2 99,0 86<br />

Mattea KWS (rh) KWS 90,7 98,8 105,2 89,1 –4,7 0 3,3 4,0 101,1 4<br />

Sandra KWS KWS 106,8 98,9 100,2 105,5 –4,8 0 3,6 3,2 100,8 30<br />

Birtha KWS KWS 98,9 103,8 104,6 102,6 –5,2 0 4,2 3,2 95,7 12<br />

Annika KWS KWS 105,4 100,4 102,3 105,5 –3,3 + 3,5 2,1 101,4 30<br />

Relativ 100 = Verrechnungs-Mittel der Sorten Alabama, William, Beretta, Rubens<br />

(nt) nematodentolerant; (nr) nematodenresistent; (rh) rhizoctoniatolerant<br />

– – – = sehr anfällig; ** relativer Bereinigter Zuckerertrag-Verlust bei Befall mit Blattkrankheiten (ohne Behandlung); +++ = wenig anfällig<br />

denbesatz im Boden stärker reduziert<br />

wird. Informationen über einen möglichen<br />

Befall liefern am ehesten aktuelle<br />

Bodenproben oder Schwadproben vom<br />

letzten Rübenanbau. Falls keine Bodenuntersuchungen<br />

vorliegen, muss anhand<br />

von Standort- und Bewirtschaftungsgegebenheiten<br />

ein mögliches Schadrisiko<br />

abgeschätzt werden (siehe Tabelle 1).<br />

Grundsätzlich ist Nematodenbefall in Rüben<br />

kaum sicher zu erkennen. Im Zweifelsfall<br />

kann probeweise eine nematodentolerante<br />

Sorte streifenweise neben<br />

der angebauten Normalsorte ausgesät<br />

werden. Zeigt sich im Sommer und<br />

Herbst bei der Normalsorte eine geringere<br />

Vitalität oder stärkere Spätverunkrautung,<br />

ist dies ein zuverlässiger Hinweis<br />

auf eine Nematodenbelastung.<br />

Neben dem Ertragsvorteil vermehren<br />

nematodentolerante Sorten im Gegenteil<br />

zu Normalsorten kaum Nematoden. Über<br />

die Fruchtfolge hinweg kommt es sogar<br />

zu einer Nematodenreduktion durch den<br />

zusätzlichen Anbau von Getreide. Die Ergebnisse<br />

der nematodentoleranten Sorten<br />

auf rheinischen Standorten sind in<br />

Tabelle 5 zusammengefasst.<br />

Rübenkopfälchen nur regional<br />

Neben den zystenbildenden Rübennematoden<br />

bedroht auch das freilebende Rübenkopfälchen<br />

(Ditylenchus dipsaci) regional<br />

den Rübenanbau. Nach dem Aufgang<br />

der Rüben wandern die kleinen Älchen<br />

über die Blattachseln in die Pflanzen<br />

ein, wo sie sich bereits bei niedrigen Temperaturen<br />

rasch vermehren können.<br />

Manchmal kommt es zu Blattverdrehungen<br />

oder gar zu Pflanzenausfällen im<br />

Mai. Der Schaden wird aber meist erst ab<br />

Spätsommer sichtbar, wo der mittlerweile<br />

trocken-faule Rübenkopf leicht von der<br />

Wurzel abbricht. Sekundärerreger führen<br />

dann rasch zu weiteren Umsetzungsvorgängen,<br />

die auch den Verlust der unteren<br />

Wurzelhälfte verursachen können. Wird<br />

der Befall rechtzeitig erkannt, muss in Absprache<br />

mit der Zuckerfabrik eine vorgezogene<br />

Lieferung erfolgen, um einem<br />

weiteren Verderb der Rüben zuvorzukommen.<br />

Leider gibt es bisher keine praktikablen<br />

Bekämpfungsmaßnahmen gegen<br />

diesen Schädling. Die einzige Möglichkeit<br />

zur Schadensbegrenzung besteht in der<br />

Auswahl toleranter Sorten, wie zum Bei-<br />

spiel Syncro, Premiere und Beretta. Während<br />

die ersten beiden rhizoctoniatoleranten<br />

Sorten bei gleichzeitigem Rhizoctoniabefall<br />

vorzuziehen sind, empfiehlt<br />

sich die Hochleistungssorte Beretta für<br />

Normalfälle. Kommen gleichzeitig in nennenswertem<br />

Umfang Rübenzystennematoden<br />

auf der Fläche vor, kann auch die<br />

nematodenresistente Sorte Nemata empfohlen<br />

werden.<br />

Rizomaniatolerante Sorten<br />

überwiegen<br />

Rizomaniatolerante Hochleistungssorten<br />

bilden nach wie vor den Hauptteil des<br />

Sortenspektrums. Den größten Anbauumfang<br />

nehmen derzeit die Sorten Beretta,<br />

Lukas und Sporta ein. Neuere Sorten<br />

sind zum Beispiel Ludwina KWS, Robinson<br />

und SY Belana. Ohne besonderen<br />

Schädlings- und Krankheitsdruck können<br />

die Sorten aus den Tabellen nach ihrer<br />

Leistung, dem Bereinigten Zuckerertrag,<br />

Qualität, Blattgesundheit, Feldaufgang<br />

und Schossfestigkeit ausgewählt werden.<br />

Bei dem heutigen, hohen Ertragsniveau<br />

Schosser<br />

Anzahl<br />

/ ha<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 13


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

Grundlage der richtigen Sortenwahl sind die<br />

Versuche, in denen die Sorten auf herz und<br />

Nieren geprüft werden.<br />

Fotos: Manfred Steuerwald<br />

muss immer mehr Augenmerk auf ein<br />

ausreichendes Angebot an dem Mikronährstoff<br />

Bor gelegt werden. Gerade<br />

2009 und 2011 trat Bormangel nach früher<br />

und anhaltender Trockenheit selbst<br />

auf tiefgründigen Standorten auf.<br />

Blattgesundheit bleibt wichtig<br />

Cercospora ist die wichtigste Blattkrankheit<br />

bei Zuckerrüben. Sie kann in kurzer<br />

Zeit den gesamten Blattapparat zerstören<br />

und damit den Zuwachs im Herbst gefährden.<br />

Nach der zu kühlen Witterung<br />

im Juni und Juli 2011 konnte sich Cercospora<br />

aber kaum entwickeln. Auf den noch<br />

intakten Blättern fanden sich im Juli bei<br />

den empfindlichen Sorten ein massiver<br />

Mehltaubefall und ab August gesellten<br />

sich zunehmend Ramularia und Rübenrost<br />

hinzu. Letzterer nahm bis zur Ernte<br />

im November noch deutlich zu. Die Sorten<br />

unterscheiden sich in ihrer Anfälligkeit<br />

bei allen Krankheiten mehr oder weniger<br />

deutlich voneinander. Da oft jedoch<br />

mehrere Krankheiten gleichzeitig auf den<br />

Blättern zu finden sind, können die visuellen<br />

Bonituren erschwert sein. Deshalb<br />

werden die Versuche zweifaktoriell<br />

durchgeführt und der Einfluss sämtlicher<br />

Blattkrankheiten in der Stufe mit Fungizidbehandlung<br />

bewertet.<br />

Tabelle 5: Rheinische Sortenversuche unter Nematodenbefall 2009, 2010 und 2011<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

In den Tabellen 3 und 4 sind die visuellen<br />

Boniturwerte für die verschiedenen<br />

Krankheiten angegeben (1 = befallsfrei;<br />

9 = Totalbefall). Zusätzlich werden die Ertragsdifferenzen<br />

zwischen Fungizidbehandlung<br />

und unbehandelt festgestellt<br />

und mit dem Durchschnittsertrag der<br />

Verrechnungssorten (mit Fungizidbehandlung)<br />

verglichen. Kleine Differenzen<br />

bedeuten demnach geringere Ertragsverluste<br />

bei Verzicht auf Fungizidbehandlung<br />

(hohe Blattgesundheit) und umgekehrt.<br />

Für den schnellen Vergleich sind<br />

zusätzliche Werte von – – – (sehr anfällig)<br />

bis +++ (wenig anfällig) in der Folgespalte<br />

angegeben. Die eigentliche Sortenleistung<br />

wird jeweils in der Stufe mit Fungizidbehandlung<br />

in den Tabellen angegeben,<br />

entsprechend den praktischen Anbaugegebenheiten.<br />

Seit den 1990er Jahren<br />

haben die Blattkrankheiten weiter an<br />

Bedeutung gewonnen und tolerante Sorten<br />

können helfen, die Blattgesundheit<br />

im Herbst für einen guten Zuwachs zu<br />

erhalten.<br />

Rübenertrag<br />

Bereinigter<br />

Zuckergehalt Standardmelasse-<br />

Zuckerertrag<br />

verluste<br />

relativ<br />

relativ<br />

relativ<br />

relativ<br />

2009 2010 2011 2009 2010 2011 2009 2010 2011 2009 2010 2011<br />

anfällige Sorte 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />

Pauletta 119,1 120,5 113,7 116,6 111,6 108,2 99,3 95,7 97,5 118,3 131,2 124,0<br />

Theresa KWS 110,1 113,2 105,5 112,9 116,2 111,6 102,8 103,3 106,0 109,8 112,3 107,7<br />

Belladonna KWS 104,7 112,5 103,2 111,2 115,9 112,4 105,8 103,5 108,3 103,9 109,2 103,3<br />

Adrianna KWS 109,7 114,5 103,9 111,4 116,1 109,0 101,7 101,8 104,7 105,7 107,6 102,6<br />

Nemata 109,9 111,0 103,4 108,0 96,4 98,5 122,8 112,6<br />

Kühn 121,2 112,4 116,8 111,0 97,8 98,9 111,4 100,8<br />

Hella 119,5 114,1 114,3 112,1 98,8 100,1 136,8 124,5<br />

Kepler 116,1 116,2 100,2 101,6<br />

Kristallina KWS 107,3 116,8 107,7 95,3<br />

GD 5 % 3,7 5,5 5,2 4,1 4,9 5,3 1,3 1,3 1,1 4,3 4,1 3,5<br />

10 Versuche 2009, 8 Versuche 2010 und 7 Versuche 2011<br />

Sortenwahl – wie vorgehen?<br />

Die erste und wichtigste Frage bei der<br />

Sortenwahl ist, ob tolerante oder resistente<br />

Sorten infrage kommen. Rhizoctonia-<br />

oder Ditylenchusbefall können nur mit<br />

Hilfe toleranter Sorten verhindert werden.<br />

Andere Bekämpfungsmaßnahmen existieren<br />

nicht. Wird hier nicht reagiert, sind<br />

Mindererträge und verdorbene Rüben oft<br />

nicht zu vermeiden. Schäden durch die<br />

zystenbildenden Rübennematoden können<br />

am effektivsten durch den Anbau nematodentoleranter<br />

oder -resistenter Sorten<br />

verhindert und damit gleichzeitig der<br />

Befall für den nächsten Rübenanbau reduziert<br />

werden. Ist die Entscheidung für<br />

eine tolerante Sorte gefallen, reduziert<br />

sich bereits deutlich das Auswahlspektrum<br />

an Sorten. Dort, wo kein spezieller<br />

Krankheits- oder Schädlingsdruck gegeben<br />

ist, können Sorten aus dem Normalsortiment<br />

ausgewählt werden.<br />

Wichtigstes Merkmal ist der Bereinigte<br />

Zuckerertrag (BZE), da er dem Geldrohertrag<br />

am nächsten kommt. Die Kombination<br />

mit einem hohen Zuckergehalt<br />

und guter innerer Qualität zur Erzielung<br />

zusätzlicher Qualitätsprämien ist sehr<br />

vorteilhaft. Eine gute Blattgesundheit ist<br />

ebenfalls wünschenswert, damit der erhoffte<br />

Zuwachs im Herbst auch realisiert<br />

werden kann. Gute Saatgutqualität und<br />

geringe Schossneigung der Sorten werden<br />

allgemein vorausgesetzt. Manche bewährte,<br />

gute Sorte wird gewiss wieder<br />

den Weg in den praktischen Anbau finden.<br />

Mit den neu zu wählenden Sorten<br />

kann das Leistungspotenzial noch weiter<br />

gesteigert werden. Das nicht vorhersehbare<br />

Witterungsrisiko sollte Anlass sein,<br />

auf mehrere gute Sorten zu bauen.<br />

Manfred Steuerwald<br />

Rheinischer Rübenbauer-Verband e.V.<br />

14 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

Praxisnahe Informationen zum Einsatz<br />

von Pflanzenschutzmitteln vermittelte<br />

Dr. Cord Buhre, Institut für Zuckerrübenforschung<br />

(IfZ), Göttingen. Er zeigte, dass<br />

sich die Herbizidapplikation seit 2002<br />

deutlich vom Vorauflauf zu gezielteren<br />

Behandlungen in den Nachauflauf verlagert<br />

hat. In der Regel werden von den Betrieben<br />

drei Herbizidspritzungen im<br />

Nachauflauf durchgeführt. Bei den Unkräutern<br />

unterschied er zwischen häufig<br />

auftretenden und schwer bekämpfbaren<br />

Unkräutern. In beiden Kategorien seien<br />

seit 1996 deutliche Verschiebungen innerhalb<br />

der Unkrautarten zu beobachten.<br />

Zu den häufig auftretenden Unkräutern<br />

zählen in Zuckerrüben Gänsefußgewächse<br />

und Knötericharten. Das Auftreten<br />

der Knötericharten hat sich laut Buhre seit<br />

Beginn der Erhebung von 30 % auf inzwischen<br />

86 % der Zuckerrübenfläche fast verdreifacht.<br />

Innerhalb der Knötericharten<br />

seien der Windenknöterich mit 56 % und<br />

der Vogelknöterich mit 21 % die häufigsten<br />

Unkräuter. Von großer Bedeutung seien<br />

ferner das Klettenlabkraut (45 %), Kamille<br />

(von 16 auf 34 %) und das Bingelkraut,<br />

das von 9 auf 25 % zugenommen<br />

hat. Ausfallraps komme mittlerweile auch<br />

auf 16 % der Flächen vor.<br />

Deutlich zugenommen hätten auch<br />

die schwer bekämpfbaren Unkräuter, wo-<br />

bei auch hier die Knötericharten dominieren.<br />

Vogelknöterich stellt nach Angaben<br />

des Wissenschaftlers mit 14 % die häufigste<br />

Art dar. Schwer zu bekämpfen seien<br />

auch das Bingelkraut auf 16 %, der<br />

Ausfallraps auf 14 % und die Hundspetersilie<br />

auf 10 % der Anbaufläche. Gänsefuß<br />

und Unkrautrüben stellen bereits auf 15<br />

und 10 % der Flächen ein Problem dar.<br />

Die Flächenbehandlungen werden<br />

fast nur im Nachauflauf im Keimblattstadium<br />

der Unkräuter durchgeführt. Deren<br />

Anteil sei seit Beginn der Erhebung von<br />

77 auf 89 % gestiegen. Ein erhöhter Einsatz<br />

von Herbiziden konnte aber nicht<br />

festgestellt werden. Zurückgegangen sei<br />

der Einsatz der mechanischen Unkrautbekämpfung.<br />

Im Jahr 2010 seien nur<br />

noch 8 % der Flächen gehackt worden.<br />

Zugenommen habe seit 1999 auch<br />

das Auftreten von Blattkrankheiten.<br />

2007 hat es laut Buhre einen Höhepunkt<br />

mit 95 % der Rübenfläche erreicht. In der<br />

Regel werde in Deutschland in den meisten<br />

Regionen nur eine Behandlung durchgeführt.<br />

Nur bei starkem Befall werde<br />

mehrfach appliziert. Bei den Krankheiten<br />

dominiert Cercospora beticola, 2008 und<br />

auch 2011 habe auch der Mehltau eine<br />

größere Rolle gespielt. Rost und Ramularia<br />

hätten nur eine untergeordnete Bedeutung.<br />

Insektizideinsätze richten sich laut<br />

Buhre meist gegen Blattläuse. Die mit Insektiziden<br />

behandelte Fläche sei aber<br />

deutlich kleiner als die befallene Fläche.<br />

Dies führte er darauf zurück, dass bereits<br />

viele Auflaufschaderreger, wie Drahtwürmer<br />

und Moosknopfkäfer, über die Saatgutausstattung<br />

ausgeschaltet werden.<br />

Fazit: Die überwiegende Anzahl der Behandlungen<br />

orientiert sich an den vorkommenden<br />

Schaderregern und somit an<br />

den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes.<br />

Der weltweite Anbau viren- und pilzresistenter<br />

Zuckerrübensorten sowie die<br />

Züchtung schädlingstoleranter Sorten<br />

sind für die Ertragssicherung von sehr hoher<br />

Bedeutung. An verschiedenen Standorten<br />

in Europa wird jedoch seit einiger<br />

Zeit eine Überwindung der Resistenz gegen<br />

Rizomania, verursacht durch das Beet<br />

necrotic yellow vein virus (BNYVV), beobachtet.<br />

Als deren Ursache wurden bisher<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Neue Ergebnisse rund um die Rübe<br />

Göttinger Zuckerrübentagung<br />

Die Göttinger Zuckerrübentagung hatte auch in diesem Jahr<br />

wieder viele Interessierte in die universitätsstadt gelockt. Etwa<br />

300 Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette Zucker<br />

aus Deutschland und den angrenzenden ländern nutzten die<br />

chance, sich Anfang September über die neuesten Entwicklungen<br />

im Zuckerrübenanbau zu informieren.<br />

Wie winterhart Maschinen<br />

sind, hat sich<br />

in den letzten beiden<br />

Wintern gezeigt. Wie<br />

winterhart die Rübe<br />

ist, daran wird zurzeit<br />

intensiv geforscht.<br />

Foto: Werner Raupert<br />

weder der Virusvektor noch die Interaktion<br />

mit anderen Schaderregern, sondern<br />

virale Mutationen identifiziert. In Gewächshausversuchen<br />

konnte zudem bisher<br />

keine Abhängigkeit der Rhizomaniaresistenz<br />

von der Bodentemperatur nachgewiesen<br />

werden. Da der zugrunde liegende<br />

Mechanismus der verwendeten<br />

Resistenzen bis heute ungeklärt ist, kann<br />

über mögliche Ursachen der Resistenzüberwindung<br />

nur spekuliert werden, berichtete<br />

Dr. Heike Thiel, IfZ.<br />

Nematoden immer ein Thema<br />

Dr. Matthias Daub, Julius Kühn-Institut<br />

(JKI), Elsdorf, beschäftigte sich mit dem<br />

integrierten Nematodenmanagement in<br />

Fruchtfolgesystemen mit Zuckerrüben.<br />

Unabhängig von der Methode ist die Bestimmung<br />

der Populationsdichte sehr arbeitsaufwändig.<br />

Seinen Angaben zufolge<br />

liefern aber neue, effizientere Verfahren<br />

zur Erfassung von Nematoden aus der<br />

Bodenprobe Perspektiven für eine verbesserte<br />

Schadensprognose.<br />

Durch den Anbau von Raps könne das<br />

Vermehrungsrisiko des Rübennematoden<br />

Heterodera schachtii im Vergleich zu Zuckerrüben<br />

deutlich gesenkt werden,<br />

wenn eine rechtzeitige und konsequente<br />

Bekämpfung des Ausfallrapses erfolgt.<br />

Auch der Einsatz nematodentoleranter<br />

Zuckerrübensorten biete eine erhöhte Ertragssicherheit<br />

auf höherem Ertragsniveau.<br />

Raps sei als gute Wirtspflanze für Heterodera<br />

schachtii bekannt. Im Vergleich<br />

zu anfälligen Zuckerrüben könnten sich<br />

an Raps mehr Weibchen und in etwa doppelt<br />

so viele Nachkommen unter gleichen<br />

Bedingungen bilden. Deshalb sei die Integration<br />

von Raps in gemeinsamen Fruchtfolgen<br />

mit Zuckerrüben früher sehr kritisch<br />

betrachtet worden. Mit dem deutlichen<br />

Flächenzuwachs habe Raps jetzt<br />

auch Einzug in Zuckerrübenfruchtfolgen<br />

gefunden. Während Winterraps eine Entwicklung<br />

von zwei bis drei Generationen<br />

von Heterodera schachtii ermögliche,<br />

könnten es bei Zuckerrüben zwischen<br />

Saat und Ernte aufgrund der höheren<br />

Temperatursummen auch drei bis vier<br />

Generationen sein, rechnete Daub vor.<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 15


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

Rodeverluste hängen<br />

auch maßgeblich<br />

von der Maschineneinstellung<br />

ab.<br />

Foto: Peter hensch<br />

Bislang sei aber nicht geklärt, ob und<br />

mit welcher Überlebensrate Nematoden<br />

im Raps überwintern können, um ihren<br />

Entwicklungsgang bei wieder einsetzender<br />

Vegetation zu vollenden. Von größerer<br />

Bedeutung sei daher Ausfallraps und seine<br />

Bekämpfung. Während der Abreife und<br />

des Druschs könnten bis zu 300 kg Samen<br />

je ha aus den spröden Schoten fallen und<br />

auf dem Feld bleiben. Die nach der Rapsernte<br />

vorherrschenden höheren Temperaturen<br />

und die intensive Durchwurzelung<br />

durch Ausfallraps üben seinen Angaben<br />

nach auf Heterodera schachtii einen großen<br />

Schlupfreiz aus und führen zu einer<br />

starken Vermehrung. Felduntersuchungen<br />

haben gezeigt, dass die Bekämpfung<br />

von Ausfallraps ab einer Temperatursumme<br />

von 280 °C einsetzen sollte.<br />

Im integrierten Nematoden-Management<br />

kommt es auch auf die richtige Sortenwahl<br />

von Zuckerrüben an. Während<br />

resistente Sorten die Nematoden-Population<br />

verringern können, findet bei den toleranten<br />

Sorten nur eine verminderte<br />

Schadwirkung der Nematoden auf die<br />

Pflanze statt. Dies könnte auf das stärkere<br />

Wurzelwachstum und die erhöhte<br />

Kompensationsfähigkeit des Wurzelsystems<br />

zurückzuführen sein, meinte der Ex-<br />

Feldtag in Wijnandsrade<br />

Am 22. September fand in Wijnandsrade, Niederlande,<br />

ein Feldtag zum Thema Zuckerrübe<br />

statt. organisatoren waren cSV covas, das<br />

niederländische Institut für Zuckerrübenforschung<br />

IRS und die Praktijkonderzoek Plant<br />

& omgeving. Im Feld wurden unter anderem<br />

Rübensorten unter Berücksichtigung von<br />

Resistenz- und Toleranzfragen, Grundbodenbearbeitung,<br />

ein Bodenprofil, Verladetechnik und<br />

Möglichkeiten des Mietenschutzes bei Rüben<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

perte. Untersuchungen zur Vermehrung<br />

der Nematoden hätten ferner ergeben,<br />

dass sich die Schädlinge bei niedrigen<br />

Ausgangspopulationen stärker vermehren<br />

als bei hohen.<br />

Der Wissenschaftler konnte ferner<br />

nachweisen, dass eine Verteilung von<br />

Heterodera schachtii auch in Bodentiefen<br />

unterhalb von 30 cm die Regel zu sein<br />

scheint. Bisher hatte sich das Augenmerk<br />

immer nur auf die obere Bodenschicht<br />

konzentriert. Erste Hinweise liefern außerdem<br />

Grund zu der Annahme, dass die<br />

Larven aus dem Unterboden in die Ackerkrume<br />

vordringen, um dort Wurzeln zu<br />

besiedeln.<br />

Nur biologische Bekämpfung<br />

Für die Bekämpfung der Schädlinge stehen<br />

nach dem Wegfall der Nematizide<br />

nur noch biologische Verfahren zur Verfügung.<br />

Geforscht wird laut Daub aber<br />

auch noch in anderen Richtungen. So haben<br />

Forscher nachgewiesen, dass einige<br />

Böden nur eine geringe Reproduktion der<br />

Nematoden zulassen. Dort könnten sich<br />

die Zystennematoden aufgrund bestimmter<br />

mikrobieller Aktivitäten, unter<br />

präsentiert. Auch in den Niederlanden ist der<br />

Frostschutz für Rüben ein wichtiges Thema<br />

aufgrund üblicher kampagnelängen bis in die<br />

letzte Januardekade hinein. Im unterschied zu<br />

fast allen anderen europäischen ländern dürfen<br />

holländische Rübenanbauer keine gefrorenen<br />

Rüben in die Fabriken liefern, ansonsten<br />

drohen empfindliche Preiskürzungen. Die Mietenabdeckung<br />

erfolgt dort von hand. Es wurden<br />

neue Alternativen beim Abdeckmaterial<br />

anderem durch pilzliche Parasiten, nicht<br />

so stark vermehren.<br />

Auch durch die Biofumigation erhofft<br />

sich die Wissenschaft Fortschritte. Hierbei<br />

werden Zwischenfrüchte mit hohen<br />

Glucosinolatgehalten, wie zum Beispiel<br />

weißer Senf, bereits kurz vor der Vollblüte<br />

gehäckselt und in den Boden eingearbeitet.<br />

Bei der Umsetzung des organischen<br />

Materials werden dann Stoffe freigesetzt,<br />

die eine hohe Toxizität gegenüber Nematoden<br />

haben.<br />

Winterrüben in Sicht?<br />

Martin Kirchhoff, Universität Kiel, beschäftigt<br />

sich derzeit intensiv mit der<br />

Winterhärte von Zuckerrüben. Überwinterungsfeldversuche<br />

mit 396 Beta-vulgaris-Herkünften<br />

in acht Umwelten in<br />

Deutschland und Weißrussland haben<br />

deutliche Unterschiede in den Überlebensraten<br />

gezeigt.<br />

Ein Ergebnis des Projektes ist, dass die<br />

beobachtete Winterhärte innerhalb des<br />

Genpools der Zuckerrübe für den Anbau<br />

von Winterrüben unter milden und maritimen<br />

Winterbedingungen ausreichend<br />

ist. Für den Anbau von Winterzuckerrü-<br />

und zur doppelten Abdeckung mit Vlies und<br />

Folie vorgestellt, deren leistung nun in Versuchen<br />

geprüft wird. Sie könnten auch für deutsche<br />

Rübenanbauer interessant sein. Ergänzt<br />

wurden die Felddemonstrationen durch ein<br />

reichhaltiges Informationsangebot von industriellen<br />

Anbietern rund um den Zuckerrübenanbau.<br />

Dr. Peter kasten<br />

16 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R<br />

T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

ben unter kontinentalen Bedingungen<br />

und härteren Wintern reicht die genetisch<br />

vorliegende Winterhärte jedoch<br />

nicht aus. Als genetische Ressourcen zur<br />

Verbesserung der Winterhärte von Zuckerrüben<br />

bieten sich laut Kirchhoff kurzfristig<br />

die winterhärtesten Zuckerrüben<br />

an, langfristig dagegen ausgewählte Formen<br />

der Wildform Beta vulgaris subspecies<br />

maritima.<br />

Die größte Variation der Überlebensraten<br />

fand Kirchhoff bei der Wildrübe. Die<br />

zweitgrößte Variationsbreite wurde in<br />

Mangold beobachtet. Futterrüben und<br />

Rote Beten zeigten ähnliche Variationsbreiten<br />

der Überlebensraten. Die geringste<br />

Variationsbreite wurde in Zuckerrüben<br />

beobachtet. Allerdings zeigten die Zuckerrüben<br />

die höchste durchschnittliche<br />

Überlebensrate für alle Umwelten, gefolgt<br />

von der Wildrübe.<br />

Um die Winterhärte zu verbessern,<br />

muss die vorhandene genetische Variation<br />

innerhalb der Zuckerrüben genutzt<br />

werden. Durch eine Kreuzung mit den<br />

winterhärtesten Pflanzen will man Gene<br />

anreichern, die sich positiv auf die Winterhärte<br />

auswirken. Langfristig könnten<br />

auch Kreuzungen zwischen Zuckerrüben<br />

und genetisch weiter entfernteren Pflanzen<br />

mit ausgeprägterer Winterhärte<br />

durchgeführt werden. Die Einkreuzung<br />

von exotischem Material in Hochleistungsmaterial<br />

könnte jedoch zu reduzierten<br />

Erträgen führen.<br />

Rodeverluste minimieren<br />

Wie Rodeverluste bei Zuckerrüben minimiert<br />

werden können, zeigte Dr. Helmut<br />

Esser, Pfeifer & Langen, auf. Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass die Gesamtverluste<br />

in der Praxis eine erhebliche Streubreite<br />

aufweisen. Unter bestmöglichen Bedingungen<br />

können sie auf etwa 5 % reduziert<br />

werden, in der Summe aller Verlustquellen<br />

können allerdings auch bis zu 30 % Verluste<br />

zum Beispiel durch zu tiefes Köpfen,<br />

Wurzelbruch oder den Verlust ganzer Rüben<br />

entstehen, berichtete Esser. Die Bewertung<br />

mit den momentanen Rübenpreisen<br />

zeigt, dass bereits vermeidbare Verluste<br />

in Höhe von 15 % einen monetären Verlust<br />

von über 300 € / ha ausmachen.<br />

Praxiserhebungen zur Rodequalität<br />

beweisen, dass zum einen die Feldbedingungen<br />

von Bedeutung sind, zum anderen<br />

jedoch der Roderfahrer einen sehr<br />

großen Einfluss auf die Rodequalität und<br />

Verluste hat. An diesem Punkt sollten seiner<br />

Meinung nach Vermeidungsstrategien<br />

direkt ansetzen. Für die Zukunft gelte<br />

es, sowohl Landwirte als auch Roderfahrer<br />

für Verluste zu sensibilisieren. Ein<br />

Schritt in die richtige Richtung ist laut Esser<br />

die stärkere Nutzung der Entblätterungstechnik.<br />

Da die Köpfverluste jedoch<br />

weniger als die Hälfte der vermeidbaren<br />

Verluste ausmachen, müssten auch weitere<br />

Verlustquellen ins Bewusstsein aller<br />

Beteiligten gerückt werden.<br />

Dies beginne bereits bei den Vor- und<br />

Zwischenfrüchten, die einen Einfluss auf<br />

den gleichmäßigen Rübenaufgang, auf<br />

das ebene Saatbett und somit auf das Rübenwachstum<br />

haben. Dies seien wichtige<br />

Grundvoraussetzungen, um am Ende ein<br />

optimales Rodeergebnis zu erzielen.<br />

Durch die Verringerung der Geschwindigkeit<br />

des Rübenroders von 7 auf 5 km / h<br />

könne zudem der Blattanhang auf nahezu<br />

null gesenkt und der Wurzelbruch<br />

deutlich reduziert werden. Von Nachteil<br />

sei, dass hierbei natürlich auch ein etwas<br />

größerer Erdanhang auftreten könne.<br />

Hier müsse ein Mittelweg zwischen den<br />

Varianten gefunden werden.<br />

Der Referent appellierte auch an die<br />

Landwirte, zumindest beim Anroden<br />

selbst vor Ort zu sein, um die Qualität des<br />

Rodens zu überprüfen und den Roderfahrer<br />

gegebenenfalls auf Einstellungsfehler<br />

hinzuweisen. Andererseits sei es wichtig,<br />

die seit der letzten Kampagne durchgeführten<br />

Roderfahrer-Schulungen fortzusetzen,<br />

um die vermeidbaren Rodeverluste<br />

weiter zu senken und die Rodequalität<br />

zu erhöhen.<br />

Beste Rübe ist auch gute<br />

Biogasrübe<br />

Der Rübenertrag hat nicht nur eine große<br />

Bedeutung für die Zuckergewinnung,<br />

sondern zunehmend auch für die Biogaserzeugung.<br />

So setzt sich die Trockenmasse<br />

von Zuckerrüben zu über 95 % aus<br />

leicht umsetzbarer organischer Substanz<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Feldtag des Maschinenrings<br />

Bei schönstem Herbstwetter hatte der Maschinenring<br />

Rheinland West e.V. Mitte Oktober zum Feldtag nach<br />

Eschweiler-Dürwiß eingeladen. Zahlreiche Besucher waren<br />

der Einladung auf die Betriebe von Familie Mock und<br />

Familie Esser gefolgt. Präsentiert wurde nicht nur eine<br />

legendäre Formationsfahrt der sechs Holmer-Roder des<br />

Maschinenrings (siehe Titelbild), sondern auch der Vergleich<br />

zwischen Köpfen, Entblatten und Microtopping,<br />

denn auch Ropa und Grimme waren vor Ort, sodass die<br />

ganze Bandbreite der aktuellen Erntetechnik zu sehen war.<br />

Natascha kreuzer<br />

zusammen. Dies führt zu einer extrem<br />

schnellen Vergärung von Zuckerrüben. Innerhalb<br />

von nur vier Tagen werden 90 %<br />

des Biogases gebildet. Im Vergleich dazu<br />

ist die Umsetzung anderer Substrate, bei<br />

denen der Anteil an Rohfaser deutlich höher<br />

ist, wesentlich langsamer. Silomais<br />

erreicht 90 % Biogasbildung beispielsweise<br />

erst nach 20 bis 25 Tagen. Auch das<br />

Zuckerrübenblatt benötigt mehr Zeit als<br />

die Zuckerrüben selbst und kommt hier<br />

auf einen Vergleichswert von zehn Tagen.<br />

Prof. Dr. Christa Hoffmann (IfZ) hat in<br />

ihren Untersuchungen festgestellt, dass<br />

eine enge Beziehung zwischen dem Biogasertrag<br />

und dem Trockenmasseertrag<br />

der Rübe beziehungsweise dem Zuckerertrag<br />

besteht. Da sich die Sorten selbst<br />

nicht im spezifischen Biogasertrag unterscheiden,<br />

werden laut Hoffmann die besten<br />

Flächenerträge mit Sorten erzielt, die<br />

den höchsten Trockenmasse- und Zuckerertrag<br />

aufweisen. Sorten mit dem höchsten<br />

Zuckerertrag seien daher auch die<br />

besten Rüben für die Biogasgewinnung.<br />

Werner Raupert<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 17


A k T u E l l E S P o l I T I k M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

landtechnik-Schau der Rekorde<br />

Firmen zeigen auf der Agritechnica 2011 viel Neues rund um die Rübe<br />

Die Agritechnica ist das Tor zu den weltweiten Agrartechnik-<br />

Märkten. Mit der Anzahl der Aussteller hat auch die Ausstellungsfläche<br />

um 17 % zugenommen. landwirtschaft ist in und<br />

die Nachfrage nach Agrarrohstoffen nimmt immer mehr zu.<br />

Diese Entwicklung führt zu einem neuen Selbstbewusstsein in<br />

der Agrarbranche – gespeist durch eine deutlich verbesserte<br />

wirtschaftliche Situation. Nicht umsonst machte sich Euphorie<br />

breit. Die Superlative der Boom-Ausstellungen 2007 und 2009<br />

wurden laut Deutscher landwirtschafts-Gesellschaft nochmals<br />

getoppt. hightech hatte auch der Zuckerrübenbereich in halle<br />

2 zu bieten.<br />

Die tragende Säule von Holmer ist die<br />

Terra-Dos-Reihe. 2012 dürfte der 3 000.<br />

Köpfrodebunker (KRB) in einem der 40<br />

Vertriebsländer zum Einsatz kommen. Vor<br />

der aktuellen Kampagne wurde der erste<br />

Richtung Michigan / USA verschifft.<br />

holmer setzt auf neun Reihen<br />

Ausgestellt und im ersten Praxistest war<br />

ein Terra Dos T3 mit neunreihigem Rodeaggregat<br />

und dem 2009 von der DLG prämierten<br />

HR-Roder. Dabei sind die einzelnen<br />

Aggregate modular aufgebaut. Die<br />

Höhenführung ist manuell von der Kabine<br />

individuell einstellbar. Der Aufnahmetisch<br />

ist um eine Walze auf sieben erweitert,<br />

deren Drehzahl stufenlos an die Einsatzbedingungen<br />

anzupassen ist. Das darauf<br />

folgende Siebband (zwischen den<br />

kleine hat auch die köpf-Rode-Gruppe neu überarbeitet – die opticut-<br />

Nachköpfer werden mit pneumatischen Druckzylindern gleichbleibend<br />

in Arbeitsstellung gehalten, die Tasträder zur Tiefenführung sind ebenso<br />

luftdruckgefedert, die Walzenaufnahme ist parallelogrammgeführt.<br />

Durch die Modulbauweise ist der Frontbereich an allen Beetliner-Varianten<br />

gleich.<br />

Vorderrädern) konnte aufgrund platzsparender<br />

Antriebe auf 90 cm verbreitert<br />

werden und soll in absehbarer Zeit auch<br />

zum Standard beim 6-Reiher werden,<br />

denn oft ist das 80-cm-Band der Engpass.<br />

Speziell für mehrreihige, überbreite<br />

Aggregate hat Holmer das Schnellkuppelsystem<br />

EasyConnect entwickelt. Damit<br />

kann vom Fahrersitz aus die Roder-Schleglerkombination<br />

inklusive aller hydraulischen<br />

und elektrischen Leitungen handarbeitslos<br />

an- und abgekuppelt werden.<br />

Auf die Diskussion „Entblatten statt<br />

Köpfen“ hat Holmer mit einem verbesserten<br />

Nach-Köpfsystem reagiert. Das Arbeitsprinzip<br />

ähnelt dem des Micro-Toppers<br />

bei Ropa, heißt aber Exakt-Köpfer<br />

Holmer DynaCut. Ein neuer 520-PS-starker<br />

MAN-Motor (vorher 480 PS) mit Ad-<br />

Blue-Technologie zur Einhaltung der EU-<br />

Abgasnorm treibt die neue Terra-Dos-Generation<br />

an. Sie wird auf der Vorderachse<br />

die neue Reifengeneration für niedrige Innendrücke<br />

und größerer Aufstandsfläche<br />

(Michelin CerexBib) tragen.<br />

Neue 9-reihige köp frodegruppe von holmer mit hR-Rodeaggregaten<br />

für optimale Bodenanpassung der Einzelreihen,<br />

ist leicht und handarbeitslos an- und abzukoppeln<br />

über holmer Easyconnect, ein Schnellkupplungssystem<br />

für sämtliche hydraulischen und elektrischen Anschlüsse.<br />

Der holmer Terra-Dos-9-Reiher ist vor allem für große<br />

Schläge und Schlaglängen gedacht.<br />

Seit vier Jahren hat Holmer auch den<br />

selbstfahrenden Reinigungslader Terra<br />

Felis im Programm, seit zwei Jahren sind<br />

22 Terra Felis 2 mit der 10-m-Aufnahme<br />

und Nachreiniger Holmer VarioCleaner<br />

im Einsatz. Wie alle Maschinen von Holmer<br />

ist die Motor-Steuerung leistungsabhängig<br />

(automotiv). Durch die Abgasrückführung<br />

erübrigt sich beim Terra Felis die<br />

AdBlue-Technologie zum Einhalten der<br />

aktuellen EU-Abgasnorm. Das Gerät ist<br />

optional mit einer Wiegezelle im Überlader<br />

lieferbar.<br />

Von einer Testphase in der Praxis kann<br />

nicht mehr gesprochen werden. Der Terra<br />

Felis 2 ist zu einem ernst zu nehmenden<br />

Konkurrenten im Triumvirat der selbstfahrenden<br />

Reinigungslader-Hersteller<br />

aufgestiegen.<br />

Franz kleine mit neuem konzept<br />

Mit einem neuen Konzept im Full-Liner-<br />

Geschäft eines Rübenerntetechnik-Herstellers<br />

überraschte Kleine die Konkur-<br />

18 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Der Beetliner Max von kleine mit 40-m³-<br />

Bunker und 510-PS-Motor verzichtet auf ein<br />

Transportband zwischen der Vorderachse –<br />

das erledigen Siebsterne im Rahmen eines<br />

Sense-control-Systems. Die beiden hinterachsen<br />

tragen jeweils Zwillingsbereifung; durch<br />

den Doppelknick ist die Spur um 90 cm zu<br />

verschieben.<br />

renz. Das über viele Jahrzehnte etablierte<br />

Unternehmen nennt dies „Tradition im<br />

neuen Gewand“ und meint damit nicht<br />

nur neue Namen für alte Produkte. Trotz<br />

der schwerpunktmäßigen Erschließung<br />

der Ostmärkte in den letzten beiden Jahrzehnten<br />

wurden für die neuen Zuckerrübenvollernter<br />

und Reinigungslader englische<br />

Ausdrücke gefunden, die auf eine<br />

klare internationale Ausrichtung zielen.<br />

Bei der Beetliner-Serie handelt es sich um<br />

drei komplett neu entwickelte 6-reihige<br />

selbstfahrende Vollernter mit Bunkervolumen<br />

von 18 m³ (Compact), 30 m³ (Large)<br />

und 40 m³ (Max). Der Reinigungslader<br />

mit 10-m-Aufnahme beziehungsweise<br />

Mietenteiler heißt jetzt Cleanliner Mega.<br />

Die bisher bekannten Maschinen SF 10-2<br />

und RL 350 V werden nicht mehr gebaut<br />

und grundlegend neu konzipiert.<br />

Die Beetliner werden von Mercedes-<br />

Motoren mit Leistungen zwischen 428<br />

und 510 PS angetrieben, automotives<br />

Fahren und AdBlue-Technologie inklusive.<br />

Das Köpf-Rode-Aggregat verfügt über einen<br />

Kombiköpfer / -häcksler, die Rodegruppe<br />

ist mit Einzelschwinger und hydraulischer<br />

Steinsicherung ausgestattet.<br />

Der Nachköpfer wurde modifiziert und<br />

basiert auf der Vorgehensweise, dass der<br />

Häcksler noch kurze Stängel an den Rüben<br />

belässt. Das Opti-Cut-System kennt<br />

keine mechanische Druckfeder mehr,<br />

sondern pneumatisch wirkende Druckzylinder.<br />

Selbstverständlich sind Tastkamm-<br />

und Messer-Abstände, Schlegelhöhe, Rodetiefe<br />

von der Kabine aus einstellbar –<br />

wie bei den meisten anderen Herstellern.<br />

Ähnliches gilt bei der automatischen Führung<br />

der Maschine in den Reihen: Der<br />

Taster in Front steuert die Hinterachse,<br />

die Schare sind mit der Vorderachse ver-<br />

bunden. Das hydraulisch angetriebene<br />

Tastrad zur Kontrolle der Rodetiefe ist<br />

ebenfalls pneumatisch gedämpft. Die anschließende<br />

Walzenaufnahme kann<br />

parallelogrammgeführt ausweichen. Die<br />

im Anschluss befindliche Reinigungsstrecke<br />

besteht ausschließlich aus Siebensternen,<br />

also auch unter der Portalachse.<br />

Die Steuerung erfolgt über das eigens<br />

fixierte, vom Fahrer nutzbare Sense-Control,<br />

um Durchsatz und Rodequalität zu<br />

optimieren.<br />

Beet-, clean-, cargoliner<br />

Alle Selbstfahrer sind zukünftig mit neuen<br />

Mauser-Kabinen ausgestattet, die für<br />

Großräumigkeit, Geräuscharmut und<br />

Übersichtlichkeit stehen. Die Beetliner-<br />

Compact-Version ist mit klassischem<br />

Fahrwerk ausgerüstet, die Large- und<br />

Max-Variante mit Doppelknickgelenk,<br />

was den Wendekreis minimiert und spurversetztes<br />

Roden (90 cm) zulässt. Die<br />

Achsen unter den größeren Bunkern tragen<br />

konstant Zwillingsbereifung mit Luftdrücken<br />

unter 2 bar (jeweils 620 / 75R34).<br />

Ausgestellt war auch der Reinigungslader<br />

Cleanliner Mega mit Mietenteiler.<br />

Die neu verfolgte Modulbauweise greift<br />

auch über die Baureihen hinweg, siehe<br />

Kabine, Steuerung, Motor oder Antrieb.<br />

Erstmals sorgt die schwenkbare Antriebseinheit<br />

im Heck für noch mehr Stabilitätsoptimierung<br />

gerade bei ausgefahre-<br />

Der Ropa euro-Tiger V8-4 in 6- bis 9-reihiger Version wurde ebenfalls neu überarbeitet. Eine<br />

Anregung aus der Automobilindustrie wurde aufgegriffen: Der Ropa Distance control Assistant<br />

überwacht den heckraum, ultraschallsensoren an der Seite und hinten helfen dem Fahrer, in Verbindung<br />

mit einer kamera Gefahrenquellen zu erkennen und kollisionen zu vermeiden.<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 19


A k T u E l l E S P o l I T I k M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Die Euro-Maus 4 ist die Maus mit der breitesten Aufnahme von über<br />

10 m und der größten Standsicherheit. Die Maschine ist mit hebbarer<br />

kabine, Maus-logistik und hochwertiger Software ausgestattet. Mit<br />

Blick auf den Bodendruck wurde die neue Reifengeneration der Vorderachse<br />

(800 / 70R32) mit 1,4 bar luftdruck erfolgreich getestet.<br />

Fotos: Dr. klaus Ziegler (6), Natascha kreuzer (2)<br />

nem Verladearm. Als Option sind auch<br />

Erdverteiler (Walzenreinigung unter der<br />

Kabine) und Wassersprüheinrichtung<br />

wählbar. Für den Zwischentransport auf<br />

dem Feld kann die Erntekette mit dem<br />

neu überarbeiteten Überladewagen Cargoliner<br />

kombiniert werden.<br />

Ropa überarbeitet Maschinen<br />

Ropa steht für selbstfahrendes Roden,<br />

Reinigen und Laden. Die Kompetenz beim<br />

Mausverladen wird mit der Entwicklung<br />

der euro-Maus 4 unterstrichen; diese ist<br />

die Maus mit der breitesten Aufnahme<br />

von über 10 m. Die Konstrukteure haben<br />

dafür die Walzendurchmesser und -abstände<br />

der Aufnahme angepasst. Ansonsten<br />

ist die Maschine ein Paradebeispiel<br />

an Hightech, hebbare Kabine wie bei Kleine,<br />

Maus-Logistik mit Firma Reichhardt,<br />

Software-Ausstattung vom Feinsten. Die<br />

neue AdBlue-Motorentechnologie wird<br />

schon seit 2009 eingesetzt. 10 000 Stunden<br />

Betriebsleistung ist ein Muss.<br />

Der euro-Tiger (V8-4) in 6- bis 9-reihiger<br />

Version wurde ebenfalls neu überarbeitet.<br />

Neben Diesel müssen auch beträchtliche<br />

AdBlue-Mengen für den 612<br />

PS starken MB-Motor mitgeführt werden.<br />

Spannend bleibt generell, wie sich die Betankungslogistik<br />

am Feldrand für beide<br />

genannten Produkte entwickelt. Mit großem<br />

Komfort für den Fahrer können zuverlässig<br />

hohe Kampagne-Rode-Leistung:<br />

bis 1 500 ha sind in Osteuropa keine Seltenheit.<br />

Mit Blick auf den Bodendruck<br />

wurde die neue Reifengeneration der Vorderachse<br />

(800 / 70R32) mit 1,4 bar Luftdruck<br />

erfolgreich getestet. Eine Anregung<br />

aus der Automobilindustrie in Kooperation<br />

mit InMach GmbH und Motec GmbH<br />

wurde aufgegriffen und der sogenannte<br />

Ropa Distance Control Assistant zur Überwachung<br />

des Heckraumes entwickelt. Ultraschallsensoren<br />

an der Seite und hinten<br />

helfen dem Fahrer, in Verbindung mit einer<br />

Kamera Gefahrenquellen zu erkennen<br />

und Kollisionen zu vermeiden.<br />

Die seit 2008 entbrannte Diskussion<br />

um das Entblatten der Zuckerrüben ist<br />

für Ropa entschieden: Nachköpfen mit<br />

dem Micro-Topper ist zum Standard geworden.<br />

Die Entwicklungen im Bereich<br />

Biogas mit der Nawaro-Maus, Rübenreiniger<br />

und -zerkleinerer seien noch am<br />

Rande erwähnt, ebenso wie die konkreten<br />

Überlegungen, wieder einen zweiachsigen<br />

Roder anzubieten.<br />

Grimme setzt auch auf Entblatten<br />

Im Mai feierte Grimme sein 150-jähriges<br />

Bestehen mit dem besten Geschäftsjahr.<br />

Auch die seit 2003 gepflegte Rübenerntetechnik<br />

trägt mittlerweile spürbar zum<br />

Ergebnis bei. Grimme deckt mittlerweile<br />

fast die ganze Vielfalt der Zuckerrübenernte<br />

inklusive Entblattungstechnik ab.<br />

Der Maxtron 620 mit Gurtband-Laufwerk<br />

steht für nachhaltige Boden- und<br />

Erntegut-Schonung. Am Raupenlaufwerk<br />

von Claas wurden breitere Umlenkrollen<br />

angebracht, um die Aufstandsfläche noch<br />

gleichmäßiger zu passieren. Die Motor-<br />

technik (490 PS) wurde ebenfalls auf die<br />

neue EU-Abgasnorm 3 b umgestellt –<br />

2014 steht übrigens der nächste Schritt<br />

(Euronorm 4) an, was natürlich wieder<br />

mit Mehrkosten verbunden ist. Der Maxtron-Bunker<br />

kann optional auf vier Wiegezellen<br />

ruhen; die damit erreichte Gewichtserfassung<br />

kann Bestandteil eines<br />

Online-Logistik-Managementsystems mit<br />

der Zuckerfabrik sein. Für die Gemeinschaftsentwicklung<br />

ISOLOG von Grimme,<br />

arvato systems GmbH und Lacos Computerservice<br />

GmbH wurde die DLG-Silbermedaille<br />

vergeben.<br />

Alle Ernteverfahren können wahlweise<br />

mit dem praxisüblichen Inlinehäcksler FT<br />

300 plus Standardnachköpfer oder mit<br />

dem Hochleistungsentblätterer FM 300<br />

ausgestattet werden. Nach der diesjährigen<br />

Kampagne dürften bundesweit rund<br />

20 000 ha in entblätterter Form geerntet<br />

sein. Viel Praxiserfahrung und Entwicklungsarbeit<br />

floss seit 2008 in diese Technik<br />

ein, um die Standzeiten vor allem der<br />

Gummischlegel in Richtung 400 ha zu erhöhen.<br />

Die erste der beiden gegenläufigen<br />

Wellen trägt eine Kombination aus<br />

kurzen Stahlschlegeln und etwas längeren<br />

Gummi-Noppen auf der Multiwelle,<br />

die zweite nur Gummi-Putzer. Flexibilität<br />

beweist Grimme in Sachen „Rüben<br />

mit / ohne Köpfchen“. Im Programm der<br />

Nachköpfer stehen angetriebene Tellermesser<br />

für extrem verunkrautete Bestände<br />

ebenso wie Exaktköpfer, die nach dem<br />

gleichen Arbeitsprinzip funktionieren wie<br />

Micro-Topper oder DynaCut.<br />

Trotz dieser Produktvielfalt in der Rodetechnik<br />

liebäugelt Franz Grimme mit<br />

einem Full-Liner-Konzept, also auch mit<br />

einer selbstfahrenden Reinigungslader-<br />

Technologie, und das mehr als mit dem<br />

Gedanken, den Bunker am Maxtron zu<br />

vergrößern; eine Quatrac-Version wird es<br />

beim Köpfrodebunker (KRB) nicht geben.<br />

Straßenfahrt und Lenkprobleme im Bestand<br />

gerade mit Oppelscharen sprechen<br />

dagegen. Grimme prüft den Austausch<br />

von Hydraulik-Antrieben mit Elektromotoren,<br />

die nachweislich höhere Wirkungsgrade<br />

und geringeren Installationsaufwand<br />

bedeuten; grundlegende Innovationen<br />

sind nicht vor 2015 zu erwarten.<br />

20 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Erntetechnik am Rande ihrer eigentlichen<br />

Produktpalette, vor allem Feldspritzen,<br />

zeigten auch Hersteller aus unseren<br />

westlichen Nachbarländern: Agrifac mit<br />

dem bodenschonenden Roder Big Six,<br />

Matrot und Moreau-Herriau.<br />

Säen und Pflegen<br />

Die Kverneland-Gruppe hält in der Rübensätechnik<br />

zwei Produkte bereit: die Einzelkornsägeräte<br />

Vicon Unicorn mit der<br />

elektrischen Antriebsvariante Synchrodrive<br />

sowie von der Tochter Accord die<br />

Monopills S und SE (elektrisch angetrieben)<br />

in 6- bis 24-reihiger Ausführung.<br />

Becker Landtechnik GmbH gehört seit<br />

diesem Jahr zur Kongskilde-Gruppe. Die<br />

Becker-Centra ist eine mechanische Einzelkorn-Sämaschine<br />

mit einer robusten<br />

Parallelogramm-Tandem-Konstruktion.<br />

6-,12- und 18-reihige Geräte sind auch<br />

mit Fingerdruckrolle und in Mulchsaatausrüstung<br />

lieferbar.<br />

Der französische Hersteller Monosem<br />

präsentierte das überarbeitete Einzelkornsägerät<br />

Meca V 4. Drei Varianten von<br />

der Standardausführung über die Tandemversion<br />

bis hin zur Mulchsaataus-<br />

Vorführung in kerken<br />

rüstung mit zwölf oder 18 Reihen sind<br />

wählbar.<br />

Schmotzer zeigte an den bekannten<br />

Einzelkornsägeräten UD 3000 und UD<br />

2000 auch Elektroantriebe, modifizierte<br />

Direkt- und Mulchsaat-Einrichtungen mit<br />

Puma-Druckrollen, und neue Kamerasysteme<br />

zur Steuerung von Hackmaschinen.<br />

Das Programm wird durch angehängte<br />

oder gezogene Pflanzenschutz-Spritzen-<br />

Technik komplettiert, die wiederum auch<br />

mit Hackmaschinen mit Bandspritze<br />

kombinierbar ist.<br />

Spezialisten für mechanische Unkrautbekämpfung<br />

sind auch die Firmen<br />

Forbo-Kress GmbH, Einböck und Carré-<br />

Landmaschinenbau. Nach der Vegetationsperiode<br />

2011 mit den Wirkungsschwächen<br />

von Herbiziden in trockenen<br />

Frühjahren wird der Wert der Hackmaschine<br />

auch im konventionell wirtschaftenden<br />

Betrieb wieder bewusst. Ausschlaggebend<br />

für einen effizienten Einsatz<br />

sind entsprechende Spurführungssysteme<br />

und Hackwerkzeuge. Für beides<br />

ist eine reiche Auswahl geboten, und das<br />

nicht nur in Reihenkulturen.<br />

Horsch entwickelt die Streifenbearbeitung<br />

(Striptill), dabei ist neben den ver-<br />

Das zweiwellige Entblätterungsaggregat FM 300 von Grimme ist in dreijährigem<br />

Praxisein satz verbessert worden. Die erste Welle (oben) ist sowohl<br />

mit Stahlschlegeln als auch etwas längeren Gummischlegeln mit<br />

Noppen versehen. Die zweite Nachputz-Welle trägt grundsätzlich nur<br />

weiche Gummischlegel. Die Standzeiten konnten damit auf rund 400 ha<br />

erhöht werden.<br />

schiedenen Grubbervarianten das neu<br />

entwickelte Einzel-Säaggregat Maestro<br />

erwähnenswert. Konzipiert für Arbeitsgeschwindigkeiten<br />

bis 15 km / h steht die<br />

Eignung für die Rübensaat noch aus.<br />

Dr. klaus Ziegler<br />

Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer e.V.<br />

Bei Wind und Regen deckte lohnunternehmer olaf heitmüller aus Mettmann am 6. oktober in kerken<br />

mehrere Rübenmieten vor rund 70 Teilnehmern mit seinem Traktor, Vliesgerät und Vliesteller ab. Michael<br />

Dohrenbusch, RRV-Beiratsmitglied aus krefeld, führte in die Thematik und zeigte sich mit Tim Wischmann,<br />

leiter der landwirtschaftlichen Abteilung der Zuckerfabrik Appeldorn, erfreut, dass nun auch im Gebiet<br />

Appeldorn-Mitte die maschinelle Mietenabdeckung als Dienstleistung angeboten wird. Im Anschluss stellte<br />

Martin van look, landwirtschaftlicher Informationsdienst Zuckerrübe, die biologischen Prozesse in der<br />

Rübenmiete mit Mietenschutz im Vergleich zu einer Miete ohne Vliessschutz dar. Eduard Eich, Rheinischer<br />

Rübenbauer-Verband, führte die wirtschaftlichen und praktischen Vorteile einer frühzeitigen, verbindlichen<br />

Bestellung bei freiwilliger Abdeckung nach der Ernte oder bei Frostaufruf an. hier zahlt der landwirt nur<br />

100 € plus MwSt. je Vliesrolle gegenüber 200 € plus MwSt. für Spätbucher. Für die frühen, verbindlichen<br />

Bestellungen wird das Vlies reserviert. Versuche des Rheinischen Rübenbauer-Verbandes bestätigen die<br />

positive Wirkung der Vliesabdeckung auf Inhaltsstoffe und Verarbeitungswürdigkeit und somit auf den<br />

Deckungsbeitrag der Zuckerrüben. Zu der Veranstaltung hatten der Frostfonds, bestehend aus Rheinischem<br />

Rübenbauer-Verband und Pfeifer & langen, eingeladen. Fotos: Eduard Eich<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 21


A k T u E l l E S P o l I T I k M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

Entblatten, Microtoppen oder köpfen?<br />

Praktische Erfahrungen nach dem ersten Jahr der neuen Kopfbewertung im Rheinland<br />

In den rheinischen Zuckerfabriken konnte man in dieser kampagne<br />

durchaus unterschiede in der köpfqualität feststellen.<br />

Auffällig ist die sehr saubere Arbeit des Entblätterns. Egal ob<br />

große oder kleine Rüben, ob schmaler oder breiter kopfansatz,<br />

alle Rüben sind vollständig von allem Grünen, egal ob Blatt<br />

oder Blattstiele, befreit. Die Ware ist sehr homogen und hinterlässt<br />

einen sehr guten Eindruck. Aufgrund der Vereinbarung,<br />

dass ein sichtbarer köpfschnitt zu sehen sein muss, sollen<br />

diese Rüben mit 4 % kopfanteil bewertet werden. Im Alltag<br />

der Zuckerfabrik ist dies aber nicht immer der Fall, weil die<br />

Schlegel oft einen, wenn auch kleinen, köpfschnitt vortäuschen,<br />

wie er beim Microtoppen entstehen kann. Die Entblätterungstechnik<br />

von holmer konnte nicht überzeugen, wie es<br />

auch auf dem Feldtag des Maschinenrings Rheinland-West zu<br />

sehen war. Wie zu hören war, wird die bisher entwickelte Technik<br />

von holmer nicht weiterverfolgt.<br />

Beim Microtoppen scheiden sich die Geister.<br />

Insgesamt ist die Arbeit gut, leider<br />

gibt es aber auch einzelne Lieferungen,<br />

die nicht überzeugen können. Dies ist immer<br />

dann der Fall, wenn das Köpfmesser<br />

durch die Blattstiele schneidet. Dann bleiben<br />

noch Blattreste an der Rübe. Technisch<br />

bedingt können auch die kleinen<br />

Blätter unterhalb des Köpfschnittes nicht<br />

entfernt werden, weil nicht nachgeputzt<br />

werden kann. Auch kleine Rüben, die direkt<br />

hinter einer großen Rübe stehen,<br />

werden je nach Fahrgeschwindigkeit<br />

knapp oder überhaupt nicht vom Köpfmesser<br />

erfasst. Gerade zu Beginn der<br />

Kampagne – bei der relativ kurzen Zeit<br />

zwischen Roden und Verladen – bot sich<br />

oft ein buntes Bild und es wurde ab und<br />

zu ein Abzug für Blätter gemacht.<br />

Gleicher Tag, gleicher Roder, gleiche Sorte – zwei Einstellungen. Fotos: Dr. Willi kremer-Schillings<br />

Liegen die Rüben längere Zeit in der<br />

Miete und das Blatt welkt mehr und<br />

mehr ab, können die Reinigungsrollen der<br />

Maus dieses welke Blatt packen und es<br />

bleibt mehr davon auf dem Feld. Wird die<br />

Maschine besser eingestellt, wird ein höherer<br />

Anteil an Rüben mehr als notwendig<br />

geköpft. Die Einstellung der Maschine<br />

scheint beim Microtopping schwieriger<br />

zu sein. Offensichtlich gelingt es nicht jedem<br />

Fahrer, aus dieser neuen Technik das<br />

Optimum herauszuholen. Der Vergleich<br />

der Fotos zeigt dies.<br />

Unauffällig war die Köpfqualität der<br />

Roder von Holmer und Kleine. Durch die<br />

Bank konnten die Rüben mit dem Standard-Kopfabzug<br />

von 3 % bewertet werden,<br />

was nicht ausschließt, dass auch mal<br />

eine einzelne Fuhre mit 4 % dabei war.<br />

Die Arbeit der Zwei- und Dreireiher konnte<br />

überzeugen. Einzelne Versuche, mit<br />

diesen Maschinen zu entblättern, gelangen<br />

jedoch nicht.<br />

In dieser Kampagne ist mehr als bisher<br />

über die Köpfqualität diskutiert worden.<br />

Landwirte und Fabrik haben genauer als<br />

sonst hingeschaut, die Ergebnisse<br />

schwanken von sehr gut bis verbesserungswürdig.<br />

Was die Wirtschaftlichkeit<br />

der verschiedenen Verfahren angeht, so<br />

hat dieses Jahr mit seiner ungewöhnlich<br />

trockenen und warmen Witterung über<br />

den gesamten Rodezeitraum sehr verwöhnt.<br />

Außer durch den feinen Staub der<br />

trockenen Erde und den teilweise sehr<br />

harten Boden wurden die Maschinen wenig<br />

gefordert. Von den Rodebedingungen<br />

her hat diese Kampagne sicher Seltenheitswert!<br />

Zahlen zu Spritverbrauch,<br />

Fahrgeschwindigkeit oder Standfestigkeit<br />

der verschiedenen Verfahren liegen nicht<br />

vor. Testergebnisse von unabhängiger<br />

Stelle weisen jedoch nur geringe Unterschiede<br />

auf.<br />

Dr. Willi kremer-Schillings<br />

Pfeifer & langen kG, Werk Jülich<br />

Kinderfest in der Zuckerfabrik Euskirchen<br />

Am 24. September fand das traditionelle<br />

Kinderfest in der Zuckerfabrik Euskirchen<br />

statt. Geladen waren, wie in den Jahren<br />

zuvor, alle Landwirte sowie die Mitarbeiter<br />

der Zuckerfabrik nebst Familien. Bei<br />

sommerlichen Temperaturen folgten<br />

rund 350 Gäste der Einladung und verbrachten<br />

erlebnisreiche Stunden auf<br />

dem Gelände der Zuckerfabrik. Die kleinen<br />

Gäste erfreuten sich bei einer Fahrt<br />

mit dem Kettenkarussell oder bei einem<br />

Kettcar-Rennen zwischen den Strohbal-<br />

len. Zusätzlich standen zum Austoben<br />

der P&L-Kletterturm und eine Hüpfburg<br />

bereit. Weiterhin konnten die Kinder gemeinsam<br />

mit den Erwachsenen eine<br />

Planwagenfahrt über den Rübenhof erleben<br />

und somit den Kampagnebetrieb<br />

hautnah genießen. Die Erwachsenen<br />

konnten das Angebot von Fabrikführungen<br />

wahrnehmen, um aus erster Hand<br />

über die Verarbeitungsprozesse der<br />

Zuckerrübe informiert zu werden.<br />

Frank Schmitz<br />

22 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011


Z u c k E R T E c h N I k A N B A u B E T R I E B S W I R T S c h A F T<br />

constantin Fahlberg entdeckte bereit 1879 den Süßstoff Saccharin, der sich schnell zum „Zucker<br />

der Armen“ entwickelte und aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus sogar zeitweise verboten<br />

wurde.<br />

Fernab von den üblichen Touristenrouten liegt das Zucker-Museum<br />

im Berliner Stadtteil Wedding an der Amrumer Straße.<br />

Im Jahre 1904 gegründet, gehört es mit zu den ältesten Museen<br />

Berlins, und es stellt ein attraktives Ausflugsziel dar. Die Exponate<br />

zeigen eine spannende Geschichte von der urheimat<br />

des Zuckerrohrs in Melanesien bis hin zur modernen Rübenzuckerwirtschaft<br />

in Europa.<br />

Auch chemie- und<br />

Physikbegeisterte<br />

kommen im Zucker-<br />

Museum auf ihre<br />

kosten: So sah ein<br />

Analytik-labor in einer<br />

Zuckerfabrik vor<br />

rund 50 Jahren aus.<br />

Fotos: Annegret<br />

keulen<br />

Dass die Gründung des Zucker-Museums<br />

in Berlin erfolgte, ist kein Zufall, denn<br />

dort wurde Zuckergeschichte geschrieben:<br />

In Berlin entdeckte der Chemiker<br />

und Apotheker Andreas Sigismund Marggraf<br />

1747 den Zucker in der Runkelrübe.<br />

Seinem Schüler Franz Carl Achard gelang<br />

es rund 30 Jahre später, den ersten Rübenzucker<br />

aus Runkelrüben zu gewinnen.<br />

1801 gründete er dann die erste Zuckerrübenfabrik<br />

im schlesischen Cunern. Wie<br />

es damals in den ersten Zuckerfabriken<br />

zuging, wird im Zucker-Museum anhand<br />

eines originalgetreuen Modells einer der<br />

ersten Fabriken dargestellt.<br />

Mit ihren Entdeckungen läuteten Marggraf<br />

und Achard eine Zeitenwende in der<br />

Zuckergeschichte ein, denn bis dato war<br />

Zucker eine sehr<br />

teure Kolonialware.<br />

Zucker galt bis<br />

zirka 1900 als Luxusgut.<br />

„Nur wohlhabende<br />

Bürger<br />

konnten sich Zucker<br />

leisten. Wenn<br />

man den damaligen<br />

Zuckerpreis in<br />

die heutige Zeit<br />

übersetzt, dann<br />

würden zwei Stück<br />

Würfelzucker rund<br />

20 € kosten“, erläu-<br />

M A R k T P o l I T I k A k T u E l l E S<br />

Stolz ist Museumsmitarbeiter Thomas Grothe auch auf dieses Exponat.<br />

Eine chinesische Zuckerrohrmühle, die zwischen 1500 und 1800 gebräuchlich<br />

war.<br />

Mehr als 10 000 Jahre süße Geschichte<br />

Die Pioniere des Rübenzuckers in Bronze: Die Büsten von Marggraf (l.) und Achard schmücken<br />

heute die Eingangshalle des Zucker-Museums.<br />

tert Museumsmitarbeiter Thomas Grothe.<br />

Aufwändig geschmiedete Zuckerhämmer<br />

zum Zerteilen von Zuckerhüten<br />

und edle Zuckerdosen, die im Museum<br />

bestaunt werden können, lassen erahnen,<br />

wie kostbar Zucker in dieser Zeit war.<br />

kolonialzucker von Sklavenhand<br />

Viel Raum widmet das Museum auch einem<br />

düsteren Kapitel in der Zuckergeschichte:<br />

dem Sklavenhandel. Zwischen<br />

10 und 20 Mio. Afrikaner wurden zwischen<br />

1500 und 1850 aus ihrer Heimat in<br />

die europäischen Kolonien in Übersee<br />

verschleppt. Wie die Sklaven auf den<br />

Transportschiffen verfrachtet wurden<br />

LZ 50 · 2011 Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L | 23


A k T u E l l E S P o l I T I k<br />

Diese Schulklasse beschäftigt<br />

sich im Zucker-Museumintensiv<br />

mit einer Schattenseite<br />

der Zuckerwirtschaft:<br />

Zwischen<br />

1500 und 1850 wurden<br />

zwischen 10 und<br />

20 Mio. Afrikaner als<br />

Sklaven verschleppt.<br />

und welchen Strapazen und Gefahren sie<br />

auf den Zuckerrohrplantagen ausgesetzt<br />

waren, all das ist im Museum durch eine<br />

Kombination unterschiedlicher Medien<br />

erlebbar.<br />

In einer weiteren Abteilung stellen die<br />

Museumspädagogen auch die Bedeutung<br />

der Nebenprodukte aus der Rübenzuckerindustrie<br />

dar. Gezeigt werden verschiedene<br />

Futtermittel, wie Melassebriketts aus<br />

dem Iran und aus Bulgarien, ebenso wie<br />

moderne Produkte aus dem nachwachsenden<br />

Rohstoff Zuckerrübe: Dazu gehö-<br />

M A R k T B E T R I E B S W I R T S c h A F T A N B A u T E c h N I k Z u c k E R<br />

ren beispielsweise Farben, Lacke oder<br />

kompostierbare Plastiktüten.<br />

Brücke in die Jetztzeit<br />

Mit ihren Exponaten gelingt es den Organisatoren<br />

der Dauerausstellung auch die<br />

Brücke in die Jetztzeit zu schlagen, so<br />

wird in Form von Modellen beispielsweise<br />

die Rübenernte damals und heute dargestellt.<br />

Anhand dessen lässt sich auch<br />

leicht erklären, welche Vorteile der selbstfahrende<br />

Sechsreiher im Vergleich zum<br />

gezogenen Einreiher bringt und welche<br />

enormen Fortschritte in der Züchtung<br />

von Zuckerrübensorten erzielt wurden.<br />

In einer weiteren Abteilung des Museums<br />

steht der Zuckerkonsum im Vordergrund.<br />

„Wir wollen weg von der generellen<br />

Verteufelung des Zuckerkonsums hin<br />

zu einem verantwortlichen Umgang mit<br />

Stevia-Extrakt als Süßstoff zugelassen<br />

Stevia-Extrakt trägt jetzt eine „E-Nummer“: Die<br />

aus dem Kraut der südamerikanischen Stevia-<br />

Pflanze extrahierten Steviolglycoside reihen sich<br />

seit Anfang Dezember unter der Nummer „E 960“<br />

in die Liste der als Zusatzstoff zugelassenen Süßstoffe<br />

ein. Sie dürfen dann zum Süßen diverser<br />

Lebensmittel eingesetzt werden, etwa für alkoholfreie<br />

Erfrischungsgetränke, Speiseeis, Milchprodukte<br />

und Konfitüren. Vorausgesetzt, die gesetzlich<br />

festgelegten Höchstmengen werden eingehalten.<br />

Damit können Stevia-Befürworter nach langem<br />

Hin und Her zumindest einen Teilerfolg für<br />

sich verbuchen. Reines Stevia-Kraut darf nach wie<br />

vor nicht als Zutat in Lebensmitteln eingesetzt<br />

werden. Das in Südamerika heimische Stevia-<br />

Kraut, aus dem die Glycoside extrahiert werden,<br />

wird wegen seiner stark süßenden Eigenschaften<br />

– es ist rund 300-mal süßer als Zucker – dort seit<br />

jeher verwendet.<br />

Für das reine Kraut ergaben Studien jedoch<br />

Hinweise auf eine mögliche gesundheitsschädi-<br />

ob Pülpe-Briketts aus dem Iran und Bulgarien<br />

oder Melassekleie aus Österreich, das Zucker<br />

Museum zeigt, wie die Pflanzenreste aus der<br />

Zuckerindustrie sinnvoll als Futtermittel verwertet<br />

werden.<br />

diesem Nahrungsmittel“, erläutert Grothe<br />

das Ziel dieses Museumsteils. Demnächst<br />

soll das Zucker-Museum erweitert<br />

werden, denn die Abteilungen der Technischen<br />

Universität Berlin, mit denen sich<br />

das Zucker-Museum derzeit das Gebäude<br />

teilt, werden ausziehen. „Derzeit restaurieren<br />

wir beispielsweise eine Eisdiele aus<br />

den 1950er Jahren, die unsere Ausstellung<br />

ergänzen soll“, verrät der Museumsmitarbeiter.<br />

Das Zucker-Museum auf der Amrumer<br />

Straße 32 ist Teil des Deutschen Technikmuseums<br />

Berlin. Geöffnet ist die Ausstellung<br />

von montags bis donnerstags von<br />

9.00 bis 16.30 Uhr und sonntags von<br />

11.00 bis 18.00 Uhr. Der Eintritt kostet<br />

2,50 € für Erwachsene. Führungen sind<br />

nach telefonischer Voranmeldung möglich<br />

unter Telefon: 030-314 275 74.<br />

Weitere Infos gibt es unter www.sdtb.de /<br />

Zucker-Museum.6.0.html<br />

Annegret keulen<br />

gende Wirkung. Für den Extrakt – die Steviolglycoside<br />

– hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />

(EFSA) dagegen im Januar 2011 eine<br />

Sicherheitsbewertung abgegeben. Danach gilt eine<br />

tägliche Aufnahmemenge von 4 mg Steviolglycoside<br />

pro Kilogramm Körpergewicht als unbedenklich.<br />

Das Problem, das die EFSA nach wie vor sieht:<br />

Konsumieren Erwachsene, insbesondere aber Kinder<br />

große Mengen des süßenden Stoffes, kann dieser<br />

Wert leicht überschritten werden. Etwa bei Erfrischungsgetränken<br />

gilt das als gar nicht so unwahrscheinlich.<br />

Deshalb enthält die Zulassung Höchstmengen,<br />

die strikt eingehalten werden müssen. Der<br />

Rheinische Rübenbauer-Verband sieht die Zulassung<br />

von Stevia gelassen. Nach Ansicht des RRV ist Stevia<br />

eher eine neue Alternative auf dem Süßungsmittelmarkt<br />

als eine Konkurrenz zu Zucker. Dafür seien<br />

die geschmacklichen und technologischen Unterschiede<br />

zu groß. Man werde den Markt aber weiter<br />

beobachten.<br />

24 | Z U C K E R R Ü B E N J O U R N A L LZ 50 · 2011<br />

aid

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