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GEBURTSHILFE UND GEBURTSFOLGEKRANKHEITEN Skript zur ...

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<strong>GEBURTSHILFE</strong> <strong>UND</strong> <strong>GEBURTSFOLGEKRANKHEITEN</strong><br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> Vorlesung<br />

von Prof. Dr. Johannes Martig 1994<br />

überarbeitet von<br />

Dr. Gaby Hirsbrunner 2005


INHALTSVERZEICHNIS<br />

<strong>GEBURTSHILFE</strong><br />

DIE NORMALE GEBURT 4<br />

Ursachen des Geburtseintritts 4<br />

Geburtswege 5<br />

Leitung der Normalgeburt 7<br />

DIE PATHOLOGISCHE GEBURT 8<br />

Geburtshilfliche Untersuchung 8<br />

Beurteilung und Behandlung der wichtigsten Geburtshindernisse 12<br />

Die Foetotomie 26<br />

Sectio caesarea 34<br />

BETREUUNG DES NEUGEBORENEN UNMITTELBAR NACH DER GEBURT 36<br />

<strong>GEBURTSFOLGEKRANKHEITEN</strong> 39<br />

DAS NORMALE PUERPERIUM 39<br />

DIE ERKRANKUNGEN IM PUERPERIUM 42<br />

Mechanische Beschädigung der weichen Geburtswege 42<br />

Beschädigung des Beckengürtels 47<br />

Beschädigung innerer Organe bei der Geburt 49<br />

Presswehen post partum 50<br />

Inversio et prolapsus uteri 50<br />

Verlagerungen der Harnblase 53<br />

Atonia uteri post partum 54<br />

Retentio placentae 55<br />

Puerperale bakterielle Erkrankungen 59<br />

2


Vorbemerkungen<br />

In diesem <strong>Skript</strong> werden konsequent weibliche Personenbezeichnungen wie "Tierärztin",<br />

"Melkerin" benützt; es sind damit sowohl weibliche wie männliche Personen, die diese<br />

Funktion ausüben, gemeint.<br />

In der Vorlesung werden die Verhältnisse beschrieben, wie sie sich der Tierärztin bei<br />

Ruminanten präsentieren. Das Gesagte ist sinngemäss auf andere Haustierspezies<br />

anwendbar; nur teilweise kommen die besonderen Probleme beim Schwein und Pferd<br />

<strong>zur</strong> Sprache. Im übrigen wird auf die einzelnen Spezialvorlesungen verwiesen.<br />

3


<strong>GEBURTSHILFE</strong> (OBSTETRIK)<br />

DIE NORMALE GEBURT<br />

Die Geburt ist ein normaler, zum physiologischen Reproduktionsgeschehen gehörender<br />

Vorgang, der aber sowohl für das Muttertier wie für den Neonaten einen Stress<br />

bedeutet. Diese Tatsache sollte man bei der Geburtshilfe nie aus den Augen verlieren,<br />

d.h. es sind alle Vorkehrungen zu treffen (oder zu unterlassen), damit der Stress<br />

möglichst gering bleibt.<br />

Ursachen des Geburtseintritts<br />

Noch nicht alle Zusammenhänge sind bekannt. Es bestehen beträchtliche tierartliche<br />

Unterschiede.<br />

Östrogen: während der Trächtigkeit verantwortlich für das Wachstum der<br />

Muskelzellen der Gebärmutter <strong>zur</strong> Anpassung an die zunehmende Grösse des<br />

Foeten. Während der Geburt ist das Östrogen für die Kontraktionsfähigkeit des<br />

Myometriums verantwortlich (vermehrte Ansprechbarkeit auf Oxytocin).<br />

Progesteron: hemmt die Kontraktionsfähigkeit der Muskelzellen. Bildungsort beim<br />

Rind Rind: Corpus luteum graviditatis bis Trächtigkeitstag 180, dann bis<br />

Trächtigkeitstag 250 Foetoplazentäre Einheit, danach wieder Corpus luteum<br />

graviditatis. Ziege, Schwein: Corpus luteum graviditatis. Schaf: ca. ab Tag 60 die<br />

Plazenta.<br />

Anstieg des Östrogengehalts in den letzten Tagen bis Wochen vor der Geburt,<br />

Steigerung der Kontraktionsfähigkeit des Myometriums. Abfall des<br />

Progesterongehalts ein bis drei Tage ante partum. Wegfall der<br />

kontraktionshemmenden Wirkung auf die Myometriumzelle.<br />

Beginnende Hormonproduktion der Nebennierenrinde des Foeten löst die Geburt aus:<br />

Foetale Kortikoide bewirken die Produktion von Prostaglandin (PGF2α): Luteolyse des<br />

Corpus luteum graviditatis (Rind, Ziege). Beim Schaf starker Anstieg der Östrogene,<br />

welche die Progesteronwirkung neutralisieren. Zunehmende Dehnung der Muskelzellen<br />

der Gebärmutter wegen des Grössenwachstums des Foeten gegen Ende der Trächtigkeit.<br />

Nach Überschreiten der Dehnungsfähigkeit kommt es durch intrazelluläre<br />

Prostaglandinbildung zu spontanen Kontraktionen (Vorwehen), welche nach Wegfall<br />

der Progesteronwirkung in eigentliche Wehen übergehen.<br />

Verstärkung der Wehen durch Oxytocinwirkung. Oxytocin wird im Hypothalamus<br />

gebildet und im Hypophysen-Hinterlappen gespeichert. Oxytocin wirkt nur auf das<br />

sensibilisierte Myometrium.<br />

Künstliche Geburtsauslösung<br />

Um den Geburtstermin kann beim Wiederkäuer die Geburt mit hohen Dosen von<br />

Dexamethason (20 mg) oder mit Prostaglandin (PGF2α) oder einer Kombination beider<br />

Wirkstoffe ausgelöst werden.<br />

Indikationen:<br />

- Verhinderung von Schwergeburten bei befürchteten absolut oder relativ zu<br />

grossen Foeten; nach Überschreiten der normalen Trächtigkeitsdauer<br />

- Abbruch einer pathologischen Trächtigkeit<br />

- schwere Erkrankung eines hochträchtigen Muttertieres<br />

4


- biotechnische Indikationen (Synchronisation, Terminierung)<br />

Geburtseintritt: 1-3 Tage nach Injektion<br />

Risiken:<br />

- Geburt unreifer Foeten (vor Auslösen der Geburt Belegdaten überprüfen!)<br />

- gehäufte Fälle von Retentio placentae<br />

Künstliche Auslösung von Aborten: s. Vorlesung Fortpflanzungsstörungen.<br />

Geburtswege<br />

Weiche Geburtswege: Uterus, Zervix, Vagina, Vulva. Bedeutung und Beurteilung: vgl.<br />

geburtshilfliche Untersuchung.<br />

Harte Geburtswege: im Vergleich zu andern Haustieren stellt das Becken beim Rind<br />

häufiger ein Geburtshindernis dar.<br />

Beckenmasse:<br />

- Conjugata vera: mediane Verbindungslinie vom Promontorium des Kreuzbeins<br />

zum kranialen Ende der Beckenfuge<br />

- Pecten-Vertikale (Diameter verticalis): Senkrechte, vom kranialen Ende der<br />

Beckenfuge <strong>zur</strong> Ventralfläche der Wirbelsäule. Für Geburtshilfe sehr wichtig, da<br />

bestimmend für die Erweiterungsfähigkeit des Beckens nach oben. Durch<br />

Lockerung der Verbindung im Ileosakralgelenk (Östrogenwirkung) und Zug an<br />

Schambein durch Kontrakton der Rektusmuskulatur während der Presswehen kann<br />

die Pectenvertikale unter der Geburt vergrössert werden.<br />

- Querdurchmesser des Beckeneingangs:<br />

dorsaler Q.: zwischem lateralem Ende der Kreuzbeinflügel<br />

mittlerer Q.: zwischen Tubercula psoatica<br />

ventraler Q.: zwischen Eminentiae pectineae<br />

Im Gegensatz zu den beiden andern kann der mittlere Querdurchmesser ein<br />

obstetrisches Hindernis sein.<br />

- Querdurchmesser des Beckenausgangs: Verbindung der medialen Ende der<br />

Sitzbeinhöcker: Wirkung als Geburtshindernis möglich.<br />

Führungslinie: Verbindungslinie in der Medianebene aller Punkte, die vom<br />

Beckenboden und Kreuzbein den gleichen Abstand haben. Die Führungslinie ist doppelt<br />

geknickt, was bei der Extraktion zu berücksichtigen ist.<br />

Beim Rind ist Beckenenge ein relativ häufiges Geburtshindernis, vor allem bei<br />

Primiparen. Gründe:<br />

- längsovaler Querschnitt<br />

- Steilstellung der Darmbeinsäule und Länge des Sakrums erlauben nur eine geringe<br />

Erweiterungsfähigkeit in der Vertikalen<br />

- doppelte Knickung der Führungslinie<br />

Kleiner Wiederkäuer: Beckenform für Geburt besser geeignet als beim Rind, fast<br />

kreisförmiger Querschnitt des Beckens; Pectenvertikale kaudal am Kreuzbein.<br />

Beurteilung des Beckens anlässlich der geburtshilflichen Untersuchung. Eine<br />

Ausmessung des Beckens vor dem Belegen oder kurz vor der Geburt <strong>zur</strong> Abschätzung<br />

des Geburtsrisikos ist jedoch nicht möglich.<br />

Geburtsphasen<br />

Vorbereitungsphase, Eröffnungsphase, Austreibungsphase, Nachgeburtsphase.<br />

Zeitliche Überschneidung der einzelnen Vorgänge.<br />

Von aussen nur teilweise erkennbar.<br />

5


Vorbereitungsphase<br />

Verstärkte Durchblutung und Ödematisierung des Gewebes, bedingt durch erhöhten<br />

Östrogengehalt.<br />

Ödem: Euter, Milchspiegel, Unterbauch<br />

Vergrösserung der Schamlippen und Schamspalte<br />

Scheide wird schlaff<br />

Einsinken der Beckenbänder<br />

Auflösung des Schleimpfropfs, sichtbar durch Abgang der Schleimschnur.<br />

Erschlaffung der Gebärmutter: Foet, der zuvor mit den Gliedmassen bis in den<br />

supravaginalen Raum reichte, fällt wieder <strong>zur</strong>ück und nimmt eine leicht seitliche<br />

Stellung ein.<br />

Erweiterung der Zervix um ca. 1/3 von kranial nach kaudal. Einsetzen<br />

der Wehen (vorerst ohne Oxytocinwirkung).<br />

Änderung im Verhalten des Tieres (Nesttrieb). Bei Rind in Anbindehaltung rudimentär.<br />

Einschiessen der Milch.<br />

Eröffnungsstadium<br />

Für weiteren Verlauf der Geburt sehr wichtig. Einsetzen der Wehentätigkeit:<br />

rhythmische Uteruskontraktionen von Hornspitze zum corpus uteri verlaufend.<br />

Allmähliche Zunahme von Frequenz, Dauer und Intensität.<br />

Die den Foet enthaltenden Fruchtblasen werden gegen die erschlaffte und teilweise<br />

geöffnete Zervix gedrängt und weiten diese langsam aber sehr effizient. Im Idealfall<br />

platzen die Fruchtblasen erst, nachdem sie in der Schamspalte sichtbar werden, meistens<br />

die Allantoisblase als erste. Allantoisblase: bläulich, Inhalt harnartig.<br />

Amnionblase: gelb-gräulich, Inhalt schleimig.<br />

Bedeutung des Fruchtwassers: Erhöhung der Gleitfähigkeit des Foeten, Schutz vor der<br />

Austrocknung der Schleimhäute. Frühzeitiger Blasensprung: ungenügende Weitung der<br />

weichen Geburtswege. Austrocknung und Entzündung der Schleimhäute während des<br />

Austreibungsstadiums.<br />

Dauer des Eröffnungsstadiums: 6-16 Stunden. Symptome: Bis zum Sichtbarwerden der<br />

Fruchtblasen oder Abgang des Fruchtwassers wenig deutliche Symptome:<br />

- Unruhe, Inappetenz<br />

- häufiges Aufstehen und Abliegen, ev. Schlagen zum Bauch<br />

- Nachhintenstrecken des Schwanzes.<br />

Austreibungsstadium<br />

Beginn mit dem Ferguson-Reflex: Druck des Foeten auf die Druckrezeptoren in der Zervix<br />

führt <strong>zur</strong> Ausschüttung von Oxytocin. Platzen der Amnionblase unter Einwirkung der<br />

ersten Presswehen. Presswehen = Treibwehen: wenige Sekunden dauernde<br />

Kontraktionen der Rumpf- und Zwerchfellsmuskulatur <strong>zur</strong> Unterstützung der<br />

oxytocingesteuerten Wehen. Reflexbogen: Druckrezeptoren im Scheidengewölbe -<br />

Nervus pudendus - Rückenmark - motorische Innervation der Bauchmuskulatur.<br />

Durch den keilförmig vorangetriebenen Foeten werden die weichen Geburtswege<br />

zusätzlich erweitert. Presswehen sind schmerzhaft und anstrengend. Das Tier liegt ab<br />

und nimmt Halbseiten- oder Seitenlage mit gestreckten Gliedmassen an. Augenrollen,<br />

Maulatmung, Stöhnen, manchmal sogar Brüllen. Atmung oberflächlich und angestrengt.<br />

Wehenpausen von unterschiedlicher Dauer (ev. mehrere Minuten). Bedeutung: Erholung<br />

für Muttertier, verbesserte Durchblutung der Gebärmutter und damit der Plazenta<br />

(Gasaustausch!).<br />

Dauer des Austreibungsstadiums:<br />

6


- Kühe: 1-3 Stunden<br />

- Rinder: 5-6 Stunden<br />

- kleiner Wiederkäuer: eher kürzer als beim Rind<br />

- Pferd: 5-30 min<br />

Engpässe:<br />

- Durchtritt von Kopf mit Vordergliedmassen durch Zervix und Scheide<br />

(endgültige Weitung)<br />

- Eintritt von Brust in den Beckenraum<br />

- Durchtritt von Kopf und Vordergliedmassen durch Scheidenring und Schamspalte,<br />

vor allem bei Primiparen<br />

- Durchtritt von Brust durch Scheide und Schamöffnung<br />

- Durchtritt der Darmbeinhöcker des Kalbes durch Becken.<br />

Für den Durchtritt der Hinterpartie müssen die Kniegelenke gestreckt sein.<br />

Nachgeburtsstadium<br />

Durch die Austreibung der Frucht fällt der Pressreiz weg. Die Kontaktaufnahme mit<br />

dem Neugeborenen stimuliert die Oxytocinfreisetzung und damit die<br />

Nachgeburtswehen, die <strong>zur</strong> Kontraktion der Gebärmutter führen.<br />

Leitung der Normalgeburt<br />

In der Regel überwachen Landwirtinnen oder Melkerinnen die Geburt ihrer Kühe.<br />

Meistens werden Tierärztinnen nur beigezogen, wenn eine Störung im Geburtsablauf<br />

beobachtet oder befürchtet wird.<br />

Vorbereitungen<br />

(gelten sinngemäss auch für die tierärztlich geleitete Geburt)<br />

- Genügend Platz: Die Kuh soll auf der ihr beliebigen Seite liegen können, ohne von<br />

anderen Tieren gestört zu werden. Hinter der Kuh muss genügend Platz für<br />

Zughilfe vorhanden sein.<br />

- Betreuung des Neugeborenen!<br />

- bei Kurzläger: Abdecken des Gitterrostes<br />

- saubere, trockene Einstreu<br />

- warmes Wasser, Seife, mildes Desinfektionsmittel <strong>zur</strong> Reinigung und<br />

Desinfektion der Vulva und Umgebung und zum Waschen von Armen und<br />

Händen der Geburtshelferin vor, während und nach der Geburtshilfe<br />

- saubere (am besten neue) Stricke und starke Rundhölzer, ca. 30 cm lang, oder<br />

spezielle Geburtshilfeketten mit Handgriffen, eingelegt in Desinfektionslösung für<br />

den Fall, dass Zughilfe geleistet werden muss.<br />

- Gleitmittel (falls nichts anderes vorhanden ist, geht auch Salatöl oder Melkfett)<br />

- kaltes Wasser zum Aufwecken des Kalbes; trockenes Stroh zum Abreiben des<br />

Kalbes<br />

Grundprinzipien bei jeder Geburt<br />

Sauberkeit: Geburtshelferin, Kuh, Umgebung<br />

Vermeidung von Verletzungen:<br />

- keine Manipulationen während der Wehen<br />

- generell vorsichtige Untersuchungen und Korrekturen<br />

- kurze Fingernägel; Ringe, Uhren usw. ausziehen<br />

- Verwendung von Gleitmittel<br />

7


Überlegtes Handeln: Kenntnis der Normalverhältnisse, Beizug einer Tierärztin bei<br />

unklaren Befunden, bei der Feststellung eines nicht einfach zu reponierenden<br />

Geburtshindernisses, bei engen Platzverhältnissen.<br />

Wichtig ist die gute Beobachtung der unter der Geburt stehenden Tiere: Überwachung<br />

der Vorbereitungsphase und Abschätzen des vermutlichen Geburtstermins; intensivierte<br />

Überwachung auch während der Nacht bei unmittelbar bevorstehender Geburt, um den<br />

Zeitpunkt des Fruchtwasserabgangs nicht zu verpassen.<br />

Wenn Gliedmassenspitzen und Kopf nicht kurz nach dem Abgang der<br />

Amnionflüssigkeit in der Schamspalte sichtbar werden: innere geburtshilfliche<br />

Untersuchung unter Einhaltung der oben erwähnten Prinzipien <strong>zur</strong> Feststellung, ob<br />

normale Verhältnisse vorliegen.<br />

Bei normalem Fortschreiten der Austreibungsphase (Fortschritt von 1-2 cm pro<br />

Wehenschub) soll keine Zughilfe geleistet werden. Dies gilt insbesondere für<br />

Primipare, bei denen die weichen Geburtswege erst in der Austreibungsphase durch<br />

den Foeten endgültig geweitet werden.<br />

Bei verschleppter Geburt, aber normaler Lage, Stellung und Haltung des Foeten kann<br />

durch leichte Zughilfe an den Gliedmassen die Austreibungsphase verkürzt werden,<br />

sofern die Geburt von selbst soweit gediehen ist, dass die Gliedmassen bis zu den<br />

Fesselköpfen aus der Scheide herausragen. Genaueres <strong>zur</strong> Zughilfe: s. unten.<br />

Es ist darauf zu achten, dass das Kalb in eine möglichst trockene und saubere<br />

Umgebung geboren wird. Trockenreiben des Kalbes und Verbringen an seinen<br />

Standplatz. In der Abkalbeboxe kann man das Kalb bei der Kuh belassen, die es in der<br />

Regel intensiv ableckt. Bei Anbindehaltung besteht Verletzungsgefahr für das Kalb<br />

durch Nebentiere oder das in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkte Muttertier. Wenn<br />

man das Kalb für kurze Zeit nach der Geburt bei der Kuh belässt, ist in der Regel die<br />

Beunruhigung des Muttertieres nach Entfernen des Kalbes grösser, als wenn die Kuh nie<br />

Kontakt hatte mit ihrem Kalb.<br />

Gute Überwachung der Kuh unmittelbar nach der Geburt:<br />

- Allgemeinzustand<br />

- Stehvermögen<br />

- Intensität der Nachwehen (Gefahr von Prolapsus uteri)<br />

- Ausscheidung von frischem oder koaguliertem Blut aus Scheide?<br />

- Abgang der Nachgeburt<br />

DIE PATHOLOGISCHE GEBURT<br />

Tierärztliche Geburtshilfe<br />

Überlegenheit der Tierärztin durch<br />

- genaue Untersuchung, Diagnose, Prognose und Therapie<br />

- manuelle und operative Fähigkeiten<br />

- Möglichkeit, Medikamente einzusetzen<br />

- Erfahrung, da sie viel häufiger mit abnormen Geburten konfrontiert wird als der<br />

Laie<br />

Geburtshilfliche Untersuchung<br />

Die genaue und umfassende Untersuchung ist der Schlüssel zum Erfolg bei der<br />

Geburtshilfe.<br />

8


Anamnese<br />

Alter, Anzahl der Trächtigkeiten, Trächtigkeitsdauer und Verlauf der Trächtigkeit;<br />

Störungen bei früheren Geburten; Verlauf des Vorbereitungs- und Eröffnungsstadiums;<br />

Zeitpunkt des Abgangs von Fruchtwasser, Beschaffenheit der Fruchtwässer; abnormes<br />

Verhalten des Muttertieres?<br />

Vorausgegangene Untersuchungen und Hilfeleistungen anderer Personen (könnten<br />

dadurch bedingt bereits Verletzungen bestehen?)<br />

Kurze Beurteilung des Allgemeinzustandes.<br />

Körperhaltung, Verhalten, Nährzustand.<br />

Körperbau und -entwicklung, besonders von Becken und Euter. Erhebung der Trias, nur<br />

wenn aufgrund der kurzen Allgemeinuntersuchung eine massive Abweichung von der<br />

Norm vermutet wird, z.B. ein Schockzustand, eine fieberhafte Erkrankung oder eine<br />

Hypokalzämie.<br />

Äussere geburtshilfliche Untersuchung<br />

- Leibesumfang: Kann Hinweis geben auf Mehrlingsträchtigkeit, Eihautwassersucht.<br />

Wehentätigkeit<br />

- Ödematisierung von Vulva, Milchspiegel, Euter, Beckenbändern<br />

- Grösse und Verlauf der Schamspalte<br />

- heraushängendes Gewebe oder Abgang von Sekret aus der Schamspalte (Fruchtwasser<br />

und Eihäute: Farbe, Geruch, Beschaffenheit); Blut, Eiter oder nekrotisches Material<br />

(verschleppte Geburten, Frühgeburten, Aborte); Fett oder Bindegewebe, Kot,<br />

Eingeweide, Harnblase (Scheidenverletzungen, Missbildungen von Foeten)<br />

Innere geburtshilfliche Untersuchung<br />

Wenn immer möglich am stehenden Tier: Prüfung der Stehfähigkeit, bessere Übersicht<br />

(normaler Situs), geringere Wehentätigkeit.<br />

Bei festliegenden Tieren: wenn möglich linke Seitenlage mit Beckenhochlagerung.<br />

Kleiner Wiederkäuer: wenn möglich ebenfalls am stehenden Tier. Wenn das Tier<br />

während der Untersuchung immer wieder abliegt: seitliche Lagerung auf Strohballe<br />

oder Schragen. Beim Schaf kann man in der Regel Zervix und Becken mit der Hand<br />

knapp passieren, bei der Ziege nicht immer. Manipulationen bei Schaf und Ziege sehr<br />

vorsichtig durchführen. Cave: Schaf und Ziege sind auch punkto Geburtshilfe nicht<br />

„kleine Rinder“.<br />

Die Geburtshelferin soll saubere Berufskleider tragen, die sie auch vor Durchnässung<br />

(schwallweiser Abgang von Fruchtwasser) schützen. Reinigung und Desinfektion von<br />

Vulva und Umgebung des unter der Geburt stehenden Tieres.<br />

Reinigung der Hände und Arme der Geburtshelferin. Kurze Fingernägel, keine Ringe,<br />

Uhr etc., Einsatz von Gleitmittel.<br />

Da Kühe während geburtshilflicher Untersuchungen und Manipulationen häufig Kot<br />

absetzen, muss die Waschprozedur mehrmals wiederholt werden.<br />

Man beurteilt:<br />

am Muttertier:<br />

- Beschaffenheit der Schleimhaut<br />

- Weite der weichen Geburtswege<br />

- Symmetrie und Weite des Beckens<br />

- Fruchthüllen<br />

am Foeten:<br />

- Lage, Stellung, Haltung<br />

- Anzahl der Foeten<br />

9


- Grösse des Foeten<br />

- Vitalität des Foeten<br />

- Missbildungen<br />

Schleimhaut<br />

Normal: glatt, glitschig, erschlafft ohne Querschnittverengung<br />

Abnorm: rauh, trocken, vermehrt warm, verschwollen; oberfächliche, tiefe oder<br />

perforierende Verletzungen mit Hervorquellen von Gewebe oder Austritt von Blut;<br />

Längs- oder Querfaltenbildung (Torsio uteri)<br />

Weite der weichen Geburtswege<br />

Normal: gleichmässiger, gestreckter Kanal mit verstrichener Zervix<br />

Abnorm: Verengungen in Schamspalte oder Hymenalring nach gestörtem Vorbereitungs-<br />

und/oder Eröffnungsstadium, aber auch bei verfetteten Tieren; besonders häufig bei<br />

Primiparen. Scheidenverengungen infolge Narbenstrikturen nach Schwergeburt bei der<br />

letzten Kalbung oder Prolapsus vaginae. Scheidenspangen, Scheidenzysten, Zervixenge<br />

verschiedenen Grades nach<br />

- gestörter Vorbereitungs- und/oder Eröffnungsphase<br />

- bei verschleppter / übergangener Geburt (teilweise Kontraktion nach vormals<br />

vollständiger Eröffnung)<br />

- infolge Narbenstriktur nach Verletzung bei der vorangegangenen Geburt<br />

Harte Geburtswege<br />

Beurteilung von Form und Grösse des Beckens anhand der genannten Parameter.<br />

Abnorm: Asymmetrien und Kallusbildungen nach Beckenfrakturen; stark hervortretende<br />

Knochenteile: Pecten ossis pubis, Promontorium<br />

Fruchthüllen<br />

Blasensprung erfolgt? Beschaffenheit der Placenta. Menge, Farbe und Geruch des<br />

Fruchtwassers; Beimengung von Haaren, Kot, Blut oder Eiter?<br />

Lage, Stellung und Haltung des Foeten<br />

Lage: Verhältnis der Längsachse des Foeten <strong>zur</strong> Längsachse des Muttertieres. Normal:<br />

Längslage als Vorderendlage (VEL) oder Hinterendlage (HEL). Pathologisch:<br />

Querlagen, Senkrechtlagen<br />

Stellung: Verhältnis vom Rücken des Foeten zum Rücken des Muttertieres. Normal:<br />

obere Stellung: Rücken des Foeten dem Rücken des Muttertieres zugewandt.<br />

Pathologisch: untere Stellung und seitliche Stellungen (z.B.: seitliche Stellung nach<br />

rechts: der Rücken des Kalbes ist der rechten Bauchwand des Muttertieres zugewandt)<br />

Haltung: Verhältnis der beweglichen Teile des Kalbes zu seinem Rumpf. Normal: bei<br />

Vorderendlage Hals und Vordergliedmassen gestreckt. Bei Hinterendlage:<br />

Hintergliedmassen gestreckt. Abnorm: Beugehaltungen von Hals und Gliedmassen aller<br />

Art (s. unten)<br />

Für das Erkennen von Lage, Stellung und Haltung des Foeten muss man in der Lage<br />

sein, seine einzelnen Körperteile eindeutig zu identifizieren. Gliedmassen: Abtasten der<br />

Gliedmassen von den Klauen über das Fesselgelenk zum nächsten Gelenk. Nur anhand<br />

von Carpus bzw. Tarsus lassen sich Vorder- und Hintergliedmassen eindeutig<br />

voneinander unterscheiden. Das schrittweise Vorgehen von distal nach proximal ist<br />

wichtig, damit man nicht etwa das Ellbogengelenk mit einem Sprunggelenk<br />

verwechselt.<br />

Kopf: viele leicht erkennbare Strukturen: Mandibula, Incisivi, ev. Zünglein,<br />

Flotzmaul mit Nasenlöchern, Augenbogen, Augen, ev. Ohren. Becken: erkennbar<br />

10


anhand von Sitzbein- ev. Darmbeinhöckern, Schwanz und Anus. Brustkorb: Rippen,<br />

Dorsalfortsätze und Sternum sind im allgemeinen als solche zu erkennen.<br />

Anzahl der Foeten<br />

Verdacht auf Mehrlingsträchtigkeit:<br />

- bei kleinen Foeten nach normaler Trächtigkeitsdauer<br />

- bei gleichzeitigem Vorfinden von Hintergliedmassen und Vordergliedmassen<br />

und / oder Kopf<br />

- bei Vorfinden von drei oder mehr gleichen Gliedmassen oder zwei Köpfen<br />

Differentialdiagnosen: Missbildungen oder Lageanomalien. Durch genaue<br />

Untersuchung versucht man, die einzelnen Körperteile einander zuzuordnen; Abklären,<br />

ob sich einzelne Foeten aneinander vorbeischieben lassen.<br />

Grösse des Foeten<br />

Beurteilung anhand des Umfangs von Röhrenknochen und Schädel sowie von<br />

Sitzbeinhöckerabstand und Darmbeinhöckerabstand.<br />

Beurteilung der Grösse im Verhältnis <strong>zur</strong> Grösse des Beckens vom Muttertier:<br />

- wieweit ist der Kopf bzw. das Becken ohne äussere Hilfe eingetreten?<br />

- Beurteilung des Platzes zwischen Kopf und Beckeneingang<br />

- tritt bei Vorderendlage der Kopf nach Zug an den Vordergliedmassen in das<br />

Becken ein?<br />

- vorsichtiger Extraktionsversuch<br />

Die Beurteilung der Grösse des Foeten in Relation zum mütterlichen Becken stellt auch<br />

erfahrene Geburtshelferinnen immer wieder vor Probleme. Erschwerend kommt hinzu,<br />

dass man durch Abtasten der erreichbaren Körperteile nur bedingt auf die Masse des<br />

ganzen Foeten schliessen kann. Für den Verlauf der weiteren Geburt ist die richtige<br />

Beurteilung der Grösse des Foeten von entscheidender Bedeutung.<br />

Vitalität des Foeten<br />

Manchmal lässt sich nicht definitiv entscheiden, ob ein Foet <strong>zur</strong> Zeit der Untersuchung<br />

lebt oder nicht. Nur eindeutig positive Zeichen sind beweisend!<br />

Positiv: deutliche Foetale Bewegungen nach Kneifen im Zwischenklauenspalt,<br />

Nasenseptum, Zunge. Übermässig starke Abwehrbewegungen können ein Zeichen von<br />

Agonie sein. Positiver Analreflex, Pulsation der Nabelarterie. Weitere<br />

Beurteilungskriterien: Augenturgor: deutlicher Unterschied des Bulbusdruckes<br />

zwischen lebenden und toten Foeten. Bei längerem leichtem Druck auf die Bulbi lassen<br />

sich manchmal auch Abwehrbewegungen auslösen.<br />

Verdacht auf abgestorbenen Foeten: Wasserabgang mehr als 6 Stunden <strong>zur</strong>ückliegend,<br />

spontaner Haarausfall und leicht ausziehbare Haare, Verschmutzung des Fruchtwassers<br />

mit Kot, teilweise Ablösung der Placenta.<br />

Der Befund, ob der Foet noch lebt oder nicht, kann den Entscheid über das<br />

weitere Vorgehen bei der Geburtshilfe wesentlich beeinflussen.<br />

Geburtshilfliche Nachuntersuchung<br />

Unbedingt notwendig nach jeder tierärztlichen Geburtshilfe. Man<br />

achte auf:<br />

- Übermässige Blutungen<br />

- Verletzungen, Schwellungen, Asymmetrien<br />

- Vorhandensein von weiteren Foeten: bewusst beide Hörner aufsuchen, bei<br />

grossem, ins Abdomen herabhängendem Uterus die Bauchdecken mit einem Brett<br />

anheben lassen<br />

- bei unklaren Befunden: Nachkontrolle nach einigen Stunden<br />

11


Neben der vaginalen und allenfalls auch rektalen Exploration soll man sich auch über<br />

den Allgemeinzustand des Tieres ins Bild setzen.<br />

Nicht völlig erschöpfte Tiere zum Aufstehen antreiben:<br />

- Kontrolle der Stehfähigkeit<br />

- Verringerung der Gefahr eines Prolapsus uteri<br />

- saubere Nachuntersuchung mit normalem Situs der Organe<br />

Beurteilung und Behandlung allfälliger pathologischer Zustände: s.<br />

Nachgeburtserkrankungen<br />

Geburtshilfliche Diagnose<br />

Ergibt sich aus Allgemeinsymptomen und lokalen Befunden an Kuh und Kalb. Prognose<br />

für das Muttertier: Überleben, Wirtschaftlichkeit (Milchleistung der folgenden<br />

Laktation, erneute Konzeption), Fleischverwertung bei Schlachtung.<br />

Prognose für das Kalb: Überleben.<br />

Die Diagnose und die Prognose in Abhängigkeit der verschiedenen in Frage kommenden<br />

Behandlungsmöglichkeiten sollen der Besitzerin in verständlicher Weise erörtert werden. Um<br />

nachträglichen Vorhaltungen vorzubeugen, ist es wichtig, die Besitzerin in die<br />

Entscheidungsfindung über das weitere Vorgehen einzubeziehen. Es hat keinen Sinn, eine<br />

Behandlung (z.B. eine forcierte Extraktion) gegen den Willen der Besitzerin<br />

durchzuführen; umgekehrt soll sich die Tierärztin nicht zu einem Behandlungsversuch,<br />

den sie nicht verantworten kann, überreden lassen.<br />

Beurteilung und Behandlung der wichtigsten Geburtshindernisse<br />

Unterstützende Massnahmen bei der Behebung von Geburtshindernissen<br />

Unterdrückung der Presswehen mit Hilfe einer kleinen Epiduralanästhesie <strong>zur</strong><br />

Verminderung der Gefahr von Verletzungen bei Untersuchungen und Manipulationen.<br />

Nachteil: verminderte Wehentätigkeit bei der Extraktion nach Korrektur des<br />

Geburtshindernis', Gefahr des Verlusts der Stehfähigkeit.<br />

Injektion von Tokolytika <strong>zur</strong> vorübergehenden Ausschaltung der Wehen und<br />

Erschlaffung der Gebärmutter.<br />

- Isoxsuprin (Degraspasmin ® : 200 mg i.m. / i.v. Wirkungseintritt nach 15 min.<br />

Dauer: ca. 2 Stunden. Antagonist: Oxytocin. Nebenwirkungen: Blutdruckabfall,<br />

Steigerung der Herzfrequenz.<br />

- (Clenbuterol (Ventipulmin ® ) würde ebenfalls tokolytisch wirken. Die Wirkung<br />

kann aber mit Oxytocin nicht antagonisiert werden. Zudem hat Clenbuterol 28<br />

Tage Absetzfrist für Fleisch und darf bei milchliefernden Tieren nicht eingesetzt<br />

werden.)<br />

Kleine Epiduralanästhesie: zwischen 1. und 2. Schwanzwirbel 2-4 cm tief einstechen nach<br />

chirurgischer Vorbereitung der Stelle. Depot von 4-6 ml einer 1-2%igen Lidocainlösung ohne<br />

Adrenalin. Das Stehvermögen sollte erhalten bleiben, Scheide und Vorhof sind anästhesiert.<br />

Fruchtwasserersatz: Einpumpen von 5-10 oder mehr Litern einer schleimigen Flüssigkeit<br />

in die Gebärmutter mittels einer Eimerpumpe. Herstellen des Fruchtwasserersatzes<br />

durch Verdünnen von normalem dickflüssigen Gleitmittel mit sauberem lauwarmem<br />

Wasser. Wirkung: bessere Bewegungsfreiheit für Manipulationen in der Gebärmutter,<br />

insbesondere Korrektur von Lage- und Haltungsanomalien sowie bei Foetotomie. Schutz<br />

der Schleimhäute vor Austrocknung, Verbesserung der Gleitfähigkeit des Foeten.<br />

Nachteil bei Einpumpen von Fruchtwasserersatz: Kontaminationsgefahr, insbesondere<br />

wenn nachträglich ein Kaiserschnitt durchgeführt werden muss.<br />

12


1. Missverhältnis zwischen Grösse des Foeten und Weite der harten Geburtswege<br />

Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob das Haupthindernis in den harten oder weichen<br />

Geburtswegen liegt, was nicht immer einfach ist. Die Frage, ob es sich um einen relativ<br />

oder absolut zu grossen Foeten handelt, lässt sich sehr oft, zumindest anlässlich der<br />

geburtshilflichen Untersuchung, nicht eindeutig entscheiden; sie ist aber für das weitere<br />

Vorgehen <strong>zur</strong> Behebung des Geburtshindernisses auch nicht von ausschlaggebender<br />

Bedeutung, ja für dessen Behebung irrelevant.<br />

Absolut zu grosser Foet: übertragene Foeten, grobknochiges Kalb bei an sich normal<br />

gebauter Kuh (Missverhältnis: Muttertier - Vatertier)<br />

Relativ zu grosser Foet: juveniles Becken des Muttertieres (zu frühes Belegen),<br />

angeborene Beckenenge des Muttertieres, Beckenenge infolge Fraktur oder anderer<br />

Schädigung.<br />

Symptome: kein Fortschritt in der Austreibungsphase trotz normaler Wehentätigkeit,<br />

Foet im Becken eingekeilt. Bei Zug an den Gliedmassen wird der Kopf <strong>zur</strong> Seite oder<br />

nach unten abgedrängt. Grobe Gliedmassen, breiter Schädel (absolut zu grosser Foet),<br />

keine Fortschritte bei kunstgerechtem Extraktionsversuch.<br />

Differentialdiagnosen: Ellbogen-Schulterbeugehaltung, Scheidenenge, Zervixenge,<br />

Missbildungen, z.B. Doppellender, Hydrozephalus, Hydrops oder Aszites des<br />

Foeten.<br />

Behebung:<br />

Optionen bei lebendem Foeten:<br />

- verstärkter Zug<br />

- Sectio caesarea<br />

- Schlachtung des Muttertieres und Entwicklung des Kalbes zu Beginn der<br />

Schlachtung („konservativer Kaiserschnitt“) bei züchterisch wertlosem<br />

Muttertier, ungenügender Laktationsbereitschaft, schwerer Gesundheitsstörung)<br />

Optionen bei totem Foeten:<br />

- verstärkter Zug<br />

- Foetotomie<br />

- Sectio caesarea<br />

- Schlachtung des Muttertieres<br />

Prophylaxe: im Rahmen des Zuchtprogramms werden die Einflüsse der Stiere auf die<br />

Häufigkeit von Schwergeburten genau erfasst und den Züchterinnen mitgeteilt. Bei<br />

speziell gefährdeten Muttertieren (vor allem bei Primiparen) besteht die Möglichkeit,<br />

Stiere einzusetzen, welche in der Regel kleine Kälber produzieren. Zudem können<br />

Gebrauchskreuzungen mit Stieren gewisser Mastrassen (z.B. Aberdeen Angus), bei<br />

denen die Kälber generell kleiner sind als bei den Tieren der Si/RH-Rasse,<br />

vorgenommen werden.<br />

Bei Überschreiten der normalen Trächtigkeitsdauer um mehr als eine Woche soll man<br />

die medikamentelle Geburtseinleitung erwägen, selbst wenn die Muttertiere noch nicht<br />

richtig aufgeeutert haben. Voraussetzung ist allerdings, dass das Belegdatum<br />

zweifelsfrei feststeht (Nachkontrolle Besamungskarte!).<br />

Es wird etwa argumentiert, eine Geburtseinleitung sei nicht empfehlenswert, wenn die<br />

Tiere ungenügend auf die Laktation vorbereitet seien. Erfahrungsgemäss eutern die<br />

Kühe während des Vorbereitungsstadiums nach medikamenteller Geburtseinleitung gut<br />

auf; zusätzlich ist zu bedenken, dass eine Schwergeburt bei einem Tier, das gut<br />

aufgeeutert hat, die Laktation ebenfalls gefährden kann.<br />

Der verstärkte Zug (forcierte Extraktion)<br />

13


Es gibt Situationen, bei denen anlässlich der Untersuchung eindeutig klar wird, dass eine<br />

forcierte Extraktion sinnlos ist.<br />

Eine forcierte Extraktion ist dann anzustreben, wenn man die Aussichten für die<br />

Entwicklung eines lebenden Kalbes ohne Schädigung des Muttertieres als hoch<br />

einschätzt.<br />

Bei forcierter Extraktion ist in erster Linie das Kalb und in zweiter Linie das Muttertier<br />

gefährdet.<br />

Die Wünsche und Risikobereitschaft der Tierbesitzerin sind in die Entscheidung<br />

einzubeziehen, dürfen aber nicht zu tierquälerischer Belastung des Muttertieres führen.<br />

Bei Schlachtung von unter der Geburt stehenden Tieren ist die zu erwartende<br />

Verminderung der Fleischqualität (körperliche Anstrengung, Hyperöstrogenismus) zu<br />

bedenken.<br />

Ausführung des verstärkten Zugs: bestmögliche Ausnützung der Platzverhältnisse und<br />

Anwendung von dosierter Zughilfe<br />

- Befestigung von Geburtshilfestricken oder Geburtshilfeketten oberhalb des<br />

Fesselkopfs<br />

- Unterstützung der Wehenkraft durch Zug mit maximal zwei Personen während<br />

den Wehen (kein Zug während den Wehenpausen!)<br />

- Muttertier in Seitenlage <strong>zur</strong> optimalen Ausnützung der Presswehen (Steilstellung<br />

des Beckens)<br />

- Zugrichtung: bis <strong>zur</strong> Entwicklung des Kopfes, bzw. des Beckens (Hinterendlage)<br />

parallel <strong>zur</strong> Wirbelsäule; danach in Richtung Sprunggelenke der Kuh<br />

(Streckung der Kniegelenke des Kalbes in Vorderendlage)<br />

- schonende Erweiterung der weichen Geburtswege durch Massage mit der<br />

zwischen Kopf bzw. Rumpf und Scheidenschleimhaut eingekeilte flachen<br />

Hand (Gleitmittel)<br />

- in gewissen Phasen kann der einseitige Zug an einer Gliedmasse oder alternierende<br />

Zug an den Gliedmassen von Nutzen sein<br />

- bei Festklemmen des Foetalen Beckens im mütterlichen Becken kann in gewissen<br />

Situationen die Rotation des Foeten um seine Längsachse <strong>zur</strong> Überwindung des<br />

Geburtshindernisses beitragen<br />

- wenn zu Beginn der forcierten Extraktion keine Fortschritte erzielt werden, ist<br />

der Versuch abzubrechen; der Entscheid muss gefällt werden, bevor der Kopf,<br />

bzw. das Becken (bei Hinterendlage) die Schamspalte passiert hat<br />

Risiken bei der forcierten Extraktion:<br />

- Verletzungen, Quetschungen, Blutungen verschiedenen Grades der weichen<br />

Geburtswege<br />

- Luxation im Kreuzbein- Darmbeingelenk<br />

- Beckenbrüche<br />

- Gebärmuttervorfall oder Harnblasenvorfall infolge der starken Presswehen nach<br />

der Geburt<br />

- Absterben des Foeten unter der Geburt<br />

- Steckenbleiben des Foeten mit seinem Becken im Becken des Muttertieres<br />

2. Zervixenge<br />

Ursachen:<br />

- Vorbereitungsstadium noch nicht abgeschlossen<br />

- Beginn des Eröffnungsstadiums bei ungenügendem Fortschritt des<br />

Vorbereitungsstadiums: zu frühes Bersten der Fruchtblasen - ungenügende<br />

Öffnung nach Behebung einer Torsio uteri<br />

14


- Narbenstrikturen nach Verletzung in der vorangegangenen Geburt<br />

- Verschleppte / übergangene Geburt<br />

Diagnose:<br />

Abklären des Grades der Zervixenge: von "fast verstrichen" bis fingerdicker Öffnung ist<br />

alles möglich. Fruchtblasen intakt oder geborsten? Foet lebend oder tot? Wenn tot, seit<br />

wann? Zervix derb oder weich, d.h. dehnungsfähig? Differentialdiagnose: Torsio uteri<br />

(anhand der übrigen Befunde in der Regel leicht auszuschliessen).<br />

Weiteres Vorgehen: bei intakten Fruchthüllen abwarten, bei gleichzeitiger<br />

Wehenschwäche ev. Behandlung derselben je nach vermuteter Ursache<br />

(Kalziuminfusion, Oxytocininjektion).<br />

Nach Abgang der Fruchtwasser und noch lebendem Foeten, je nach Ausmass der<br />

Zervixenge:<br />

- bei geringgradiger Einengung des Zervixkanals: Kalb einziehen unter Fixation des<br />

Kopfes mit einer Genickschlinge; durch gleichzeitigen Zug an Gliedmassen und<br />

Kopf und manueller Massage versuchen, die Zervix zu erweitern; ev.<br />

Fruchtwasserersatz<br />

- bei ausgeprägter Zervixenge und nach Versagen des manuellen<br />

Erweiterungsversuchs: Sectio caesarea<br />

- bei Zervixenge und eindeutig totem Foeten kommt zusätzlich, je nach Grad der<br />

Zervixenge, auch eine Foetotomie in Frage; je nach Zustand des Muttertieres und<br />

Zersetzungsgrad des Foeten muss auch eine Schlachtung ins Auge gefasst werden,<br />

wobei zu berücksichtigen ist, dass bei emphysematösen Foeten die<br />

Fleischverwertung in Frage gestellt ist<br />

- bei fast vollständigem Verschluss der Zervix lässt sich häufig nicht entscheiden, ob<br />

die Fruchtwasser abgegangen sind und ob der Foet noch lebt; eine Sectio caesarea<br />

ist in dieser Situation riskant, weil nicht vorauszusehen ist, ob sich nach der<br />

Operation die Zervix soweit öffnet, dass die Nachgeburt abgehen kann<br />

Zervixenge ist eines der häufigsten Geburtshindernisse beim Schaf; sie trifft sehr<br />

oft in Zusammenhang mit Prolapsus vaginae ante partum auf („Ringwomb“).<br />

3. Scheidenenge und Vulvaenge<br />

Ursachen: analog der unter Zervix genannten Gründe; zusätzlich kommt eine<br />

übermässige Verfettung als Ursache in Frage.<br />

Diagnose: verstrichene Zervix, Kalb von normaler Grösse, welches in den<br />

Geburtswegen festgeklemmt ist. Differentialdiagnosen: Zervixenge, Beckenenge<br />

Behebung:<br />

bei noch stehenden Fruchtwässern: Abwarten<br />

bei Primiparen, wenige Stunden nach Wasserabgang und guter Wehentätigkeit:<br />

Abwarten<br />

Extraktion durch schonenden verstärkten Zug unter Einsatz von Fruchtwasserersatz und<br />

ständiger manueller Massage. Bei ausgeprägter Enge und lebensschwachem Foeten:<br />

Sectio caesarea. Episiotomie (Dammschnitt) wird beschrieben, wegen Infektionsgefahr<br />

jedoch sehr selten ausgeführt.<br />

4. Torsio uteri<br />

Drehung der Gebärmutter um ihre Längsachse. Nähere Umschreibung nach Drehrichtung,<br />

Grad und Lokalisation.<br />

Drehrichtung: bezogen auf die Kuh (und damit aus der Sicht der hinter der Kuh<br />

stehenden Geburtshelferin). Torsion nach links = Torsion im Gegenuhrzeigersinn.<br />

Torsion nach rechts = Torsion im Uhrzeigersinn. Grad: von 90 bis > 360° ist alles<br />

möglich.<br />

15


Lokalisation: zervikal-vaginal; präzervikal (= Bereich des corpus uteri); korkzieherartig<br />

von vaginal bis <strong>zur</strong> Hornspitze. Häufigste Form: 3/4 Drehung nach links, zervikalvaginal.<br />

Torsio uteri ist beim Rind ein relativ häufiges Geburtshindernis; beim Schaf kommt sie<br />

selten vor oder wird zumindest selten diagnostiziert.<br />

Ursachen:<br />

Artdisposition des Rindes durch:<br />

- Grösse des Uterus, der nur durch an der Curvatura minor ansetzende Ligamenta<br />

lata uteri fixiert wird<br />

- extreme Asymmetrie der Gebärmutter durch die Einhornträchtigkeit<br />

- maximale Übertragung von Foetalbewegungen auf die Gebärmutter durch die<br />

disseminierte Plazentation<br />

- Bewegungsablauf beim Aufstehen und Abliegen<br />

Begünstigend wirken ferner eine starke Erschlaffung der Bauchdecken bei alten Tieren,<br />

sowie die Einengung der Bewegungsfreiheit bei beengenden Verhältnissen im<br />

Anbindestall.<br />

Auslösender Faktor: heftige Foetale Bewegungen auf äussere Reize oder beim<br />

Einstellen <strong>zur</strong> Geburt von der vorgeburtlich seitlichen oder unteren Stellung in eine<br />

geburtsgerechte obere Stellung. Torsio uteri tritt meistens im Laufe der Vorbereitungs-<br />

oder Eröffnungsphase auf, kann aber auch schon in frühen Trächtigkeitsstadien<br />

vorkommen.<br />

Symptome<br />

Typische Anamnese: normale Geburtsvorbereitungen, die sich nicht weiter entwickeln<br />

oder sogar rückgängig gemacht werden, ev. Trippeln, leichte Kolikerscheinungen,<br />

Inappetenz.<br />

Wehen bei unvollständiger oder vollständiger Geburtsvorbereitung; kein Fortschreiten<br />

der Geburt; ev. Fehlen von Wehen, nach vorübergehend normaler Wehentätigkeit.<br />

Inappetenz, Tachykardie, ev. leichte Tympanie und Kolikerscheinungen (auch bei<br />

Auftreten solcher Symptome in der Hochträchtigkeit an Torsio uteri denken!).<br />

Fruchtwasser meist noch nicht abgegangen.<br />

Vulva manchmal verzogen.<br />

Vagina: spiralige Faltenbildung; die explorierende Hand wird in der Drehrichtung<br />

abgelenkt. Querfalte wegen Einschnürung durch Uterusbänder.<br />

Verengung des Geburtskanals je nach Grad und Hauptlokalisation der Torsion: zervikalvaginal:<br />

Verengung beginnt bereits in der Vagina; bei Drehungen bis 270° kann die<br />

Hand meist die Zervix noch passieren, bei >360° nicht mehr.<br />

Präzervikal: Vagina wenig verdreht, starke Einengung von Zervix; Foet nur knapp<br />

oder überhaupt nicht erreichbar.<br />

Befunde am Foeten (Voraussetzung: ursprünglich obere Stellung):<br />

1/4 Torsion nach links: Rücken nach links<br />

1/4 Torsion nach rechts: Rücken nach rechts<br />

1/2 Torsion nach links und nach rechts: Rücken nach unten<br />

3/4 Torsion nach links: Rücken nach rechts<br />

3/4 Torsion nach rechts: Rücken nach links<br />

vollständige Torsion nach links oder rechts: Rücken nach oben<br />

Mit zunehmendem Drehungsgrad nimmt die Einengung des Geburtskanals zu.<br />

Rektalbefund: ligamenta lata uteri folgen der Drehung und werden angespannt, laufen<br />

einseitig über den Uterus. Mit zunehmender Torsion werden die Bänder ödematös und<br />

gestaut; starke Pulsation und Schwirren der aa.ut.med.<br />

16


Die Anspannung der Gebärmutterbänder führt auch <strong>zur</strong> Querfaltenbildung am Boden der<br />

Vagina. Bei Unklarheit über die Drehrichtung anlässlich der vaginalen Untersuchung<br />

verschafft die rektale Untersuchung meistens Klarheit.<br />

Diagnose<br />

- Äussere klinische Befunde<br />

- Längs- und Querfalten in Vagina bei gleichzeitiger Einengung des Geburtskanals<br />

- Befunde am Foeten<br />

- Befunde an Ligg. lata bei rektaler Untersuchung<br />

Differentialdiagnosen:<br />

- Scheidenenge, Zervixenge<br />

- Stellungsanomalien (bei korkzieherartiger Torsion)<br />

Folgen:<br />

- Zirkulationsstörungen an der Gebärmutter: Ischämie an der Torsionsstelle, Stauung<br />

und Infarzierung der Gebärmutter und ihres Aufhängeapparates durch<br />

Kompression der Venen bei erhaltener Durchgängigkeit der Arterien: Ausschwitzungen,<br />

erhöhte Brüchigkeit des Gewebes.<br />

- ungenügende Versorgung des Foeten mit Sauerstoff und Nährstoffen,<br />

Kreislaufversagen beim Muttertier (Schock)<br />

- gestörtes Vorbereitungsstadium: Zervixenge<br />

Korrektur:<br />

Grundsätzlich kommen in Frage: manuelle Retorsion mit oder ohne Hilfe von aussen,<br />

Wälzen des Muttertiers, Sectio caesarea<br />

Manuelle Retorsion:<br />

Retorsion der Gebärmutter durch Zurückdrehen des mit ihr verlagerten Kalbes am<br />

stehenden Muttertier. Voraussetzung: Kalb muss bei der vaginalen Exploration<br />

erreichbar sein. Intakte Fruchtblasen wenn möglich nicht zum Bersten bringen<br />

- Reposition leichter und gefahrloser für das Muttertier<br />

- nach Reposition muss die Eröffnung der weichen Geburtswege normal<br />

weitergehen können<br />

Epiduralanästhesie kann Retorsion begünstigen.<br />

Bei geringgradiger Torsion Spiralzug: Einziehen des Kalbes mit überkreuzten<br />

Gliedmassen.<br />

Normalerweise wendet man den sogenannten Kamer'schen Griff an, indem man das<br />

Kalb von sich wegstösst, z.B. bei zervikal-vaginaler Torsion 3/4 nach links:<br />

- Geburtshelferin steht mit ihrer linken Seite <strong>zur</strong> Kuh und führt ihren linken Arm ein<br />

- Erfassen eines erreichbaren Körperteils, über welchen eine gute Kraftübertragung<br />

möglich ist. Bei VEL: Kopf, Hals, Schulter; bei HEL: Oberschenkel, Becken<br />

- durch leicht wippende Bewegung Gebärmutter in Schwingung versetzen und dann<br />

mit konzentrierter Kraft das Kalb über die untere Stellung in eine seitlich rechte<br />

Stellung verbringen<br />

- nach Handwechsel: Torsion in gleicher Weise mit rechtem Arm oder mit einer<br />

Hebebewegung mit dem linken Arm zu Ende führen<br />

- keine langen Vorversuche: rasche Ermüdung wegen Strangulation des Armes -<br />

Handwechsel rasch durchführen wegen Gefahr von erneuter Torsion<br />

Unterstützung von aussen:<br />

- die wippenden Bewegungen werden durch zwei Hilfspersonen, einerseits durch<br />

Faustmassage in der rechten Flanke in Retorsionsrichtung und anderseits durch<br />

Anheben des ventralen Abdomens links durch den Rücken der zweiten<br />

Hilfsperson unterstützt<br />

17


- oder durch Anheben des Abdomens und rollenden Bewegungen mittels<br />

eines von zwei Hilfspersonen gehaltenen Bretts<br />

wenn kein guter Haltepunkt am Foet erreichbar ist (vor allem bei HEL), gelingt die<br />

Retorsion ev. mit dem Torsionshaken nach Kalchschmidt:<br />

- Verbinden der beiden Gliedmassen möglichst proximal durch in Achterschlingen<br />

angelegten Geburtsstrick<br />

- Einhängen des Hakens an der Kreuzungsstelle<br />

- Unterstützung der manuellen Retorsion durch eine Hilfsperson, die den in das<br />

Ende des Hakens eingeführten Querstab dreht<br />

- Gefahr: unkontrollierbare Kraftanwendung: Fraktur von Röhrenknochen des<br />

Kalbes, Zervix- oder Scheidenverletzungen<br />

Wälzen:<br />

- bei nicht erreichbarem Foet (präzervikale Torsion, hochgradige zervikalvaginale<br />

Torsion)<br />

- nach Misslingen von manuellen Retorsionsversuchen<br />

- bei festliegendem Muttertier<br />

Prinzip: Muttertier wird um den vom Operateur fixierten Uterus gedreht. Praktische<br />

Durchführung:<br />

- Vorbereiten eines grossen Wälzplatzes (Stroh, Weide); kleine Epiduralanästhesie<br />

- Niederlegen in Seitenlage: Torsio nach links: Ablegen auf linke Seite. Torsio nach<br />

rechts: Ablegen auf rechte Seite. Beine des Muttertieres paarweise<br />

zusammenbinden<br />

- Geburtshelferin führt Arm in die Scheide ein und erfasst den Foeten oder<br />

(falls dieser nicht erreichbar ist) die Zervix<br />

- durch Hilfspersonen wird das Tier über seinen Rücken auf die andere Seite<br />

gewälzt; diese Prozedur muss unter Umständen wiederholt werden<br />

Wenn der Foet von der Vagina her nicht erreichbar ist, kann die Retorsion von aussen<br />

durch Auflegen eines Bretts auf das Abdomen während des Wälzens unterstützt werden<br />

(„Brettwälzmethode“). Dabei muss das Brett (Breite: 30 cm, Länge: 3.5 m) dem<br />

liegenden Tier in die Flanke gelegt werden, so dass es die Kuh um 40-50 cm überragt.<br />

Eine Gehilfin kniet auf dem Brett und die Kuh wird gedreht. Das Brett sollte in der<br />

Flanke liegen und nicht der rippengestützten Seite aufliegen.<br />

Nach Retorsion:<br />

- Geburt kann normal ablaufen<br />

- bei noch nicht gebrochenem Wasser: normale Beendigung des Eröffnungsstadiums<br />

abwarten<br />

- bei gebrochenem Wasser: Foet in die Zervix einziehen, Fortgang des<br />

Austreibungsstadiums überwachen<br />

- Störungen kommen oft vor: nicht beeinflussbare Zervixenge, Wehenschwäche<br />

infolge zirkulationsbedingter Schädigung der Gebärmutterwand, Uterus- und<br />

Zervixverletzungen aus gleichen Gründen<br />

Sectio caesarea:<br />

Wegen der Gefahr der nichtbeeinflussbaren Zervixenge nach Retorsion entschliesst man<br />

sich manchmal direkt, einen Kaiserschnitt zu machen, wenn die manuelle Retorsion<br />

nicht gelingt. Das Operationsrisiko ist aufgrund der zu befürchtenden Schädigung der<br />

Gebärmutterwand in solchen Fällen grösser als bei Kaiserschnitt mit anderen<br />

Indikationen (Einreissen der Gebärmutternaht, Schockgefahr).<br />

18


5. Gestörte Wehentätigkeit<br />

Normal im Austreibungsstadium: total 40-60 Wehen von 15-50 sec Dauer, unterbrochen<br />

von Wehenpausen von 2-3 min Dauer.<br />

Verminderte Tätigkeit (Frequenz oder Intensität) wird als Wehenschwäche bezeichnet.<br />

Ursachen Primäre Wehenschwäche<br />

Probleme bestehen bereits in der Öffnungsphase der Geburt.<br />

Allgemeinerkrankungen (Hypokalzämie, Fettmobilisationssyndrom),<br />

Infektionskrankheiten, Indigestionen, Erschöpfung durch lange Transporte, Kachexie,<br />

andere Störungen.<br />

Störungen an Gebärmutter oder Bauchdecken: Überdehnung der Gebärmutter bei<br />

Eihautwassersucht oder Mehrlingsträchtigkeit. Verwachsungen der Gebärmutter,<br />

Überdehnung der Bauchdecken, Bauchhernien; Schmerz in Bauch- oder Brusthöhle<br />

(Peritonitis usw.)<br />

Für Geburt ungünstige Umgebungsbedingungen: Beeinträchtigung durch Nebentiere,<br />

allgemeine Unruhe und Lärm im Stall. Störungen durch zu häufige Überwachungen und<br />

Kontrollen durch die Tierhalterin oder die Geburtshelferin.<br />

Ursachen sekundäre Wehenschwäche<br />

Nach normaler Öffnungsphase mit guter Wehentätigkeit nehmen Kontraktionen von Uterus<br />

und Bauchmuskulatur ab oder sistieren. Erschöpfung wegen verzögerter Geburt (relativ<br />

oder absolut zu grosser Foet), Enge der weichen Geburtswege, Torsio usw.<br />

Alle Geburtshindernisse, die verhindern, dass der Foet in die Zervix eintreten und somit<br />

reflektorisch die Oxytocinausschüttung anregen kann, führen zwangsweise zu<br />

Wehenschwäche oder Wehenlosigkeit. Reflektorische Unterdrückung der Wehentätigkeit bei<br />

Verletzungen der weichen Geburtswege und ihrer Umgebung im Laufe der Geburt.<br />

Symptome<br />

Nicht immer sind bei primärer Wehenschwäche Symptome des Primärleidens<br />

erkennbar. Man stellt lediglich eine ungenügende Frequenz, Dauer oder Intensität der<br />

Wehen fest.<br />

Therapie<br />

Bei Verdacht auf Hypokalzämie (Somnolenz, kühle Körperoberfläche, Festliegen<br />

oder nur mühsames Aufstehen) ist eine Kalziuminfusion die Therapie der Wahl.<br />

Nach Korrektur von Geburtshindernissen und Einziehen des Foeten in die Zervix<br />

setzen in der Regel die normalen Wehen ein.<br />

Tiere, die sich durch ihre Umgebung gestört fühlen, überlässt man am besten sich selbst<br />

in ruhiger, halbdunkler Umgebung, nachdem man bei einer genauen Untersuchung<br />

festgestellt hat, dass normale Verhältnisse vorliegen; wenn nötig, kann auch in diesem<br />

Fall durch Einziehen des Foeten in die Zervix die Wehentätigkeit angeregt werden.<br />

In allen übrigen Fällen lässt sich die Wehenschwäche durch Behandlung des<br />

Primärleidens kurzfristig nicht beeinflussen. In diesen Fällen ist die Injektion von<br />

Oxytocin angezeigt.<br />

Dosierung:<br />

- Rind und Pferd: 10-30 IE i.m. bzw s.c.<br />

- Schwein: 5-10 IE i.m. bzw. s.c.<br />

- Schaf und Ziege: 1-3 IE i.m.<br />

- Hund: 1-5 IE i.m.<br />

Bei intravenöser Verabreichung benötigt man ungefähr 1/4 der subkutanen Dosis<br />

Wirkungseintritt: nach intramuskulärer und subkutaner Applikation: 10-20 min, bei<br />

intravenöser Injektion sofort. Wiederholungen: nicht vor zwei Stunden.<br />

19


Eine gleichzeitige Injektion von Uterusrelaxantien, welche die adrenergischen<br />

Betarezeptoren stimulieren, z.B. Isoxuprin, wird empfohlen, weil dadurch der<br />

Uterustonus reguliert und die Wehentätigkeit besser koordiniert werden (keine<br />

persönliche Erfahrung).<br />

Eine Anwendung von Oxytocin ist nur angezeigt, wenn man als Ursache der<br />

Wehenschwäche eine Obstruktion der Geburtswege ausschliessen kann (Gefahr von<br />

Uterus-Rupturen) und nach vorgängiger Kontrolle von korrekter Lage, Stellung, Haltung<br />

des Foeten.<br />

6. Unerwünscht starke Wehen<br />

Unerwünscht starke Wehen können bei ungenügender Vorbereitung des Tieres zu<br />

Ablenkung des Kopfes, im Extremfall zu Ruptur der Gebärmutter führen; entsprechende<br />

Probleme trifft man etwa bei der Stute an. Therapie: Epiduralanästhesie, ev.<br />

Uterusrelaxans.<br />

7. Geburtsstörungen durch Eihäute und Nabelstrang<br />

Zu früher Blasensprung ist Ursache von Enge der weichen Geburtswege. In seltenen<br />

Fällen kommt es vor, dass die Amnionhaut nicht spontan reisst. Die Amnionblase soll<br />

nur künstlich eröffnet werden, wenn sich der Foet mit Kopf und Gliedmassen im<br />

Bereich der Schamöffnung befindet.<br />

Bei stark verzögerter Geburt beginnen sich die Eihäute abzulösen, was zum Absterben<br />

des Foeten führen kann.<br />

Bei Vorliegen von Riesenplazentomen und diffuser Plazentation besteht eine erhöhte<br />

Blutungsbereitschaft.<br />

Beim Einstellen für die Geburt kann sich der Foet in der Nabelschnur verstricken. Durch<br />

Strangulation kommt es zum Absterben des Foeten. Eine solche Verstrickung kann aber<br />

auch Ursache eines Geburtshindernisses sein: stockende Geburt trotz normaler Lage,<br />

Stellung und Haltung. Bei genauer Untersuchung kann man den die Austreibung<br />

behindernden Nabelstrang (z.B. zwischen Hals und Vorderbeinen) feststellen und nach<br />

Zurückstossen des Kalbes reponieren.<br />

8. Tote Früchte<br />

Die eindeutige Feststellung, ob ein Foet noch lebt oder nicht, kann schwierig sein.<br />

Nach Eintreten der Totenstarre ist die Reposition von Lage-, Stellungs- und<br />

Haltungsanomalien erschwert oder unmöglich und mit grossen Risiken für das<br />

Muttertier verbunden.<br />

Auch frisch tote Foeten lassen sich schwerer extrahieren als lebende, weil sie sich den<br />

gegebenen Platzverhältnissen nicht durch Eigenbewegungen anpassen.<br />

Emphysematöse Foeten können wegen der gasigen Auftreibung des Körpers häufig nicht<br />

ausgezogen werden; sehr oft lassen sie sich überhaupt nicht bewegen, weil ihnen die<br />

Gebärmutterwand eng anliegt. Dies gilt auch für noch relativ wenig entwickelte Foeten<br />

bei Abort.<br />

Bei Extraktionsversuchen zerreissen manchmal die faulig zersetzten Gliedmassen.<br />

Für die Geburtshelferin besteht Infektionsgefahr (Schutzhandschue tragen).<br />

Therapie:<br />

bei verunmöglichter Haltungskorrektur infolge Totenstarre: Teilfoetotomie.<br />

bei absolut oder relativ zu grossen Foeten: Totalfoetotomie oder Sectio caesarea;<br />

bei emphysematösen Foeten: je nach Zustand und Wert des Muttertieres Totalfoetotomie<br />

(erhöhtes Risiko für Muttertier und Geburtshelferin) oder Notschlachtung des<br />

20


Muttertiers (Fleischverwertung fraglich) oder Sectio caesarea (erhöhtes Operationsrisiko<br />

wegen Vorschädigung der Gebärmutter und Infektionsgefahr).<br />

Operationsrisiko für Geburtshelferin bei Sectio caesarea geringer als bei Foetotomie.<br />

9. Missbildungen als Geburtshindernis<br />

Ursachen: Erbfehler; intrauterine Schädigung<br />

- Hydrozephalus und Enzephalozele<br />

Hydrozephalus: vermehrte Flüssigkeit in den Gehirnventrikeln, Auftreibung des<br />

Schädels, meistens verbunden mit Atrophie des Knochens. Enzephalozele:<br />

vergrösserter, flüssigkeitshaltiger Gehirnventrikel wird durch die Fontanelle<br />

ausgestülpt und ist nur von Haut umgeben. Diagnose: in VEL einfach, häufig<br />

Kopfseitenhaltung; in HEL erst erkennbar, wenn der Kopf nicht ins Becken oder<br />

in die Zervix eintreten kann. Therapie: Spaltung von Haut und dünnem Knochen<br />

mit Fingermesser; Teilfoetotomie durch Tangentialschnitt an der Schädelkalotte<br />

- Anasarka (Wasserkalb, Mondkalb, Speckkalb)<br />

Umfangsvermehrung des Rumpfes durch starke seröse Durchtränkung von<br />

Subkutis und Bindegewebe. Extremitäten sind kleine Stümpfe; Ohren, Augen und<br />

Lippen sind wulstig. Solche Kälber werden häufig nicht ausgetragen. Man findet<br />

sie auch in Zusammenhang mit Eihautwassersucht oder Eihautödem. Manchmal ist<br />

auch das Allgemeinbefinden des Muttertieres beeinträchtigt: Inappetenz,<br />

Milchrückgang, Abmagerung. Diagnose: meist einfach, zumindest<br />

Verdachtsdiagnose. Therapie: Entwicklung durch Extraktion oft nicht möglich<br />

bedingt durch die Grösse des Foeten, Zervixenge, Wehenschwäche, Reissen des<br />

Gewebes bei Zug. Totalfoetotomie. Eine Sectio caesarea kommt aus<br />

wirtschaftlichen und medizinischen Gründen meist nicht in Frage. Wenn<br />

Extraktion und Foetotomie nicht möglich sind: Notschlachtung.<br />

- Aszites des Foeten<br />

Ansammlung von grossen Flüssigkeitsmengen in Bauch- und manchmal auch<br />

Brusthöhle. Je nach Ursache befindet sich die Flüssigkeitsansammlung in der<br />

Harnblase oder im Magen-Darmkanal. Symptome: Foet mit kleinem Kopf und<br />

feinen Gliedmassen tritt nicht in die normal erweiterte Zervix oder ins Becken ein.<br />

Normaler Geburtszeitpunkt oder Abort, manchmal auch in Zusammenhang mit<br />

Eihautwassersucht. Diagnose: bei Foet von normaler Grösse unter Umständen<br />

schwierig, wenn man nicht bis zum Abdomen vordringen kann. Therapie:<br />

Einführen eines Schlundrohrs und Durchstechen der foetalen Magenwand.<br />

Durchtrennen der Bauchdecken mit dem Fingermesser. Teilfoetotomie bis <strong>zur</strong><br />

Eröffnung der Brusthöhle; von dort aus stumpfes Vorgehen.<br />

Nicht jede Missbildung führt zu einem Geburtshindernis. Überzählige Gliedmassen<br />

erschweren die Diagnose und können ein Geburtshindernis darstellen.<br />

- Verkrümmung von Hals und Gliedmassen, Sehnenkontraktur,<br />

Gelenksankylosierung. Diagnose: ergibt sich aus nicht reponierbaren<br />

Haltungsanomalien. Therapie: auch bei kleinen Foeten ist die Extraktion von<br />

Kälbern mit ankylosierten Gliedmassen mit Verletzungsrisiko für das Muttertier<br />

verbunden. Bei Anomalien von Lage, Stellung oder Haltung sollte man sich<br />

deshalb relativ rasch zu einer Teilfoetotomie entschliessen.<br />

- Schizosoma reflexum<br />

Beim Rind im Vergleich zu anderen Haustierspezies häufig. In der embryonalen<br />

Entwicklung verschliessen sich Brust und Bauchdecke nicht in der Mediane; es<br />

kommt <strong>zur</strong> Lordose der Wirbelsäule in der Lendenwirbelgegend und zum<br />

Aufbiegen der seitlichen Brust- und Bauchwand. Die Bauch- und Brustorgane<br />

21


liegen offen da, die starren Gliedmassen und der Kopf sind von der ausgestülpten,<br />

mit Bauch und Brustfell überzogenen Bauch- und Brustwand teilweise verdeckt.<br />

Diagnose: entweder in Scheide, manchmal aus Schamöffnung heraushängende<br />

foetale Eingeweideteile und mit Peritonäum bedeckte Bauchdecken oder vier<br />

einander mit der Dorsalseite zugewandte Gliedmassen. Dazwischen Kopf,<br />

umgeben von peritonäumbedeckter Bauchdecke. Differentialdiagnosen:<br />

Gebärmutterruptur, Zwillingsträchtigkeit, Doppelmissbildungen, Lageanomalien.<br />

Therapie: Spontangeburt soll schon vorgekommen sein. Wenn der offene Bauch<br />

der Geburtsöffnung zugewandt ist: Exenteration der Organe und Schnitt durch<br />

Wirbelsäule an der Stelle ihrer stärksten Biegung; ev. Extraktion mit Krey-<br />

Schöttler-Haken in toto. Wenn Kopf und Gliedmassen der Geburtsöffnung<br />

zugewandt sind: Foetotomie; bei unmöglicher Foetotomie: ev. Sectio caesarea.<br />

- Perosomus elumbis (Elchkalb)<br />

Fehlen von Wirbelkörpern in Lenden-, Kreuz- oder Schwanzwirbelsäule. Hinterteil<br />

unterentwickelt, Ankylosierung der Hintergliedmassen. Foet lebt unter Umständen.<br />

Therapie: Normalextraktion oder Foetotomie, ev. auch Sectio caesarea, je nach Grösse<br />

des Foeten.<br />

- Neubildungen oder Hyperplasie einzelner Organe<br />

Thymushypertrophie beim Kalb; Nierenhypertrophie; Struma congenitale bei der<br />

Ziege. Therapie: wenn Extraktion nicht möglich ist, Teilfoetotomie oder Sectio<br />

caesarea.<br />

- Doppelmissbildungen<br />

Doppelgesicht, Doppelkopf, Brustzwillinge, Brustbauchzwillinge, Kopfbrustzwillinge,<br />

symmetrisch oder asymmetrisch. Solche Missbildungen können lebensfähig sein.<br />

Diagnose: schwierig, wenn Doppelbildung nicht direkt palpierbar.<br />

Differentialdiagnosen: Haltungsanomalien, Zwillingsträchtigkeit. Versuch, die<br />

einzelnen Gliedmassen gegeneinander zu verschieben. Therapie: Foetotomie oder<br />

Sectio caesarea<br />

10. Fehlerhafte Lagen<br />

Normal: Vorderendlage (Kopfendlage) oder Hinterendlage (Beckenendlage).<br />

Hinterendlage kommt bei rund 5% der Geburten vor. Gegenüber der Geburt in<br />

Vorderendlage besteht bezüglich Gefährdung des Muttertieres und Gefährdung des<br />

Foeten ein erhöhtes Risiko: bei Eintritt des foetalen Beckens in das mütterliche Becken<br />

kommt es beim liegenden Tier relativ leicht zum Einklemmen von Eingeweideteilen<br />

(Darm, Blase) zwischen Gebärmutter und Beckenboden, was bei weiterer Extraktion zu<br />

Quetschung oder Ruptur dieser Teile führt. Aus diesem Grund soll man Kälber, die sich<br />

in Hinterendlage präsentieren, immer am stehenden Tier ins Becken einziehen; die<br />

Extraktion am liegenden Tier darf erst erfolgen, wenn das foetale Becken fest im<br />

mütterlichen Becken engagiert ist. Aufstehversuchen von unter Geburt stehenden Tieren<br />

mit Foeten in Hinterendlage ist nachzugeben. Zudem besteht eine erhöhte<br />

Erstickungsgefahr für das Kalb, weil in der zweiten Phase der Extraktion die<br />

Nabelschnur zwischen Brustkasten und Becken eingeklemmt wird. Dadurch kommt es<br />

leicht zu Aspiration von Fruchtwasser, wenn der zweite Teil der Extraktionsphase nicht<br />

zügig vor sich geht.<br />

Lageanomalien entstehen in den meisten Fällen während der Eröffnungsphase, wenn<br />

der Foet an der nicht genügend weiten Becken- oder Zervixöffnung vorbeigeschoben<br />

wird. Fehlerhafte Lagen kommen selten vor, sind aber immer ein schweres Geburtshindernis.<br />

Sehr oft erweist sich der Foet schon bei der ersten Untersuchung als tot.<br />

Grundsätzliches <strong>zur</strong> Lageberichtigung:<br />

22


- nur bei lebendem Foeten ohne Missbildungen versuchen (Verletzungsgefahr)<br />

- Epiduralanästhesie<br />

- Fruchtwasserersatz<br />

- Hilfsmittel: Krücke, Haken<br />

- es gibt keine starren Regeln <strong>zur</strong> Behebung von Lageanomalien; sie müssen von<br />

Fall zu Fall beurteilt werden. Die näherliegende Längslage ist nicht immer die<br />

einfacher herzustellende!<br />

Rückenvertikallage<br />

Beim Rind selten. Das Rückgrat ist der Geburtshelferin zugewandt; Kopf<br />

nach oben oder nach unten. Behebung: Herstellen einer Hinterendlage und<br />

oberer Stellung und anschliessende Korrektur der beidseitigen<br />

Hüftgelenksbeugehaltung. (Ev. Herstellen einer Vorderendlage unterer<br />

Stellung gefolgt von Stellungskorrektur). Foetotomie dürfte schwierig sein,<br />

Sectio caesarea scheint meist möglich.<br />

Bauchvertikallage<br />

Die obere Bauchvertikallage (Kopf nach oben) ist beim Rind die häufigste unter den<br />

Lageanomalien. Diagnose: bei unberührten Fällen leicht, bei schon mit dem Kopf und<br />

Vordergliedmassen ins Becken eingezogenen Foeten schwierig oder unmöglich. Bei<br />

ungenauer Untersuchung ist die Bauchvertikallage leicht mit einer normalen Vorderendlage<br />

und oberer Stellung zu verwechseln. Es besteht dann die Gefahr, dass bei weiteren<br />

Extraktionsversuchen die Gebärmutter durch die sich unter dem Beckenboden<br />

festhakenden Hinterklauen verletzt / perforiert wird. Häufig bestehen zusätzlich noch<br />

Haltungsanomalien. Differentialdiagnosen: Zwillingsgeburt, Schizosoma reflexum<br />

überzählige Gliedmassen. Korrektur: Herstellen einer Hinterendlage unterer Stellung<br />

gefolgt von Stellungskorrektur. Das Herstellen einer Vorderendlage mit oberer Stellung<br />

hat wenig Aussicht auf Erfolg und ist mit grossem Verletzungsrisiko verbunden.<br />

Foetotomie, der Reihe nach:<br />

l. Absetzen der Vordergliedmassen in den Carpi<br />

2. Absetzen von Kopf und Hals<br />

3. Absetzen der Hintergliedmassen in den Kniegelenken<br />

4. Thoraxschnitt<br />

5. Extraktion des Rests<br />

Kaiserschnitt ist sehr schwierig, weil von der Operationswunde aus keine Gliedmassen<br />

erreichbar sind.<br />

Rückenhorizontallage und Bauchhorizontallage: analog Vertikallagen<br />

11. Fehlerhafte Stellungen<br />

Ursachen: Verharren in ursprünglicher intrauteriner Stellung oder unvollständige<br />

Drehung infolge Wehenschwäche, toter Frucht oder vorzeitigem Zug. Nicht selten<br />

kombiniert mit Haltungsanomalien. Diagnose: bei genauer Untersuchung einfach.<br />

Vorderendlage, untere Stellung: Sohlenfläche und Ballen nach oben, Rücken<br />

nach unten, Bauch nach oben.<br />

Hinterendlage, untere Stellung: Sohlenflächen und Ballen nach unten, Rücken nach<br />

unten, Bauch nach oben. Differentialdiagnose: Torsio uteri. Korrektur: bei Extraktion in<br />

unterer Stellung besteht die Gefahr von Verletzungen des Corpus uteri, weil der Kopf<br />

resp. Steiss am Schambein anstossen. Drehung des Foeten um seine Längsachse am<br />

stehenden Tier von Hand wie bei Torsio uteri. Eingekeilte Foeten <strong>zur</strong>ückstossen. Wenn<br />

die Drehung in der einen Richtung nicht gelingt, sollte versucht werden, in die andere<br />

Richtung zu drehen. Auch Spiralzug oder gar Wälzen kommen in Frage. Bei lebenden<br />

Foeten genügt unter Umständen der Druck auf die Bulbi mit Daumen und Zeigfinger<br />

23


während ungefähr 1 min: dadurch werden meistens reflektorische Bewegungen des<br />

Foeten ausgelöst; nicht selten nimmt dann der Foet von selbst oder mit wenig Hilfe die<br />

normale Stellung ein.<br />

12. Fehlerhafte Haltungen<br />

Relativ häufige Geburtshindernisse. Bei Kombination mit Stellungsanomalien wird in<br />

der Regel zuerst die Haltung und dann die Stellung korrigiert.<br />

Fehlerhafte Kopfhaltungen<br />

- Kopfseitenhaltung:<br />

beim Rind relativ häufig. Ursachen: enge Platzverhältnisse (Zervix, Becken), Kopf<br />

kann nicht eintreten und wird bei anhaltender Wehentätigkeit seitlich abgedrängt.<br />

Diagnose: eine oder beide Vordergliedmassen treten ein, Hals mit Breitseite, Teile des<br />

Kopfes (Ohren) sind meistens erreichbar. Bei flüchtiger Untersuchung Verwechslung<br />

mit Hinterendlage unterer Stellung möglich. Prognose: in der Regel gelingt es, beim<br />

lebenden und frisch toten Kalb die Seitenhaltung zu korrigieren. Da Kopfseitenhaltung<br />

sehr oft Ausdruck von engen Platzverhältnissen ist, ist auch nach der Haltungskorrektur<br />

eine normale Extraktion in Frage gestellt. Bei der Korrektur besteht die Gefahr von<br />

Uterusverletzung durch die Incisivi (schützen!). Eine Spontangeburt in Kopf-<br />

Seitenhaltung ist schon vorgekommen, soll aber nicht angestrebt werden. Korrektur:<br />

Kalb <strong>zur</strong>ückschieben unter gleichzeitigem Erfassen des Kopfes am Maul, den Kopf in<br />

die Beckengegend ziehen und damit den Hals strecken. Wenn der Kopf nicht am Maul<br />

erfasst werden kann, versucht man, ihn mit Daumen und Zeigfingern in den<br />

Augenhöhlen oder an der Mandibula zu ergreifen. Nachteil: Incisivi sind ungeschützt.<br />

Weitere Alternativen: Einsetzen von an einem Geburtshilfestrick befestigten<br />

Augenhaken in die Orbitae; Reposition mit vorsichtigem Zug durch eine Hilfsperson<br />

unter gleichzeitiger manueller Kontrolle durch die Geburtshelferin. Bei lebenden<br />

Foeten dürfen nur stumpfe Augenhaken verwendet werden; diese rutschen relativ leicht<br />

ab. Für das weitere Vorgehen ist es ratsam, den Kopf mit einer Genickschlinge zu<br />

fixieren, damit er bei weiteren Extraktionsversuchen nicht wieder seitlich abgleitet. Die<br />

Genickschlinge darf aber nicht als eigentliche Zughilfe verwendet werden. Bei Foet in<br />

Totenstarre: Teilfoetotomie durch Absägen des Halses möglichst rumpfnah. Der<br />

weitere Verlauf des Extraktionsversuchs muss ergeben, ob eine Totalfoetotomie<br />

durchgeführt werden muss. Bei lebendem Foeten und engen Platzverhältnissen oder<br />

nicht reponierbarer Anomalie: Sectio caesarea. Beim kleinen Wiederkäuer ist die<br />

Reposition meistens auch möglich, indem man den ganzen Kopf in die Hand<br />

nimmt.<br />

Pro memoriam: auch bei Haltungs- und Stellungsanomalien gilt: bei störender<br />

Wehentätigkeit Epiduralanästhesie und / oder Uterusrelaxans einsetzen. Bei engen<br />

Platzverhältnissen, insbesondere bei dem Foeten anliegender Gebärmutterwand<br />

reichlich Fruchtwasserersatz verwenden.<br />

- Kopf-Brusthaltung, Genickhaltung, Scheitelhaltung<br />

Ursachen: wie Seitenhaltung; Diagnose: im allgemeinen leicht, ev. Verwechslung<br />

mit Kopfseitenhaltung, besonders bei gleichzeitiger Stellungsanomalie. Prognose:<br />

analog Kopfseitenhaltung; Korrektur: keine Extraktionsversuche ohne Korrektur.<br />

Das vorübergehende Erstellen einer Carpalbeugehaltung kann die Reposition<br />

erleichtern. Hochheben des Kopfes über eine leicht seitliche Haltung bei gleichzeitigem<br />

Zurückstossen des Foeten mit der andern Hand. Ergreifen des Kopfs wie bei<br />

Seitenhaltung. Ev. Reposition nach vorübergehendem Verbringen in eine seitliche<br />

Stellung. Foetotomie oder Sectio caesarea mit gleicher Indikation wie bei<br />

Kopfseitenhaltung.<br />

24


- Kopf-Rückenhaltung<br />

kommt selten vor. Dabei wird der Foet immer tot vorgefunden. Reposition nur<br />

bei frisch totem Foeten versuchen, analog Kopfseitenhaltung. Sonst Teil- oder<br />

Totalfoetotomie, ev. Sectio caesarea.<br />

Fehlerhafte Haltungen der Vordergliedmassen<br />

Normal: gestreckte Haltung. Beim Schwein und Hund ist auch die beidseitige<br />

Schulterbeugehaltung als normal zu betrachten. Haltungsanomalien treten ein- oder<br />

beidseitig auf. Einseitige Anomalien erlauben ein weiteres Eintreten der Frucht und<br />

führen zu deren Einkeilen, so dass sie unter Umständen das grössere Geburtshindernis<br />

darstellen als beidseitige Haltungsanomalien.<br />

- Carpalbeugehaltung, eingetreten oder nicht eingetreten<br />

Korrektur: Klauenspitzen in die Hand nehmen, unter gleichzeitigem Zurückstossen<br />

des Kalbes die Gliedmassen strecken.<br />

- Schulterbeugehaltung (Schulterbeugehaltung kann auch bei Hinterendlage ein<br />

Geburtshindernis darstellen)<br />

Korrektur: Spontangeburten von kleinen Kälbern (z.B. Zwillingskälber) sind<br />

schon vorgekommen. Wenn möglich sollte man jedoch die Reposition versuchen.<br />

Gliedmasse so distal wie möglich ergreifen und unter Zurückstossen des Foeten in<br />

Carpalbeugehaltung verbringen; sobald die Klauen erreichbar werden, nimmt man<br />

sie in die hohle Hand und streckt die Gliedmasse unter Flexion im Fesselgelenk.<br />

Bei beidseitiger Beugehaltung verbringt man zuerst die eine Gliedmasse in<br />

Carpalbeugehaltung, streckt danach die andere vollständig und beendet dann die<br />

Haltungskorrektur an der ersten Gliedmasse.<br />

- Ellbogen-Schulterbeugehaltung<br />

beim Rind relativ häufig vorkommend. Diese Haltungsanomalie kommt zustande, wenn<br />

der Kopf im Verhältnis zu den Gliedmassen zu fest ins Becken vordringt. Durch die<br />

doppelte Abwinkelung im Schulter- und Ellbogengelenk und die damit verbundene<br />

Steilstellung der Scapula wird ein Eintreten des Brustkastens in das Becken<br />

verunmöglicht. Bei Zug an den Vordergliedmassen ohne vorhergehende<br />

Haltungskorrektur wird der Foet noch mehr eingekeilt. Ellbogen-Schulterbeugehaltung<br />

ist als Zeichen von engen Platzverhältnissen zu werten. Korrektur: Anbringen von<br />

Geburtshilfestricken oder Ketten oberhalb des Fesselkopfs. Zurückstossen des<br />

Kopfes unter gleichzeitigem leichtem Zug an der entsprechenden Gliedmasse.<br />

Danach mit der andern Gliedmasse gleich verfahren. Der weitere<br />

Extraktionsversuch wird zeigen, ob Kopf und gestreckte Gliedmassen ins Becken<br />

eintreten können; ev. Genickschlinge, um das Abgleiten des Kopfs <strong>zur</strong> Seite zu<br />

verhindern. Sehr oft lässt sich nach Korrektur einer Ellbogen-<br />

Schulterbeugehaltung die Geburt normal beenden.<br />

- Fuss-Nackenhaltung<br />

kommt selten vor. Gefahr von perforierenden Verletzungen des Scheidendaches,<br />

der Zervix, des Corpus uteri dorsal, wenn sich die Klauen in der Falte zwischen<br />

Zervix und Corpus uteri verfängt. Korrektur: bei lebendem Foeten nach<br />

Zurückstossen des Kalbes relativ einfach. Bei toten Foeten mit Haltungsanomalien<br />

an Vordergliedmassen sollen wegen der erhöhten Verletzungsgefahr keine langen<br />

Repositionsversuche vorgenommen werden; wenn die Reposition nicht einfach<br />

gelingt, muss eine Teilfoetotomie durchgeführt werden. Bei unmöglicher<br />

Haltungskorrektur am lebenden Foeten: Kaiserschnitt.<br />

Fehlerhafte Haltungen der Hintergliedmassen<br />

Normal: gestreckte Haltung. Haltungsanomalien kommen bei Hinterendlage relativ<br />

häufiger vor als bei Vorderendlage. Bei Vorliegen von beidseitigen Haltungsanomalien<br />

25


kommt es manchmal zu verschleppten Geburten, wenn der Abgang des Fruchtwassers<br />

nicht beobachtet wird, weil bei der Austreibungsphase keine foetalen Teile sichtbar<br />

werden.<br />

- Ein- oder beidseitige Sprunggelenksbeugehaltung, eingetreten oder nicht<br />

eingetreten<br />

Diagnose: Sprunghöcker, Schwanz und Beckenteile leicht erkennbar. Korrektur:<br />

Extraktion in Tarsalbeugehaltung ist nicht möglich. Bei lebendem Foeten: Überführen<br />

in gestreckte Haltung unter gleichzeitigem nach vorne Schieben des Foeten. Zur<br />

Vermeidung von Uterusverletzungen werden die Klauenspitzen mit der einen und die<br />

Sprunghöcker mit der anderen Hand abgedeckt. Bei totem Foeten: Absetzen der<br />

Gliedmassen im Tarsus und anschliessend Extraktion oder Totalfoetotomie.<br />

- Ein- oder beidseitige Hüftgelenksbeugehaltung, eingetreten oder nicht eingetreten<br />

(die beidseitige Hüftgelenksbeugehaltung wird etwa fälschlicherweise<br />

als "reine Steisslage" oder "absolute Steisslage" bezeichnet)<br />

Diagnose: nur Becken und Schwanz palpierbar. Korrektur: Extraktion vom Foeten<br />

mit Hüftgelenksbeugehaltung ist bei kleinem Foeten (Zwillings- oder<br />

Mehrlingsträchtigkeit) selten möglich. Korrektur: Verbringen in<br />

Tarsalbeugehaltung, ev. unter Zuhilfenahme eines Stricks, der oberhalb des<br />

Fesselkopfs befestigt und durch den Zwischenklauenspalt geführt wird. Bei<br />

beidseitiger Haltungsanomalie verbringt man eine Gliedmasse in<br />

Tarsalbeugehaltung und korrigiert anschliessend die andere Gliedmasse. Wenn der<br />

Foet tot ist, vor allem wenn er sich schon in Totenstarre befindet, sollte die<br />

Reposition wegen des grossen Verletzungsrisikos (Uterusruptur) für das Muttertier<br />

nicht versucht werden. Foetotomie: Absetzen der Gliedmassen durch Diagonal-<br />

oder Transversalschnitt am Hinterkörper. Bei unmöglicher Reposition und<br />

lebendem Foeten: Kaiserschnitt. Beim kleinen Wiederkäuer kann die Reposition in<br />

gleicher Weise vorgenommen werden, andernfalls ist auch die Extraktion in<br />

beidseitiger Hüftgelenksbeugehaltung möglich.<br />

13. Abnorme Mehrlingsträchtigkeit<br />

Bei Zwillings- und Mehrlingsgeburten trifft man sehr häufig Stellungs- und<br />

Haltungsanomalien einzelner Foeten an; auch Lageanomalien kommen vor. Wenn es<br />

einmal gelungen ist, die einzelnen Gliedmassen und Köpfe richtig zuzuordnen, ist es in<br />

der Regel einfach, die entsprechenden Korrekturen vorzunehmen, da die Foeten klein<br />

sind. Differentialdiagnosen: Bauchquer- und Senkrechtlage, Schizosoma reflexum,<br />

Doppelmissbildungen. Vorgehen: Haltungs- und Stellungskorrektur des besser<br />

erreichbaren Foeten; Extraktion unter Zurückschieben des andern. Nicht in jedem Fall<br />

kann der mehr eingetretene Foet als erster extrahiert werden. Auch bei Zwillingsgeburten<br />

ist eine gründliche Nachkontrolle nötig, weil am überdehnten Uterus ein dritter<br />

Foet besonders leicht übersehen wird.<br />

Die Foetotomie<br />

Seit Aufkommen des Kaiserschnitts hat die Foetotomie stark an Bedeutung verloren.<br />

Heutzutags wird eine Foetotomie nur noch durchgeführt, wenn der Foet mit Sicherheit<br />

tot ist; das Abtöten des Foeten im Mutterleib ist nur vertretbar, wenn man vermuten<br />

muss, dass der Foet mit Kaiserschnitt nicht entwickelt werden kann.<br />

Abtöten des Foeten im Mutterleib: Durchschneiden der Nabelschnur (bei Hinterendlage)<br />

oder Dekapitation (bei Vorderendlage). Indikationen: Teilfoetotomie bei mit Brustkorb<br />

oder Hüfte im Becken stecken gebliebenem Foeten (absolute Indikation); Lage- oder<br />

26


Haltungsanomalien, die manuell oder mit Hilfe von Instrumenten nicht zu berichtigen<br />

sind, besonders auch bei verschleppter Geburt. Missbildungen, vor allem bei<br />

Ankylosierungen, bei der das Operationsrisiko für eine Sectio caesarea sehr gross ist.<br />

Doppelmissbildungen, Schizosoma reflexum, absolut oder relativ zu grosser Foet. Heute<br />

wird häufig auch bei toten Foeten die Sectio caesarea bevorzugt.<br />

Emphysematöser Foet: sowohl Foetotomie wie Sectio caesarea sind vertretbar (s.<br />

oben).<br />

Die Foetotomie ist eine Methode, für die nach wie vor Indikationen bestehen. Es<br />

handelt sich um einen anspruchsvollen chirurgischen Eingriff, an den man sich nur<br />

heranwagen soll, nachdem man sich die entsprechenden theoretischen Kenntnisse<br />

und praktischen Fertigkeiten angeeignet hat.<br />

Instrumentarium<br />

Röhrenfoetotom nach Thygesen (1), bestehend aus zwei miteinander verbundenen<br />

Röhren (A). Am vorderen, dem Kalb anliegenden Ende befindet sich der Foetotomkopf<br />

(B). Die verschiebbare Halteplatte (C) dient <strong>zur</strong> Befestigung der Kälberstricke bzw. der<br />

Ketten.<br />

Drahtsäge (2), Griffe (3), Öhrsonde (4), Schlingenführer (5), Doppelhaken nach Krey-<br />

Schöttler (6). Geburtshilfeketten oder -stricke (sie werden in der folgenden<br />

Beschreibung der Operationstechnik mit "Seil" bezeichnet).<br />

Vorbereitungen<br />

Bereitstellen von:<br />

- Eimer mit warmem Wasser und Seife: Reinigung von Vulva und Umgebung der<br />

Kuh, sowie von Händen und Armen der Geburtshelferin<br />

- Eimer mit Desinfektionslösung <strong>zur</strong> Desinfektion nach dem Waschen und für das<br />

Einlegen der Instrumente<br />

- Eimer mit Fruchtwasserersatz und Eimerpumpe<br />

- Waschungen und Desinfektion müssen während der Operation mehrmals<br />

wiederholt werden; auch das Einpumpen von Fruchtwasserersatz muss mehrmals<br />

wiederholt werden.<br />

Operationsplatz<br />

- genügend Raum hinter der Kuh (Minimum 2 m)<br />

- die Operation wird wenn möglich am stehenden Tier ausgeführt<br />

- bei mangelnder Stehfähigkeit: linke Seitenlage mit Beckenhochlagerung<br />

- Hilfspersonen: mindestens zwei Hilfskräfte, die sich beim Sägen ablösen<br />

können.<br />

Prämedikation<br />

Epiduralanästhesie (bei Operation am liegenden Tier hohe Epiduralanästhesie),<br />

Uterusrelaxans<br />

Operationstechnik<br />

Grundsätze:<br />

- immer nach Plan vorgehen, der vor der Operation festgelegt wurde<br />

- Anwendung von reichlich Fruchtwasserersatz, um Raum zu schaffen<br />

- Schnitte so anbringen, dass möglichst keine scharfkantigen Stümpfe<br />

entstehen<br />

- abgeschnittene Stücke müssen ohne grosse Kraftanwendung extrahiert werden<br />

können; Abdecken von scharfen Teilen mit der Hand<br />

Durchführung von Quer- und Schrägschnitten:<br />

Ende des abzutragenden Teils mit Seil anschlaufen oder mit Doppelhaken, an welchem<br />

ein Seil angeschlauft ist, fixieren. Die Drahtsäge in beide Röhren einziehen, so dass<br />

zwischen den beiden Foetotomköpfen eine Schlaufe entsteht. Das Foetotom einführen,<br />

27


indem man das Seil durch die Sägeschlaufe zieht. Den Foetotomkopf an gewünschter<br />

Stelle auflegen und mit der Hand dort festhalten. Das Seil an der Halteplatte fixieren.<br />

Die Säge vom Foetotomkopf ausgehend in die richtige Lage verbringen und gleichzeitig<br />

straff anziehen lassen. Die Halteplatte so verstellen, dass bei an der richtigen Stelle<br />

liegendem Foetotomkopf das Seil straff angespannt ist. Anbringen der Griffe am Ende<br />

der Drahtsäge. Sägen: zum Ansägen der Haut zuerst mit kurzen, lockeren Sägezügen,<br />

dann mit möglichst langen Zügen, damit die Drahtsäge möglichst gleichmässig<br />

abgenützt wird; dabei muss die Drahtsäge immer straff gespannt sein. Der Operateur<br />

hält das Foetotom mit der einen Hand in der Nähe des Foetotomkopfes, mit der andern<br />

Hand an der Halteplatte. Nach den ersten Sägezügen wird kurz unterbrochen, um den<br />

richtigen Sitz der Säge zu kontrollieren.<br />

Durchführung von Längsschnitten:<br />

Die Drahtsäge mit der Öhrsonde in eine Röhre des Foetotoms einführen, das vordere<br />

Sägeende am Schlingenführer befestigen. Fixation des abzuschneidenden Rumpfes mit<br />

Seilschlinge oder Doppelhaken. Einführen des Schlingenführers entlang der<br />

gewünschten Schnittlinie; Nachziehen der Drahtsäge und Einziehen in die zweite Röhre<br />

des Foetotoms. Befestigung des Seils an der Halteplatte. Verbringen des<br />

Foetotomkopfes und der Säge in die definitive Lage. Anziehen der Drahtsäge und<br />

verschieben der Halteplatte bis das Seil straff gespannt ist. Anbringen der Griffe und<br />

Sägen wie bei Querschnitt.<br />

Reguläre Schnittführungen an der Vordergliedmasse:<br />

Schnitt durch das gestreckte Carpalgelenk: Der Foetotomkopf ist in der Gelenksbeuge.<br />

Schnitt durch das gebeugte Carpalgelenk: Der Foetotomkopf ist auf dem Scheitel des<br />

Gelenks (ev. Vorbereiten wie bei Längsschnitt). Absetzen der gestreckten<br />

Vordergliedmasse an der Schulter mit Schrägschnitt nach vorwärts; Fixation des<br />

Foetotoms schwierig, starke Abnützung des Sägedrahts. Absetzen der Vordergliedmasse<br />

bei Schulterbeugehaltung: dazu muss vorher die andere Gliedmasse im Carpus und der<br />

Hals möglichst rumpfnah durchgesägt werden. Vorbereitung als Längsschnitt, der<br />

Foetotomkopf wird an entgegengesetzter Seite des Halsstumpfes angesetzt.<br />

Reguläre Schnittführungen an der Hintergliedmasse:<br />

Durchsägen des gestreckten Sprunggelenks: Der Foetotomkopf liegt in der<br />

Gelenksbeuge, Schnitt durch proximales Intertarsalgelenk. Durchsägen des gebeugten<br />

Sprunggelenks: Foetotomkopf am unteren Ende des Calcaneus. Absetzen der<br />

Hintergliedmasse bei gestrecktem Hüftgelenk: vgl. Totalfoetotomie bei Hinterendlage.<br />

Absetzen der Hintergliedmasse bei Hüftgelenksbeugehaltung: als Längsschnitt<br />

vorbereiten; Der Foetotomkopf liegt im gegenseitigem Sitzbeinausschnitt.<br />

Reguläre Schnittführungen am Hals:<br />

Möglichst rumpfnahes Absetzen des gestreckten Halses mit Querschnitt. Der<br />

Foetotomkopf wird hinter dem Widerrist fixiert, der Schnitt verläuft (am Kalb) von<br />

cranio-ventral nach caudo-dorsal. Um Raum zu schaffen, müssen zuvor die<br />

Vordergliedmassen in den Carpi durchgesägt werden.<br />

Totalfoetotomie:<br />

Es gibt verschiedene Methoden <strong>zur</strong> Durchführung einer Totalfoetotomie; jede hat ihre<br />

Vor- und Nachteile. Man sollte sich auf eine Methode konzentrieren und diese<br />

möglichst gut beherrschen. Hier wird nur das von der Hannover'schen Klinik<br />

empfohlene Verfahren besprochen.<br />

Totalfoetotomie bei Vorderendlage:<br />

- Durchsägen der beiden Carpi als raumschaffende Operationen (l, 2)<br />

- Absetzen des Halses möglichst rumpfnah (3)<br />

28


- kombinierter Quer- und Längsschnitt zum Absetzen der beiden Vordergliedmassen:<br />

Thorax hinter den Schulterblättern bis <strong>zur</strong> Mitte (Ansägen der Wirbelsäule)<br />

durchsägen (4a); Versetzen des Foetotomkopfs auf den Halsstumpf<br />

Längsschnitt durch Wirbelsäule (4b); Durchsägen der zweiten Thoraxhälfte nach<br />

Zurückversetzen des Foetotomkopfs an die ursprüngliche Stelle (4c)<br />

- Fixation: Seile an Gliedmassenstümpfen<br />

- Eviszeration der Thoraxhöhle<br />

- ein oder mehrere Rumpfquerschnitte (5); die einzelnen Segmente müssen leicht<br />

extrahierbar sein; bei Eröffnung des Abdomens: Eviszeration<br />

- Fixation mit Doppelhaken im Wirbelkanal<br />

- letzter Querschnitt: vor Becken<br />

- Längsteilung des Beckens (6) als Längsschnitt; Foetotomkopf auf seitlicher<br />

Begrenzung des Wirbelsäulenstumpfs, Sägenschlaufe im gegenseitigen<br />

Sitzbeinausschnitt; Extraktion der beiden Gliedmassen<br />

Totalfoetotomie bei Hinterendlage:<br />

- Absetzen der Gliedmassenenden in den Tarsi (1, 2) als raumschaffende<br />

Operationen<br />

- kombinierter Quer- und Längsschnitt mit vorübergehend wechselnder Position<br />

des Foetotomkopfes zum Absetzen der beiden Hintergliedmassen (3a, b, c)<br />

gleich wie beim Absetzen der Vordergliedmassen in Vorderendlage beschrieben<br />

- Eviszeration der Bauchhöhle<br />

- ein oder mehrere Querschnitte durch den Rumpf (4), wie bei Vorderendlage<br />

beschrieben<br />

- bei Eröffnung der Brusthöhle: Eviszeration<br />

- schräge Durchtrennung des Thorax mit Längsschnitt (4); Fixation an<br />

Wirbelsäulenstumpf mit Doppelhaken<br />

- Säge mit Schlingenführer so anlegen, dass eine ganze Vordergliedmasse und der<br />

Hals mit dem entsprechenden Thoraxstück abgesetzt werden können<br />

(Couleurbandschnitt)<br />

- Foetotomkopf zum Einsägen seitlich hinter Schulterblatt, danach neben<br />

Wirbelsäulenstumpf<br />

- Entfernen der beiden Teile nacheinander<br />

Kontrollen und Behandlungen nach Foetotomie<br />

Überprüfung des Allgemeinzustands<br />

Palpation von Scheide, Zervix und Gebärmutter: Untersuchung auf<br />

Zusammenhangstrennungen, Quetschungen, Hämatome, Blutungen. Zurückbleiben von<br />

einzelnen foetalen Teilen; Vorhandensein von weiteren Foeten. Zustand und<br />

Ablösbarkeit der Nachgeburt. Zur besseren Kontrolle legt man alle extrahierten foetalen<br />

Teile in einen Eimer und lässt sie erst nach Abschluss der Operation wegbringen.<br />

Bei günstiger Prognose: lokale und systemische Chemotherapie; intramuskuläre<br />

Verabreichung von Oxytocin (20-30 IE) <strong>zur</strong> Tonisierung der Gebärmutter; weitere<br />

unterstützende Therapie in Abhängigkeit der Befunde.<br />

29


Der Kaiserschnitt (Sectio caesarea)<br />

Indikationen<br />

Absolut oder relativ zu grosser Foet; bei nicht reponierbarer Torsio uteri; nicht<br />

reponierbare Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien; Missbildungen, bei denen man<br />

glaubt mit Foetotomie nicht zum Ziel zu kommen.<br />

Vorbereitungen<br />

Ein Kaiserschnitt kann gut im Stall durchgeführt werden. Operationsplatz: Kuh so<br />

anbinden, dass sie nicht <strong>zur</strong> Seite ausweichen kann; am besten mit rechter Seite <strong>zur</strong><br />

Wand. Auf der Operationsseite braucht man genügend Platz, damit die Operateurin und<br />

ihre Assistentin, sowie die Helferinnen, die das Kalb extrahieren, unbehindert arbeiten<br />

können. Vorübergehend müssen Nachbartiere verstellt werden.<br />

In einiger Entfernung vom zu operierenden Tier muss ein Platz zum Abreiben des<br />

Neugeborenen vorbereitet werden.<br />

Tisch zum Abstellen der Instrumente in der Nähe des zu operierenden Tieres.<br />

Beleuchtung: Handlampe mit Verlängerungskabel und geeigneten Anschlüssen<br />

mitbringen.<br />

Hilfskräfte<br />

Eine Assistentin, die sich wie die Operateurin vorbereitet hat. Sie ist während der<br />

Vorlagerung des Uterus (Herausschneiden des Kalbes und Naht) unentbehrlich.<br />

Allenfalls kann sie durch eine Person ersetzt werden, die unter Kontrolle die Hände<br />

gewaschen hat und sterile Schutzhandschuhe trägt.<br />

Zwei Helferinnen zum Herausziehen des Kalbes; sie sind in dieser Phase unentbehrlich<br />

und können sich sonst bei der Betreuung des Neugeborenen und beim Beleuchten des<br />

Operationsfeldes und anderen Handreichungen nützlich machen.<br />

Alle Hilfskräfte müssen über ihre Aufgabe zum voraus genau orientiert werden.<br />

Anweisungen über die Einhaltung der Asepsis.<br />

Es müssen genügend warmes Wasser, Seife und mehrere Handtücher bereit gestellt<br />

werden.<br />

Operationstechnik<br />

Gebräuchliche Methoden:<br />

- Operation am stehenden Tier, linke Flanke<br />

- Operation am auf der rechten Seite liegenden, ausgebundenen Tier, linke<br />

Flanke<br />

Selten angewandte Methode mit spezieller Indikation:<br />

- Operation in rechter Flanke am wenn möglich stehenden, allenfalls auch liegenden<br />

Tier. Indikation: extreme Rechtslagerung des Foeten; zum Beispiel bei Torsio 3/4<br />

nach rechts in HEL.<br />

Der rechte Flankeneingang wird beim Kaiserschnitt wenn möglich vermieden, weil bei<br />

der Vorlagerung der Gebärmutter die Dünndarmschlingen leicht eingeklemmt werden.<br />

Vorteile bei Operation am stehenden Tier: Organe in normaler Lage, Bauchdecken<br />

entspannt. Uterus leicht aus der Bauchwunde vorzulagern, relativ schonende<br />

Körperhaltung für Operateurin. Nachteile bei Operation am stehenden Tier: Tier liegt<br />

ev. während der Operation ab. Grösseres Risiko <strong>zur</strong> Entstehung von subkutanem<br />

Emphysem post operationem. Vorteile bei Operation am liegenden Tier: Tier ist<br />

zuverlässig immobilisiert. Nachteile bei Operation am liegenden Tier: Uterus manchmal<br />

schwer vorzulagern, grössere Wundspannung bei Bauchdeckennaht, Niederlegen und<br />

Ausbinden des Tieres benötigen zusätzlich Zeit. Starke Beanspruchung des Rückens der<br />

Operateurin.<br />

34


Wenn immer möglich führen wir den Kaiserschnitt am stehenden Tier in der linken<br />

Flanke durch.<br />

Tiere, die schon während der Voruntersuchung oder Vorbereitung immer wieder<br />

abliegen, legen wir <strong>zur</strong> Operation ab.<br />

Prämedikation und Anästhesie<br />

Injektion eines Uterusrelaxans, zum Beispiel Isoxsuprin (20 ml Degraspasmin ® i.m.)<br />

kann das Vorlagern der Gebärmutter erleichtern, ist aber nicht unbedingt erforderlich.<br />

Operation am stehenden Tier: bei anhaltenden Presswehen setzen einer kleinen<br />

Epiduralanästhesie. Zur Anästhesierung der Bauchwand: lokale Infiltrationsanästhesie,<br />

umgekehrter L-Block oder Paravertebralanästhesie, je nach Präferenz der Operateurin.<br />

Grossflächiges Scheren (besser als Rasur) des Operationsfeldes und Vorbereitung nach<br />

allgemeinen chirurgischen Prinzipien.<br />

Vorbereitung der Operateurin und ihrer Assistentin nach Regeln der Asepsis.<br />

Zur Wirbelsäule senkrechter oder leicht schräg von caudo-dorsaler nach cranioventraler<br />

Richtung verlaufender, ca. 40 cm langer Flankenschnitt, ca. handbreit<br />

unterhalb Querfortsätzen der Lendenwirbel und gut handbreit vor dem Hüfthöcker<br />

beginnend (Details zum Flankenschnitt: s. allgemeine Chirurgie).<br />

Vorlagerung der Gebärmutter<br />

Schwierigster Teil der Operation! Die Vorlagerung des Uterus ist wichtig, damit nach<br />

dessen Eröffnung sein Inhalt nicht in die Bauchhöhle oder in die Operationswunde<br />

gelangt. Man erfasst durch die Uteruswand die Gliedmassen in der Hornspitze (bei VEL<br />

die hinteren) und zieht damit den zu eröffnenden Teil in die Flankenwunde.<br />

Bei Vorderendlage:<br />

- Erfassen einer Hintergliedmasse oberhalb des Sprunghöckers mit der linken Hand<br />

und an Klauenspitzen mit der rechten Hand<br />

- Zug und Anheben unter leicht wippenden Bewegungen, bis die Gebärmutter<br />

mit dem ganzen darin enthaltenen Bein des Kalbes aus der Wunde ragt<br />

(Achillessehne im unteren Wundwinkel)<br />

Bei Hinterendlage:<br />

- Erfassen einer Vordergliedmasse am Metakarpus mit der einen Hand und<br />

Umfassen des Kopfes mit der andern<br />

- Zug und Anheben der Gebärmutter, bis sie mit dem, die Klauenspitzen<br />

enthaltenden Teil aus der Wunde hervorragt<br />

Eröffnen der Gebärmutter und Durchtrennen der Eihäute über den Klauenspitzen auf<br />

einer kurzen Strecke mit dem Skalpell; Verlängern des Schnittes unter Kontrolle (cave<br />

Karunkelstiele nicht anschneiden!) mit der Schere auf der ganzen Länge des<br />

vorgelagerten Teils. Aufsuchen der zweiten Gliedmasse. Gliedmassenenden proximal<br />

vom Fesselkopf durch die beiden Hilfspersonen anschlaufen lassen. Langsame<br />

Extraktion des Kalbes nach dorsal und caudal. Beim vorsichtigen Zug am Kalb wird ein<br />

weiterer Teil der Gebärmutter nach extraperitoneal verlagert und kann von der<br />

Operateurin weiter eröffnet werden. Unmittelbar nach Entfernen des Kalbes muss die<br />

Gebärmutter von der Assistentin ausserhalb der Flankenwunde festgehalten werden.<br />

Abschneiden der losen, heraushängenden Eihautteile.<br />

Uterusnaht: entweder als fortlaufende, einstülpende Matratzennaht mit Chromcatgut<br />

USP 3 (Metric 7) oder als fortlaufende einstülpende Lembertnaht mit Plain-Catcut USP<br />

6 (Metric 10) mit versenkten Knoten (Ütrecht-Methode). Bei beiden Methoden wird<br />

lediglich die Serosa und die Muscularis, nicht aber die Mucosa durchstochen. Bei<br />

Zweifel an Dichte oder Festigkeit der Naht wird über die erste eine zweite fortlaufende<br />

Uterusnaht angelegt. Kontrolle der Gebärmutter auf allfällige Verletzungen und<br />

Versorgen in Bauchhöhle. Verschluss der Flankenwunde (s. allgemeine Chirurgie).<br />

35


Nachbehandlung<br />

Versorgung des Uteruslumens mit Antibiotika nach Abgang der Nachgeburt. Zur<br />

Schonung der Uteruswunde keine langdauernden Ablösungsversuche bei Zurückbleiben<br />

der Nachgeburt. Systemische Chemotherapie während 3-5 Tagen. Entfernung der<br />

Hautnähte nach 10 Tagen.<br />

BETREUUNG DES NEUGEBORENEN UNMITTELBAR NACH DER GEBURT<br />

Primäre Gefahr: Depressionszustand des Neugeborenen mit Hypoxie "Asphyxie"<br />

Sekundäre Gefahr: Infektion des schutzlos (ohne maternale Antikörper) geborenen<br />

Kalbes.<br />

Depressionszustand des Neugeborenen mit Hypoxie<br />

Ursache von (zu vielen) Kälberverlusten. Bei jeder Geburt kommt es zu einem<br />

hypoxischen Zustand, der zu einer gemischt-respiratorisch-metabolischen Azidose<br />

führt. Ursachen der Hypoxie: Durchblutungsstörungen der Plazenta durch<br />

Wehentätigkeit führt zu verminderter Sauerstoffzufuhr zum Kalb und zu verminderter<br />

Abgabe von CO2 an das Muttertier: respiratorische Azidose. Reaktion des foetalen<br />

Organismus: Drosselung der Durchblutung bei den in dieser Phase nicht<br />

lebenswichtigen Organen und Körperteilen. Nur Gehirn und Herz sind maximal<br />

durchblutet. Die Umstellung des Stoffwechsels in den schlecht durchbluteten<br />

Körperteilen auf anaerobe Glykolyse führt <strong>zur</strong> Laktatansammlung und somit <strong>zur</strong><br />

metabolischen Azidose. Unmittelbar post partum nimmt wegen der Aufhebung der<br />

"Sparschaltung" die Durchblutung in den Organen zu; es wird vermehrt C02<br />

ausgeschwemmt, wodurch sich die Azidose noch leicht verstärkt.<br />

Verschlimmerung der Azidose bei Geburtskomplikationen:<br />

- Kompression der Nabelschnur bei verzögerter Extraktion, vor allem bei HEL<br />

- beginnende Ablösung der Plazenta bei verschleppten Geburten<br />

- teilweise Strangulation der Nabelschnur, reitende Nabelschnur, eingeklemmter<br />

Brustkasten bei beginnender Lungenatmung<br />

- Fruchtwasseraspiration<br />

- unsachgemässe Geburtshilfe: Nichteinhalten der Wehenpausen<br />

Symptome<br />

Körper bewegungslos, schlaff, Kopf aufgelegt, Koma. Keine oder nur schnappende,<br />

unregelmässige oder röchelnde (Fruchtwasser in Nase, schlaffes Velum palatinum)<br />

Atmung. Herz schlägt noch.<br />

Therapie<br />

1. Befreien der Atemwege<br />

2. Beatmung und Stimulierung des Atemzentrums<br />

3. Pufferinfusion<br />

- ad 1.: Fruchtwasser befinden sich in den Nasenhöhlen, allenfalls im Rachen oder<br />

gar in der Trachea.<br />

o Mit Strohhalm Niessreiz auslösen.<br />

o Durch Massage von aussen Nasenlöcher ausstreifen.<br />

o Maulhöhle von Fruchtwasser befreien (Infektrisiko).<br />

o Aufhängen des Kalbes an Hintergliedmassen (mit Geburtshilfeketten oder<br />

-stricken). Massage von Thorax und Hals, Ausstreifen der Nase, klemmen<br />

ins Nasenseptum<br />

- ad 2.: Reizung des Atemzentrums:<br />

36


o Wecken durch Begiessen mit einem Schwall kalten Wassers<br />

o Abreiben mit trockenem Stroh, (entspricht dem Ablecken durch die<br />

Kuh)<br />

o medikamentell: Respirot ® ein zentrales Analeptikum, welches auf<br />

die Nasen- oder Maulschleimhaut geträufelt und rasch resorbiert<br />

wird.<br />

o Injekton von 2-5 ml Doxapram-V ® (zentrales Analeptikum) i.v., i.m., s.c.<br />

oder Einträufeln in die Maulhöhle. Dieses Medikament hat eine<br />

vorübergehende Swissmedic-Bewilligung!<br />

o Beatmung: manuell durch Massage des Brustkorbes von aussen (wenig<br />

wirksam); Mund zu Nase mit Hals in extremer Streckhaltung, damit die<br />

Luft in die Trachea gelangt; mit Atembeutel und Maske mit Halsstellung<br />

wie oben. Zusätzlich kann aus Druckflasche Sauerstoff zugeführt werden,<br />

entweder über Atembeutel oder durch Einlegen eines Schlauches in die<br />

Nasenöffnung (bei Übersättigung mit Sauerstoff wird das Atemzentrum<br />

gehemmt). Intubation und Beatmung wäre am wirkungsvollsten, ist aus<br />

technischen Gründen in der gegebenen Notfallsituation aber kaum<br />

durchführbar<br />

- ad 3.: Infusion von 200-500 ml Bikarbonatlösung in eine Jugularvene.<br />

Verhinderung von Neugeboreneninfektionen<br />

Frühzeitig, d.h. innerhalb der ersten 6 Lebensstunden reichlich, d.h. bis <strong>zur</strong> Sättigung<br />

Kolostrum verabreichen. Lebensschwache Kälber und solche mit verschwollener(m)<br />

Nase, Maul und Zunge (nach Schwergeburt) können in dieser Phase noch nicht trinken.<br />

Man sollte versuchen, durch vorsichtiges Einflössen in den Mundwinkeln, z.B. mit einer<br />

50 ml-Injektionsspritze, solchen Kälbern einige Deziliter Kolostrum zu verabreichen.<br />

Gefahr von Verschlucken und Aspirationspneumonie. Die vorsichtige Verabreichung<br />

von Kolostrum über eine Schlundsonde oder Nasenschlundsonde ist in diesen Fällen oft<br />

weniger risikoreich.<br />

Sauberkeit und Hygiene in der Umgebung des Kalbes: dafür sorgen, dass das Kalb nicht<br />

in den kotverschmutzten Stallgang oder in die Kotrinne zu liegen kommt. Saubere,<br />

trockene Einstreu am Liegeplatz, Schutz vor Kotverschmutzung durch Nebentiere,<br />

Schutz vor Kälte (Zugluft, schlecht wärmegedämmte Aussenwand), ev. Wärmelampe.<br />

Beurteilung des Nabels<br />

Beim Kalb reisst der Nabel unter der Geburt. Eine Abnabelung ist nicht nötig. Es kommt<br />

vor, dass das Kalb nach spontaner Abnabelung aus einem Nabelgefäss blutet. Solche<br />

Gefässe sind zu ligieren, die Nabelgegend zu desinfizieren. Wegen erhöhter<br />

Omphalitisgefahr ist in solchen Fällen eine systemische Behandlung mit Antibiotika<br />

indiziert. Bei nahe an der Bauchdecke abgerissener Nabelschnur (fehlender Nabelscheide)<br />

ist gleich vorzugehen. Im Normalfall soll der Nabel möglichst nicht berührt<br />

werden. Eine routinemässige Nabeldesinfektion ist nicht zu empfehlen: Gefahr von<br />

zusätzlicher Kontamination bei unsauberem Arbeiten, Gefahr von Reizung des zarten<br />

Gewebes bei Verwendung von aggressiven Desinfektionsmitteln. Bei bestandesweise<br />

gehäuftem Auftreten von Omphalitiden ist allenfalls eine routinemässige<br />

Nabeldesinfektion nach Anleitung der Tierärztin empfehlenswert.<br />

Spezielle Situation beim Fohlen: das Fohlen bleibt nach der Geburt noch längere Zeit an<br />

der Nabelschnur hängen und erhält so das noch in der Plazenta befindliche Blut. Auch<br />

das Fohlen soll nicht künstlich abgenabelt werden. Die Nabelschnur reisst bei den ersten<br />

37


Aufstehversuchen an ihrer Prädilektionsstelle. Die Bestäubung des Nabels mit<br />

Sulfonamidpuder wird beschrieben. Beim Fohlen ist auch darauf zu achten, ob das<br />

Darmpech abgeht.<br />

38


<strong>GEBURTSFOLGEKRANKHEITEN</strong><br />

DAS NORMALE PUERPERIUM<br />

Puerperium = Phase nach der Geburt<br />

Man bezeichnet etwa die erste Phase der Involution zwischen Geburt und<br />

Nachgeburtsabgang als Nachgeburtsstadium und die Phase danach als das eigentliche<br />

Puerperium.<br />

Frühpuerperium: die ersten 9 bis 10 Tage des Puerperiums. Beginn: Geburt; Ende: nach<br />

vollständiger Involution des Geschlechtsapparates, die eine erneute Einnistung eines<br />

befruchteten Eis und das Austragen einer Frucht erlaubt.<br />

Bei Primiparen: abgeschlossen nach ca. 6 Wochen (42 Tage) p.p. Bei Pluriparen: 7<br />

Wochen (50 Tage) p.p.<br />

Angestrebt wird eine neue Trächtigkeit nach einer Zwischenkalbezeit von 60-90 Tagen.<br />

Ziel: pro Kuh und Jahr 1 Kalb.<br />

Puerperale Erkrankungen führen nicht selten zu einer Verlängerung des Puerperiums<br />

und damit der Zwischenkalbezeit; dies ist eine wirtschaftlich bedeutende Seite der<br />

Puerperalerkrankungen.<br />

Abgang der Nachgeburt<br />

Normal: innerhalb von 1/2 bis 8 Stunden post partum<br />

Pathologisch: > 10 Stunden post partum<br />

Gewicht: ca. 1/10 des Foetalgewichts<br />

Der Mechanismus des Nachgeburtabgangs ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Es<br />

handelt sich um zwei, zeitlich nicht getrennt ablaufende Vorgänge: Loslösung und<br />

Ausstossung.<br />

Näheres: siehe bei Besprechung des Nachgeburtverhaltens.<br />

Lochialfluss<br />

Lochien: Flüssigkeit, die zu Beginn des Puerperiums von der Kuh durch die Vulva<br />

ausgeschieden wird. Herkunft: hauptsächlich aus dem Uterus, wenig aus Zervix und<br />

Vagina. Bestandteile: Serum, Schleim, Erythrozyten, Leukozyten, später auch gröbere<br />

Gewebeteile. Es handelt sich im wesentlichen um Abbauprodukte des Endometriums,<br />

insbesondere der Karunkeln. Der Lochialfluss dauert in der Regel 10-14 Tage,<br />

manchmal bis 3 Wochen. Aussehen: zuerst blutig rot gefärbter Schleim; später braun,<br />

dünnflüssig mit groben Flocken und erkennbaren Karunkelteilen; gegen Ende gelbgräulich,<br />

zähschleimig; zum Schluss durchsichtig klar.<br />

Menge: grosse Variation, schlecht abschätzbar; man sieht einzelne Lachen in der<br />

Streue oder auf Kotfladen, vor allem nach längerem Liegen. Zusätzlich verschmiert<br />

der Lochialfluss den Schwanz auf Vulvahöhe.<br />

Weniger wichtig als die Dauer sind Geruch, Farbe und Konsistenz des lochialen<br />

Ausflusses. Normale Lochien sehen nie eitrig aus und stinken auch nicht.<br />

Veränderung am Geschlechtsapparat<br />

Vulva: kurz vor der Geburt stark ödematisiert und geschwollen. Hat schon zwei bis<br />

drei Tage nach normaler Geburt wieder die normale Grösse und Konsistenz.<br />

Vagina: Hyperämie verschwindet rasch. Gute Heiltendenz von oberflächlichen<br />

Wunden. Die Straffung des Gewebes erfolgt über eine längere Periode gemeinsam<br />

mit dem Uterus und dem perivaginalen Gewebe.<br />

39


Zervikalkanal: verschliesst sich relativ rasch nach dem Abgang der Nachgeburt. 12<br />

Stunden danach ist er mit der zugespitzten Hand noch knapp passierbar. Zwei Tage post<br />

partum ist der Zervikalkanal nur noch zwei Finger breit offen; Abnahme des Lumens<br />

vom Orificium externum zum orificium internum hin. Zervix: nach der ersten<br />

Involutionsphase ist die Zervix bei rektaler Palpation mit der Hand halb umfassbar und<br />

hat zuerst eine starre Konsistenz mit Längsfalten wie der Uterus (Durchmesser ca. 10-12<br />

cm). Rückbildung auf die normale Grösse (Durchmesser 3-4 cm) innerhalb von ca. 2-3<br />

Wochen. Die Zervix ist dann wieder mit Daumen und Zeigfinger umfassbar und hat eine<br />

weiche Konsistenz. Aufgrund des Gewichtsverlustes der Gebärmutter wird die Zervix<br />

wieder zunehmend auf dem Beckenboden hin und her verschiebbar. Man achte auf<br />

gleichmässige Dicke von caudal nach cranial und das Grössenverhältnis zum Uterus.<br />

Uterus: während und unmittelbar nach der Geburt verkleinert sich der Uterus unter<br />

gleichzeitiger Zunahme der Wanddicke auf ungefähr die Hälfte seiner Grösse. Diese<br />

Verkleinerung kommt durch Kontraktionen der glatten Muskulatur (Nachwehen) und der<br />

elastischen Fasern des interstitiellen Gewebes zustande. Später: Abbau von<br />

interstitiellem Gewebe und Atrophie der während der Trächtigkeit hypertrophierten<br />

Muskelfasern. Peptonisierung des Gewebes, Verflüssigung, Transsudation und<br />

Resorption. Fettgewebe degeneriert und wird durch Makrophagen über die Lymphe<br />

abtransportiert. Diese Vorgänge sollen durch intermittierende Anämie bei Kontraktionen<br />

und durch Ischämie sowie Wegfall des trophischen Reizes zustande kommen.<br />

Nach Abgang der Nachgeburt werden die Karunkeln wegen mangelnder Durchblutung<br />

(Thrombosierung und Fibrosierung der Gefässe im Karunkelstiel) rasch kleiner; es folgt<br />

eine oberflächliche Degeneration und nekrotischer Zerfall innerhalb von 5 Tagen. Nach<br />

15 Tagen sind .in der Schleimhaut nur noch kleine Erhebungen zu sehen, die<br />

Epithelisierung ist nach ca. 6 Wochen abgeschlossen. Der weitaus grösste Teil des<br />

abgestorbenen Karunkelgewebes wird mit den Lochien ausgeschieden. Die<br />

Abbauvorgänge in der Gebärmutterwand führen zu einem raschen Gewichtsverlust von<br />

60-70% innerhalb der ersten 5 Tage; die weitere Verkleinerung und Gewichtsverminderung<br />

vollzieht sich etwas langsamer. Ungefähr 4 Wochen p.p. erreicht die<br />

Gebärmutter das Endgewicht.<br />

Dank der sofortigen Kontraktion kommt es <strong>zur</strong> massiven Verkleinerung der<br />

Oberfläche und Verminderung des Volumens: kleine, oberflächliche Verletzungen<br />

verschliessen sich spontan; die Infektionsanfälligkeit nimmt ab. .<br />

Auch nach normalem Geburtsverlauf ist der Inhalt von klinisch normalen Uteri 5<br />

Wochen p.p. nur bei ca. 2/3 der Tiere steril; bei den übrigen findet man eine "normale<br />

Uterusflora". Starke bakterielle Besiedelung, auch mit pathogenen Keimen treten nach<br />

gestörtem Geburtsverlauf, nach Nachgeburtsverhaltung und verzögerter<br />

Uterusinvolution in Zusammenhang mit geringer ovarieller Aktivität auf.<br />

Rektale Untersuchung<br />

- kurz nach der Geburt ist der Uterus noch nicht umfassbar; die normale Kontraktion<br />

ist anhand der Längsfaltenbildung und der starren, derben Konsistenz der dicken<br />

Uteruswände erkennbar. Die Gebärmutter lässt sich im Abdomen nur wenig<br />

bewegen.<br />

- Innerhalb von 5-8 Tagen ist der Uterus wieder nach vorne abgrenzbar und<br />

zunehmend beweglich.<br />

- Nach 10-14 Tagen lässt sich die Gebärmutter wieder im Beckenraum versammeln;<br />

ihre Wand wird zunehmend dünner und weicher; bei Einsetzen des ersten Zyklus<br />

ist sie tonisiert oder tonisierbar.<br />

- Nach 3 bis 4 Wochen: normale Grösse (Horndurchmesser 3-5 cm). Es bleibt eine<br />

Asymmetrie (Durchmesser des trächtig gewesenen Hornes grösser).<br />

40


Uterusbänder und Eileiter: verkleinern sich und werden straff gemeinsam mit dem sich<br />

<strong>zur</strong>ückbildenden Uterus. Die arteriae uterinae mediae verlieren ihr Schwirren<br />

unmittelbar nach Abgang des Foeten, ihre verstärkte Pulsation kurz danach. Sie bilden<br />

sich ebenfalls <strong>zur</strong>ück; Asymmetrie auf der Seite des ehemals trächtigen Hornes.<br />

Eierstöcke: Lageveränderungen entsprechend der Verkleinerung der Gebärmutter;<br />

Rückbildung des Corpus luteum graviditatis. Erster Zyklus nach ca. 10-14 Tagen p.p.<br />

Veränderungen am Gesamtorganismus<br />

Die Geburt ist ein normaler natürlicher Vorgang, bedeutet aber immer einen Stress.<br />

Stress der Geburt: Anstrengung bei der Austreibung, Wegfall eines grossen<br />

zirkulatorischen Widerstandes, Wegfall von viel Volumen und Gewicht (total 50-60<br />

kg). Flüssigkeitsverlust: Fruchtwasser (11-20 1), Blut. Teilweise wird der<br />

Flüssigkeitsverlust durch Mobilisierung von Flüssigkeit aus der Bauchhöhle (physiologischer<br />

Aszites der Hochträchtigen) und aus dem ödematisierten Bindegewebe<br />

kompensiert.<br />

Stress der beginnenden Milchleistung: die Umstellung des Euters von der Ruhephase<br />

auf die Laktation stellt eine grosse Stoffwechselbelastung dar. Bereitstellen von<br />

Aufbaustoffen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen, sowie Energie für die<br />

Milchbildung.<br />

Das Aufeutern und die Milchbildung beginnen schon ante partum, mit dem Einschiessen<br />

der Milch wird jedoch der Bedarf rasch stark erhöht. Weitere Probleme ergeben sich<br />

durch die tägliche Zunahme der Milchleistung. Nach Erreichen der maximalen<br />

Tagesleistungen, ca. 2-3 Wochen p.p., kommt es zu einer Dauerbelastung. Diese wirkt<br />

sich umso schwerwiegender aus, wenn die Funktion und Kapazität des<br />

Digestionsapparates den neuen Bedürfnissen nicht gerecht werden kann (Näheres s.<br />

Spezialvorlesungen).<br />

Zirkulationsapparat: die Herzschlagfrequenz ist vor, während und unmittelbar nach der<br />

Geburt erhöht, später Bradykardie.<br />

Körpertemperatur: Anstieg in der letzten Zeit der Trächtigkeit; Abfall kurz ante partum;<br />

im Puerperium normal bis leicht erhöht (bis 39.2° C).<br />

Die Atmung wird nach der Geburt ruhig und tief.<br />

Digestionsapparat: um die Geburt häufig Inappetenz und auch Verminderung der<br />

Pansenmotorik (Intensität und Frequenz der Peristaltikwellen). Normalerweise rasche<br />

Erholung, es besteht aber die Gefahr einer puerperalen Indigestion, die verschiedene<br />

Ursachen und Folgen haben kann (Näheres: siehe Spezialvorlesungen).<br />

Unmittelbar nach der Geburt sind die Tiere in der Regel durstig (Flüssigkeitsverlust).<br />

Bindegewebe: Bauchdecken und Beckenbänder werden in den ersten Wochen post<br />

partum wieder straff; fester Verschluss der Beckensymphyse.<br />

Euter: das schon a.p. entstandene Ödem bildet sich im Verlauf von 2 Wochen p.p.<br />

wieder <strong>zur</strong>ück (Näheres: s. "Erkrankungen des Euters").<br />

Die in den ersten Tagen sezernierte Kolostralmilch unterscheidet sich in ihrem Gehalt<br />

wesentlich von der normalen Milch: relativ hoher Gehalt an Albumin und vor allem<br />

Globulinen bei leicht vermindertem relativen Gehalt an Kasein; höher Salz- und<br />

Vitamingehalt.<br />

Bedeutung des Kolostrums: gut verdauliche, energiereiche Nahrung des Neugeborenen.<br />

Passive Immunisierung dank hohem Gehalt an γ-Globulinen, die in den ersten<br />

Lebensstunden unverändert resorbiert werden.<br />

Veränderungen am Blutbild: Rotes Blutbild: Hämokonzentration um die Geburt, relativ<br />

tiefe Hämatokritwerte im Puerperium. Weisses Blutbild: typisch für Stress:<br />

Leukozytose, Neutrophilie, Eosinopenie und Lymphopenie. Rasche Normalisierung in<br />

den ersten Tagen p.p. Blutchemie: in Zusammenhang mit der beginnenden Laktation<br />

41


kommt es zu einer physiologischen Hypokalzämie, die leicht in den pathologischen<br />

Bereich abrutschen kann (Näheres: s. Kapitel Hypokalzämie).<br />

Pflege der Kuh im Puerperium<br />

Gute Überwachung in den ersten Stunden: Prolapsus uteri; Nachgeburtsabgang;<br />

Erkennen von andern Störungen, z.B. Blutungen.<br />

In den ersten Tagen: Festliegen und andere puerperale Störungen.<br />

Haltung: viel saubere Einstreu; ohne besonderen Anlass keine Untersuchungen und<br />

Behandlungen am Geschlechtsapparat.<br />

Fütterung: gehaltvoll, gut verdaulich, appetitanregend.<br />

Die Fütterung ante und post partum ist für den Verlauf der Laktation und die optimale<br />

Funktion von Verdauung und Stoffwechsel von entscheidender Bedeutung (vgl.<br />

Fütterungslehre).<br />

Melken: in den ersten zwei Tagen nur soviel Milch (bzw. Kolostrum) ausziehen, wie für<br />

die Ernährung des Kalbes benötigt wird; auch in den Tagen danach die Kuh noch nicht<br />

voll ausmelken (Festliegeprophylaxe). Am ödematösen Euter der frisch gekalbten Kuh<br />

ist eine Mastitis oft schlecht zu erkennen: gute Überwachung, Schalmtest (Sekret aller 4<br />

Viertel sollte gleich aussehen).<br />

DIE ERKRANKUNGEN IM PUERPERIUM<br />

Bedeutung: wirtschaftlich steht sehr viel auf dem Spiel!<br />

- durch schwere Erkrankungen im Puerperium kann die Milchleistung während der<br />

ganzen Laktation negativ beeinflusst werden<br />

- bei schwerer Erkrankung des Muttertieres ist die Aufzucht des Neugeborenen<br />

gefährdet<br />

- der Schlachtwert von Kühen im Puerperium ist generell gering (Ödematisierung);<br />

nach puerperalen Erkrankungen noch schlechter<br />

Mechanische Beschädigung der weichen Geburtswege<br />

Mechanische Beschädigungen der weichen Geburtswege führen zu<br />

- oberflächlichen, tiefen oder perforierenden Zusammenhangstrennungen<br />

- Quetschungen und Hämatomen<br />

- Blutungen<br />

Oft bestehen verschiedene der aufgezählten Veränderungen gleichzeitig. Meistens<br />

kommt es in der Folge zu lokalen Entzündungen, sehr oft auch zu Infektionen.<br />

Ursachen: vielfältig, in der Regel für die verschiedenen Abschnitte dieselben.<br />

Vom Foeten bedingt: unnatürlicher Druck oder übermässige Spannung<br />

- bei absolut zu grossem Foeten<br />

- bei Vorliegen einer fehlerhaften Lage, Stellung oder Haltung<br />

- bei toten Foeten, insbesondere in Totenstarre und bei Vorliegen von Ankylosen<br />

- bei emphysematösen Foeten<br />

- bei Missbildungen<br />

Schlag mit Gliedmassen bei heftigen (häufig agonalen) Bewegungen des Foeten.<br />

Vom Muttertier ausgehend: Enge der weichen Geburtswege<br />

- unterentwickelte, juvenile Tiere (zu frühes Belegen)<br />

- verfettete Tiere (vor allem bei Primiparen)<br />

- schlechte Vorbereitung <strong>zur</strong> Geburt (keine oder übermässige Ödematisierung des<br />

Gewebes)<br />

- frühzeitiger Blasensprung<br />

42


- ungenügende Erschlaffung der Zervix zu Beginn der Eröffnungsphase<br />

- Narbenstrikturen (nach Verletzungen bei vorangegangenen Geburten)<br />

- Austrocknung bei verschleppter Geburt<br />

- nach Torsio uteri<br />

- nach Prolapsus vaginae<br />

- Entzündung oder Infektion (Abort)<br />

- Heftige Bewegungen des Muttertieres vor oder während der Geburt<br />

- Niederstürzen usw.<br />

- Übermässig heftige Wehen<br />

Durch die Geburtshelfer (Laien oder Tierärztinnen)<br />

- forcierter Zug trotz ungenügender Platzverhältnisse<br />

- Zug trotz fehlender Wehen oder Zug in den Wehenpausen<br />

- falscher Einsatz von Wehenmitteln<br />

- unsanftes Fällen von unter der Geburt stehenden Tieren<br />

- unsachgemässe Vorbereitung und Untersuchungstechnik (Fingernägel<br />

usw., Handstellung)<br />

- intrauterine Untersuchung oder Manipulation während der Wehen<br />

- unsachgemässe Repositionsversuche bei Lage-, Stellungs- oder Haltungsanomalien:<br />

falsche Technik; fehlende Wehenausschaltung; ungenügende<br />

Platzverhältnisse (fehlender Fruchtwasserersatz)<br />

- Verletzungen mit geburtshilflichen Instrumenten: Fingermesser, Geburtshaken,<br />

Foetotom<br />

- (um sich vor ungerechtfertigten Anschuldigungen zu schützen, soll man schon bei<br />

der geburtshilflichen Untersuchung auf Beschädigungen der weichen Geburtswege<br />

achten)<br />

Allgemeine Kriterien <strong>zur</strong> Beurteilung von Verletzungen:<br />

Tiefe: oberflächlich, tief, perforierend?<br />

- perforierende Verletzungen im retroperitonealen Bereich: Vorfall von Binde- und<br />

Fettgewebe<br />

- perforierende Verletzungen mit Verbindung <strong>zur</strong> Bauchhöhle: Vorfall von<br />

Darmschlingen oder Harnblase<br />

Lage: gut oder schlecht zugänglich?<br />

- Scheidendach, seitlich oder Scheidenboden? Verletzungen am Scheidenboden<br />

führen zu Versacken von Lochien, Harn oder Wundsekret<br />

- Retroperitonealbereich oder an Peritonäum angrenzend?<br />

- Bereich von Urethra und ihrer Mündung?<br />

- Ausdehnung<br />

Blutungen<br />

- Ausmass der Blutung: flächenhaft? arterielle oder venöse Blutung?<br />

- ev. Koagula in Gebärmutter oder Scheide<br />

- ev. Blutung ins Gewebe<br />

Schwellungen<br />

- bereits eingetretene Komplikationen?<br />

- entzündliche Prozesse<br />

- Phlegmonen mit oder ohne Allgemeinstörungen<br />

- Abflussstörungen von Wundsekret (Versackungen)<br />

- Störungen des Lochialflusses<br />

- Störung des Nachgeburtsabgangs<br />

43


Beschädigung von Vulva und Vagina<br />

Quetschungen:<br />

- kommen in Zusammenhang mit Schwergeburten häufig vor (verschiedene<br />

Ursachen, s. oben).<br />

- gute Heiltendenz, Abschwellung im Verlauf von Tagen.<br />

- manchmal in Verbindung mit Drucknekrosen der Schleimhaut: grau-grüne<br />

Verfärbung<br />

- oberflächliche Risse<br />

- gequetschtes Gewebe ist guter Nährboden für Infektionserreger (besonders<br />

gefürchtet sind C. septicum, C. tetani, die durch diese Läsionen eindringen)<br />

- Behinderung von Sekret- und Lochialabfluss, ev. von Abgang der Nachgeburt<br />

Therapie: Entzündungshemmer systemisch, vorzugsweise Flunixin Meglumin<br />

(Finadyne ® )<br />

- bei Gefahr von Infektionen: Antibiotika systemisch<br />

Hämatome:<br />

- können wegen fehlender Tamponade gross werden, vor allem an der Vulva, sinken<br />

ab<br />

- Überwachung des Allgemeinzustandes, innere Verblutung möglich<br />

Therapie: in Scheide keine; bei von aussen sichtbaren ev. Lehm- oder Salbenanstrich.<br />

Eröffnete Hämatome: Hämostase, ev. durch Massenligatur, Wundbehandlung je nach<br />

Allgemeinzustand; systemische Chemotherapie<br />

Zusammenhangstrennungen:<br />

- je tiefer, desto schlimmer; man achte auf Blutungen.<br />

- bei perforierenden Wunden: Vorfall von Fettgewebe, ev. Kot, ev. Harnblase<br />

- Komplikationen: Infektionen und Phlegmone; Taschenbildung mit Sekret- und<br />

Lochialrückstau, gefolgt von Toxämie<br />

- tiefe Nekrose, perivaginaler Abszess, Narbenstrikturen. Nach Abheilung ev.<br />

Konzeptions- bzw. Geburtshindernis<br />

- Dammriss, Mastdarmfistel<br />

Therapie: oberflächliche Zusammenhangstrennungen erfordern keine Behandlung;<br />

tiefe und perforierende: in frischem Zustand: Naht; einige Stunden alte Wunden: gute<br />

Ligatur des vorfallenden Fettgewebes, Resektion distal davon; Naht später, nach<br />

Organisation des Gewebes. Alte Fettgewebsvorfälle: Imponieren als Lipome oder<br />

granulomatöse, gestielte Schwellungen. Sie können in gleicher Weise nach Ligatur oder<br />

mit einem Kettenecraseur abgesetzt werden. Die Wunde verschliesst sich danach<br />

meistens von selbst.<br />

Praktische Durchführung von Scheidennähten:<br />

- kleine Epiduralanästhesie, Tamponade des Rektums (nicht vergessen am Ende<br />

wieder zu entfernen!). Reinigung und Desinfektion von Vulva und Umgebung<br />

- bei Wunden im Bereich des Scheidenbodens: Einführen eines Harnkatheters in die<br />

Urethra<br />

- ev. zwei Hilfsnähte an der Vulva zum Spreizen der Vulvalippen (gehalten von<br />

Hilfspersonen)<br />

- fortlaufende Schneidernaht von cranial nach caudal, lange Fadenenden, (Knoten<br />

ausserhalb der Vulva beginnen, Verschieben nach innen). Grosse, halbkreisförmige<br />

runde Nadel mit geschlossenem Öhr, Nahtmaterial: grober Chrom-Catcut, Dexon<br />

oder Nylon<br />

- da man "blind" nähen muss, ist es ratsam, den Faden mit der Nadel fest zu<br />

verknoten<br />

44


- für Sekretabfluss sorgen, keine Spülungen, systemische Antibiotikabehandlung,<br />

Nachkontrolle<br />

Dammrisse<br />

Damm: lockeres Bindegewebe zwischen Vagina und Rektum. Man unterscheidet:<br />

unvollständiger Dammriss, vollständiger Dammriss, Scheiden-Mastdarmfistel<br />

Verlauf: Spontanheilung selten oder unvollständig; Gefahr von ständiger<br />

Verschmutzung der Vagina mit Kot. Dies führt zu chronischer Vaginitis und<br />

Akonzeption. Ansaugen von Luft: Pneumovagina; Konzeptionshindernis, Unruhe,<br />

Abmagerung.<br />

Therapie:<br />

frische Fälle: sofortige Naht; ältere Fälle (einige Stunden und älter): Abwarten, bis sich<br />

die Ödematisierung und allenfalls die Phlegmone <strong>zur</strong>ückgebildet haben; Naht nach<br />

Auffrischen der Wundränder.<br />

Nahtverfahren:<br />

- kleine Epiduralanästhesie, ev. Sedation nach Fasten, Tamponade des Rektums<br />

- Reinigung von Vulva und Umgebung<br />

- Hilfsnähte zum Spreizen der Vulvalippen<br />

- Wundauffrischung; Mastdarmfisteln sind unter Umständen nur zugänglich, wenn<br />

man sie durch Resektion der noch vorhandenen Gewebsbrücke in einen<br />

vollständigen Dammriss umwandelt<br />

- Naht von cranial nach caudal<br />

- Nahttechnik in Abhängigkeit von der Läsion und dem Zustand des Gewebes<br />

- resorbierbares, atraumatisches Nahtmaterial<br />

- wenn möglich separate einstülpende Naht der Rektumwand<br />

- Naht des Dammgewebes und der Scheidenschleimhaut separat oder in einer Naht,<br />

einzeln oder fortlaufend<br />

- Hautnaht mit nicht resorbierbarem Material<br />

Nachbehandlung: systemische Chemotherapie, bei dicker Kotkonsistenz milde Laxation.<br />

Beschädigungen der Zervix<br />

Oberflächliche Verletzungen werden wegen des raschen Verschlusses des<br />

Zervikalkanals übersehen. Anlässlich von Sterilitätsuntersuchungen stellt man dann<br />

Passagebehinderungen im Zervikalkanal (Verklebungen oder Verwachsungen) oder bei<br />

der rektalen Palpation Verdickungen fest.<br />

Verheerend sind starke Blutungen an der Zervix, weil sie kaum zugänglich und im<br />

derben Gewebe schwer stillbar sind.<br />

Perforierende Verletzungen können weder von der Vagina noch von einer<br />

Flankenwunde aus angegangen werden.<br />

Auch wenn Zervixverletzungen abheilen, können sie ev. eine weitere Trächtigkeit<br />

verunmöglichen (Verschluss der Zervix ungenügend).<br />

Gebärmutterverletzungen<br />

Prädilektonsstellen: Corpus uteri ventral auf Höhe des Schambeinrandes und darunter:<br />

die Muscularis besteht dort nur aus einzelnen Muskelbündeln; zudem ist hier die Wand<br />

besonders exponiert.<br />

Dorsal in der Falte zwischen Zervix und Corpus uteri.<br />

Nur ein Teil der Gebärmutterverletzungen ist bei der vaginalen oder rektalen<br />

Untersuchung zugänglich.<br />

Ursachen: s. allgemeine Ursachen<br />

45


Nicht perforierende Verletzungen<br />

Symptome:<br />

von der Vagina zugängliche Verletzungen:<br />

- aufgeraute Vertiefung in der sonst glatten Mukosa<br />

- ev. spritzende Gefässe oder Sickerblutungen, vor allem im Bereich von<br />

Karunkelstielen<br />

von der Vagina nicht zugängliche Verletzungen:<br />

- keine spezifischen Symptome: Uterusatonie mit leicht- bis mittelgradiger<br />

Allgemeinstörung<br />

- später: Metritis, ev. Perimetritis (s. dort)<br />

Diagnose: bei frischen, von der Vagina zugänglichen Veränderungen manchmal<br />

schwierig, weil man verhindern will, durch intensive manuelle Exploration eine tiefe<br />

Verletzung noch zu perforieren. Bei nicht zugänglichen Verletzungen nur<br />

Verdachtsdiagnose. Prognose quo ad vitam günstig; quo ad conceptionem zweifelhaftgünstig,<br />

je nach Ausdehnung und Tiefe.<br />

Therapie: bei tiefen Verletzungen, besonders bei Blutungen Nahtversuch (Abwägen:<br />

Machbarkeit vs. Gefahr von Verschlimmerungen bei Manipulationen), Tonisierung des<br />

Uterus. Innert Stunden p.p.: 20-30 IE Oxytocin i.m. danach ev. Prostaglandine i.m.;<br />

Antibiotika intrauterin und systemisch<br />

Generelle Bemerkungen zu Chemotherapie bei puerperalen Erkrankungen<br />

Vor jeder Chemotherapie muss man sich über die Prognose im Klaren sein und mit der<br />

Besitzerin darüber reden. Sehr oft ist die Prognose zweifelhaft. Anderseits ist der<br />

Schlachtwert von Tieren mit puerperalen Störungen meistens gering. In vielen Fällen ist<br />

eine massive Chemotherapie für den Erfolg der Behandlung ausschlaggebend.<br />

Die Besitzerin muss sich vor Einleiten einer Chemotherapie entscheiden können, ob<br />

sie die Behandlungskosten und das Risiko eines Totalverlusts (antibiotikahaltiges<br />

Fleisch) in Kauf nehmen will, oder ob sie das Tier lieber schlachten lassen will, um zu<br />

versuchen, das Fleisch zu retten.<br />

Perforierende-Verletzungen<br />

Symptome:<br />

von der Vagina zugängliche Verletzungen: je nach Grösse kleines, übersehbares Loch<br />

oder langer Riss; zusätzlich:<br />

- Serosa mit Fibrinauflagerungen palpierbar<br />

- Peritonäum, Teile von Organen (Pansen, Darmschlingen, palpierbar<br />

- Vorfall von Darmschlingen, Netz in das Uteruslumen<br />

- Plazenta hängt in Bauchhöhle (bei grossen Defekten)<br />

von der Vagina nicht zugängliche:<br />

- Symptome von akuter Peritonitis (s. dort)<br />

- bei Rektalpalpation ev. Auflagerungen auf der Gebärmutter oder Verklebungen<br />

mit Peritonäum oder anderen Organen<br />

- manchmal paralytischer Ileus und leichte Tympanie, ev. Festliegen<br />

Diagnose: klinisch häufig keine eindeutige Diagnose möglich, wenn die Wunde von<br />

vaginal aus nicht palpiert werden kann. Im Zweifelsfall: Bauchhöhlenpunktion oder<br />

sogar Probelaparotomie, -laparoskopie<br />

Differentialdiagnosen: nicht perforierende Verletzung der Gebärmutter,<br />

Darmquetschung oder -ruptur, andere fieberhafte puerperale Erkrankungen,<br />

Hypokalzämie.<br />

46


Prognose: frische Fälle zweifelhaft; übrige ungünstig oder sehr zweifelhaft<br />

Therapie: frische Fälle Nahtversuch von Vagina oder vorzugsweise von<br />

Laparotomiewunde aus. Zusätzliche Gabe von Antibiotika intrauterin und systemisch;<br />

uterustonisierende Medikamente, ev. Blutersatz, ev. Flüssigkeitsersatz.<br />

Beim kleinen Wiederkäuer kommt auch eine Ovario-Hysterektomie in Frage.<br />

Prophylaxe: s. Geburtshilfe; Uterusverletzungen können aber auch bei Spontangeburten<br />

entstehen!<br />

Blutungen p.p.<br />

Symptome: spritzende Blutgefässe oder diffuse Blutung in Wunden der weichen<br />

Geburtswege oder aus teilweise oder vollständig abgerissenen Karunkelstielen. Ausfluss<br />

von frischem Blut oder stark mit frischem Blut vermischten Lochien aus der Vagina.<br />

Ansammlung von Blutkoagula in Scheide oder Uteruslumen. Absetzen von viel<br />

Blutkoagula aus Scheide nach dem Abliegen; bei massiven Blutungen: blasse<br />

Schleimhäute und unpigmentierte Haut (Euter), kühle Körperoberfläche, vor allem an<br />

den Akren, fadenförmiger frequenter Puls, pochender Herzschlag, oberflächliche<br />

Atmung<br />

Diagnose: lokale Befunde (Versuch, die blutende Stelle zu lokalisieren), Anämie,<br />

Blutungsschock.<br />

Differentialdiagnosen: Ansammlung von Blut aus Nabelgefässen, Schock anderer<br />

Ursache<br />

Therapie: Hämostase durch Ligatur von einzelnen Gefässen oder Massenligatur; ev. ist<br />

nur das Abklemmen mit einer Arterienklemme möglich (Arterienklemme einige<br />

Stunden belassen, nachdem sie über langen Nylonfaden an der Aussenhaut angenäht<br />

wurde!).<br />

Auffindbare Sickerblutungen: Betupfen mit stark vasokonstriktivem Medikament (z.B.<br />

aus der Humanmedizin Por-8 ® = Ornipressin); bei unstillbaren Sickerblutungen oder bei<br />

massiven Blutverlusten:.Bluttransfusion mit 3-4 Litern Vollblut oder mehr; ev.<br />

zusätzliche Infusion mit Plasmaexpander und Flüssigkeitsersatz, vorsichtige Gabe Ca ++ -<br />

haltiger Lösungen. Tiere überwachen lassen (plötzliche Verschlechterung des<br />

Allgemeinzustandes möglich)<br />

Beschädigung des Beckengürtels<br />

Es kommen in Frage: Frakturen am Becken oder am Sakrum; Diastase (Luxation) des<br />

Kreuzbein-Darmbeingelenks; Nervenlähmungen<br />

Ursachen: absolut oder relativ zu grosser Foet, vor allem bei zu lange dauernden oder<br />

zu forcierten Extraktionen. Aufstehversuche oder Niederstürzen mit im Becken<br />

eingekeilten Foeten; Niederstürzen von geschwächten Tieren.<br />

Symptome: bei allen Leiden Festliegen mit wenig gestörtem Allgemeinbefinden, ausser<br />

bei starken Schmerzen. Manchmal versuchen solche Tiere aufzustehen oder nehmen gar<br />

vorübergehend eine hundesitzige Haltung ein.<br />

Bei Beckenbruch<br />

- Asymmetrie von aussen oder bei rektaler Palpation; Palpationsschmerz<br />

- zusätzlich Hämatome und Quetschungen an Bruchstelle, ev. erhöhte<br />

Beweglichkeit und Krepitation bei passivem Bewegen.<br />

Bei Diastase<br />

- Dornfortsätze des Sakrums sinken ein<br />

- Promontorium des Kreuzbeins ragt in Beckenhöhle vor; Hämatome (schmerzhaft<br />

gespannte Schwellung bei rektaler Palpation im Bereich der Kreuzbeinflügel)<br />

Nervenlähmungen führen zu Paresen oder Paralysen oder regionalen, meist schwer<br />

nachweisbaren Sensibilitätsausfällen.<br />

47


Sakralnerven<br />

- Lähmung von Harnblase – Überlaufblase, kein Harnabsatz oder Träufeln,<br />

von rektal stark angefüllte Harnblase spürbar<br />

- Rektum: Kotansammlung in der Ampulla recti<br />

- kein oder erschwerter Kotabsatz - herabgesetzter Analreflex<br />

- Schwanzwurzel: Hammelschwanz, Sensibilitätsausfälle perianal und perivaginal<br />

N. obturatorius<br />

- Lähmung der Einwärtszieher der Hintergliedmassen: Vergritten, Froschlage<br />

N. ischiadicus<br />

- Lähmung aller Muskeln distal vom Kniegelenk: Einknicken, Belastung nicht<br />

möglich<br />

N. femoralis<br />

- Lähmung der Extensoren im Kniegelenk: Einknicken im Kniegelenk .<br />

Selten als Geburtsfolge:<br />

N.peronaeus<br />

- Lähmung der Beuger im Tarsalgelenk und der Zehenstrecker: durchgestreckter<br />

Tarsus, Überköten, Belasten auf Fesselkopf, Sensibilitätsausfall dorsal am Fuss<br />

N.tibialis<br />

- Lähmung der Tarsalstrecker und der Zehenbeuger: Einknicken im Tarsus,<br />

Fesselgelenk in Beugehaltung nach vorne, Sensibilitätsausfall plantar am Fuss<br />

Diagnose: genaue klinische Diagnose ist sehr schwer und nur in seltenen Fällen zu<br />

stellen. Sehr oft beschränkt sich beim festliegenden Tier die Diagnose auf "traumatisch<br />

bedingtes Festliegen nach Schwergeburt". Nach mechanischem Aufstellen der Tiere<br />

lässt sich ev. genaueres aussagen: Asymmetrien sind besser erkennbar,<br />

Belastungsausfälle werden sichtbar, Schmerzproben und passive Bewegungen sind<br />

besser ausführbar, rektale Untersuchung ist aufschlussreicher.<br />

Bestimmung der CK-Aktivität zum Ausschluss von Muskelschäden (Cave: steigt bei<br />

längerem Festliegen aber auch an). Kalziumbestimmung im Serum oder Vollblut<br />

(Schnelltest) zum Ausschluss der Hypokalzämie.<br />

Differentialdiagnosen: Hüftgelenksluxation; Fraktur an Gliedmassenknochen;<br />

Muskelzerrungen infolge eines Sturzes bei Aufstehversuchen oder wegen<br />

vorbestehender Schwäche oder Nervenlähmung; hypokalzämisches Festliegen; akute<br />

Klauenrehe; Festliegen anderer Ursachen.<br />

Prognose:<br />

Bei Beckenfraktur je nach Lokalisation Abheilung möglich, jedoch Gefahr von<br />

nachfolgender Schwergeburt.<br />

Bei Diastase im Kreuzbein-Darmbeingelenk: zweifelhaft, Heilung möglich.<br />

Bei Nervenlähmungen: zweifelhaft.<br />

Therapie:<br />

- Medikamentell: Steroide und /oder nicht steroidale Entzündungshemmer<br />

(Phenylbutazon; Flunixin Meglumin; zusätzlich Vitamin B1-Präparate)<br />

Wichtiger sind:<br />

- gute Einstreu und mehrmaliges Wenden pro Tag zum Verhindern von<br />

Dekubitusstellen<br />

- Vergrittgeschirr anlegen<br />

- ab 2., 3. Tag mechanisch Aufstellen (Aufziehbock mit Winden) oder<br />

Improvisationen mit gepolsterten Schenkelfaltenschlingen und Flaschenzug<br />

48


Beschädigung innerer Organe bei der Geburt<br />

Es kommen in Frage: Atonie, Quetschungen, Rupturen der Harnblase;<br />

Urethraquetschungen; Uretherriss; Darmquetschung oder -ruptur<br />

Ursachen: Beschädigung von ins Becken verlagerten Organen oder Teilen davon bei<br />

Geburt in Hinterendlage. Dies geschieht vor allem, wenn der Foet an der liegenden<br />

Mutter ins Becken eingezogen wird oder bei Zug in Wehenpausen (Näheres s.<br />

Geburtshilfe). Ev. auch Schwergeburten in Vorderendlage (Urethraquetschung).<br />

Atonie, Quetschung, Ruptur der Harnblase und Urethraquetschungen<br />

Symptome: werden zu Beginn gerne übersehen, wenn nicht speziell daraufhin<br />

beobachtet wird.<br />

- Passives Abfliessen von Harn, vor allem nach dem Abliegen: Überlaufblase - Harn<br />

kann nicht im Strahl abgesetzt werden<br />

- Pollakisurie<br />

- ev. Blutharnen<br />

- bei rektaler Untersuchung: grosse in die Bauchhöhle herabhängende Blase, ev. nur<br />

als Strang spürbar<br />

- Inappetenz, Milchrückgang, ev. leichte Kolikerscheinungen<br />

- Später: Zystitis (Harnstatus mit Sediment)<br />

- Bei Blasenruptur: Harnträufeln oder kein Harnabsatz; zunehmende Verschlechterung<br />

des Allgemeinzustandes (eine gequetschte Blase kann sekundär<br />

rupturieren)<br />

Diagnose: anhand Anamnese und klinischer Symptome; grosse Harnmengen beim<br />

Kathetrisieren; ev. Harnstoffbestimmung im Serum<br />

bei Zystitis: bakteriologische Harnuntersuchung<br />

Differentialdiagnosen: Harnabflussstörungen infolge Quetschung, Hämatom oder<br />

Phlegmone der Scheide: Kompression auf Urethra oder Verengung des<br />

Scheidenausgangs (Urovagina)<br />

Bei Blutharnen: Beimengung von Lochien zum Harn; puerperale Hämoglobinurie<br />

Bei Zystitis: bakterielle Pyelonephritis infolge Harnstase ante partum<br />

Prognose: je nach Diagnose zweifelhaft<br />

Therapie: häufig genügt einmaliges Kathetrisieren einer zu vollen Blase; nachdem<br />

die damit verbundene Überdehnung der Muscularis überwunden wurde, ist spontanes<br />

Harnabsetzen wieder möglich (gute Beobachtung).<br />

Bei anhaltender Harnabsatzbeschwerde: Einsetzen eines Dauerkatheters (Ballonkatheter)<br />

mit Fixation an Haut neben Vulva. Blasenspülungen mit Betadinelösung 10%;<br />

bei C. renale-Infektion: Penicillin systemisch über 10-14 Tage.<br />

Ruptur des Urethers (sehr selten)<br />

Symptome: sich über mehrere Tage hinziehende und sich verschlimmernde Störung mit<br />

vorerst unspezifischen Symptomen. Bei einseitiger Verletzung keine<br />

Harnabsatzbeschwerden vorhanden. Später: ausgedehnte retroperitoneale, ödematösgespannte<br />

Schwellunq dorsal im Abdomen palpierbar. Harnansammlung in Bauchhöhle<br />

(Punktat, Harnstoffbestinmung)<br />

Prognose: infaust; keine Therapie möglich, meistens Totalverlust wegen Harngeruch<br />

des Fleisches.<br />

Darmquetschung oder -ruptur<br />

Symptome: Darmquetschung: Erscheinungen von Ileus oder Subileus<br />

Darmruptur: akut verlaufende, mit schweren Allgemeinstörungen (Peritonitis, Toxämie),<br />

Festliegen und Ileus einhergehende Erkrankung<br />

(Näheres: s. Vorlesung Digestionskrankheiten)<br />

49


Diagnose: Anamnese, klinisches Bild; rektale Untersuchung: ev. sind gequetschte oder<br />

mit der Bauchwand verklebte Darmteile palpierbar. Bauchhöhlenpunktion. Bei Verdacht<br />

und operablem Zustand des Tieres: Probelaparotomie<br />

Differentialdiagnosen: Uterusruptur; Blasenquetschung oder -ruptur; Schockzustand p.p.<br />

anderer Ursache.<br />

Prognose: Darmquetschung: zweifelhaft; Darmrupturen: ungünstig; sofortige<br />

Notschlachtung!<br />

Therapie: leichte Fälle: Spasmolytika, nichtsteroidale Entzündungshemmer, salinische<br />

Abführmittel; im Zweifelsfall: Probelaparotomie und Darmresektion.<br />

Presswehen post partum<br />

Starke Presswehen unmittelbar nach der Geburt, ev. auch einige Tage darüber hinaus.<br />

Die normalen Nachgeburtswehen werden normalerweise bis zum Abgang der<br />

Nachgeburt von der Bauchpresse unterstützt; bzgl. Frequenz und Intensität<br />

unterscheiden sie sich aber deutlich von den hier zu besprechenden pathologischen<br />

Presswehen p.p.<br />

Ursachen: Verletzungen der weichen Geburtswege, vor allem der Zervix oder des<br />

Rektums; übermässige Erschlaffung der weichen Geburtswege, die schon ante partum<br />

bestanden haben (Prolapsus vaginae a.p.); Hämatome und phlegmonöse Schwellungen<br />

perivaginal oder an den Ligamenta lata uteri; Pneumovagina; Tieflagerung der<br />

Hinterpartie zusätzlich <strong>zur</strong> Erschlaffung der Beckenbänder und des Scheidengewebes;<br />

unsachgemässe Untersuchung oder Behandlung der weichen Geburtswege (grober<br />

Ablösungsversuch von Nachgeburt, reizende Medikamente usw.)<br />

Symptome: aufgekrümmter Rücken, anhaltendes Drängen unterbrochen durch kurze<br />

Pausen, Anus und / oder Vulva leicht ausgestülpt; in den Pausen kommt es zum Ansaugen<br />

von Luft in die Vagina, wodurch der Reiz noch verstärkt wird. Stöhnen, Inappetenz,<br />

Milchrückgang. Später Ermattung, puerperale Infektionen als Komplikation<br />

Diagnose: Abklären der Ursache unter Epiduralanästhesie<br />

Prognose: zweifelhaft; eine lokale Behandlung von Verletzungen führt kurz- und<br />

mittelfristig eher zu einer Verstärkung des Reizes. Ungünstig bei anhaltendem Drängen<br />

ohne ersichtlichen Grund trotz palliativer Massnahmen. Ungünstig bei grossen<br />

Hämatomen in den Gebärmutterbändern.<br />

Therapie: Analgetika, z.B. Metamizol (Novaminsulfon); ev. Sedativa, z.B. Xylazin, ev.<br />

Epiduralanästhesie bis zum Abklingen des Reizes wiederholen; Antiphlogistika<br />

systemisch, je nach Ursache. Herstellen eines Pneumoperitonäums durch Einpumpen von<br />

Luft nach Punktion in der rechten Bauchwand (Sekretsaugpumpe).<br />

Zur Vermeidung eine Prolapsus uteri: Scheidenverschluss (zusätzlicher Reiz?).<br />

Vorfallgeschirr, wirkt vor allem durch Brustzwang. Anlegen eines straff angezogenen<br />

Seils um den Thorax (Brustzwang); Hochlagerung der Hinterpartie bei festliegenden<br />

Tieren!<br />

Inversio et Prolapsus uteri<br />

Inversio uteri: Einstülpung des trächtig gewesenen Hornes kurz nach der Geburt.<br />

Inversio et Prolapsus uteri: Einstülpung des trächtig gewesenen Hornes gefolgt von<br />

Ausstülpung nach aussen durch die noch erschlaffte Zervix.<br />

Ursachen: Uterusatonie (s. dort); fehlender Verschluss infolge Erschlaffung der Zervix<br />

Erschlaffung der Beckenbänder: Verlagerung von Bauchinhalt in Beckenhöhle am<br />

liegenden Tier; Erschlaffung von Vagina und perivaginalem Gewebe. Vorbestehender<br />

Prolapsus vaginae ante partum; Tieflagerung der Hinterpartie.<br />

Auslösende Faktoren<br />

50


- starke Presswehen p.p. (s oben)<br />

- Saugwirkung durch Föten bei Extraktion unter engen, weichen Geburtswegen<br />

- Zugwirkung durch teilweise heraushängende Nachgeburt<br />

Inversio uteri<br />

Beim Rind selten diagnostiziert. Man unterscheidet:<br />

- Inversio innerhalb des Uterus<br />

- Inversio mit teilweisem Durchtritt durch den Zervikalkanal<br />

Symptome: Inappetenz, gestörte Rumination, ungenügende Milchleistung; subfebrile<br />

Körpertemperatur, Tachykardie. Deutlichere Allgemeinstörungen bei Peritonitis oder<br />

Toxämie. Inversio innerhalb des Uterus: bei durchgängiger Zervix ist der umgestülpte<br />

Teil des Gebärmutterhorns ev. zu palpieren, andernfalls ist bei der rektalen<br />

Untersuchung ein Wulst spürbar; ev. fibrinöse Auflagerungen auf der Serosa.<br />

Bei teilweiser Ausstülpung durch die Zervix: Wulst bei der vaginalen Untersuchung<br />

erkennbar. Nach Strangulation: Uterus gestaut, ödematös, ev. nekrotisch.<br />

Prognose: Bei Inversio innerhalb des Uterus Spontanheilung im Rahmen der Involution<br />

möglich. Erhöhte Gefahr von Metritis / Perimetritis, ev. auch Peritonitis und Toxämie.<br />

Prognose: Bei teilweiser Ausstülpung in die Zervix: zweifelhaft.<br />

Therapie: in frischen Fällen und sofern der umgestülpte Teil noch erreichbar ist<br />

manuelle Reversion; Vorsicht bei Verklebungen! Beschrieben wird auch die<br />

Massenligatur von in die Vagina ausgestülpten, prolabierten Teilen, die nicht<br />

reponierbar sind. Chemotherapie: lokal und systemisch<br />

Inversio et Prolapsus uteri<br />

Bei der Ausstülpung der Gebärmutter (häufig nur des trächtig gewesenen Horns) kommt<br />

es <strong>zur</strong> Kompression der Gefässe in den Gebärmutterbändern, die von der Verlagerung<br />

ebenfalls betroffen sind. Folgen:<br />

- Stauung und Ödematisierung der Gebärmutterwand, später Infarzierung und<br />

Nekrose<br />

- Zirkulationsstörungen bis zum Schock infolge Sequestrierung grosser Blutmengen<br />

Symptome: ausgestülpter, mit Mukosa bedeckter Uterus hängt aus der Vulvaöffnung<br />

hervor; Karunkeln sichtbar, meistens haften die Eihäute noch. Grösse, Farbe und<br />

Konsistenz des Organs richten sich nach<br />

- Zeitspanne zwischen Geburt und Prolaps<br />

- Dauer des Prolaps<br />

Bedingt durch die Stauung wird der Uterus dunkelrot bis blau, angeschwollen, teigig<br />

weich; später dunkelblau bis schwarz, brüchig. Vermehrtes Pressen, Tachykardie,<br />

manchmal Festliegen; später Schocksymptome und Anzeichen von Toxämie.<br />

Prognose: ohne Therapie Tod innerhalb von Stunden. Bei rascher Reposition in der<br />

Regel günstig; plötzlicher Tod nach anscheinend normalem Verlauf kommt vor: innere<br />

Blutung; Schock nach Aufhebung der Stauung; Hypothermie.<br />

Gefahr von Rezidiven, besonders bei<br />

- sehr starker Erschlaffung der Gebärmutter<br />

- schlechter Hochlagerung des Beckens<br />

- unvollständiger Reversion<br />

- anhaltend starken Presswehen (s. oben)<br />

Prognose bei Komplikation durch Hypokalzämie: zweifelhaft bis günstig<br />

Prognose bei verschleppten Fällen (Stunden nach Prolaps): zweifelhaft bis ungünstig,<br />

Tod durch Schock oder / und Toxämie<br />

Therapie: Notfall-Massnahmen der Tierhalterin vor Eintreffen der Tierärztin: Schutz des<br />

Uterus vor Verschmutzungen und Verletzungen<br />

- am liegenden Tier: Uterus in sauberes Tuch einwickeln, Schutz vor Nachbartieren<br />

51


- am stehenden Tier: Anheben der Gebärmutter mit sauberem Tuch durch zwei<br />

Personen mit Brett oder etwas Ähnlichem<br />

Nach Ankunft im Stall: ruhiges, rasches, überlegtes Vorgehen; klare Anweisungen<br />

- kurze Untersuchung <strong>zur</strong> Beurteilung des Allgemeinbefindens, ev. Therapie<br />

einleiten: Kalziuminfusion, Schocktherapie<br />

- Untersuchung der Gebärmutter und Entscheid über weiteres Vorgehen: Reposition:<br />

bei einigermassen gutem Allgemeinzustand des Tieres und nicht stark geschädigter<br />

Uteruswand (dies ist unter den bei uns herrschenden Praxisbedingungen der<br />

Normalfall). Notschlachtung: bei schwerem Schockzustand oder anderen schweren<br />

Allgemeinstörungen.<br />

Bei ausgedehnten Zusammenhangstrennungen der Gebärmutter oder wenn wegen<br />

starker Stauung und Brüchigkeit des Gewebes eine Reposition nicht mehr möglich<br />

ist kann grundsätzlich der Uterus amputiert werden. Dies ist aber beim Rind nicht<br />

zu empfehlen, allenfalls beim kleinen Wiederkäuer und Schwein (Überleben der<br />

Jungen).<br />

Reposition am liegenden Tier<br />

- hohe Epiduralanästhesie; Kuh in Hasenlage verbringen und Becken hochlagern<br />

(Strohballen)<br />

- versuchen, die Nachgeburt abzulösen; dies sollte zügig und ohne zu grosse<br />

Blutungen gehen. Belassen der Nachgeburt ist kein entscheidender Nachteil,<br />

Rezidiv- und Infektionsgefahr sind aber erhöht.<br />

- gründliche Reinigung des Uterus und der Umgebung; Spülung mit lauwarmer,<br />

antiseptischer Lösung, z.B. Povidone-Iodlösung (z.Bsp. Betadine ® ) 5-10%<br />

- wenn nötig: Naht von perforierenden oder tiefen Wunden, Serosa auf Serosa,<br />

resorbierbares Nahtmaterial<br />

- ev. Bandagieren von des Uterus von der Hornspitze gegen den Körper mit breiter<br />

Leinenbinde, um die Blutstauung teilweise rückgängig zu machen<br />

- ev. Oxytocin i.m. <strong>zur</strong> Tonisierung der Gebärmutter (Vorteil?)<br />

- hochhebenlassen der Gebärmutter auf Vulvahöhe durch zwei Hilfspersonen, die<br />

sich die Hände geben oder Brett; Reposition der Gebärmutter, beginnend an<br />

Umschlagstelle bis <strong>zur</strong> Zervix, dann vom Zentrum her mit geballten Fäusten, unter<br />

Vermeidung von Verletzungen; nach Durchtritt durch Zervikalkanal vollständige<br />

Behebung der Inversion überprüfen.<br />

Vorteile: gute Ruhigstellung des Tieres und zuverlässige Ausschaltung der Presswehen,<br />

dadurch leichte Reposition.<br />

Nachteile: erhöhte Gefahr von Verlagerung von Harnblase oder Darmschlingen in den<br />

Beckenraum oder ins vorgefallene Organ. Grosser Aufwand an Zeit und Kraft!<br />

Reposition am stehenden Tier<br />

- kleine Epiduralanästhesie<br />

- weitere Schritte bis <strong>zur</strong> eigentlichen Reposition wie bei Arbeit am liegenden Tier,<br />

jedoch muss die Gebärmutter von Hilfspersonen immer leicht angehoben werden<br />

(Rupturgefahr)<br />

- Gebärmutter durch zwei Hilfspersonen mit von Tuch bedecktem Brett auf<br />

Vulvahöhe anheben lassen und dann wie beschrieben reponieren.<br />

Vorteile: normaler Situs der Organe<br />

Nachteile: beim Durchstossen der Gebärmutter durch Zervix beginnen die Tiere<br />

manchmal stark zu pressen und liegen ab, wodurch die Reposition verunmöglicht wird.<br />

Aus diesem Grund ziehen wir die Reposition am liegenden Tier vor.<br />

Nachbehandlung: Versorgung des Gebärmutterlumens mit Antiseptika, z.B. Polyvidon-<br />

Iod (z.Bsp. Vetisept ® -Obletten) oder Antibiotika (Tetrazykline)<br />

52


ei liegenden Tieren: Hochlagerung der Hinterpartie; Scheidenverschluss (Flessa oder<br />

Bühnerband). Es wird beschrieben, mit dem Beginn der Verabreichung von<br />

Chemotherapeutika 12-18 Stunden zuzuwarten (Möglichkeit der Schlachtung bei<br />

Verschlechterung des Allgemeinzustandes). Nach Absprache mit der Besitzerin<br />

empfehlen wir aber eine sofortige lokale und systemische Gabe von Antibiotika oder<br />

Chemotherapeutika.<br />

Komplikationen bei der Reposition:<br />

- Verlagerung von Darmschlingen oder der gefüllten Harnblase mit der Gebärmutter,<br />

letztere kann allenfalls durch die Gebärmutterwand hindurch punktiert werden. Es<br />

besteht die Gefahr, dass diese Organe bei der Reposition zusätzlich beschädigt<br />

werden.<br />

- Hämatome in der Uteruswand oder in den Ligamenta lata uteri: nicht<br />

beeinflussbare Rezidivgefahr.<br />

Für die Behandlung von Rezidiven geht man gleich vor, wie bei der Erstbehandlung.<br />

Zur Verhinderung von weiteren Rezidiven wird empfohlen, ein aufgerolltes Tuch in die<br />

Scheide einzulegen, bevor man den Scheidenverschluss anbringt; auch eine<br />

Tabaksbeutelnaht an der Zervix wurde beschrieben. Beide Massnahmen sind<br />

problematisch, da durch sie der Pressreiz verstärkt wird.<br />

(Amputation: Näheres: s. Spezialliteratur)<br />

Prophylaxe: gefährdete Tiere nicht mehr <strong>zur</strong> Zucht verwenden; Tiere nach Geburt sofort<br />

zum Aufstehen zwingen: Entlastung der Bauchhöhle verminderte Effizienz der<br />

Bauchpresse; Vorfallgeschirr; Epiduralanästhesie und Flessaverschluss oder<br />

Bühnerband; Sedativa und/oder Analgetika (s. auch Kapitel über Presswehen)<br />

Verlagerungen der Harnblase<br />

Verlagerungen der Harnblase sind möglich durch perforierende Scheidenwunden oder<br />

die Harnblase wird durch die Urethramündung ausgestülpt (Inversion und Prolaps).<br />

In beiden Fällen sind Verlagerungen <strong>zur</strong> Zervix hin oder nach aussen möglich.<br />

Verlagerung durch Scheidenwunde<br />

Symptome: Harnabsatzbeschwerden, Harnträufeln oder Harnverhalten. Bei vaginaler<br />

Untersuchung ist die Blase als fluktuierendes Gebilde erkennbar. Ev. Harnabsatz bei<br />

Palpation. Die Blasenwand kann stark verändert sein: entzündliche Reaktionen und<br />

Auflagerungen, Stauung oder Infarzierung; erschwerend kommt die perforierende<br />

Scheidenwunde dazu.<br />

Prognose: in frischen Fällen zweifelhaft bis günstig, Gefahr von Zystitis. In<br />

verschleppten Fällen zweifelhaft. Reposition und Naht sind wegen Verklebungen oder<br />

Verwachsungen der Harnblase im Wundgebiet ev. nicht möglich.<br />

Therapie: kleine Epiduralanästhesie; Entleerung der Harnblase mit Katheter oder durch<br />

Punktion, Reposition der Harnblase und Scheidennaht. Überwachung, da Zystitisgefahr.<br />

Vorfall mit Inversion<br />

Ursachen: analog Prolapsus uteri.<br />

Symptome: je nach Stadium: unmittelbar p.p. faustgrosse, hellrot bis gelbe, schlaffe,<br />

vorgefallene Blase in Scheide oder Vulvaöffnung sichtbar. Harnträufeln aus der<br />

Urethramündung. Häufig werden die Kühe erst einige Tage p.p. vorgestellt: Inappetenz,<br />

ungenügende Milchleistung, subfebrile Körpertemperatur. Die Blase ist dann als<br />

faustgrosses, prall-derbes, dunkelrot bis schwarzes Gebilde mit glasig ödematöser,<br />

weicher Oberfläche palpier- und sichtbar. Harnträufeln aus der Urethramündung.<br />

Diagnose: einfach bei genauer Untersuchung und Interpretation der Befunde.<br />

Differentialdiagnosen: Harnblasenvorfall ohne Inversion; perforierende Scheidenwunde<br />

mit retrovaginalem Fettgewebsvorfall; partielle Retentio secundinarum.<br />

53


Prognose: zweifelhaft bis günstig. Reposition gelingt meistens; Gefahr von Rupturen<br />

bei starker Infarzierung. Rezidiv- und Zystitisgefahr.<br />

Therapie: Reposition am stehenden Tier<br />

- kleine Epiduralanästhesie<br />

- ev. Auflegen von reichlich Zucker zum Entzug von Ödemflüssigkeit<br />

- Bandagierung von Spitze gegen Urethra <strong>zur</strong> Verminderung der Blutstauung, analog<br />

Prolapsus uteri<br />

- manuelle Reposition<br />

- Tabaksbeutelnaht um Urethramündung nach vorherigem Einlegen eines Katheters<br />

in die Urethra. Entfernen nach einigen Tagen<br />

- Blasenspülungen mit milden Desinfektionslösungen, z.B. Povidone-Iodlösung<br />

(Betadine ® ) 5-10%<br />

Amputation der Apex vesicae urinariae wird beschrieben.<br />

Prolapsus ani<br />

Beim Rind kommt es infolge von Schwergeburten etwa zu Quetschungen des Rektums<br />

und nachfolgendem Absetzen von Kot mit Beimengungen von frischem Blut, manchmal<br />

begleitet von Tenesmus. Prolapsus ani kommt als Geburtsfolgestörung beim Rind nur<br />

selten, bei Stute und Mutterschwein etwas häufiger vor.<br />

Therapie: Reposition unter Epiduralanästhesie, ev. Tabaksbeutelnaht.<br />

Entzündungshemmende und schmerzmildernde Therapie.<br />

Atonia uteri<br />

Die primäre Volumenverminderung nach der Geburt durch Kontraktion der glatten<br />

Muskulatur und elastischen Fasern findet nur unvollständig oder überhaupt nicht statt.<br />

Häufig in Verbindung mit Zurückbleiben der Nachgeburt.<br />

Ursachen: Überdehnung der Gebärmutterwand: Mehrlingsgeburten, Eihautwassersucht,<br />

starke Ödematisierung. Schädigung der Gebärmutter: nach Torsio uteri, nach<br />

Schwergeburten und verschleppten Geburten, nach Foetotomie, durch Infektionen<br />

(Aborte).<br />

Gebärparese, Fettmobilisationssyndrom, Toxämie infolge Infektion, z.B. Mastitis<br />

sekundär infolge von Sekretrückstau (Scheidenschwellung) oder Rückfluss von Harn<br />

bei geöffneter Zervix (Urovagina). Mögliche Folgen: die Nachgeburt wird nicht<br />

ausgestossen. Nach Inversio, ev. Inversio et Prolapsus uteri.<br />

Beim Rückstau von Lochien: Besiedelung mit Fäulniserregern oder anderen pathogenen<br />

Keimen: Saprämie, Toxämie (Circulus viciosus), Endometritis.<br />

Symptome: Störung des Allgemeinzustandes je nach Stadium und eingetretenen<br />

Komplikationen.<br />

Vaginale Untersuchung: Zervikalkanal teilweise geöffnet, Zervixöffnung nach cranioventral<br />

verzogen, ev. klarer Zervikalschleim sichtbar. Rektale Untersuchung: der Uterus<br />

ist schlaff, hängt über den Beckenrand in die Bauchhöhle als schlaffer Sack, nach vorne<br />

nicht abgrenzbar. Die Wand ist dünn, ohne Längsfaltenbildung (nicht tonisiert).<br />

Prognose abhängig von der Ursache<br />

- bei Hypokalzämie: ziemlich günstig<br />

- übrige Ursachen: zweifelhaft bis günstig; wenn es gelingt, grössere<br />

Flüssigkeitsmengen aus dem Lumen abzuhebern, tritt meistens eine Tonisierung<br />

ein und die Allgemeinstörungen verschwinden.<br />

Therapie:<br />

54


- Kalziuminfusionen nützen manchmal auch, wenn keine klinischen Anzeichen von<br />

Hypokalzämie sichtbar sind. Dosierung nach Wirkung (Gefahr von Nebenwirkungen<br />

erhöht)<br />

- wiederholte Gabe von Prostaglandinen i.m.<br />

- Abhebern des Gebärmutterinhalts mit relativ weitlumigem, dickwandigem<br />

Schlauch (z.B. Nasenschlundsonde für Fohlen): Einführen des Schlauchs durch die<br />

Zervix unter manueller Kontrolle, den Schlauch mit Desinfektionslösung, z.B.<br />

Povidone-Iodlösung (Betadine ® ) 5-10% füllen und rasch umkippen, so dass das<br />

äussere Ende des Schlauchs tiefer liegt als das innere. Cave Perforationsgefahr<br />

des dünnwandigen Uterus!<br />

- Einlegen von Antibiotikaobletten ins Gebärmutterlumen (s. puerperale<br />

Infektionen); bei Toxämie auch systemische Antibiotika und Flunixin Meglumin<br />

(Finadyne ® )<br />

Retentio placentae<br />

Synonym: Retentio secundinarum<br />

Das Zurückbleiben der Nachgeburt, die Nachgeburtsverhaltung, das<br />

Nachgeburtsverhalten.<br />

Normaler Abgang bei Rind und kleinen Wiederkäuern: 3-8 Stunden p.p.; pathologisch ><br />

10 Stunden p.p.<br />

Normaler Abgang beim Schwein: z.T. während der Austreibungsphase, spätestens bis<br />

4 Stunden nach Abgang des letzten Ferkels.<br />

Normaler Abgang bei der Stute: 1/2 bis 3 Stunden p.p.; pathologisch > 6 Stunden.<br />

Beim Abgang der Nachgeburt spielen zwei, sich zeitlich überschneidende<br />

Mechanismen eine Rolle: Ablösung und Ausstossung. Beide können einzeln oder<br />

gemeinsam gestört sein.<br />

Normaler Ablösungsvorgang beim Rind<br />

Zustand während der Trächtigkeit:<br />

Allantochorium des Foeten haftet mit Zotten, die ihrerseits Verästelungen aufweisen, in<br />

den Krypten der Karunkeln. Histologisch: epithelio-choriale Plazentation. Plazenta<br />

maternalis: Gefässe, Bindegewebe, kubisches Epithel auf Basalmembran. Plazenta<br />

foetalis: Epithel, z.T. aus zweikernigen Riesenzellen bestehend, Bindegewebe, Gefässe.<br />

Die Epithelzellen des mütterlichen und foetalen Gewebes sind an ihrer Kontaktstelle<br />

durch Mikrovilli ineinander verzahnt.<br />

Veränderungen treten kurz vor, während und nach der Geburt auf: Die Karunkeln<br />

werden mit zunehmender Trächtigkeit kollagenisiert; die Gefässwände hyalinisiert; die<br />

Gefässlumina zunehmend obliteriert. Abflachung und Atrophie des mütterlichen<br />

Epithels, vermehrte Fetteinlagerung in Epithelzellen. Vermutlich enzymatische Lösung<br />

der vormals festen Verbindung zwischen den beiden Epithelschichten.<br />

Trophoplastenzellen enthalten zum Teil Einschlusskörper (Blutpigment). Unter der<br />

Geburt Lockerung des Chorionepithels in den maternalen Krypten; durch die Wehen<br />

Abflachung der Plazentome, deren Bindegewebe hormonell aufgelockert wurde.<br />

Verhältnisse unmittelbar nach Abgang der Nachgeburt:<br />

Karunkeln: Krypten teilweise sichtbar, teilweise kollabiert, teilweise Resten von<br />

Chorionzotten enthaltend. Histologisch: kubisch-squamöses Epithel teilweise erhalten,<br />

teilweise nackte Basalmembran.<br />

Kotyledonen: gut erhaltene Zotten; nie haftet mütterliches Gewebe daran. Im<br />

Elektronenmikroskop sind die Mikrovilli als Bürstensaum erkennbar. Karunkeln<br />

Stunden nach Abgang der Nachgeburt: Ablösung der restlichen Epithelzellen von der<br />

Basalmembran. Später: Involution der Krypten, Nekrose und Desquamation der<br />

55


abgerissenen Chorionzotten. Weiterer Abbau der Karunkeln durch zunehmende<br />

Hyalisierung der Gefässe und Fibrosierung des Gewebes von der Peripherie gegen den<br />

Karunkelstiel hin. Der Ablösungsvorgang beginnt somit normalerweise schon ante<br />

partum durch Kollagenisierung des plazentären Bindegewebes verbunden mit<br />

Hyalinisierung der Gefässwände zunehmend von Peripherie gegen Karunkelstiel.<br />

Teilweise Lösung der Zotten aus den Krypten am Rande der Karunkeln.<br />

Zusätzlich wirken hämodynamische und mechanische Vorgänge unterstützend.<br />

Hämodynamisch: Abnahme des Gewebeturgors im foetalen Teil durch Entleerung der<br />

Gefässe nach Ruptur der Nabelschnur. Mechanisch: Kompression und Auffächerung<br />

der Karunkeln in der Eröffnungs- und Austreibungsphase der Geburt und während der<br />

Nachwehen; Zuggewicht der teilweise heraushängenden Eihäute.<br />

Die Steuerung dieser Vorgänge durch das Zusammenspiel verschiedener Hormone<br />

(Östrogen, Progesteron, Prostaglandine, Oxytocin) ist sehr kompliziert und kann auf<br />

verschiedenen Stufen und über verschiedene Mechanismen gestört sein.<br />

Ursachen der Retentio placentae<br />

Normal ablaufender Ablösungsvorgang, gestörte Austreibung: selten<br />

Ursachen:<br />

- Atonie des Uterus (s. vorne)<br />

- zu früher Verschluss des Zervikalkanales<br />

- Hängenbleiben der Nachgeburt an Karunkelstiel<br />

- Scheiden- oder Zervixspangen<br />

Viel häufiger ist der Ablösungsvorgang gestört;.<br />

Histologisch findet man verschiedene Muster an den Plazentomen bei Kühen mit<br />

Ret.plac.:<br />

- Nekrose zwischen Chorionzotten und Kryptenwänden neben gesunden Zotten und<br />

solchen, die schon in Mazeration begriffen sind. Solche Veränderungen findet man<br />

häufig nach Normalgeburten. Allergische Reaktion?<br />

- Plazentome bleiben über Tage nach Abgang des Foeten frisch, d.h. ohne<br />

beginnende Ablösungsvorgänge. Häufig bei Aborten.<br />

- Gefässproliferation von maternaler und / oder foetaler Seite, a.p. entstanden:<br />

selten, ev. Zeichen von Entzündung.<br />

- Blutfülle der foetalen Gefässe, Proliferation des mütterlichen Gewebes: nach<br />

Absterben des Foeten im Mutterleib und nach verschleppten Geburten<br />

- Zottenoedem, 24 Stunden p.p. nach vorerst normalem Beginn des<br />

Ablösungsvorgangs. Zotten sehr brüchig.<br />

- Infektiöse Plazentitis: primär nur bei Aborten (z.B. B. abortus) bei<br />

Normalgeburten nur als sekundäres Phänomen.<br />

Häufig ist im Einzelfall die Ursache der Retentio secundinarum nicht erklärbar.<br />

Verschiedene Faktoren können für das Zurückbleiben der Nachgeburt verantwortlich<br />

sein, wobei auch für die unten genannten Ursachen die Pathogenese im einzelnen unklar<br />

bleibt. Die Frage nach den Ursachen ist vor allem bei bestandesweise gehäuftem<br />

Auftreten von Retentio placentae von Bedeutung. Es können mehrere Faktoren<br />

zusammenspielen. Sowohl für den Einzelfall als teilweise auch bei bestandesweise<br />

gehäuftem Auftreten kommen folgende Ursachen in Frage:<br />

- verkürzte (< 273 Tage) oder verlängerte (> 285 Tage) Trächtigkeitsdauer<br />

(genetische Einflüsse von Muttertier und Stier, Phythohormone?, Lichteinwirkung?,<br />

iatrogene Einflüsse)<br />

- medikamentelle Geburtsinduktion, unabhängig davon, ob mit Kortikoiden<br />

oder Prostaglandinen vorgenommen<br />

- allergische Störungen, z.B. nach Dasselbehandlung<br />

56


- Fütterungsfehler: Energie- und Proteinmangel z.B. bei Unterernährung bei<br />

extensiver Haltung<br />

- Mineralstoffmangel, z.B. Phosphormangel<br />

- Mangel an Spurenelementen und Vitaminen, z.B. Selen / Vit. E.<br />

- Energieüberschuss in der Trockenzeit: Fettmobilisationssyndrom p.p.<br />

- Überdehnung des Uterus: Zwillings- oder Mehrlingsträchtigkeit<br />

Eihautwassersucht (verschiedene Pathogenesen)<br />

- unnatürliche Haltung der Muttertiere, z.B. Trennen der Kälber von Muttertier<br />

beim Hausbüffel<br />

- Erschöpfung der Muttertiere durch lange Transporte<br />

- Schwergeburten (verschiedene Pathogenesen)<br />

- gleichzeitig bestehende, andere Erkrankungen, z.B. Mastitis, Fettmobilisationssyndrom<br />

usw.<br />

Verlauf<br />

Häufig bakterielle Besiedelung innerhalb von 12 Stunden p.p. (teilweise offener<br />

Zervikalkanal, Dochtwirkung der heraushängenden Eihäute, Geburtshilfe).<br />

Demarkation unter Aufbau eines Abwehrwalls mit Einwanderung von Leukozyten:<br />

an Karunkeloberfläche (Höhe der Zottenkuppen): Dauer 3-6 Tage; in Mitte der<br />

Karunkel oder am Karunkelstiel: Dauer 1-2 Wochen.<br />

Nach der Demarkation wird die Plazenta als Ganzes oder in einzelnen Stücken ev. auch<br />

als Lochialflüssigkeit mit einzelnen Gewebsfetzen abgestossen.<br />

Klinische Erscheinungen und Behandlung<br />

Symptome:<br />

nach normaler Zeit ist die Nachgeburt nicht oder nur teilweise abgegangen.<br />

Zersetzungsgrad (Farbe, Reissfestigkeit, Geruch) je nach<br />

- Dauer seit Geburt<br />

- Ursache der Retention<br />

- vorangegangenen Untersuchungen und Manipulationen<br />

- Länge des heraushängenden Stücks (Dochtwirkung)<br />

- Sauberkeit von Kuh und Stall<br />

- Umgebungstemperatur<br />

Innere Untersuchung: die an den Karunkeln haftenden Eihautteile sind leicht zu<br />

erkennen, ebenso die freien Karunkeln anhand ihrer wabenartig-höckerigen Oberfläche.<br />

Immer beide Hornmündungen aufsuchen und Schleimhaut und Wanddicke der<br />

Gebärmutter beurteilen.<br />

Diagnose:<br />

meistens eindeutig; <strong>zur</strong> Diagnose gehört auch eine Aussage über vorhandene<br />

Komplikationen und das allfällige Vorhandensein von zusätzlichen Leiden. Unklar: bei<br />

partieller auf Hornspitze beschränkter Ret.plac. bei Weide- und Laufstallhaltung (ev.<br />

Plazentophagie) bei Aufstallung mit Schwemmentmistung und Gitterrost bei<br />

Verschleppen der Plazenta durch den Hund.<br />

Differentialdiagnose: zweiter oder dritter Foet (vor allem bei Abort und<br />

Eihautwassersucht)<br />

Prognose:<br />

ohne Therapie: zweifelhaft, Selbstheilung möglich<br />

nach Therapie: quo ad vitam günstig (Ausnahmen); quo ad conceptionem: zweifelhaftgünstig,<br />

häufig verlängerte Zwischenkalbezeit<br />

Therapie:<br />

die Ansichten über die Therapie sind weltweit ziemlich unterschiedlich und haben im<br />

Laufe der letzten Jahrzehnte verschiedene Wandlungen durchgemacht. Wir befürworten:<br />

57


- einen Ablösungsversuch innerhalb von 24 Stunden p.p. wenn bis nach 10<br />

Stunden die Nachgeburt nicht spontan abgegangen ist.<br />

- Lokale Behandlung mit Antibiotika; wenn nötig systemische<br />

Antibiotikabehandlung und Therapie der zusätzlichen Leiden.<br />

- Nachbehandlung am übernächsten Tag in allen Fällen, bei denen die Nachgeburt<br />

nur teilweise öder überhaupt nicht gelöst werden konnte. Bei unbefriedigendem<br />

Verlauf: weitere Nachbehandlungen.<br />

- Untersuchung und Behandlung nach Abgang der demarkierten Nachgeburt,<br />

gemäss Meldung der Tierhalterin.<br />

- Für alle Tiere nach Ret.plac.: Kontrolle auf Endometritis und Funktion der<br />

Ovarien 3-4 Wochen p.p.; wenn nötig Behandlung.<br />

Früher Ablösungsversuch:<br />

pro:<br />

- genaue Diagnose (mechanische Ursache, zweiter Foet, Verletzungen der weichen<br />

Geburtswege), solange Zervikalkanal noch passierbar<br />

- Wegschaffen von abgestorbenem Gewebe und Sekreten, welche als Nährboden<br />

und Eintrittspforte (Dochtwirkung) von Infektionen wirken<br />

- Verminderung der Gefahr von Prolapsus uteri<br />

- Beseitigen einer Behinderung für das Muttertier<br />

- Stallhygiene<br />

contra:<br />

- Einschleppen von Infektionen<br />

- Störung der natürlichen Demarkation und lokalen Abwehr<br />

- im frühen Stadium ist unter Umständen nicht das ganze trächtig gewesene<br />

Horn abtastbar<br />

- bei jeder manuellen Abnahme bleiben foetale Teile <strong>zur</strong>ück<br />

Technik bei Ablösungsversuch: Vorbereitung der Kuh und der Tierärztin wie vor<br />

Geburtshilfe. Bei Abwehr, insbesondere starkem Pressen: kleine Epiduralanästhesie.<br />

Lange Handschuhe aus Plastik oder Gummi (Abort). Heraushängende Teile der<br />

Eihäute ohne Zug zu einem Strang drehen (bessere Orientierung im Uterus).<br />

Ablösungsversuch an verschiedenen Karunkeln: Fixation der Karunkel mit Zeig- und<br />

Mittelfinger, Abstreifen der Kotyledo mit dem Daumen. Sämtliche leicht ablösbare<br />

Kotyledonen, wenn möglich alle, ablösen. Häufiges Wechseln der Arme vermeiden.<br />

Nicht ablösbare Eihäute auf Höhe der Vulvaöffnung abschneiden, lokale<br />

Antibiotikabehandlung in Form von Uterusobletten mit breitwirkendem Antibiotikum.<br />

z.B. Tetracycline: l g / Oblette, davon 2-4 Obletten je nach Fall. Alternative:<br />

Polyvinylpyrrolidon-Jod mit 100 mg Jod pro Oblette, davon 2-3 Obletten<br />

Daneben gibt es Obletten, die sich unter Schaumbildung auflösen: bessere Verteilung im<br />

Uteruslumen, leicht tonisierende Wirkung auf Uteruswand.<br />

Nachbehandlung nach 2 Tagen: gleiches Vorgehen wie bei Ablösungsversuch, ohne<br />

lange Manipulationen. Wiederholung der lokalen Antibiotikabehandlung.<br />

Vorteile<br />

- Überprüfen des Behandlungserfolgs<br />

- Überprüfen der Involution und des Allgemeinzustandes des Muttertieres<br />

- Förderung des Sekretabflusses<br />

- Verlängerung der antibiotischen Behandlung<br />

Nachteil: Störung der normalen Demarkation und lokalen Abwehrvorgänge. Behandlung<br />

bei Allgemeinstörungen: vgl. puerperale Infektionen.<br />

Therapie nach Demarkation: meistens ist kurz nach Abgang der demarkierten<br />

Nachgeburtsteile der Zervixkanal so weit offen, dass noch einmal mit Uterusobletten<br />

58


ehandelt werden kann. Andernfalls: Behandlung mit Antibiotika in flüssigem Medium<br />

oder mit milden Desinfektionslösungen. Beurteilung und Behandlung 4 Wochen p.p.:<br />

wenn nötig Uterusbehandlungen mit Antibiotikalösungen oder milden Desinfizientien<br />

bzw. Tonisierung des Uterus mit Prostaglandinen; Anregung der ovariellen Tätigkeit<br />

(vgl. auch Vorlesung Hirsbrunner / <strong>Skript</strong> Küpfer).<br />

Als Ausputztrank wird ein altes Arzneimittel bezeichnet, das als Emulsion abgegeben<br />

wird, und täglich in kleinen Mengen mit dem Futter oder direkt per os verabreicht wird.<br />

Es enthält Pflanzenextrakte wie Terpentinöl, die die Durchblutung der Gebärmutter und<br />

damit die lokale Abwehr fördern, ferner Stoffe wie Oleum sabinae, welchem eine<br />

kontraktionsfördernde Wirkung auf die Uterusmuskulatur zugeschrieben wird (seit jeher<br />

bekannt als Abortivum!). Ihre nützliche Wirkung lässt sich schwer nachweisen, kann<br />

aber auch nicht einfach verneint werden. Ausputztrank wird als unterstützende<br />

Massnahme immer noch häufig angewandt, auch nach normalen Geburten.<br />

Pro memoriam:<br />

bei Aborten ab dem 3. Trächtigkeitsmonat sind die seuchenpolizeilichen Vorschriften<br />

zu beachten: Absonderung, Entnahme von Plazenta- und Blutproben.<br />

Retentio placentae bei der Stute<br />

Bei der Stute muss die Tierärztin schon beigezogen werden, wenn die Nachgeburt<br />

nicht innerhalb von 6 Stunden p.p. abgegangen ist.<br />

Bei Stuten kann es zu schwersten Störungen kommen, wenn nur sehr kleine Reste<br />

der Nachgeburt in der Gebärmutter <strong>zur</strong>ückbleiben. Eine gefürchtete Komplikation<br />

von Ret.plac. ist die Hufrehe. Nach jeder Geburt muss die Nachgeburt ausgelegt<br />

und auf ihre Unversehrtheit und vollständige Ablösung hin untersucht werden.<br />

Beim Zurückbleiben der Nachgeburt versucht man durch Eingeben von grossen Mengen<br />

körperwarmer Desinfektionslösung (z.B. Betadinelösung) zwischen Gebärmutterwand<br />

und Plazenta die Loslösung zu erzwingen, was meistens auch gelingt. Die<br />

Desinfketionslösung gelangt über eine durch die Zervix eingeführte sterile<br />

Schlundsonde in die Gebärmutter und wird anschliessend wieder abgehebert.<br />

Wiederholung der Spülung an den folgenden Tagen. Zusätzlich ev. systemische<br />

Chemotherapie und ergänzende Behandlungen je nach Zustand (siehe Vorlesung Meier).<br />

Puerperale bakterielle Erkrankungen<br />

Die Zusammenhänge zwischen der mangelnden Hygiene während und nach der Geburt<br />

und der Entstehung des sogenannten Kindbettfiebers wurden 1847 vom Wiener<br />

Gynäkologen I. Semmelweis erstmals beschrieben. Seine ohne Wissen von der Existenz<br />

von Bakterien gewonnenen Erkenntnisse setzten sich nur langsam durch, führten an den<br />

Gebärkliniken aber zu einer massiven Reduktion der Todesfälle infolge Kindbettfiebers.<br />

Seit Einführung von Sulfonamiden und Antibiotika kam es noch einmal zu einer<br />

deutlichen Reduktion der puerperalen Infektionen.<br />

Noch heute sind aber Hygiene (Waschen und Desinfektion) und das Vermeiden von<br />

Verletzungen die wichtigsten Massnahmen <strong>zur</strong> Verhinderung von puerperalen<br />

Infektionen. Gründe für hohes Infektrisiko im Puerperium:<br />

- intakte, weiche Geburtswege unmittelbar p.p.: weit offene Zervix, grosse<br />

Oberfläche des Gebärmutterlumens<br />

- Stress der Geburt und der einsetzenden Milchleistung (s. Einleitung) vermindern<br />

die Abwehrkraft<br />

- durch jede geburtshilfliche Untersuchung und Manipulation erhöht sich das<br />

Infektionsrisiko (Mikroverletzungen, Einschleppen von Keimen) auch bei<br />

fachgerechtem Vorgehen erheblich<br />

59


- alle bis jetzt genannten puerperalen Leiden erhöhen das normalerweise schon hohe<br />

Risiko aus einleuchtenden Gründen um ein Mehrfaches<br />

- Die Abwehrkraft des Muttertieres kann zusätzlich durch gleichzeitig bestehende<br />

Stoffwechselstörungen, z.B. Fettmobilisationssyndrom oder Herdinfektionen (z.B.<br />

akute Mastitis) wesentlich beeinträchtigt werden.<br />

Als puerperale bakterielle Infektionen kommen in Frage<br />

- lokal begrenzte Infektionen einzelner Abschnitte der weichen Geburtswege, z.B.<br />

Colpitis<br />

- lokale Infektionen mit Einbezug des Nachbargebietes, z.B. paravaginaler<br />

Abszess<br />

- Fäulnisinfektion: massive Vermehrung von an sich apathogenen oder wenig<br />

pathogenen Keimen in totem Material, z.B. Lochien, mit anschliessender<br />

Resorption dieser Fäulnisprodukte (Saprämie)<br />

- lokale Infektion mit Bakteriämie und Metastasebildung<br />

- lokale Infektion mit Toxämie<br />

- lokale Infektion und Sepsis (selten)<br />

Die verschiedenen Verlaufsformen treten häufig nicht in reiner Ausprägung auf und<br />

sind klinisch manchmal nicht voneinander abzutrennen. Ihr Schweregrad und Verlauf<br />

hängen weitgehend auch ab von der Ätiologie; Art und Virulenz der beteiligten Keime;<br />

Ausmass der vorbestehenden Gewebsschädigung; lokaler und genereller<br />

Abwehrbereitschaft des Muttertiers<br />

Ätiologie:<br />

Das Spektrum der in Frage kommenden Erreger ist angesichts der speziellen Exposition<br />

und Pathogenese sehr breit. Zu rechnen ist vor allem mit folgenden Keimen:<br />

Eitererreger: A.pyogenes, Streptokokken und pathogene Staphylokokken<br />

Nekroseerreger: F. necrophorum, D. nodosus<br />

Coliforme: gefürchtet wegen Toxämien<br />

H. somni: vor allem als Erreger von subakuten und chronischen Endometritiden<br />

C. septicum: Geburtsrauschbrand, heute beim Rind äusserst selten, ev. beim Schaf.<br />

C. tetani: hohe natürliche Resistenz des Rindes gegen Starrkrampf; in Zusammenhang<br />

mit puerperalen Infektionen kann es in äusserst seltenen Fällen auch beim Rind zu<br />

Starrkrampf kommen. Das Schaf ist anfälliger.<br />

Infektiöse Vulvitis, Vestibulitis, Vaginitis (Colpitis)<br />

Symptome: akut Phlegmone<br />

massive, gespannte Schwellung bei vaginaler und rektaler Untersuchung; spürbar<br />

erhöhte Wärme. Schleimhaut blau-rot verfärbt, trocken, ev. mit kleinen Rissen, ev. mit<br />

flächenhaften grau-gelben nekrotischen Belägen (F. necrophorum); eitrig,<br />

übelriechendes Sekret vermischt sich mit Lochien und Harn.<br />

Bei Gasbrand: emphysematöse, knisternde Schwellung (Differentialdiagnose: Ansaugen<br />

von Luft durch Schleimhautverletzungen); Behinderung von Lochialabfluss und<br />

Harnabsatz; Behinderung und Schmerzäusserung beim Absetzen von Kot, Ampulla recti<br />

angefüllt; subfebrile bis hochfieberhafte Körpertemperatur, Pulserhöhung, Inappetenz<br />

und leicht- bis mittelgradige Apathie, aufgekrümmter Rücken und andere Anzeichen von<br />

Schmerz. Ungenügende Milchleistung<br />

subakut bis chronisch: Abszedierung<br />

peri- und paravaginale Abszesse, im Vulvabereich gegen ventral absinkend. Bei rektaler<br />

und vaginaler Untersuchung als prall-derbe, selten deutlich fluktuierende Gebilde.<br />

Manchmal Fistelbildung zum Scheidenlumen hin; Demarkierung von oberflächlichem<br />

60


Scheidengewebe: grosser granulomatöser Defekt. Allgemeinstörungen häufig gering<br />

oder fehlend, jedoch Abmagerung und ungenügende Milchleistung.<br />

Prognose: quo ad vitam bei intensiver Therapie meistens günstig (Ausnahmen:<br />

Geburtsrauschbrand, Starrkrampf) quo ad usum: zweifelhaft. Abmagerung,<br />

ungenügende Leistung während der ganzen Laktation; Peritonitis; ausgedehnte<br />

retroperitoneale Abszesse; chronischer Herdinfekt. quo ad conceptionem: zweifelhaft<br />

bis günstig: Strikturen, Urovagina<br />

Therapie: akutes Stadium systemische Chemotherapie mit Strepto-Penicillin oder<br />

Sulfonamiden oder Tetracyclinen. Entzündungshemmer systemisch: Flunixin<br />

Meglumin; bei metastatisch-toxischen Erscheinungen: steroidale Entzündungshemmer.<br />

Von Lokalbehandlungen in der Scheide ist nichts zu erwarten; Spülungen sind<br />

gefährlich wegen Versacken der Spülflüssigkeit. Äusserlich sichtbare Schwellungen:<br />

Lehmanstrich oder Auftragen von DMSO. Subakut bis chronisch: von der Scheide<br />

oder von aussen zugängliche Abszesse können unter Umständen nach Punktion<br />

gespalten werden. Cave: grosse Scheidengefässe!<br />

Infektiöse Endometritis, Metritis, Peri- und Parametritis, Zervizitis<br />

Die Unterscheidung zwischen Endometritis und Metritis geschieht anhand klinischer<br />

Kriterien und deckt sich nicht mit den pathologisch-anatomischen oder gar<br />

histologischen Befunden.<br />

Symptome und Diagnose:<br />

akute Endometritis: Lochialstauung mit massiver Infektion, meistens in den ersten 10<br />

Tagen p.p. Bei vaginaler und rektaler Untersuchung wie bei Atonia uteri beschrieben.<br />

An der Zervixmündung und in der Scheide häufig kein pathologisches Sekret erkennbar;<br />

ev. Abfluss von wenig Sekret beim Liegen, verschmierter Schwanz. Uterusinhalt:<br />

dunkelrot-braun mit Gewebsfetzen, penetrant, stechend, faulig-süsslicher Geruch.<br />

Mittel- bis hochgradige Allgemeinstörungen als Ausdruck von Toxämie (s. unten)<br />

Subakute Endometritis: verzögerte Uterusinvolution, zu grosser, manchmal leicht<br />

fluktuierender, ev. dünnwandiger Uterus. Häufig vergesellschaftet mit Corpus luteum<br />

(persistierend nach erster Brunst?) an einem der Ovarien, ev. auch mit Follikelzysten<br />

kein oder nur spärlicher Sekretausfluss aus Zervix. Uterusinhalt: rein eitrig oder<br />

schleimig-eitrig: Weissfluss (fluor albus) meistens 3-4 Wochen p.p. Nicht oder nur<br />

leicht gestörtes Allgemeinbefinden.<br />

Metritis: meistens in den ersten 2 Wochen p.p. Uteruswand eher verdickt, starr-rigid<br />

("zu gut tonisiert"), bei rektaler Palpation ev. schmerzhaft. Sekret wie bei akuter oder<br />

subakuter Endometritis; mittel- bis hochgradige Allgemeinstörungen.<br />

Perimetritis: Im Zusammenhang mit Metritis oder perforierenden Uterusverletzungen.<br />

Ausschwitzungen oder fibrinöse Auflagerungen; bei rektaler Untersuchung fühlt sich die<br />

Serosa nicht glatt an. Später: Verklebungen und Verwachsungen des Uterus mit der<br />

Umgebung. Al.lgemeinstörungen, je nach Stadium und Ausmass.<br />

Parametritis: nach Hämatomen in Gebärmutterbändern, nach Ausfluss von infiziertem<br />

Uterusinhalt über Eileiter oder in Zusammenhang mit Perimetritis. Auflagerungen, ev.<br />

knotige Verdickungen im Gebärmutterband, Verklebungen oder Verwachsungen mit<br />

Bursa ovarica und Eierstöcken. Genaue Diagnose ist meistens nicht möglich, häufig<br />

auch Verwachsungen mit der Umgebung. Allgemeinstörungen je nach Art und Ausmass<br />

Zervizitis: Passagebehinderung oder totaler Verschluss (Verklebungen), später<br />

Verwachsungen des Zervikalkanals. Zervix bei rektaler Untersuchung stark vergrössert,<br />

unregelmässiger Durchmesser von kaudal nach kranial, derbe Konsistenz ev.<br />

Verwachsungen bei vaginaler Untersuchung: ev. stark gerötete und vergrösserte Portio<br />

vaginalis cervicis.<br />

61


Prognose: quo ad vitam bei intensiver Therapie meistens günstig; quo ad usum wie bei<br />

Vaginitis usw.; quo ad conceptionem zweifelhaft; immer verlängerte<br />

Zwischenkalbezeit, ev. dauernde Unfruchtbarkeit, vor allem bei subakut-chronischen<br />

Formen. Ungünstig bei beidseitiger Parametritis, bei Zervixverwachsungen.<br />

Therapie: Akute Endometritis: Entleerung des Uterus (Prostaglandine, ev. Abhebern der<br />

infektiösen Lochien; Antibiotika-Obletten, z.T. auch als Schaumobletten; systemische<br />

Chemotherapie; Nachkontrolle und wenn nötig Behandlung nach 2 Tagen. Behandlung<br />

der Toxämie: s. unten<br />

Subakute Endometritis: Entleerung des Uterus und in Gang bringen des ovariellen<br />

Zyklus. Prostaglandine; zusätzlich intrauterine Behandlung mit Antibiotika in flüssigem<br />

Medium (wässerige Lösung, wässerige Suspension, Emulsion oder ölige Lösung)<br />

Metritis, Peri-, Parametritis, Zervizitis im akuten Stadium systemische Chemotherapie;<br />

im subakuten und chronischen Stadium ist keine spezifische Therapie möglich.<br />

Näheres zu diesem Kapitel: s. auch Vorlesung und Unterlagen Gynäkologie<br />

Toxämie<br />

Toxämie ist klinisch von Sepsis nicht abgrenzbar; eine Sepsis scheint aber in<br />

Zusammenhang mit puerperalen Erkrankungen äusserst selten vorzukommen.<br />

Bakterientoxine; Gewebsabbau- und Entzündungsprodukte.<br />

Schädigung der grossen Parenchyme, Myokard, Synovien und Lederhaut. Nicht in<br />

jedem Fall sind alle Zielorgane betroffen oder zumindest nicht im gleichen Ausmass..<br />

Im Extremfall: Schock<br />

Symptome: schwere Form hohes Fieber bis 42°C, manchmal mit Schüttelfrost, kühle<br />

Akren, Puls 100-120/min oder höher, Apathie bis Somnolenz bis zum Koma, manchmal<br />

Festliegen, Versiegen der Milch, eingesunkene Bulbi, Schleimhäute gerötet,<br />

verwaschen-schmutzig, Anorexie, Pansenparese, manchmal Obstipation, manchmal<br />

Diarrhoe (ev. mit Meläna). Manchmal wird das klinische Bild von Symptomen der<br />

akuten Klauenrehe dominiert.<br />

Milde Verlaufsform: mittelgradiges Fieber: 39-40°C, Pulsfrequenz erhöht, verminderte<br />

Milchleistung, mässig-wechselnde Inappetenz, Indigestion, Diarrhoe oder Verstopfung,<br />

metastatisch toxische Synovitis (vorwiegend Tarsi, Fesselgelenke der<br />

Hintergliedmassen, gemeinsame Sehnenscheide der Zehenbeuger vorne und hinten), ev.<br />

nur Ödeme an Gliedmassenenden. Laborbefunde: Hämatologie: ev. Hämokonzentration,<br />

Leukopenie (Neutropenie und Lymphopenie, später relative Neutrophilie und<br />

Linksverschiebung).<br />

Blutchemie: je nach Stadium und Schweregrad: Elektrolytverschiebungen<br />

(Hypokaliämie, Hypokalzämie) Enzymaktivitätserhöhungen (Leber- und<br />

Muskelenzyme).<br />

Diagnose: anhand von klinischen Befunden und Allgemeinsymptomen. Mit einer<br />

gründlichen Allgemeinuntersuchung müssen andere Infektionsherde, vor allem das Euter<br />

als Ursache der Toxämie ausgeschlossen werden.<br />

Differentialdiagnosen: Peritonitis, Gebärparese, Fettmobilisationssyndrom<br />

Prognose: je nach Verlaufsform; quo ad vitam zweifelhaft; quo ad usum zweifelhaft; bei<br />

schweren Parenchymschäden wird unter Umständen die normale Leistungsfähigkeit<br />

nicht wieder erlangt.<br />

Für Klauenrehe: s. dort.<br />

Für metastatisch toxische Synovitis: günstig.<br />

Therapie: wichtigste Massnahme ist die Sanierung des Herdes, in welchem die Toxine<br />

produziert werden: s. oben.<br />

Zusätzlich <strong>zur</strong> systemischen Chemotherapie<br />

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- Glukokortikoide oder Flunixin Meglumin: antitoxische, entzündungshemmende<br />

Wirkung<br />

- Infusion grosser Mengen von physiologischer Kochsalzlösung und isotonischer<br />

Glukoselösung: 10-20 1 und mehr: Auffüllen der Gefässe, Förderung der Diurese,<br />

Versorgung mit Energie, Leberschutz<br />

- Kalziuminfusion: Substitution, gefässabdichtende (antitoxische) Wirkung<br />

- ev. Vitamin E / Selen: antioxydative Wirkung<br />

- früher wurde in solchen Fällen ein Aderlass durchgeführt<br />

- symptomatisch: Pansensaftübertragungen; ev. Indigestionsinfus; gehaltvolles, gut<br />

strukturiertes, appetitanregendes Futter<br />

- Rehebehandlung: s. dort<br />

- metastatisch toxische Synovitis: Lehmanstrich, ev. Aufpinseln von DMSO<br />

(Kortikoide wirken gut)<br />

Bakteriämie<br />

Infolge chronisch eitriger Infektionen an den weichen Geburtswegen während des<br />

Puerperiums kann es <strong>zur</strong> bakteriämischen Aussaat in verschiedene Organe kommen:<br />

Leberabszess, Thrombus der Vena cava caudalis, Endocarditis valvularis,<br />

Nierenmetastasen<br />

Prophylaxe von puerperalen Infektionen<br />

Allgemeines: s. Einleitung zu diesem Kapitel.<br />

Spezifische Massnahmen: bei bestandesweise gehäuftem Auftreten von<br />

Geburtsrauschbrand oder Tetanus, vorallem in Schafherden: Vakzination. Absonderung<br />

von Tieren mit pathologischem Sekretausfluss.<br />

Nach durchgemachter puerperaler Infektion: gute Reinigung und Desinfektion des<br />

Standplatzes.<br />

Bei gehäuftem Auftreten von bakteriellen Infektionen in einem Bestand: Geburtshygiene<br />

und Pflege der Kuh im Frühpuerperium überprüfen.<br />

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