Abkalbebuchten im Laufstall mit Bau- und Benutzungspflicht
Abkalbebuchten im Laufstall mit Bau- und Benutzungspflicht
Abkalbebuchten im Laufstall mit Bau- und Benutzungspflicht
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Bild: agrarfoto<br />
Eine geräumige Abkalbebucht<br />
ist nicht nur Pflicht, sondern<br />
führt auch eher zu raschen <strong>und</strong><br />
problemlosen Geburten als ein<br />
enger Standplatz.<br />
<strong>Abkalbebuchten</strong> <strong>im</strong> <strong>Laufstall</strong><br />
Mit <strong>Bau</strong>- <strong>und</strong> <strong>Benutzungspflicht</strong><br />
Abkalbeboxen müssen in Laufställen seit diesem Jahr<br />
nicht nur da sein, sondern auch genutzt werden.<br />
Da<strong>mit</strong> es für Kuh <strong>und</strong> <strong>Bau</strong>er kein Spiessrutenlauf<br />
wird, müssen Planung <strong>und</strong> Vorgehen abgest<strong>im</strong>mt<br />
werden.<br />
VON SUSANNE MEIER<br />
Die Verordnung des B<strong>und</strong>esamt<br />
für Veterinärwesen (BVet) vom<br />
August 2008 über die Haltung<br />
von Nutz- <strong>und</strong> Haustieren n<strong>im</strong>mt sich<br />
<strong>im</strong> Abschnitt zur <strong>Laufstall</strong>haltung der<br />
Abkalbebucht an: «Das besondere<br />
Abteil zum Abkalben (Abkalbebucht)<br />
ist als eingestreute Laufbucht auszuführen.<br />
Sie muss mindestens 10 m 2<br />
gross sein <strong>und</strong> eine Breite von mindestens<br />
2,5 m aufweisen. Wird in Gruppen<br />
abgekalbt, so muss die Fläche pro<br />
Tier 10 m 2 betragen.»<br />
Neu ist die Vorgabe nicht. Schon<br />
bisher musste <strong>im</strong> <strong>Laufstall</strong> eine solche<br />
Box vorhanden sein. Neu ist aber,<br />
dass die Abmessungen in der Verordnung<br />
festgeschrieben sind. Bis anhin<br />
waren sie nur in den Richtlinien aufgeführt,<br />
<strong>und</strong> die waren rechtlich nicht<br />
verbindlich.<br />
Ebenfalls neu <strong>und</strong> dazu noch viel<br />
bedeutender als die Abmessungen ist<br />
aber die <strong>Benutzungspflicht</strong>. Die Tierschutzverordnung<br />
vom April 2008<br />
sagt dazu: «Kalbende Tiere müssen in<br />
einem genügend grossen, besonderen<br />
Abteil untergebracht werden, in<br />
dem sie sich frei bewegen können.<br />
Ausgenommen sind Geburten auf der<br />
Weide oder Einzelfälle, bei denen die<br />
Geburt zu einem nicht vorhersehbaren<br />
Zeitpunkt stattfindet.» Konkret<br />
genügt es also nicht, eine Abkalbebucht<br />
zu bauen <strong>und</strong> sie dann als Kälberecke,<br />
Strohlager oder Gerümpelkammer<br />
zu nutzen. Kalbende Kühe<br />
müssen <strong>im</strong> <strong>Laufstall</strong> für die Geburt<br />
auch tatsächlich dorthin gebracht<br />
werden.<br />
Als Gerümpelkammer<br />
missbraucht<br />
Dass dieser Passus in die Gesetzgebung<br />
aufgenommen wurde, hat<br />
durchaus Gründe. Katharina Friedli<br />
vom Zentrum für tiergerechte Haltung<br />
des BVet in Tänikon erklärt: «Bei<br />
Kontrollen wurde wiederholt festgestellt,<br />
dass die <strong>Bau</strong>ern ihre bestehenden<br />
Boxen nicht brauchen oder eben<br />
zweckentfremden.» Meist bleibt die<br />
Kuh zum Kalben in der Liegebox, weil<br />
die Abkalbebucht ungünstig gebaut<br />
oder eben nicht bereit ist. So wird der<br />
Aufwand zu gross. «Manche Milchviehhalter<br />
haben aber für die kalbenden<br />
Kühe auch extra Anbindeplätze,<br />
die sie bei einem Stallumbau belassen<br />
oder bei einem <strong>Laufstall</strong>-Neubau sogar<br />
extra geplant haben», weiss die<br />
Fachfrau aus der Praxis, «dabei bedeutet<br />
es für eine <strong>Laufstall</strong>kuh puren<br />
Stress, wenn sie plötzlich angeb<strong>und</strong>en<br />
wird <strong>und</strong> dann noch kalben soll.»<br />
Solche Anbindeplätze dürfen für Ab-<br />
LANDfre<strong>und</strong> · 6/2009<br />
37
Auf dem Alberswiler<br />
Pionierbetrieb<br />
Milch, einem<br />
der grössten<br />
Neubauten<br />
in letzter Zeit,<br />
liegen die Abkalbeboxen<br />
an<br />
der Fressachse,<br />
nahe der beiden<br />
Melkroboter.<br />
Katharina Friedli<br />
vom Zentrum für<br />
tiergerechte<br />
Haltung des<br />
BVet rät eher zu<br />
Einzel– statt<br />
Gruppenbuchten.<br />
kalbungen ausdrücklich nicht mehr<br />
benutzt werden. Die Übergangsfrist<br />
dazu beträgt fünf Jahre – als Zugeständnis<br />
an jene, die sie neu eingerichtet<br />
haben.<br />
Dass die Bucht benutzt werden<br />
muss, ist Vorschrift. Wie sie benutzt<br />
werden muss, steht dagegen nirgends.<br />
Katharina Friedli: «Die Kuh<br />
muss nicht lange dort sein. Wenn sie<br />
problemlos gekalbt hat, kann man sie<br />
schon nach einem halben Tag wieder<br />
zur Herde lassen.» Natürlich ist es<br />
manchmal schwer, den genauen Zeitpunkt<br />
der Abkalbung vorherzusagen.<br />
Kaum eine Kuh hält sich an den Stallkalender,<br />
einige treten tagelang unruhig<br />
umher, andere sind gemütlich am<br />
Wiederkäuen, <strong>und</strong> plötzlich ist das<br />
Kalb da. «Man soll jedenfalls nicht<br />
warten, bis schon die Beine hinten<br />
rausschauen», rät die Expertin,<br />
Bilder: zVg<br />
«denn die Kühe wollen sich auch in<br />
der Natur für die Geburt von der Herde<br />
absondern.» Entsprechend kommt<br />
das Kalb rascher <strong>und</strong> eher ohne Hilfe<br />
zur Welt, wenn die Kühe ruhig <strong>und</strong><br />
stressfrei sind. Angeb<strong>und</strong>en oder <strong>mit</strong>ten<br />
in der Herde in einer Liegebox<br />
kann niemals ein solches Umfeld geschaffen<br />
werden.<br />
Jedes Mal reinigen<br />
<strong>und</strong> desinfizieren<br />
In der Regel sind Abkalbe- <strong>und</strong> Krankenbox<br />
identisch. Marc Kirchhofer<br />
von der Wiederkäuerklinik der Uni<br />
Bern meint zwar: «Gerade wenn in einem<br />
Betrieb <strong>im</strong>mer wieder Probleme<br />
<strong>mit</strong> Virusdurchfall oder bakteriell bedingten<br />
Infektionen auftauchen, sollten<br />
die Krankenbucht <strong>und</strong> die Abkalbebucht<br />
nicht identisch sein.<br />
Wenn es trotzdem so ist, ist es umso<br />
wichtiger, dass die Bucht nach jeder<br />
Belegung komplett geräumt, gewaschen<br />
<strong>und</strong> desinfiziert wird.» Von<br />
Gruppenboxen rät er ab.<br />
Eingestreut wird <strong>mit</strong> Vorteil langes<br />
Stroh. Die Strohmatte muss genug<br />
dick sein, da<strong>mit</strong> die Kuh sicher stehen<br />
<strong>und</strong> weich liegen kann. Eine Gumm<strong>im</strong>atte<br />
unter dem Stroh hilft da ebenfalls.<br />
Sägemehl oder Strohmehl sind<br />
als Einstreu ungeeignet: Die feinen<br />
Späne verkleben am Nabel, an Ohren,<br />
Maul <strong>und</strong> <strong>im</strong> nassen Fell des Neugeborenen.<br />
Obschon man das Kalb in<br />
der Bucht noch an der Kuh saugen<br />
lassen kann, rät Kirchhofer zur zusätzlichen<br />
Kontrolle: «Säugt das Kalb,<br />
Delaval-Architekt Lukas Suter hat<br />
den Stall in Alberswil (oben) geplant.<br />
kann man die Kolostrumaufnahme<br />
nicht kontrollieren. Da<strong>mit</strong> man sicher<br />
ist, dass mindestens 2 l in den ersten<br />
zwei St<strong>und</strong>en getrunken wurden,<br />
sollte man zusätzlich Biestmilch vertränken.»<br />
Er rät zusätzlich, auf Problembetrieben<br />
das Kalb möglichst<br />
bald in ein Einzeliglu zu bringen, um<br />
die Infektionsgefahr zu reduzieren.<br />
Da<strong>mit</strong> eine Abkalbe- oder Krankenbucht<br />
nicht nur für die Kuh, sondern<br />
auch für den <strong>Bau</strong>er stressfrei ist,<br />
muss sie <strong>im</strong> Stall strategisch günstig<br />
liegen. Besonders wichtig ist dies,<br />
wenn eine Kuh nicht nur einen halben,<br />
sondern mehrere Tage abgesondert<br />
werden muss. Dann muss sie un-<br />
Quelle: Delaval<br />
38 LANDfre<strong>und</strong> · 6/2009
TIERHALTUNG<br />
ter Umständen auch <strong>im</strong> Melkstand gemolken<br />
werden können, auch die Fütterung<br />
n<strong>im</strong>mt einen höheren Stellenwert<br />
ein.<br />
Strategisch günstig<br />
platzieren<br />
Doch Walter Felber, Gebietsleiter für<br />
die Region Luzern bei Delaval, hat andere<br />
Erfahrungen gemacht: «Oft ist<br />
die Abkalbebucht der Lückenbüsser,<br />
gerade in Umbauten. Dabei muss die<br />
Kuh rasch <strong>und</strong> problemlos vom Liegeoder<br />
Fressbereich in die Box gebracht<br />
werden können, am einfachsten nur<br />
durch ein schwenkbares Gatter.» Lukas<br />
Suter, als Architekt bei DeLaval<br />
vor allem <strong>mit</strong> der Stallplanung beschäftigt,<br />
ergänzt: «Idealerweise platziert<br />
man die Abkalbe- oder Krankenbox<br />
entlang der Fressachse in der<br />
Nähe des Melkstands. Dann kann<br />
man das abgesonderte Tier sowohl<br />
rationell füttern als auch melken.»<br />
Die Lage der Bucht am Ende der<br />
Fressachse ist auch für die Kuh ideal:<br />
Einerseits ist sie abgesondert, andererseits<br />
hat sie noch Sichtkontakt. Je<br />
offener die Wände gestaltet werden,<br />
desto intensiver ist dieser. Walter Felber:<br />
«Über die Wände scheiden sich<br />
die Geister, ich empfehle mindestens<br />
eine durchbrochene Wand. Wichtig<br />
ist, dass kein Kalb durchschlüpfen<br />
kann <strong>und</strong> dass die Wände gereinigt<br />
<strong>und</strong> desinfiziert werden können.»<br />
Wände zum Öffnen erleichtern<br />
Geburtshilfe<br />
Für die DeLaval-Profis ist auch klar,<br />
dass man eine bis zwei Seiten der Box<br />
komplett öffnen oder entfernen können<br />
muss. «Sobald man Geburtshilfe<br />
leisten oder gar eine festliegende Kuh<br />
heben will, ist ein guter Zugang Gold<br />
wert», warnt Felber. In solchen Fällen<br />
bietet eine grosse Gruppenbucht gegenüber<br />
Einzelbuchten auch Vorteile.<br />
Lukas Suters Erfahrungen zeigen,<br />
dass viele <strong>Bau</strong>ern lieben eine Gruppenbucht<br />
wollen: «Grosse Buchten<br />
kann man flexibel handhaben. In der<br />
Regel plane ich sie aber so, dass sie <strong>im</strong><br />
Notfall unterteilt werden können. Dazu<br />
legen wir auch die Tränkebecken<br />
so, dass trotz Trennwand die Kühe<br />
von beiden Seiten Zugang haben.»<br />
Wie viele Buchten braucht es also<br />
überhaupt? Obwohl diese Frage bei<br />
der Revision der Tierschutzverordnung<br />
diskutiert wurde <strong>und</strong> gerade die<br />
Kontrolleure gern eine verbindliche<br />
Zahl gesehen hätten, liegt die Entscheidung<br />
<strong>im</strong> Ermessen der <strong>Bau</strong>ern<br />
oder der Planer. Lukas Suter dazu:<br />
«Pro 20 Kühe sehe ich eine Box vor,<br />
alternativ statt zwei bis drei Einzelboxen<br />
eine Gruppenbucht.» Wenn <strong>Bau</strong>ern<br />
die Kühe länger drinnen lassen<br />
wollen, braucht es eher mehr, ebenso<br />
auf Betrieben <strong>mit</strong> saisonaler Abkalbung.»<br />
Hier ist Erfahrung gefragt,<br />
kein Gesetzestext.<br />
■<br />
Walter Felber<br />
kennt viele Betriebe,<br />
auf denen<br />
<strong>Abkalbebuchten</strong><br />
Lückenbüsser<br />
spielen.<br />
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