Wundverschluss Drainage Steiner SS-2006

WUNDVERSCHLUSS, DRAINAGE
Adrian Steiner
Wiederkäuerklinik, Vetsuisse-Fakultät Bern
Unterlagen zur Vorlesung Allg. Chirurgie im 1. JK, SS 2006
A. NAHTMATERIALIEN
1. Das ideale Nahtmaterial
• hohe Reissfestigkeit, hohe Knotensicherheit
• nicht kapillär, nicht allergen, nicht karzinogen
• angenehme Handhabung
• geringe Gewebereaktion
• konstante und voraussehbare Absorptionsrate
• nicht "schneidend" beim Durchziehen des Fadens durchs Gewebe
• leicht sterilisierbar
• preisgünstig
⇒ Das ideale Nahtmaterial wurde noch nicht gefunden!!!
2. Klassifikation
• resorbierbar nicht resorbierbar (60 Tage volle Reissfestigkeit)
• natürlich synthetisch
• monofilament multifilament pseudomonofilament
3. Fadendicke
• siehe Tabelle 1: Durchmesservergleich

4. Charakteristika einzelner Nahtmaterialien
• siehe Tabellen 2 und 3
5. Richtlinien für die Wahl des Nahtmaterials beim Rind und beim Kleintier
• siehe Tabellen 4a und 4b
6. Nadeln (siehe Abbildungen 1a und 1b)
• armiert (atraumatisch) mit Öse (traumatisch)
• Nadelform: kreisförmig (1/2; 3/8; 1/4; 5/8) gerade S-förmig
schlittenförmig
• Spitze: rund geschliffen
• Schaft: rund geschliffen
• Faszie und Haut: geschliffen; Knorpel: K - Nadel. Andere Gewebe: rund
• Durchmesser der Nadel und des Fadens sollte so klein wie nur möglich gewählt
werden
B. NAHTTECHNIKEN
1. Übersicht
• Knoten
• Ligaturen
• Nähte
• Klammern, Anastomoseringe: Siehe "Mechanische Nahtinstrumente"
2. Knoten (Abbildungen 2 und 3)
• Verstärkter chirurgischer Knoten ausser bei Gefässligaturen: Verstärkter
Samariterknoten
2

3. Ligaturen
• Bei Strukturen mit kleinem Durchmesser: Verstärkter Samariterknoten
• Bei Strukturen mit grösserem Durchmesser: Transfixationsligatur (Abbildung 4)
oder "3 Klemmen Technik" (Abbildung 5)
4. Nähte (Abbildungen 6 und 7)
• fortlaufend - Einzelknopfhefte
• einschichtig - mehrschichtig; 1 Etage, 2 Etagen
• adaptierend - einstülpend - ausstülpend
• Funktion: Adaptation - Entlastung
• Grundregeln: Abstand vom Wundrand = Dicke der Haut; Abstand der einzelnen
Nähte: möglichst gross ohne zu klaffen (abhängig vom Zug auf das Gewebe):
Regel: Doppelte Hautdicke
• Besprechung einzelner Nahttypen (Tabelle 5)
• Sehnennähte: Siehe Skriptum "Orthopädie beim Nutztier"
C. MECHANISCHE NAHTINSTRUMENTE
1. Allgemeines
⇒ Mechanik:
• Schritt 1: Stabile Adaptation und schonende Kompression der zu vereinigenden
Wundränder.
• Schritt 2: Setzen der Implantate (Klammern, Anastomosering)
2. Instrumente:
• Applikationsgerät
• Implantatmagazin
3

• Implantat(e)
3. Staples
• Klammermaterial: Chirurgischer Stahl (inert) oder Polyglykolsäure (resorbierbar)
• Klammernaht: Zwei Reihen gestaffelter Klammern
• Klammerschluss: Durch Biegen von C-Form in B-Form
• Je nach Gerät erfolgt gleichzeitig eine Gewebedurchtrennung
• siehe Tabelle 6: Beschreibung verschiedener Klammerinstrumente
4. Vorteile von Klammernähten gegenüber konventionellen Nähten: Schnell; präzis;
minimales Gewebetrauma; gut geeignet für Operationen in der Tiefe mit wenig
Übersicht.
5. Nachteile von Klammernähten gegenüber konventionellen Nähten: Sehr teuer;
Kompression der Darmwandgefässe ungenügend ---> Blutungen; Gerätepalette nur
ungenügend angepasst an die Grössenverhältnisse beim Rind, besser geeignet für
Pferd.
6. Biodegradable Anastomoseringe
Beispiel: BAR (Biofragmentable Anastomosis Ring); besteht aus Polyglycolsäure;
dient der Verbindung von 2 Darmlumen und damit zur Herstellung einer End-zu-end
Anastomose; wird nach ca 3 Wochen mit dem Kot ausgeschieden; sehr teuer;
schnell; einfach.
D. DRAINAGE
1. Definition
• Ableitung von Wundsekret aus einer Wunde. Charakteristika: Siehe Tabelle 7,
Abbildungen 8 und 9
4

2. Zweck
• Erleichterung und Beschleunigung der Heilung durch Entfernung
unerwünschten Materials aus einem Hohlraum.
3. Indikationen
• Kontaminierte/ infizierte Wunden
• Elimination eines Hohlraums
• Entfernung von schädlichem Gewebe/Flüssigkeit
• Prophylaxe von Flüssigkeitsansammlungen
• Thorakal-/ Peritonealdrainage oder - lavage
• Provokation von Hypergranulation durch Langzeitimplantation
4. Grundregeln der Drainimplantation
• Implantation und Handhabung soll unter sterilen Kautelen erfolgen
• Drainageöffnung bei passivem Drain am tiefsten Punkt und mind. 1 cm entfernt
vom primären Wundverschluss plazieren
• Frühzeitig entfernen (Regel: Nach 1-3 Tagen), da bis zu 50 ml Flüssigkeit pro Tag
rein durch den Drain bedingt sein können (Fremdkörperreaktion).
5. Unterscheidungskriterien
• aktiv passiv
• geschlossen offen
• einlumig mehrlumig
5

E. TABELLEN
Tabelle 1: Durchmesservergleich
Durchmesser in
mm
USP
(United States
Pharmakopöe)
Catgut
METRIC
Europäische
Pharmakopöe
(Ph. Eur.)
alle Fäden
USP
(United States
Pharmakopöe)
synthetisch
0.01 0.1 12-0 + 11-0
0.02 0.2 10-0
0.03 0.3 9-0
0.04 0.4 8-0
0.05 0.5 7-0
0.07 0.7 6-0
0.1 6-0 1 5-0
0.15 5-0 1.5 4-0
0.2 4-0 2 3-0
0.3 3-0 3 2-0
0.35 2-0 3.5 1-0
0.4 1-0 4 1
0.5 1 5 2
0.6 2 6 3 + 4
0.7 3 7 5
0.8 4 8 6
0.9 5 9
1 6 10
6

Tabelle 2: Charakteristika resorbierbarer Nahtmaterialien
Handelsname Rohmaterial Filamente Biologische
Eigenschaften
Plain Catgut Kollagen aus multifilament enzymatischer
Serosa von
Abbau, Zell-
Rinderdarm
oder
Submukosa von
Schafdarm
infiltration
Chromcatgut Wie plain catgut multifilament enzymatischer
aber mit
Abbau, Zell-
Chromsalz
behandelt
infiltration
Vicryl Polyglactin 910:
Copolymer aus
90% Glycol- und
10% Milchsäure
Dexon Polyglycolsäure:
Polymer aus
Glycolsäure
PDS II Polydioxanon:
Polymer aus
Paradioxanon
Monosyn Tripolymer:
Glycolid,
Trimethylencarbonat,
Caprolacton
multifilament hydrolytischer
Abbau
multifilament hydrolytischer
Abbau
monofilament hydrolytischer
Abbau
monofilament hydrolytischer
Abbau
Monocryl Polyglecaprone Monofilament hydrolytischer
Abbau
Panacryl Poly Llactid/Glycolid
Maxon Polyglyconat:
Copolymer aus
Glykolsäure und
Trimethylene
Multifilament,
geflochten
hydrolytischer
Abbau
monofilament hydrolytischer
Abbau
Vorteile und
Indikationen
Subkutis,
Gefässligatur,
kostengünstig,
ab Rolle
lieferbar
Subkutis,
kostengünstig,
ab Rolle
lieferbar, 50%
Reissfestigkeit
(RF) erhalten:
14-28 Tage;
geringere
Geweberkt. als
plain catgut
Faszie, Musk.;
50% RF
erhalten: 14-21
Tage; minimale
Geweberkt.
keine
gegenüber
Vicryl; 50% RF
erhalten: 7-14
Tg
Bauchdecke
stärkster resorb.
Faden: 50&
Abbau: 180 Tg
RF erhalten: 28-
56 Tage
Gastroenterologie,
Urologie,
Abbau: 60-90
Tg; 50% RF
nach 14 Tagen
Gastroenterologie
Abbau innerhalb
von 90-120 Tg;
50% RF nach 7
Tagen
Bauchdecke
Abbau: 1,5 J
80% RF: 3
Monate
Darm, Blase,
Zitzenschlh.;
RF erhalten >
21 Tage
Nachteile
7
Starke Ent-
zündungsrkt.,
Verlust der
Reissfestigkeit
nach 3-7 Tagen;
quillt; Kapillarität
Entzündungsreaktion;
quillt;
Kapillarität
unbehandelter
Faden reisst
Gewebe beim
Durchziehen
Reisst Gewebe
beim
Durchziehen; ;
zu schnelle
Absorption im
Urin
zwirlig
Bauchdecke da
zu schnell
abgebaut wird
Bauchdecke da
zu schnell
abgebaut wird
zwirlig

Tabelle 3: Charakteristika nicht resorbierbarer Nahtmaterialien
Handelsname Rohmaterial Filamente Biologische
Eigenschaften
Seide Rohe Seide multifilament Vollständiger
Abbau innerhalb
einiger Jahre
Stahl Eisen-Nickel-
Chrom-
Legierung
Supramid Caprolactum:
Polymer aus
Polyamid
Ethibond Polyester
eingehüllt
Prolene Polypropylen:
Polydelfin
Plastik
Vorteile und
Indikationen
kostengünstig,
gutes handling
monofilament inert Knochenflaps;
Grösste Reissfestigkeit
und
Knotensicherheit;
kann in infiziertem
Gewebe gebraucht
pseudomonofilament
pseudomonofilament
Verlust der
Reissfestigkeit
innerhalb von 6
Monaten
Kein Verlust der
Reissfestigkeit
monofilament inert, kein Verlust
der
Reissfestigkeit
werden
Haut;
kostengünstig, ab
Rolle lieferbar
Gelenksbänder;
Nichtmetallischer
Faden mit der
grössten Reiss-
festigkeit
Zitzenhaut;
Infektionsgefahr
sehr gering
Nachteile
Kapillarität,
potenziert
Infektionen,
geringe
8
Reissfestigkeit
Schlechtes
handling; bricht oft
an Umknickstelle,
Knoten verursacht
Gewebsnekrose
Schlechte
Knotensicherheit
Grösste Entzündungsrkt.
aller
synthetischer
Fäden
Schwieriges
handling: zwirlig

Tabelle 4a: Richtlinien für die Wahl des Natmaterials beim Rind
Gewebe Fadendicke (USP) Fadenmaterial (Beispiel)
Haut 3-0 – 2 (pseudo)-monofilament,
nicht resorbierbar
(Supramid, Prolene)
Subkutis 3-0 – 0 resorbierbar (Catgut)
Faszie 0 – 2 resorbierbar (Vicryl, PDS)
Muskulatur 2-0 – 0 resorbierbar (Vicryl, PDS)
Darm/ Harnblase/
Zitzenschleimhaut
4-0 - 3-0 monofilament,
resorbierbar (Maxon)
Pansen, Uterus 2 resorbierbar (Catgut)
Zitzenmittelschicht 4-0 - 3-0 monofilament,
resorbierbar (Maxon)
Sehne 2 - 3 monofilament, PDS oder
Panacryl
Tabelle 4b: Richtlinien für die Wahl des Natmaterials beim Kleintier
Gewebe Fadendicke (USP) Fadenmaterial (Beispiel)
Haut 4-0 - 3-0 nicht resorbierbar
(Prolene)
Muskulatur 4-0 – 0 resorbierbar (PDS)
Darm 4-0 (5-0) PDS oder Vicryl
Sehne 0 – 4-0 monofilament, PDS oder
Prolene
9

Tabelle 5: Charakteristika verschiedener Nahttechniken
Typ Wundrandadaptation Vorteile/Nachteile/
Charakteristika
Einsatzmöglichkeiten
A: Einfache
adaptierend einfach, präzise, sicher Haut, Faszien,
Einzelknopfnaht
Muskulatur
B: Einfache fortlaufende adaptierend einfach, schnell, Haut, Faszien,
Naht
weniger Fadenmaterial
nötig als für
Einzelknopfhefte, wenn
sich Knoten löst oder
Faden reisst geht
ganze Naht auf
Muskulatur
C: Reverdin = Ford adaptierend wie einfach fortlaufend, Haut
interlocking
aber sicherer wenn
Faden reisst, schnell
D: Lembert = vertikale einstülpend seromuskulär, einzeln Hohlorgane
Matrazennaht
oder fortlaufend
E; Cushing =
einstülpend seromuskulär, einzeln Hohlorgane
horizontale
oder fortlaufend, stülpt
Matrazennaht
etwas weniger ein als
Lembert
F: Tabaksbeutelnaht einstülpend Blindes Darmende;
Befestigung von
Spülkathetern
G: Vertikale U-Naht leicht ausstülpend; stärker als horizontale Haut oder Faszie unter
Entlastung
U-Naht, einzeln Zug
H: Horizontale U-Naht leicht ausstülpend; schwächer als vertikale Haut oder Faszie unter
Entlastung
U-Naht, einzeln oder
fortlaufend
Zug
I: Far/Near adaptierend, Entlastung Grosse gut durchblutete Bauchdecke
Bezirke zwischen den
Nähten
K: Sultan'sche adaptierend, Entlastung Durchblutung Bauchdecke
Diagonalnaht
schlechter als bei
Far/Near
Ueberlappungsnaht überlappend,
grosser Wulst, sicher Fasziendoppelung der
Entlastung
Bauchdecke
10

Tabelle 6: Klammerinstrumente
Instrumenten-
bezeichnung
TA (Thoraco-
Abdominal)
GIA (Gastro-
Intestinal-
Anastomosis)
EEA (End-to-
End
Anastomosis)
LDS (Ligation
Dissection
Stapler)
Faszien- und
Hautstapler
Charakteristika der Naht Hauptindikationen
Gerade doppelreihige Naht;
verschiedene Nahtlängen und
Klammergrössen erhältlich
2 gerade doppelreihige Nähte,
Durchtrennung des Gewebes
zwischen den beiden Doppel-
klammerreihen, verschiedene
Nahtlängen erhältlich
Doppelreihige Naht, welche einen
Kreis bildet, Abschneiden von
überschüssigem Gewebe innerhalb
der inneren Klammerreihe; in
diversen Durchmessern lieferbar
Setzt 2 parallele Klammern über
einem Gefäss und durchtrennt
dieses in der Mitte
Setzt eine Klammer, entsprechend
einer Einzel-knopfhaft
Lungenlappenresektion,
Verschluss von
Hohlorganinzision
Durchtrennung und
beidseitiger Verschluss
von Oesophagus-,
Magen-, oder Darmlumen
End-zu-End Darm-
anastomose
Gefässligaturen
Adaptation von Faszie
resp. von Haut
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Tabelle 7: Übersicht über verschiedene Drainagetypen
Typ offen/
geschlossen
aktiv/passiv Indikation Nachteile
offene Wunde offen passiv Schmutzige Immer
Wunde; Sekundärinfektion
grossflächiger
Verlust von Haut
vorhanden
Penrose (Abb.8) offen passiv Schmutzige Sekundärinfektion
Wunde; schwer zu
Abszesse;
bewusste
Provokation von
Hypergranulation:
Auffüllen eines
infizierten
Hohlarumes
verhindern
Einfache Röhre offen passiv Peritonitis/Pleuritis rigide ---> mech.
; Spülung und
Absaugen möglich
Irritation
Redon (Abb.9) geschlossen aktiv permanent Tiefe sterile Verstopfungs-
oder
Hohlräume; gefahr
intermittierend Prophylaxe gegen
Serombildung
(nach
Osteosynthese);
geringe
Infektionsgefahr
wenn Pflege
entspr. gut ist
Sumpfdrain offen aktiv permanent Peritoneallavage Infektionsgefahr
(2-lumig)
oder
intermittierend
12

F. ABBILDUNGEN
Abbildung 1a:
• Nadeltypen
Abbildung 1b:
• Nadelformen
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Abbildung 2:
• Knoten
Abbildung 3:
• Knotentechnik mit Nadelhalter: Chirurgischer Knoten
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Abbildung 3: (Fortsetzung)
15

Abbildung 4:
• Durchstichligatur = Transfixationsligatur
Abbildung 5:
3 Klemmen Technik
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Abbildung 6:
• Adaptierende Nähte (siehe auch Tabelle 5)
A
C
B
17

Abbildung 7:
• Diverse Nähte (siehe Tabelle 5)
18

Abbildung 8:
• Penrose-Drain
19

Abbildung 9:
• Redon-Drain
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