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Großstadtkonflikte<br />
Der Veteran konnte über das Citylight-Plakat<br />
der Wiener Stadtwerke<br />
nur den Kopf schütteln. „Gebt dem<br />
Mist keine Chance“, stand da in großen<br />
Lettern überm dynamischen Straßenkehrer<br />
im Karate-Nahkampf gegen das kleine<br />
grüne Mistmonster.<br />
Die da oben hatten wirklich keine Ahnung.<br />
Straßenkehrer sind nicht dynamisch. Zum<br />
Trotz schob der Alt-48er seinen beträchtlichen<br />
Bauch vor und richtete seine orangerote<br />
Latzhose mit den drei Reflexionsstreifen,<br />
bevor er sich wieder seiner Arbeit<br />
zuwandte. Bald war der letzte Besenstrich<br />
getan, die Schaufel mit einer ökonomischen<br />
Bewegung hochgehoben und über den<br />
Rand seines altbewährten Wägelchens,<br />
Modell Steyr 1945/95, geschwungen, der<br />
Besen verstaut. Sein vorausarbeitender<br />
junger Schichtkollege – nur ein Reflexionsstreifen<br />
an Jacke und Hose – signalisierte<br />
„Alles klar“ und so schob der Alt-<br />
48er den Karren ein paar Meter weiter.<br />
***<br />
Der Mistkübel an der Station Landstraße<br />
des O-Wagens, Fahrtrichtung Raxstraße,<br />
war übervoll. Die letzte Bim für die Nacht<br />
war gerade abgefahren. Für einen Moment<br />
lag die Straßenbahnstation verlassen da.<br />
Da schoss eine Fontäne aus Unrat aus der<br />
Öffnung des Aluminium-Mistkübels am<br />
Stationsschild.<br />
„Ping, ping“ erklang es schließlich. So als<br />
würde ein metallener Gegenstand gegen<br />
das Aluminium geschlagen. Eine Dose, fest<br />
eingebettet in einer grau-grünen Masse<br />
erhob sich schließlich aus dem dunklen<br />
Schlund. Doch der Rest passte offensichtlich<br />
nicht durch die Öffnung und unverständliches<br />
Fluchen folgte. Schließlich schob<br />
sich ein dünner grüner Arm aus der Öffnung<br />
und klopfte suchend über die Vorderseite<br />
des Mistkübels. Bald hatten die<br />
Finger die Verriegelung am unteren Rand<br />
54<br />
FUN FUN FUN<br />
Die schneidigen 48er<br />
Seit Jahr und Tag macht die MA 48 den Wienern weis, dass nur sie<br />
zwischen der Bevölkerung und der großen Gefahr steht. Zu Recht,<br />
wie unser Beobachter per <strong>eMail</strong> befindet:<br />
der Aluminiumfront gefunden. Dann aber<br />
klappte der Boden des Kübels herunter, der<br />
Inhalt fiel zu Boden und bildete dort einen<br />
kleinen Müllberg. Zwei Augen unter dichten<br />
schwarzen Brauen sahen sich suchend um,<br />
die grünen Hände überprüften nochmals<br />
den Sitz der Dose, dann setzte sich das sackförmige,<br />
grüne Mistmonster in Bewegung.<br />
Nur um sogleich wieder stehen zu bleiben,<br />
die Augen auf den Straßenkehrer geheftet,<br />
der in diesem Moment um die Ecke zur<br />
Landstraßer Hauptstraße kam.<br />
***<br />
Als sein Kollege unvermutet stehen blieb,<br />
da wusste der Veteran einfach, dass es Probleme<br />
gab. Da brauchte es nicht die plötzlich<br />
wild ausschlagende Anzeige auf dem<br />
getarnten Suchgerät seines Wägelchens<br />
Modell Steyr 1945/95. Hart keuchend<br />
schob der Alt-48er den Karren die Steigung<br />
zur Kreuzung der Landstraßer Hauptstraße<br />
mit der Invalidenstraße hinauf.<br />
Der Kollege wartete indessen nicht, sondern<br />
lief zur Verkehrsinsel. Dort stellte sich ihm<br />
ein kleines grünes Mistmonster entgegen.<br />
Offensichtlich glaubte der Jungspund der<br />
eigenen Propaganda, Tea-Kwon-Do-Techniken<br />
inklusive. Doch das Mistmonster war<br />
nicht wehrlos und so lenkte die unter der<br />
Hand geschleuderte Bananenschale den jugendlichen<br />
Elan in eine unglückliche Richtung.<br />
Einen Moment hing der Jung-48er in<br />
perfekter Tea-Kwon-Do-Haltung in der Luft,<br />
den Besen quer vor sich wie in der Plakatwerbung,<br />
bevor er der Länge nach am Ze-<br />
brastreifen hinschlug.Der Veteran schüttelte<br />
nur den Kopf, während das kleine grüne<br />
Mistmonster triumphierend herumhüpfte.<br />
Behäbig schob der Alt-48er sein Wägelchen<br />
über die Fahrbahn. Der kleine grüne Kontrahent<br />
wich zurück. Bei der Station angelangt,<br />
stellte er den Karren ab und nahm bedächtig<br />
sein Handwerkszeug auf. Die ansatzlos<br />
geschleuderte PET-Flasche wehrte<br />
er beiläufig mit dem Besen ab. Gleichzeitig<br />
schwang er die Schaufel vor, sodass das heranstürmende<br />
Mistmonster mit einem<br />
dumpfen Knall gegen die Plastikkelle lief.<br />
Der 48er stellte bedächtig die Schaufel ab<br />
und begann das torkelnde Mistmonster aufzukehren.<br />
Den letzten Besenstrich getan,<br />
die Schaufel mit einer ökonomischen Bewegung<br />
hochgehoben und über den Rand<br />
seines Wägelchens geschwungen, den Besen<br />
verstaut. Dann rückte er die orangerote Unniformhose<br />
mit den drei Reflexionsstreifen<br />
zurecht, bevor er mit seinem alten Taschenmesser<br />
eine weitere Kerbe am Rand<br />
des Wägelchens, Modell Styer 1945/95,<br />
machte. Die da oben hatten wirklich keine<br />
Ahnung.<br />
P.O.S.<br />
E&W P.O.S. Nr. 4/September 2007