Paddeln in der Lagune von Venedig - 4-Seasons.de

4­Seasons Info XXL
Paddeln in der Lagune von Venedig
Paddeln in Venedig ist in etwa so wie Fahrradfahren in der Großstadt – für den einen
eine Horrorvorstellung, für andere der absolute Kick. Doch unterwirft man sich den
speziellen Regeln des Verkehrs in der 55.000 Hektar großen Lagune, muss man – die
eigene sichere Bootsbeherrschung vorausgesetzt – weder Leib noch Leben fürchten.
Hat man dann ein Gespür dafür, wohin der Hase läuft, kann man in und um Venedig
paddeln, bis man schwarz wird – die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
Charakter
Ob Tagestouren vom Basislager oder
eine mehrwöchige Gepäcktour mit
Camps auf unbewohnten Inseln
– alles geht. Paddeln in Venedig
ist jedoch nichts für An fänger oder
Familien im offenen Kanadier. Gut,
wer im Falle eines Reinfalles entwe­
Verpaddelt?
Der Stadtplan
hilft.
der die Eskimorolle oder die Wiedereinstiegstechnik
der Seekajakfahrer
beherrscht. Die größte Gefahr geht
nicht von den Motorbooten selbst
aus, sondern von deren Wellen. Bei
Nebel sollte nicht gepaddelt werden
und für den Fall, dass man in die
Dämmerung kommt, eine Rundumleuchte
an Bord sein.
Reisezeit
In Venedig ist natürlich immer
Saison, die Wintermonate
sind zum Paddeln aber eher
ungemütlich. An den wenigen
Tagen des Carnevals und im
Hochsommer kommen zu den
Übernachtungsgästen noch
zahlreiche Tagesbesucher und
die Menschenmassen drängen
sich durch die engen Gassen.
Die Venezianer selbst versuchen
dann zu fliehen – und
machen selbst Urlaub. Paddlern
kann das egal sein, auf
dem Wasser ist sowieso immer
viel los. Die meisten Paddler
kommen jedes
Jahr am Pfingstsonntag
aus ganz
Europa zur Vogalonga.
Das ist eine 30 Kilometer lange
Ruderfahrt durch die Lagune und
Venedig, bei der alle Wasserfahrzeuge
teilnehmen können, die von
Muskelkraft angetrieben werden.
Zwar gibt es Startnummern, aber
eine Zeitnahme findet nicht statt
­ das Ganze ist eher ein riesiges
Schaulaufen von rund 3000 Booten,
bei dem sich die venezianischen Ruderer
selbst feiern und die wassersportbegeisterten
Fans ihrer Stadt
willkommen heißen.
Anreise
Mit dem Auto via:
1. Von Deutschland über die Inntal­
und Brennerautobahn bis Verona,
dann über die A4 nach Venedig.
2. Am Inntal­Dreieck Richtung
Salzburg, weiter durch Tauern­ und
Katschbergtunnel nach Villach,
dort abbiegen nach Udine.
Reise 67
3. Kurvenreich aber mautfrei: von
der Ausfahrt Kufstein Süd auf der
Bundesstraße nach Kitzbühel und
weiter über Paß Thurn und Felbertauerntunnel
nach Lienz, dort
abbiegen nach Toblach (hier zeigt
der Wegweiser schon nach Venedig)
bzw. Cortina d‘Ampezzo, durch die
traumhafte Dolomitenkulisse nach
Belluno, wo die Autobahn nach
Vene dig beginnt.
Mit der Bahn: Von München gibt es
täglich eine Direktverbindung nach
Venedig (ca. 7 Stunden), ansonsten
mit Umsteigen in Verona. Besonders
bequem ist der Nachtzug mit
Schlaf­ oder Liegewagen: Abfahrt
23.40 Uhr ab München Hbf, Ankunft
7.36 Uhr in Venedig. Genauso
bequem geht es um 22.43 Uhr
zurück nach München, Ankunft
6.33 Uhr. Faltbootfahrer sollten ein
Viererabteil buchen, dieses besteht

67a
Reise
aus sechs Liegeplätzen, von denen
aber nur vier vergeben werden. So
bleibt erheblich mehr Platz für das
Faltbootgepäck.
Mit dem Flugzeug: Zur Zeit wird
Venedig vom Billigflieger Hapag­
Lloyd­Express (HLX) aus Berlin,
Köln/Bonn, Düsseldorf, Hannover,
Leipzig, München, Stuttgart oder
Hamburg angeflogen. Ryanair fliegt
ab Hahn und Bremen den Flughafen
Treviso an, der nur wenige Kilometer
nördlich von Venedig liegt.
Was ein Faltboot als Sportgepäck
zusätzlich kostet, muss bei der
Fluggesellschaft erfragt werden.
Übernachtung
Die Übernachtungsmöglichkeiten in
Venedig sind zahlreich, aber nur wenige
sind wirklich günstig. Bei den
ohnehin schon engen Wohnverhältnissen
in der Stadt, gibt es in Hotels
und Pensionen keine Möglichkeiten
Boote unterzustellen. Zwar kann
man die Boote vor der Tür auf öffentlichen
Flächen liegen lassen,
man riskiert aber, dass diese nachts
von Vandalen beschädigt werden.
Die meisten Paddler übernachten
deshalb auf einem der Campingplätze
am Rand der Lagune, und nehmen
die 8 bis 10 km lange Paddelstrecke
ins Zentrum in Kauf.
Zwischen Jesolo und Punta Sabbioni
auf der Cavallino­Halbinsel reiht
sich ein Campingplatz an den anderen.
Mit einer Ausnahme liegen
diese Plätze alle am offenen Meer
und haben nur in der Hauptsai­
son geöffnet. Nur der ganzjährig
geöffne te Campingplatz Miramare
liegt an der Lagunenseite in der
Nähe des Fähranlegers Punta Sabbioni.
Bis vor wenigen Jahren war es
noch möglich, direkt mit dem Kajak
am Campingplatz einzusetzen, die
groß angelegten Bauarbeiten für
die Hochwassersperrtore haben dem
jedoch ein Ende bereitet. Camping
Fusina ist ein weiterer ganzjährig
geöffneter Campingplatz, er liegt
auf dem Festland bei Mestre, mitten
im Industriegebiet. Infos: www.camping.it/germany/veneto/fusina.
Seit einigen Jahren gibt es an der
Nordostecke des Lido wieder eine n
Campingplatz, der von Anfang
Mai bis Ende September geöffnet
ist. Camping San Nicolo liegt ideal
für Paddler, direkt gegenüber der
Altstadt und in Reichweite der öffentlichen
Verkehrsmittel sowie der
Badestrände. Der Platz hat keinen
direkten Wasserzugang, doch zur
Lagunenseite sind es nur wenige
Schritte. Kajaks müssen über zwei
Treppen ein­ und ausgesetzt werden,
die, je nach Schiffsverkehr,
stark von Wellen umspült sein können
­ das erfordert dann einiges an
Geschick und Übung. Wer nicht mit
Sack und Pack zum Lido paddeln
möchte, kann über die Brücke nach
Venedig fahren und vom Tronchetto
die Autofähre zum Lido (40 Euro hin
und zurück) nehmen. Die Fahrt geht
dann direkt am Markusplatz vorbei.
Infos und Anmeldung: www.campingsannicolo.com.
Karten
Für eine Erkundung der Lagune
kommt man mit einer der gängigen
1:200.000 Straßenkarten nicht sehr
weit. Große Seekarten (i38 & i39)
sind allerdings auch nicht zwingend
nötig und auf Deck zu unhandlich.
Am besten eignen sich Sportbootkarten
im Maßstab 1:50.000 wie
die Italienische Lagunenkarte Nr. 6
Laguna Veneta. Die kann man bei
Seekartenhändlern (z.B. Eckardt
& Messtorff in Hamburg, GeoBuch
in München) bestellen oder vor Ort
in Buchläden kaufen. Die größte
Auswahl an nautischer Literatur
und Karten hat der Laden »Mare di
Carta« am Fondamente dei Tolentini
zwischen Piazzale Roma und dem
Bahnhof.
Topographische Karten im Maßstab
1:50.000 tun es zur Not auch, allerdings
sind darauf die Flachzonen
der Lagune, in denen man sich festfahren
kann, und die markierten
Fahrwasser unzureichend dargestellt.
In der Stadt selbst braucht
man natürlich einen Stadtplan, den
gibt es an jedem beliebigen Kiosk.
Es lohnt sich verschiedene Pläne
zu vergleichen, denn nicht in allen
stehen die Namen der Kanäle oder
sie heben sich farblich schlecht von
den Gassen ab.
Gezeiten
Kein Witz, in Venedig gibt es mit
bis zu einem Meter Tidenhub die
höchsten Gezeiten im ganzen Mittelmeer.
Schon ein paar Zentimeter
Wasserstandschwankung können in
den Fahrwassern beträchtliche Strömungen
verursachen. Vor allem die
Laguneneinfahrten sind gegen die
Strömung kaum befahrbar. Infos:
www.comune.venezia.it/maree/en_
previsione.asp, www.venicebanana.
com/eng/maree.htm.
Wasserqualität
Die Kanäle sind nicht nur Verkehrswege,
sondern zum Teil auch Kanalisation.
Das kann man gerade in
den kleineren Kanälen sehen und
riechen. Trotzdem ist die Wasserqualität
in der Stadt bei weitem
besser als ihr Ruf. Es genügt ein
wenig aufzupassen und z.B. offene
Wunden zu desinfizieren. Aus den
öffentlichen Brunnen der Stadt
fließt dagegen hervorragendes
Trinkwasser. In der Lagune draußen
vor dem Lido ist das Wasser meist
nur von Schwebstoffen trübe und
ansonsten harmlos ­ dort schwimmen
die Einheimischen.
Allgemeine Reiseführer
Birgit Weichmann: Venedig und die
Lagune (Reise­Know­How Verlag).
Die Referenz.
Erla Zingle: Venedig (National Geographic
Traveler).
Hintergrundinfos & Romane
Dorette Deutsch: Gebrauchsanweisung
für Venedig (Piper Verlag).
Frida Bordon: Anders reisen – Venedig
(Rowohlt).
Johann Wolfgang von Goethe: Italienische
Reise (Goethe hielt sich
vom 28. September bis 14. Oktober
1786 in Venedig auf).
Thomas Mann: Der Tod in Venedig.
Und natürlich alles von Donna Leon.
Nautische Literatur
Die folgenden Bücher sind in erster
Linie für Motorbootfahrer gedacht.
Aber auch Paddler finden darin jede
Menge Informationen über Ziele, die
man in normalen Reise führern vergeblich
sucht.

Ob dicke Dampfer oder schnelle
Motorboote – wer die Regeln einhält,
kommt nicht unter den Kiel.
Die Lagune von Venedig ­ Häfen,
Inseln, Wasserwege, von Heinrich
Breidenbach, Edition Maritim.
Lagunenträume, Band 5 Wasserwege
von Monfalcone bis Chioggia
mit Venedig und Venedigs Inselwelt,
von Günter Lengnink, www.
virtualstore.de.
Flussgeheimnisse, Band 3 Der
Po und sein Delta, von Günter
Lengnink, www.virtualstore.de,
für alle, die auch die Wanderflüsse
Nord italiens befahren möchten.
Wetterbericht im Radio
•Deutsche Welle ca. 7.55 Uhr (Kurzwelle
6075, 9545 & 13780 kHz).
• Deutsche Welle ca. 17.55 Uhr
(Kurzwelle 6075 & 9545 kHz).
• DLF ca. 21.20 Uhr
(Kurzwelle 6190 kHz).
Links
Die offizielle Website der Vogalonga
mit allen Teilnahmeinfos und Online­Registrierung:
www.vogalonga.
it oder www.vogalonga.com.
Die deutsche Vogalonga Website
von einem Ruderer aus Tegernsee:
www.vogalonga.de.
Infos zum Hochwasserschutz und zur
Ökologie und Geschichte der La gune:
www.salve.it/uk/default.htm.
Liste der verschiedenen Bootstypen:www.venetia.it/boats/index.htm.
Online­Stadtplan mit Hausnum­
mernsuche (es gibt kaum Adressen
mit Straßennamen): venicexplorer.
net/map/hypermapie.php.
Bootsverkehr in Venedig
(einige ausgewählte Regeln)
Paddeln in Venedig ist in etwa so
wie Fahrradfahren in der Großstadt
­ für den einen eine Horrorvorstellung,
für andere der absolute Kick.
Natürlich ist der Bootsverkehr bestimmten
Regeln unterworfen. Dass
diese Regeln nicht immer sklavisch
befolgt werden, hat sicherlich mit
der Lebensart der Venezianer zu
tun. Das wichtigste ist Bootsbeherrschung.
Wer ein Verkehrschaos
verursacht muss mit dem Spott
der Einheimischen leben oder gar
ihren lautstarken Unmut ertragen.
Mit ein paar gekonnten Ziehschlägen,
um seitlich in eine Lücke auszuweichen
und einer defensiven
Paddel weise werden Paddler dagegen
schnell als Verkehrsteilnehmer
akzep tiert. Als völlig assimiliert
gilt, wer vom Boot aus mit dem
Handy telefoniert.
§ Geschwindigkeit
Für Motorboote gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung
von 5 km/h
bzw. 7 km/h im Canal Grande.
Abgesehen von diesen Höchstgeschwindigkeiten
müssen Motorboote
bei der Begegnung mit ruderbetriebenen
Booten ihre Geschwin­
digkeit weiter reduzieren.
§ Fahrweise
Grundsätzlich gilt in allen Fahrrinnen
der Lagune Rechtsverkehr doch
gibt es einige wichtige Ausnahmen
von dieser Regel. Gondeln fahren in
engen Kanälen grundsätzlich links,
denn sie brauchen an ihrer rechten
Seite (Steuerbord) Platz für das
Ruder. Gondeln müssen deshalb
an deren Steuerbordseite überholt
oder passiert werden, denn das Ruder
kann der Gondoliere bei Bedarf
kurz aus dem Weg nehmen. Weil
aber in den Kanälen ständig Gondeln
unterwegs sind fahren einfach
alle links.
Im Canal Grande, Canal Grande di
Murano und im Canale Cannaregio
müssen sich ruderbetriebene Boote
an den Seiten halten, die Motorboote
verkehren dazwischen in
der Mitte. Die Seite ist jedoch frei
wählbar, z.B. abhängig von Wind
und Strömung.
Einbahnverkehr in Kanälen gilt
ausschließlich für Motorboote.
Von den Anlegestellen der Linienschiffe
des ACTV müssen sich andere
Fahrzeuge fernhalten, um den
Betriebsablauf nicht zu stören.
§ Vorfahrtsregeln
Die Linienschiffe der ACTV und Einsatzfahrzeuge
mit Sirene und/oder
Blaulicht haben vor allen anderen
Fahrzeugen Vorfahrt.
An Gefahrenstellen wie Kreuzungen,
Abzweigungen oder uneinsichtigen
Stellen muss gebremst und akustisch
gewarnt werden.
Führer ruderbetriebener Boote müssen
beim Rechtsabbiegen »a stagando«
rufen und beim Linksabbiegen
»a premando« oder aber »de longo«
wenn sie geradeaus fahren. Paddler
können darauf natürlich verzichten,
denn ein Kajak ist sehr viel kürzer
und es genügt, sich langsam der
Ecke zu nähern, zu lauschen und
sich umzusehen.
Beim Einfahren in den Canal Grande
hat der Fließverkehr Vorrang.
Ansonsten gilt die Vorfahrtsregel
»Rechts vor Links« (außer für Linienschiffe,
denn die haben sowieso
Reise
67b
immer Vorfahrt).
§ Nachts
Von einer halben Stunde nach
Sonnenuntergang bis eine halbe
Stunde vor Sonnenaufgang sowie
bei Nebel müssen alle ruderbetriebenen
Boote ein weißes Rundumlicht
führen. Diese Regel sollte
allein zum Selbstschutz unbedingt
beachtet werden. Am besten ist es,
zusätzlich noch eine Taschenlampe
griffbereit zu halten.
Infos: www.venicebanana.com/
eng/regcirc.htm.
Die Lagune von Venedig
Die Lagune bedeckt eine Fläche von
550 Quadratkilometern. Sie ist 55
km lang und 10 km breit. Neben
dem Hauptbecken gibt es zahlreiche
kleinere Becken an den Rändern. In
der Lagune liegen 160 Inseln, von
denen aber nur noch 25 besiedelt
sind. Allerdings sind die meisten
der unbesiedelten Inseln bebaut
denn sie dienten früher häufig
als Festungen oder Lazarette. Die
Inseln entstanden durch die Sedimentation
der Flüsse, die ehemals
in die Lagune mündeten und dann
ab dem 14. Jahrhundert umgeleitet
wurden, um eine weitere Versandung
zu verhindern. Auf Luftaufnahmen
lassen sich noch sehr gut
die Flussläufe erkennen, und es
wird deutlich, dass der Canal Grande,
der sich schlangenförmig durch
die Altstadt zieht, einmal ein Arm
der Brenta war. Der von den Flüssen
in die Lagune geschwemmte Sand
wurde von der Ost­West­gehenden
Strömung der nördlichen Adria zu
langgestreckten Sandbänken verteilt,
die heute als Litorali (Nehrungsinseln)
die Lagune vom Meer
abschnüren.
Hochwasser
Die Zahl der gefürchteten Hochwasser
von über 1,10 m über dem
mittleren Wasserstand, das sog.
»Aqua Alta«, ist in den letzten 50
Jahren sprunghaft angestiegen.
Die Gründe für diesen Anstieg sind
komplex und verstärken sich jeweils
gegenseitig. Noch bis vor kurzem

67c
Reise
galt es als populäre Erklärung, dass
ganz Venedig, dessen Gebäude auf
eingerammten Pfählen errichtet
sind, langsam im Lagunengrund
versinkt. Tatsächlich ist es so, dass
die originalen Fuß böden in alten
Palazzi, die zur Bauzeit das Niveau
der ältesten bekannten Sturmflut
gerade überschritten, heute vielfach
unter dem normalen Wasserstand
liegen. Daher wurden in diesen
Häusern neue Fußböden eingezogen.
Neben dem weltweiten Anstieg
des Meeresspiegels ist dafür vor
allem eine all gemeine Verdichtung
des Lagunenuntergrundes verantwortlich.
Durch Wasserentnahme
aus Tiefbrunnen für die Industrie
der Festlands stadtteile, nimmt das
Volumen der 1000 m mächtigen
Sedimentschichten ab, auf denen
die Stadt erbaut ist. Hochwasser
4­Seasons Interview
Ein Hamburger in Venedig
bedroht die Stadt vor allem in den
Monaten Februar und März, da zu
dieser Zeit Stürme am häufigsten
sind. Wenn der Scirocco lange genug
aus Süden weht, drückt er zusätzliche
Wassermassen in die Adria,
die sich in der Lagune aufstauen.
Lässt der Wind nach, kann es zu
»Schaukel bewegungen« des Wassers
kommen, die sich mit Springfluten
zu Rekordhochwässern summieren.
Diese Mechanismen sind aber schon
lange Zeit am Werke und erklären
noch immer nicht die übermäßige
Zunahme der Überschwemmungen.
Der entscheidende Grund dafür ist
wohl der immer tiefere Ausbau der
Laguneneingänge, der mit der Vergrößerung
der Frachtschiffe Schritt
halten musste. Durch diese erweiterten
Pforten kann das Wasser viel
schneller in die Lagune eindringen.
Als 4­Seasons­Fotograf Michael Neumann einen deutschsprachigen
Motorbootskipper für eine abendliche Fotosession suchte, geriet er
an Mathias Lühmann. Der Bootsbauer aus St. Pauli lebt seit 2002 in
Venedig und hat weitaus mehr auf dem Kasten, als ein Boot möglichst
»verwacklungssicher« durch die Lagune zu navigieren ...
Wie kommt ein Hamburger nach Venedig?
Nachdem ich im September 2000 an einem Workshop für Gondelbau teilgenommen
habe, war ich so fasziniert von der Stadt und den Gondeln,
dass ich beschloss eine Gondel als Meisterstück für meine Bootsbaumeisterprüfung
zu bauen. Und zwar in Venedig. Die Handwerkskammer stand der
Idee aufgeschlossen gegenüber und so kam ich 2002 nach Venedig, um das
Projekt zu realisieren.
Ein Deutscher baut in Italien Gondeln. Darf der das?
Ja, natürlich darf der das – sofern man niemand anderen »auf die Füße tritt«.
Venezianier sind im Allgemeinen und insbesondere im Bootbau sehr empfindlich,
was ihre Traditionen angeht – hier ist Fingerspitzengefühl gefragt,
man muss sich einreihen und darf sich nicht zu schade sein, auch mal um Rat
zu fragen.
Auf Italiens Straßen geht es hektisch zu. Kann man das von Venedigs
Wasserwegen auch behaupten?
Ein klares Ja! Wobei all diese Hektik im Allgemeinen von der Coolness des
Einzelnen abgemildert wird. Schlimme Unfälle kommen selten vor, verbale
Ausfälle um so mehr. Auch hier heißt es entspannt bleiben und alle Schwierigkeiten
mit größtmöglicher Lässigkeit zu umschiffen.
Schon immer gut
gegen Skorbut:
Schwimmende
Obsthändler.
Was würde passieren, wenn ich in einem der Kanäle aus dem Boot in
das berühmt­berüchtigte Wasser Venedigs falle?
Man wird nass. Freiwillige Bäder sind aber auch aus gesundheitlichen und
strafrechtlichen Gründen zu vermeiden. So kostet ein Sprung in den Kanal
ab 50 € Strafe aufwärts.
Touristen kommen von April bis September, du wohnst 12 Monate in
der Stadt. Wie ist der Winter in Venedig?
Wunderschön und ruhig! Der berühmte Nebel ist da, die Touristen sind weg
und die Venezianer unter sich. Für mich die schönste Zeit des Jahres. Aber es
ist genauso kalt und feucht wie der Winter in meiner Heimatstadt Hamburg.
Was muss ein 4­Seasons­Leser in Venedig unbedingt gesehen haben?
Abgesehen von den persönlichen Interessen, was die Baumonumente und
Museen angeht, empfehle ich abseits der Touristentrampelpfade die Werkstätten
der Handwerker aufzusuchen und mit den Menschen hier zu reden.
So kommt man dann
auch zu dem einen oder
anderen Geheimtipp
in Sachen Bars und Restaurants.
Ganz wichtig:
Cicchetti, kleine leckere
Happen, die man zu
einem Gläschen Wein genießen
sollte. Und keine
Angst bei nur geringen
Italienisch­Kenntnissen.
Die Menschen hier sind
schon froh, wenn man
wenigstens versucht Italienisch
zu sprechen.