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EDITION ANTAIOS Herbst 2009 - Sezession im Netz

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Fremdes Land<br />

Hans Fallada: In meinem<br />

fremden Land. Gefängnistagebuch<br />

1944. Herausgegeben von<br />

Jenny Williams und Sabine<br />

Lange, Berlin: Aufbau <strong>2009</strong>.<br />

333 S., 24.95 €<br />

Es gibt kaum einen Schriftsteller<br />

in Deutschland, dem es wie<br />

Fallada gelungen ist, den Alltag<br />

der We<strong>im</strong>arer Republik einzufangen<br />

und auf eine volkstümliche<br />

Art zu erzählen. Neben<br />

dem Klassiker Kleiner Mann<br />

– was nun? kommen dafür vor<br />

allem die Romane über die<br />

Landvolkbewegung, Bauern,<br />

Bonzen, Bomben, und über die<br />

schwarze Reichswehr, Wolf<br />

unter Wölfen, in Frage. Letzterer<br />

ist 1937 erschienen, und<br />

Fallada sowie sein Verleger<br />

Rowohlt waren erstaunt, daß<br />

von staatlicher Seite nicht eingeschritten<br />

wurde. Lediglich<br />

die NS-Literaturkritik unterstellte<br />

Fallada eine zersetzende<br />

Intention. Der Roman wurde<br />

ein großer Erfolg, der jedoch<br />

Falladas zunehmende Verzweiflung<br />

über die deutschen Zustände<br />

nicht lindern konnte.<br />

Doch seine Zeit <strong>im</strong> Gefängnis<br />

war 1944 nicht auf politische<br />

Verfehlungen zurückzuführen,<br />

sondern seiner zerrütteten Ehe<br />

und seiner Rauschgiftsucht<br />

geschuldet. Ihm wurde vorgeworfen,<br />

auf seine Ex-Frau geschossen<br />

zu haben. Fallada<br />

nutzt die (Un-)Gunst der<br />

Stunde und schreibt u.a. diesen<br />

Erlebnisbericht über die Zeit<br />

des Dritten Reiches. Es gelingt<br />

ihm, den Bericht herauszuschmuggeln,<br />

und <strong>im</strong> Mai 1945<br />

fängt er an, den Text zu überarbeiten,<br />

um ihn zu veröffentlichen.<br />

Glücklicherweise gibt er<br />

dieses Ansinnen bald auf. Denn<br />

der Wert dieser Aufzeichnungen<br />

liegt gerade in dem situativen<br />

Blick, den Fallada 1944<br />

hat; als er noch ein einfacher<br />

Zeitgenosse ist, der nicht mehr<br />

überblickt als andere. Seine<br />

Abrechnung ist schonungslos,<br />

ohne sich selbst moralisch zu<br />

überheben. Es schwingt aber<br />

bereits das Gefühl mit, sich für<br />

sein Dableiben in Deutschland<br />

rechtfertigen zu müssen.<br />

Erik Lehnert<br />

46 Rezensionen<br />

Verlorenes Land<br />

Wlodz<strong>im</strong>ierz Nowak: Die<br />

Nacht von Wildenhagen.<br />

Zwölf deutsch-polnische<br />

Schicksale, Frankfurt: Eichborn<br />

<strong>2009</strong>. 300 S., 19.95 €<br />

Es gibt keine Statistik darüber,<br />

wie viele deutsche Zivilisten<br />

sich selbst und ihre Kinder be<strong>im</strong><br />

Einmarsch russischer Truppen<br />

in ihre Dörfer und Städte ums<br />

Leben gebracht haben. In der<br />

Titelgeschichte seiner Sammlung<br />

von Reportagen notiert der<br />

polnische Journalist Wlodz<strong>im</strong>ierz<br />

Nowak den Bericht einer<br />

Frau, die als kleines Mädchen<br />

den Massenselbstmord auf dem<br />

Dachboden eines Bauernhauses<br />

in Wildenhagen <strong>im</strong> Januar 1945<br />

überlebte: »Die Tür knarrte, die<br />

ersten Russen kamen auf den<br />

Dachboden. Ich glaube, sie waren<br />

nicht überrascht von dem,<br />

was sie sahen. Sie liefen zwischen<br />

den Hafersäckchen und<br />

schnitten die Frauen los. Die<br />

Männer erkannten sofort, daß<br />

Elsa noch lebte. Sie schnitten sie<br />

los und rannten mit ihr nach<br />

unten. Später habe ich erfahren,<br />

daß sie die Halbtote vergewaltigt<br />

haben.«<br />

Wlodz<strong>im</strong>ierz hat noch elf weitere<br />

deutsch-polnische »Grenzzwischenfälle«<br />

– wie der Verlag<br />

mit sprachlichem Feingefühl<br />

schreibt – zu eindrücklichen<br />

Reportagen verarbeitet, herausragend<br />

sind neben dem Wildenhagener<br />

Zwischenfall auch die<br />

Zwischenfälle in Warschau<br />

(detaillierter Bericht über das<br />

Wüten des Sonderbataillons<br />

Dirlewanger während des Warschauer<br />

Aufstands), in Halle/<br />

Saale (über das Leben einer<br />

vom Sozialismus überzeugten<br />

Arbeiterin vor und nach der<br />

Wende) und über eine alte Polin<br />

in einem serbischen Kaff, in das<br />

der Krieg sie gepustet hatte –<br />

und die nun nach fünfzig Jahren<br />

von ihrer verschollenen<br />

Tochter aus Polen besucht wird.<br />

Wlodz<strong>im</strong>ierz scheint der polnische<br />

Christoph Dieckmann zu<br />

sein, seine Wahrnehmungs-<br />

und Erzählpräzision ist überzeugend<br />

und läßt das Einzelschicksal<br />

exemplarisch, aber<br />

nie alleingültig aufscheinen.<br />

Götz Kubitschek<br />

Fürs Vaterland<br />

R. G. Grant: Krieger, Kämpfer<br />

und Soldaten. Von der Antike<br />

bis heute, München: Dorling<br />

und Kindersley 2008, 358 S.,<br />

zahlreiche Abb., 39.95 €<br />

Von den griechischen Hopliten<br />

bis zu den Marines, von den<br />

Wikingern bis zu den Vietcong,<br />

von den Samurai bis zu<br />

den Interbrigadisten, von den<br />

Kriegern der Maya bis zu den<br />

deutschen Sturmtruppen des<br />

Ersten Weltkriegs, von den<br />

Kämpfern der Maori und der<br />

Zulu bis zu den britischen Rotröcken<br />

bei Waterloo, in diesem<br />

Band haben sie und viele andere<br />

ihren Platz. Man kann<br />

über die Auswahl hier oder<br />

dort streiten und spürt selbstverständlich<br />

auch, daß zuerst<br />

für den englischen und amerikanischen<br />

Markt produziert<br />

wurde, aber echte Lücken sind<br />

kaum festzustellen.<br />

Es handelt sich bei Grants<br />

Krieger, Kämpfer und Soldaten<br />

– wie <strong>im</strong>mer bei den Publikationen<br />

von Dorling und Kindersley<br />

– um ein Buch für Augenmenschen,<br />

exzellent illustriert,<br />

mit Abbildungen der<br />

Originalausrüstungen oder von<br />

Rekonstruktionen versehen,<br />

detailgetreu, fast detailverliebt,<br />

genau beschriftet, ergänzt um<br />

Fotos von weiteren Artefakten,<br />

Skizzen zu Schlachtformationen,<br />

Pläne und Karten, zeitgenössische<br />

Darstellungen oder<br />

Historienbilder.<br />

Die erklärenden Texte sind<br />

knapp, aber kenntnisreich und<br />

in erfrischender – was Militärgeschichte<br />

angeht: typisch angelsächsischer<br />

– Weise an politischer<br />

Korrektheit desinteressiert.<br />

So kann es etwa über<br />

Panzersoldaten der Wehrmacht<br />

heißen: »Dem Geschick und<br />

der Initiative deutscher Panzerkommandanten<br />

und ihrer Besatzungen<br />

kam … nichts<br />

gleich«, oder: »Anders als die<br />

Luftwaffe litt die Panzertruppe<br />

nie an der sinkenden Qualität<br />

ihrer Besatzungen. Ohne<br />

Schutz aus der Luft und mit<br />

<strong>im</strong>mer knapperem Kraftstoff<br />

kämpften sie oft bis zum bitteren<br />

Ende.«<br />

Karlheinz Weißmann

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