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Fotos: Flickr/Luke Hayfield Photography, Anna Wandschneider<br />

Rolf Nohr ist Professor<br />

für Medienästhetik und<br />

Medienkultur am Institut für<br />

Medienforschung (IMF) der<br />

HBK. Neben Visualität und<br />

visueller Kultur in zahlreichen<br />

Ausprägungen, beschäftigt<br />

er sich unter anderem mit<br />

populären Phänomenen<br />

wie dem Heavy Metal oder<br />

Computerspielen.<br />

Warum erfahren dann gerade Videogames<br />

eine solche Stigmatisierung? Liegt das allein<br />

an „Killerspielen“?<br />

Das hat wohl viele Gründe. Gewaltdarstellungen<br />

sind das eine, aber mir erscheint ein<br />

anderer Punkt mindestens genauso wichtig:<br />

Wir leben in einer Gesellschaft, die versucht,<br />

so produktiv wie möglich zu sein. Unproduktives<br />

Handeln oder „Gammeln“ werden da natürlich<br />

mit Misstrauen beäugt. Dazu kommt<br />

noch, dass der Computer immer noch <strong>als</strong> ein<br />

„neues Medium“ gilt – und neuen Medien begegnet<br />

unsere Kultur traditionell mit einem<br />

großen Misstrauen.<br />

Und warum spielt eine große Gruppe<br />

von Menschen überhaupt keine<br />

Computerspiele?<br />

Vermutlich, weil Computer und andere Spielekonsolen<br />

nur eine sehr eingeschränkte Aus-<br />

Wissenschaft<br />

wahl an Spielen anbieten. Die scheinbar unendliche<br />

Menge an Spielen, die auf dem Markt<br />

sind, kann man vier bis fünf Genres zuordnen.<br />

Die sind dann auch noch strikt voneinander<br />

getrennt. Sie finden – es sei denn, sie bewegen<br />

sich im Independant-Bereich, zwar Massen<br />

von Shootern, Worldbuilding Games und<br />

Escape Spielen, aber niem<strong>als</strong> einen Mix aus<br />

den Dreien. Was das betrifft, ist die Industrie<br />

ein großer Zauderhase – sie bedient sich lieber<br />

etablierter Genres, <strong>als</strong> etwas Neues zu wagen.<br />

Außerdem gibt es natürlich Spiele, die sich für<br />

den Computer einfach nicht eignen. Bei Glückspielen<br />

zum Beispiel brauchen sie einfach einen<br />

sichtbaren, menschlichen Gegenspieler – Black<br />

Jack gegen einen Computer zu spielen, macht<br />

nur bedingt Spaß.<br />

Ob wir nun dabei mit Anderen reden oder<br />

nicht – versuchen wir, in virtuellen Welten<br />

wie der von World of Warcraft unserem Alltag<br />

zu entfliehen?<br />

Natürlich speisen sich solche Spiele immer auch<br />

aus Aussteigerfantasien. Nicht nur Videogames<br />

übrigens – die Literatur- und Filmwelt ist voll<br />

von meist jungen Helden, die ihrer Gesellschaft<br />

den Rücken kehren und sich eine Hütte im Wald<br />

bauen. Übrigens sind sie auf lange Sicht hin nie<br />

wirklich erfolgreich. World of Warcraft oder<br />

Sims kann man dahingehend <strong>als</strong> eine Art risikoarme<br />

Variante von Into the Wild begreifen<br />

– denn wenn in der virtuellen Welt etwas schief<br />

geht, fängt man einfach von vorne an. Außerdem<br />

sind in der Realität komplexe Vorgänge –<br />

zum Beispiel der Bau eines Hauses – im Spiel<br />

oft mit einem Mausklick getan.<br />

In welcher Beziehung stehen Wirklichkeit<br />

und Computerwelt dann zueinander?<br />

Es dürfte den meisten klar sein, dass auch die<br />

„fremdeste“ Fantasywelt immer mit der Realität<br />

und der „echten“ Gesellschaft zu tun<br />

hat. Die Games werden von echten Menschen<br />

programmiert und von echten Mitspielern gespielt,<br />

die meistens die Regeln ihrer normalen<br />

Welt mitbringen...<br />

...und sehr enge Grenzen stecken. Im Prinzip<br />

tut der Spieler doch genau das, was das<br />

Spiel ihm befiehlt? Oder spielt er vielleicht<br />

gerade, weil ihm da jedwede Verantwortung<br />

abgenommen wird?<br />

Computerspiele sind tatsächlich ein stark reglementierter<br />

Raum. Man kann argumentieren,<br />

27<br />

dass genau das dem Spieler gefällt, weil er hier<br />

– im Gegensatz zur komplexen Realität – weiß,<br />

was möglich ist und was nicht. Aber auch hier<br />

ist eine Verallgemeinerung schwierig. In Sandbox<br />

Games, ich nenne da <strong>als</strong> Beispiel die GTA-<br />

Reihe, kann der Spieler die Struktur des Games<br />

bis zu einem bestimmten Grad beeinflussen.<br />

Außerdem gäbe unsere Gesellschaft ein ziemlich<br />

armseliges Bild ab, wenn wir die erstbeste<br />

Gelegenheit ergreifen würden, eigenständiges<br />

Denken und Aufklärung über Bord zu werfen<br />

und uns von der totalitären Macht des Computers<br />

regieren zu lassen.<br />

Jetzt reden wir schon die ganze Zeit über<br />

den Computer. Dabei ist das gar nicht<br />

mehr das Neueste vom Neuesten. Wie haben<br />

Smartphones und andere tragbare Konsolen<br />

die Spielewelt verändert?<br />

Das lässt sich in einem Wort zusammenfassen:<br />

Portabilität. <strong>Diese</strong>s Konzept der ständigen Mobilität<br />

eröffnet völlig neue Möglichkeiten – zum<br />

Beispiel Location - based Games, an denen man<br />

nur teilnehmen kann, wenn man sich an bestimmten<br />

Orten in der Realität einklinkt. Seit<br />

mehr <strong>als</strong> zehn Jahren gibt es schon derartige<br />

Versuche: Am Anfang sind die Jungs allerdings<br />

mit einem Riesenrucksack und einer ewig langen<br />

Antenne durch die Gegend gelaufen – das<br />

war innovativ, sah aber absolut affig aus. Heute<br />

geht das „cooler“.<br />

Und wie steht es dabei um den Schutz meiner<br />

Daten?<br />

Grauenhaft. Das ist allerdings kein spezielles<br />

Videogames-Problem, auch kein rein industrielles.<br />

Ein ständig wachsender Teil der<br />

Gesellschaft hat kein Gefühl mehr dafür, was<br />

er über offene Netze, Social Media, oder auch<br />

nur seine Kleidung preisgibt. In manchen Klamotten<br />

stecken beispielsweise ein sogenannter<br />

RFID-Chip, mit denen man Bewegungsprofile<br />

des Trägers erstellen kann. Die Sensoren dazu<br />

stehen dann im dazugehörigen Kleidungsgeschäft.<br />

Das kann nicht angehen.<br />

Zum Abschluss noch eine angenehmere Frage:<br />

Was, glauben Sie, wird sich in den kommenden<br />

Jahren auf dem Spielemarkt tun?<br />

Worldbuilding Games haben meiner Meinung<br />

nach das größte Potenzial. In ihnen liegt eine<br />

gewaltige ästhetische Innovationskraft und der<br />

Fantasie des Spielers sind hier die wenigsten<br />

Grenzen gesetzt. #

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