Karriere Brave new Work Ist der Mensch bald nur noch ein human capital? Die deutsche Regisseurin Carmen Losmann skizziert in ihrem Regiedebüt „Work Hard Play Hard“ eine erschreckende Arbeitswelt, in der der Mitarbeiter zur optimierungsbedürftigen Ressource degradiert wird. Wir haben die Regisseurin interviewt und anschließend Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft mit ihren Thesen konfrontiert. Subtile Ausbeutung, vertrauensvolle Teamarbeit, entgrenzte Arbeitszeiten – wohin entwickelt sich unsere Arbeitswelt? 38
Karriere Work Hard - Play Hard regisseurin cArmen losmAnn über ihren neuen film und die zukunft der Arbeit Von Eva Casper Frau Losmann, Sie haben mal gesagt, dass Arbeit für Sie ein Spiegel der gesellschaftlichen Realität ist. Wenn Sie sich die Arbeitswelt in ihrem Film ansehen, welche gesellschaftliche Realität wird da widergespiegelt? Es wird auf jeden Fall eine Veränderung der Arbeitsorganisationsform sichtbar, insofern, dass es im Vergleich zu einer Arbeitsorganisationsform von vor 50 Jahren keinen Chef mehr gibt, der klar hierarchisch angibt, was zu tun und was zu lassen ist. Ich sehe eine Realität, wo das Unternehmen dem einzelnen Mitarbeiter immer mehr Verantwortung überlässt. Hauptsache es ist produktiv und wirft Rendite ab. Also geht es um eine Art Optimierung des Mitarbeiters? Ja insofern, dass man praktisch versucht den einzelnen Mitarbeiter zu gestalten. Es gibt ja grenzenlose Wachstumsforderungen in einem kapitalistischen Kontext. Genau diese grenzenlose Wachstumsforderung wird durch dieses „Unternehmer im Unternehmen“-Sein auch auf den einzelnen Menschen übertragen und das ist, glaube ich, diskussionswürdig und problematisch. Wie sehen diese erhöhten Anforderungen konkret aus? Die Mitarbeiter sollen eigenverantwortlich handeln aber natürlich immer im Sinne des Unternehmens und das tun, was schön für das Unternehmen ist. Finden Sie das persönlich abschreckend? Ich würde eher sagen, ich finde es diskussionswürdig und es wird viel zu wenig darüber diskutiert. Denken Sie, die steigende Überforderung von Arbeitnehmern hängt damit zusammen? Ich glaube, die jetzigen Überforderungen sind schon Symptome dieser Veränderungen in den Arbeitsorganisationsformen der letzten 20 Jahre. Das hat in den USA angefangen und wurde dann langsam in das Kerneuropa übertragen. Also, in Deutschland - nur <strong>als</strong> Beispiel - hat IBM 1998 die Stempeluhren abgeschafft und die Vertrauensarbeitszeit eingeführt. Das ist auch ein Teil dieser veränderten Arbeitsorganisationsform. Sie haben mal gesagt, Sie sind mit der Fragestellung an den Film gegangen: Warum arbeiten die Menschen ohne Stempeluhren und Anwesenheitspflicht mehr <strong>als</strong> vorher? Haben Sie eine Antwort gefunden? Keine eindeutige. Aber ich denke, dass diese neuen Managementmethoden die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Weil ich dann nicht mehr sagen kann: „Mir doch egal, ich geh jetzt nach Hause.“ Sondern ich bin wirklich selber Unternehmer und bin für meine Unternehmensziele verantwortlich und diese Ziele sind meistens tendenziell höher, <strong>als</strong> das, was ich in meiner Arbeitszeit verwirklichen kann. Also kann man sagen, dass wir in Zukunft immer mehr arbeiten müssen und weniger 39 Freizeit haben? Wenn man die Logik eines grenzenlosen Wachstums befolgt, dann schon. Aber ich wünsche mir, dass es eine Diskussion gibt bei jedem Einzelnen, vor allem im Austausch mit anderen. Ich muss mich <strong>als</strong> Individuum fragen, ob es wirklich sinnvoll und mir <strong>als</strong> Mensch angemessen ist, dass meine <strong>komplett</strong>e Lebenszeit mit produktiver Arbeit belegt wird. Oder ich sage: Ne, zu meinem Menschsein gehört eigentlich noch vieles andere und das produktive Tätigsein ist Teil davon aber ich möchte nicht meine gesamte Lebenszeit davon in Betrieb nehmen lassen. Also, eine Sphäre außerhalb des produktiven Tätigseins mir bewahren, die mein Leben auch wertvoller macht. Ich würde mir wünschen, dass es darüber eine Auseinandersetzung gibt. Das würde ja dann eigentlich auch einen Systemwechsel beinhalten, weil die Unternehmen das natürlich nicht wollen. Die wollen, dass die Leute mehr arbeiten. Ja, wobei ich auch daran glaube, dass Unternehmen nicht hermetisch abgeschlossene, unveränderliche Einheiten sind. Die werden ja auch von Menschen geformt und gelenkt und wenn man an die Grenzen des menschlichen Leistungsvermögen stößt, könnten viele Mitarbeiter sagen: „Nö, bei diesen Anforderungen mache ich nicht bedingungslos mit“. Dann müssen auch Unternehmen im ganzen anfangen pö a pö umzudenken. Aber es stimmt. Mein Wunsch stellt zumindest das System, wie es jetzt läuft, in Frage. Ich finde aber das gehört auch in Frage gestellt. #