Er sagt, Von Wolf-Alexander Schneider Neulich in der Mensa: Während Student A misstrauisch einen Flyer des Gleichstellungsbüros vom Tisch schnippst, erwidert Student B: “Feminismus. Das ist der Kampf hässlicher Frauen doch noch von der Gesellschaft akzeptiert zu werden." <strong>Diese</strong> Rubrik heißt nun einmal „Er sagt”. Nur, was soll er denn noch sagen? Darf ich <strong>als</strong> Akademiker in spe über die altbekannten Stammtischparolen lachen? Gehören Frauen denn eigentlich nicht wirklich in die Küche? Die Luft ist dünn geworden für uns Männer. Gefangen im täglichen Zwiespalt zwischen Geschlechterkampf und Kosmopolitismus haben wir es uns bequem gemacht. Zu groß die Angst von jenen spätpubertären Trieben mitgerissen zu werden, in der gedanklich die übereifrigen Kommolitoninnen hinter den Herd verbannt werden. Einmal zurück in die Zeit, in der Mann noch Mann sein konnte, in der unsere Dominanz unantastbar war und unserem Chauvinismus mit Charme begegnet wurde. Heute erscheinen wir ersetzbar: Machten wir uns einst mit Muskelkraft unentbehrlich so verrichten heute Maschinen diese Tätigkeiten. Heute müssen sich demzufolge „Er sagt"-Spalten von „Sie sagt”-Korrespondenzen widersprechen lassen. Und jetzt noch die Frauenquote. Der politische Freibrief zur Zerschlagung maskuliner Dominanz in Politik und Wirtschaft vermag den Kreuzzug weiblicher Gleichheitskrieger zu einem erfolgreichen Ende führen. Doch wo bleibt das letzte Aufbegehren der Spezies Mann? Es bleibt aus. Und das hat weniger mit männlicher Stagnation zu tun, <strong>als</strong> mit der Tatsache, dass wir uns wohl fühlen in einer Welt, in der das Geschlecht eines Menschen nicht mehr zum Alleinstellungsmerkmal stilisiert wird. In der Frauen Bundeskanzlerin, Türsteherin oder WM-Heldin sein können. Der Kampf der Geschlechter ist vorbei, unentschieden, keine Verlängerung. Und eingangs erwähnte Witze sind nicht mehr <strong>als</strong> ein Spiegelbild dieses gerechten Remis, ein Ritual, das uns die Vergänglichkeit sozialer Realitäten vor Augen führt. Wenn über diese Witze nicht mehr gelacht werden kann, dann bedarf es auch keiner „Er sagt- Sie sagt”-Rubrik mehr. Dann hätte jene geschlechterpolitische Ultima Ratio nicht nur den Studenten A und B die sexistische Ulkerei ausgetrieben. Dann wäre ein schmerzhaft umfangreiches Arsenal mehr oder weniger lustiger Witze hinfällig. Doch soweit soll es nicht kommen. Frauen werden auch die letzten Hürden auf dem Weg zur Gleichberechtigung meistern, kein Zweifel. Aber Männer: es darf noch gelacht werden. # Campus 6 Sie sagt Von Anna Wandschneider Vor einigen Wochen stand im Spiegel ein Bericht über Kristina Schröder. Sie hat ein Buch herausgebracht. Eins über Frauen. Titel und Kernaussage: Emanzipiert sind wir selber. Ich halte jetzt meine Klappe zum Thema Politik, denn wenn ich damit anfange, muss ich die „Ersagt"-Spalte konfiszieren, um genügend Platz zu haben. Das würde ich allerdings nicht tun. Niem<strong>als</strong>. Ich bin nämlich tatsächlich schon emanzipiert und habe es nicht nötig, mir von Männern die Tür aufhalten und Spalten schenken zu lassen. Trotzdem bin ich auf den ersten Blick geneigt, Frau Schröder zuzustimmen... ich bin es nämlich leid. Parteigenossinnen (!) und -en zum Beispiel (Frauen und Kinder zuerst). Artikel in namhaften Wirtschaftszeitungen, die Frauen „mütterliche Führungsqualitäten“ zusprechen. Ich bin Pseudofeministinnen in Filzröcken leid, die nicht müde werden, zu betonen, was die Frauen doch immer noch für arme Schweine sind – und die Männer für miese Schweine, sowieso. Dass eine Frau auf gar keinen Fall einfach Hausfrau und Mutter sein darf. Und ich bin, allem voran, weil sie wochenlang bis zum Tinnitus durch sämtliche Medien gegeistert ist – die Quote leid. Ja, ich gehöre zu der ominösen Menge von Frauen, die eingestellt werden wollen, weil sie etwas können. Und wenn wir schon beim Thema sind: Ich lege auch keinen Wert darauf, in einer Gesprächsrunde <strong>als</strong> erstes vorgestellt zu werden. Mit anderen Worten: Ich will nicht bevorteilt werden aus lauter Angst davor, benachteiligt zu werden. Die meisten Frauen wissen jedenfalls anscheinend nicht, dass Emanzipation weder zickiges Hausfrauen- oder Männer-Bashing,noch eine neue Form des Matriarchats bedeutet. Ich will nicht so tun, <strong>als</strong> gäbe es keine verschiedenen Geschlechter – und erst recht nicht, <strong>als</strong> gäbe es tatsächlich keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts mehr. Aber ich wünsche mir Maßnahmen, die das Übel an der Wurzel packen. Und ja – jetzt muss ich doch wieder von der Politik anfangen. Mir fällt ein, dass man in vielen Großstädten Probleme hat, einen Kindergartenplatz zu bekommen, von bezahlbaren Krippenplätzen ganz zu schweigen. Die Diskussion darüber, dass mehr in die frühkindliche Betreuung investiert werden muss, ist älter <strong>als</strong> ich. Was das nun mit weiblicher Gleichberechtigung zu tun hat? Stellt euch eine Welt vor, in der Firmenchefs Frauen Ende zwanzig nicht schon beim Bewerbungsgespräch auf den Bauch schielen. In der Frauen sich nicht zwischen einer Laufbahn <strong>als</strong> kinderlose Karrierezicke, Rabenmutter oder Halbtagskraft entscheiden müssen. Seht ihr, was ich sehe? #
Fotos: Florian Koch, Lisa Dauke Campus Cover: Making of Das Titelbild dieser <strong>Ausgabe</strong> entstand im Freibad Bürgerpark mit freundlicher Unterstützung der Stadtbad Braunschweig Sport und Freizeit GmbH. Sie unterhält insgesamt fünf Hallen- und drei Freibäder. Ins kühle Nass hat sich für uns Simon Kull gestürzt. Der 25-Jährige studiert Bauingenieurswesen an der TU Braunschweig. # XXXX