RHEINe CENTER Köln - Rhein Center
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Zwischen 1978 und 1982 verdoppelte sich der<br />
Umsatz von Jil-Sander-Mode nahezu jährlich.<br />
Mitte der Achtziger hingen schon in 130 Boutiquen<br />
und Häusern ihre Kollektionen – von<br />
München bis Los Angeles, von Zürich bis<br />
Tokio. Die Deutsche wurde gar zur Königin<br />
geadelt: „Queen of Less“ nannte man sie wegen<br />
ihres Purismus, „Queen of Kashmir“ wegen<br />
der Hochwertigkeit ihrer Materialien. Das<br />
Modemagazin „Vogue“ zählte Jil Sander zu den<br />
zehn besten Designern der Welt. Die Pariser<br />
Zeitung „France-Soir“ nannte sie gar in einem<br />
Atemzug mit einer ganz großen Dame der<br />
Mode: „Coco Chanel ist tot – es lebe Jil Sander.“<br />
Der Vergleich war keineswegs zu hoch gegriffen.<br />
Auch Coco Chanel hatte einst die Frau neu<br />
erfunden, setzte auf ihre Stärke und Weiblichkeit.<br />
Auch Coco Chanel liebte die Untertreibung,<br />
war eine Meisterin im Understatement.<br />
Und wie die Französin, die mit dem Chanel-<br />
Kostüm ein unverwechselbares Kleidungsstück<br />
kreiert hatte, das zu ihrem Markenzeichen<br />
wurde, hatte auch Jil Sander eines, für<br />
das sie berühmt wurde: der stark auf die Körperproportionen<br />
geschnittene Hosenanzug.<br />
Die erste Hälfte der 90er gilt als Blütezeit der<br />
Marke Jil Sander und bald hatte das Unternehmen<br />
eine Größe erreicht, die von der Designerin<br />
allein nur schwer neben der kreativen Arbeit<br />
gemanagt werden konnte. Auch brauchte<br />
die Firma Geld, um zu expandieren. Kurz vor<br />
der Jahrtausendwende verkaufte Sander daher<br />
die Mehrheit an ihrem Unternehmen an die<br />
italienische Prada-Gruppe. Die Verantwortung<br />
für die Kollektionen behielt sie bei. Allerdings<br />
nicht lange: Schon nach wenigen Monaten<br />
überwarf sich Jil Sander mit dem von Prada<br />
eingesetzten Vorstandschef Patrizio Bertelli,<br />
Ehemann der Prada-Erbin Miuccia Prada –<br />
und verließ im Streit die Firma, die ihren<br />
Namen trägt.<br />
Sanders Nachfolger konnte eigentlich nur<br />
scheitern. „Glatter Selbstmord“ sei der Job,<br />
wurde Milan Vukmirovic von Freunden und<br />
Kollegen gewarnt. Der Franzose trat ihn trotzdem<br />
an, experimentierte mit der Marke und<br />
brachte Farben und eine neue Lebendigkeit in<br />
den minimalistischen Sander-Stil. Seine<br />
Entwürfe wurden zwar von Kritikern gelobt,<br />
doch von den Kunden geschmäht. Sie<br />
waren nun mal nicht von Jil Sander – und<br />
das fiel auf. „Ganz gleich, was ich mache, ob<br />
eine Flasche oder eine Tasche, einen Schuh<br />
oder eine Jacke“, hatte Sander mal erklärt,<br />
„ich packe da meine Art zu denken und zu<br />
leben, also meine Seele hinein, und ich<br />
glaube, das übermittelt sich und ist die tiefe<br />
Grundlage meines Erfolgs“. Ohne Jil<br />
Sander schrieb Jil Sander schon 2001 rote<br />
Zahlen.<br />
Drei Jahre nach dem Bruch suchte Bertelli<br />
deshalb die Aussöhnung mit der Firmengründerin,<br />
die seit ihrem Rückzug alles<br />
Mögliche gemacht hatte, nur keine Mode:<br />
Sie war durch die Karibik gesegelt, hatte<br />
Russland und den Iran bereist und sich auf<br />
Partys vergnügt. Nach vielen ausführlichen<br />
Telefonaten mit Bertelli kehrte Jil Sander<br />
im Frühjahr 2003 tatsächlich zu ihrem<br />
Label zurück und schickte<br />
ein halbes Jahr später elfenzarte<br />
Mädchen in sensi-<br />
bel konzipierten Kleidchen<br />
über den Laufsteg. Die<br />
Pause hatte Sanders Mode<br />
offenbar gut getan. Sie<br />
wirkte wie belebt, befand<br />
die Presse: verspielter, farbiger<br />
und relaxed wie nie.<br />
Nach Sanders Rückkehr<br />
wuchs der Umsatz des Unternehmens<br />
um vier Prozent.<br />
Doch für die wirtschaftliche<br />
Wende reichte<br />
es nicht. Auch ging es<br />
nicht lange gut zwischen der Norddeutschen<br />
und dem italienischen Firmenboss.<br />
Es gab wieder heftigen Streit, Sander und<br />
Bertelli konnten einfach keine gemeinsame<br />
Linie finden. Nach nur 18 Monaten verließ<br />
Sander im November 2004 erneut das von<br />
ihr gegründete Unternehmen.<br />
2005 vermeldete Prada, dass der belgische<br />
Herrenmode-Designer Raf Simons die<br />
” In meinem<br />
Alter<br />
reifen Politiker<br />
erst<br />
für höhere<br />
Aufgaben.<br />
“<br />
Jil Sander<br />
Mode<br />
Nachfolge Sanders antreten werde und<br />
wenig später, dass die gesamte Produk-<br />
tion nach Italien überführt werde. Doch<br />
keine dieser Maßnahmen vermochte es,<br />
das Label wieder auf Erfolgskurs zu bringen.<br />
Und so verkaufte Prada im Februar<br />
2006 Jil Sander an den britischen Finanzinvestor<br />
Change Capital Partners, der<br />
seine Anteile zwei Jahre später an eine<br />
japanische Firma, die Onward Holdings<br />
Co., Ltd. und deren europäische Tochtergesellschaft<br />
Gibo’ Co. S.p.A., weiter-<br />
reichte.<br />
Jil Sander und der japanische Markt waren<br />
eine mehr als logische Verbindung,<br />
hat in Japan doch das schlichte, formschöne<br />
Design eine lange Tradition. Auch<br />
die Designerin Jil Sander war bald dort<br />
tätig: Von 2009 bis 2011 entwarf sie für das<br />
Label Uniqlo die Kollektion +J. Die Preise<br />
für die Stücke waren niedrig, dafür diese<br />
jedoch preisverdächtig: Die Winterkollek-<br />
tion 2010 wurde mit dem<br />
Brit Insurance Design<br />
Award in der Kategorie<br />
Fashion ausgezeichnet,<br />
einem der renommiertesten<br />
Designpreise<br />
der Welt.<br />
Und dann geschah im<br />
Frühjahr 2012 das, womit<br />
kaum noch jemand<br />
gerechnet hatte.<br />
Jil Sander kehrte, inzwischen<br />
68-jährig,<br />
erneut zu ihrem Label<br />
zurück. Bei den Herren-Modenschauen<br />
in<br />
Mailand Ende Juni 2012 präsentierte sie<br />
die erste Kollektion. Auf ihr Alter angesprochen<br />
sagte sie: „Ich stehe in einem<br />
Lebensabschnitt, in dem Politiker erst<br />
für höhere Aufgaben reifen.“ Man darf<br />
also gespannt sein. Als Coco Chanel mit<br />
71 ihr Comeback antrat, sollte dies den<br />
Höhepunkt ihres Schaffens markieren.<br />
Und mit Coco hat Jil Sander schließlich<br />
schon einiges Andere gemein.