Gestohlene Lust. Kammern der Begierde - Rowohlt
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Prolog<br />
Der letzte Tag <strong>der</strong> Freiheit war regnerisch. Grauer Himmel.<br />
Wallende Wolken, die sich von Zeit zu Zeit ihrer feuchten<br />
Last mit kräftigen Regenschauern entledigten.<br />
Josephine saß kerzengerade in ihrem Ankleidezimmer<br />
und starrte in den Regen hinaus. Alles wirkte an diesem<br />
Tag düster und schwer: <strong>der</strong> Himmel, die fein geschnitzten<br />
Kirschholzmöbel, die sonst hier in ihrem Lieblingsraum<br />
eine warme Geborgenheit ausstrahlten. Sogar die Rosenblüten<br />
auf den Seidentapeten schienen ihre zartrosa Köpfe<br />
hängen zu lassen.<br />
Aus weiter Ferne drangen die Geräusche emsiger Geschäftigkeit<br />
zu ihr hinauf. Im Erdgeschoss <strong>der</strong> riesigen<br />
Villa wurden Stühle gerückt und Teppiche aufgerollt. Im<br />
Salon wurden das gute Porzellan und die Silberbestecke<br />
aus den Vitrinen geräumt, um sie für das große Ereignis zu<br />
polieren. Als plötzlich die Flügeltür zu ihren Gemächern<br />
geöffnet wurde, konnte Josephine deutlich die aufgeregten<br />
Stimmen des Personals hören, das sich gegenseitig Anweisungen<br />
zurief.<br />
«Fräulein Josephine. Sie müssen sich beeilen!» Das Kammermädchen<br />
trat ungeduldig von einem Bein auf das an<strong>der</strong>e.<br />
«Ihre Frau Mutter erwartet Sie bereits in <strong>der</strong> Bibliothek.»<br />
Die Zofe knickste artig und lief über den langen Flur<br />
zur Wäschekammer, wo sie bereits seit Stunden das Leinen<br />
sortierte. So viele Tischdecken und Servietten mussten<br />
noch geplättet werden. Sie schüttelte sich bei dem Gedanken<br />
an die heißen Kohlen, die sie für das Plätteisen<br />
würde heranschleppen müssen. Wenn die Herrschaft doch<br />
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