Die Presse Schaufenster
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Hurts. Theo Hutchcraft und Adam Anderson<br />
setzen auf kühle Glut.<br />
Dass die Sounds der Popmusik<br />
von der Entwicklung<br />
der industriellen Geräusche<br />
beeinflusst wurden,<br />
ist bekannt. Auch deshalb<br />
haben Hurts, dieses so seltsam<br />
aus der Zeit gefallene Synthie-Pop-<br />
Duo, einen besonderen Auftrag. Immerhin<br />
stammen sie aus Manchester, der vielleicht<br />
ödesten Industriestadt Englands. <strong>Die</strong>se<br />
Herkunft aus harschen Verhältnissen<br />
haben den 26-jährigen Sänger Theo Hutchcraft<br />
und den 28-jährigen Keyboarder<br />
Adam Anderson geprägt. Ihre kühle, unter<br />
der Oberfläche aber dennoch leidenschaftlich<br />
glühende Musik tändelt mit Elementen,<br />
die man von den frühen Ultravox oder<br />
von Human League kennt. Penibel haben<br />
sie indes nicht nur die musikalische Sprache<br />
jener Ära studiert – vor allem punkto<br />
Outfit und Frisuren halten sie es nach wie<br />
vor mit den Codes jener kurzen Epoche, in<br />
der Synthie-Pop als großes Versprechen<br />
erschien. <strong>Die</strong> elektronischen Experimente<br />
eines David Bowie auf seinen Berlin-Alben<br />
84 <strong>Schaufenster</strong><br />
Melancholiker aus<br />
Manchester<br />
Hurts, das schwermütig-elegante Synthie-Pop-<br />
Duo, kommt in die Wiener Arena.<br />
Text: Samir H. Köck<br />
wie „Low“ sickerten in die Vorstädte britischer<br />
Metropolen ein. Ende der Siebzigerjahre<br />
inszenierten sich dann Musiker wie<br />
Gary Numan als personifizierte Verheißung<br />
der Zukunft. Auch rein äußerlich gab<br />
er sich posthuman. Seine Aura war strikt<br />
artifiziell. Strenger Scheitel, anämisches<br />
Äußeres und eine Kleiderordnung, die man<br />
heute „spacig“ nennen würde. Hurts lieben<br />
ebenfalls scharf gezogene Scheitel, kleiden<br />
sich aber durchaus irdisch. Vorzugsweise<br />
in strengem Schwarz, das zuweilen mit weißen<br />
Elementen aufgelockert wird.<br />
2010 waren sie Viertplatzierte in der BBC-<br />
Trendliste. Im August desselben Jahres<br />
erschien ihr Debütalbum, das in ihrer britischen<br />
Heimat immerhin den vierten Platz<br />
in der Hitparade belegen konnte. Zu ihrem<br />
Erstaunen hatten Hurts noch viel größeren<br />
Erfolg östlich der Insel. Zunächst in<br />
Tipp<br />
Deutschland, wo sich ihr leicht zynisch<br />
„Happiness“ benanntes Debütalbum 64<br />
Wochen in den Charts behauptete. <strong>Die</strong><br />
Single „Wonderful Life“ hielt sich ebenfalls<br />
wochenlang auf Platz zwei. Das war<br />
wohl kein Zufall, hatten Hurts doch ihr<br />
erstes Konzert überhaupt in Berlin gegeben.<br />
„Berliner sind die coolsten Menschen<br />
der Welt“, schwärmt Hutchcraft.<br />
„ Jedes Mal, wenn ich dort ausgehe, habe<br />
ich den Eindruck, dass die jungen Leute<br />
sich nur darum scheren, wie viel Spaß sie<br />
aus ihrem Leben holen können. So etwas<br />
gibt es in London oder Paris nicht.“<br />
Faible für Berlin.