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Ausstellungstafeln - Institut für Soziologie - Leibniz Universität ...

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Von der Ehe bis<br />

zur Scheidung.<br />

Veränderungen der Ge-<br />

schlechterbeziehungen<br />

Sowohl in Mexiko als auch in Hannover verän-<br />

derten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die<br />

Beziehungen zwischen den Geschlechtern und<br />

Generationen erheblich. Die Vorherrschaft des<br />

Vaters als Familienoberhaupt (pater familias)<br />

und „Herr im Haus“ blieb aber bis weit in das 20.<br />

Jahrhundert bestehen.<br />

In Mexiko senkte das Bürgerliche Gesetzbuch<br />

von 1870 das Alter der Volljährigkeit von 25 auf<br />

21 Jahre. Unverheiratete Töchter konnten ihren<br />

Wohnsitz „zum Schutz ihres guten Rufes“ hin-<br />

gegen erst ab dem 30. Lebensjahr frei wählen.<br />

In der Ehe blieb das Vermögen der Ehegatten bis<br />

1870 getrennt, die Verwaltung oblag jedoch dem<br />

Mann. Danach konnten Ehepaare zwischen ge-<br />

meinsamem Besitz und Gütertrennung wählen.<br />

Im Königreich Hannover gab es zwischen ver-<br />

heirateten Paaren zwar eine Gütergemeinschaft;<br />

die Frau durfte aber, ähnlich wie in Mexiko, über<br />

das Vermögen nicht allein verfügen.<br />

In beiden Gesellschaften erfuhren Frauen, die<br />

sich ihrem Mann nicht unterordneten, nach<br />

mehr Bildung strebten und vermeintlich die Er-<br />

ziehung ihrer Kinder vernachlässigten, gesell-<br />

schaftliche Ächtung. Die Zunahme von rechtlich<br />

anerkannten Trennungen in der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts zeigt, dass sich insbeson-<br />

dere die Erwartungen der Frauen an die Ehe ver-<br />

änderten. So wurden in Mexiko-Stadt zwischen<br />

1840 und 1857 96% der dokumentierten Tren-<br />

nungen von Frauen beantragt, im Preußen der<br />

1840er Jahre lag der Anteil immerhin bei drei<br />

Vierteln. Hatte die Ehe bis dato vor allem der<br />

Existenzsicherung gedient, erwarteten Frauen<br />

nun auch persönliche Zuneigung und waren<br />

zunehmend weniger bereit Misshandlungen<br />

hinzunehmen.<br />

Bis dass der Tod Euch<br />

scheidet?<br />

Die Trennung von Eheleuten blieb jedoch ein<br />

schwieriges Unterfangen. In Mexiko war neben<br />

der sehr selten vorkommenden Annullierung<br />

einer Ehe nach dem geltenden Kirchenrecht nur<br />

eine „Trennung von Tisch und Bett“ möglich.<br />

Eine Wiederverheiratung der Getrennten blieb<br />

selbst nach der Einführung der Zivilehe 1859<br />

und der Ziviltrennung 1870, die nun auch im ge-<br />

genseitigen Einvernehmen erfolgen konnte, bis<br />

zum Tode des Ehepartners ausgeschlossen. Erst<br />

1917 wurde die Ehescheidung ins mexikanische<br />

Recht eingeführt.<br />

Von einer Gleichberechtigung der Geschlechter<br />

konnte auch in rechtlicher Hinsicht keine Rede<br />

sein. Die Bürgerlichen Gesetzbücher Mexikos<br />

von 1870 und 1884 erkannten Ehebruch durch<br />

den Mann nur unter bestimmten Umständen als<br />

Scheidungsgrund an, Ehebruch durch die Frau<br />

dagegen grundsätzlich.<br />

In Preußen, zu dem Hannover seit 1866 gehörte,<br />

galt seit 1794 das Allgemeine Landrecht: Schei-<br />

dungen sollten „nicht anders als aus sehr erheb-<br />

lichen Ursachen stattfi nden“. Dazu zählte aber<br />

auch „unüberwindliche gegenseitige Abneigung“.<br />

Dies war eine im Vergleich ungeheuer moderne<br />

Regelung. Ehebrecher durften nicht wieder hei-<br />

raten. Scheidungsprozesse folgten dem Schuld-<br />

prinzip. Nur der unschuldige Ehepartner durfte<br />

auf Scheidung klagen. Zwischen 1844 und 1879<br />

war <strong>für</strong> jeden Scheidungsprozess die Teilnahme<br />

eines Staatsanwaltes und eines Geistlichen obli-<br />

gatorisch. Der mit einem Vetorecht ausgestatte-<br />

te Geistliche musste mit dem scheidungswilligen<br />

Ehepaar einen Sühneversuch durchführen mit<br />

dem Ziel, die Scheidung zu vermeiden.<br />

Verbindungen, in denen der Mann einem hö-<br />

heren Stand entstammte als die Frau, konnten<br />

nur als „Ehen zur linken Hand“ geschlossen wer-<br />

den. Im Gegensatz zu „Ehen zur rechten Hand“<br />

blieb die Frau weitgehend rechtlos. Das Ehever-<br />

bot wegen Ungleichheit des Standes wurde in<br />

Preußen und damit auch in Hannover erst 1869,<br />

also 48 Jahre nach der Abschaffung des Casta-<br />

Systems in Mexiko, vollständig aufgehoben. Die<br />

Einführung der Zivilehe erfolgte in Preußen und<br />

seinen Provinzen erst 1874.<br />

Abbildung 26: Berühmtes mexikanisches Ehepaar:<br />

Frida Kahlo und Diego Rivera<br />

© Historisches Seminar und <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Soziologie</strong> der <strong>Leibniz</strong> <strong>Universität</strong> Hannover, 2011

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