Radius - ZIVILSCHUTZ
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Ein Kindergartenspiel war der<br />
Einsatz in den Abruzzen nicht,<br />
auch wenn die Mitglieder des<br />
Bergrettungsdienstes (BRD) im<br />
AVS andere Szenarien als eine<br />
Zeltwiese gewöhnt sind. „Wir<br />
waren dazu da, die wichtigsten<br />
Dinge im Leben zu organisieren“,<br />
bringt Markus Hölzl den Einsatz<br />
im Camp Sant‘Elia auf den Punkt.<br />
Trinkwasserversorgung, Abwasserableitung,<br />
Erdbewegungen und<br />
Anlage von Straßen im Camp – dies<br />
waren die Tätigkeiten der ersten Einsatztage<br />
in den Abruzzen. Wie alle anderen<br />
Südtiroler Zivilschützer auch,<br />
sind die Männer des BRD am 10. April<br />
gen Süden aufgebrochen. Bis zum Beginn<br />
der Sommersaison waren sie jeweils<br />
eine Woche im Camp. Insgesamt<br />
sind rund 30 Bergretter zum Einsatz<br />
gekommen. Im Sommer wurden sie<br />
in Südtirol gebraucht, in den letzten<br />
Wochen des Camp-Abbaus waren sie<br />
dann wieder zur Stelle.<br />
Z i v i l s c h u t Z i n l ‘ a q u i l a<br />
Der bRD als Ersteinsatztruppe<br />
Gezielt bestimmte berufskategorien<br />
ins camp geschickt<br />
Hölzl: „Ab der zweiten Woche haben wir<br />
ganz gezielt Mitglieder mit bestimmten<br />
Berufen entsandt, z. B. Förster, Starkstromtechniker,<br />
Krankenpfleger oder<br />
Schlosser.“ In der Zeit unmittelbar nach<br />
dem Erdbeben war es leichter Freiwillige<br />
zu finden. „Aber wir hatten nie Probleme<br />
unser Kontingent zusammenzustellen.“<br />
Der Einsatz in den Abruzzen diente dem<br />
BRD nicht zuletzt als Bestandsaufnahme.<br />
Was können wir leisten? Wo liegen unsere<br />
Grenzen? Was können wir verbessern?<br />
„In unserer Vereinsgeschichte wurden<br />
wir viermal zu großen Erdbeben gerufen:<br />
Irpinia, Friaul, Umbrien und jetzt Abruzzen.<br />
Wir haben enorme Ressourcen und<br />
können sie zielführend einsetzen.“<br />
Was man aus dem Großeinsatz in Aquila<br />
gelernt hat? Hölzl: „Wir müssen vielleicht<br />
besser vorplanen, wie wir bei so<br />
einem Ereignis einzusetzen sind und<br />
auch besser vorbereitet sein, z. B. wissen,<br />
welches Gerät wo gelagert ist etc.“<br />
Eigentlich sei der BRD ja eine Ersteinsatztruppe<br />
und mit Lagerführung nicht<br />
befasst. „Am Anfang war deshalb alles<br />
Ein Team: die BergretterInnen vom AVS und CNSAS<br />
sehr improvisiert, wir haben lernen<br />
müssen, wie wir ein solches Event noch<br />
besser organisieren können.“<br />
Südtirol hat sich von seiner<br />
besten Seite gezeigt<br />
Insgesamt mein Hölzl sei der Abruzzen-<br />
Einsatz ein prägendes Erlebnis gewesen.<br />
„Vor allem in der Anfangszeit bebte<br />
die Erde alle Tage und wir konnten die<br />
Angst der Menschen förmlich greifen.“<br />
Jeder hat das für sich mit nach Hause<br />
genommen. Insgesamt, so Hölzl, „hat<br />
Südtirol sich sicher profiliert und von<br />
seiner besten Seite gezeigt!“<br />
Mädchen für alles – das war die<br />
Aufgabe der Bergrettungsdienste<br />
im Camp Sant´ Elia. Für die<br />
Männer des Bergrettungsdienstes<br />
im CAI, CNSAS, wird der<br />
Abruzzeneinsatz auch wegen<br />
der guten Zusammenarbeit aller<br />
Gruppen im Camp unvergesslich<br />
bleiben.<br />
Normalerweise retten sie Menschenleben,<br />
wenn sie im Einsatz<br />
sind, nicht selten auch unter Einsatz<br />
des eigenen Lebens. Seilen sich an<br />
steilen Wänden ab oder bergen Lawinenopfer.<br />
In den Abruzzen hingegen<br />
halfen sie den Alltag wieder mit aufzubauen.<br />
Infrastrukturen schaffen,<br />
Stromkabel, Abwasser- und Starkstromleitungen<br />
verlegen. Von Vorteil<br />
war dabei, wie nebenbei bei allen anderen<br />
Zivilschutzgruppen auch, dass<br />
die Mitglieder aus den verschiedensten<br />
Berufsgruppen kommen.<br />
Florian Seebacher von der Zentrale in<br />
Bozen erinnert sich, dass aus den 600<br />
zur Verfügung stehenden Freiwilligen bewusst<br />
die Berufsgruppen für den Einsatz<br />
im Camp ausgesucht wurden, die es gerade<br />
am nötigsten brauchte: Starkstromtechniker,<br />
Installateure, Tischler usw.<br />
Psychische belastung<br />
Nachdem das Lager eingerichtet war,<br />
wurden die Mitglieder des CNSAS bei<br />
der Kontrolle des Camps eingesetzt, bei<br />
der Essensausgabe bzw. in der Campverwaltung.<br />
Für die Bergretter war der<br />
Einsatz im Erdbebengebiet eine nicht<br />
unerhebliche Belastung. Seebacher:<br />
„Unsere Leute waren jeweils eine Woche<br />
im Einsatz, viele sind auch zweimal hi-<br />
Z i v i l s c h u t Z i n l ‘ a q u i l a<br />
Mädchen für alles<br />
nunter. Für uns war es nicht leicht, den<br />
Kontakt mit diesen erdbebengeschüttelten<br />
Menschen zu verarbeiten, die von<br />
einem Augenblick zum anderen alles<br />
verloren haben.“ Im gewohnten Einsatz<br />
erlebt ein Bergretter solche Situationen<br />
nicht. Im Sommer wurde der Bergret-<br />
tungsdienst dann abgezogen, um von<br />
Mitte September bis Mitte Oktober den<br />
Dienst wieder aufzunehmen und beim<br />
Camp-Abbau zu helfen. Rückblickend<br />
stellt Seebacher fest: „Für uns war es<br />
eine insgesamt positive Erfahrung, weil<br />
unsere Freiwilligen in der Lage waren,<br />
sich positiv einzubringen und konkret<br />
etwas zu bewirken. Das war ein viel<br />
greifbareres Erfolgserlebnis als nur<br />
materielle Hilfe zu leisten.“<br />
Alle ziehen an einem Strick<br />
Positiver Nebeneffekt des Abruzzeneinsatzes:<br />
„Es hat uns gut getan, über lange<br />
Zeit mit den anderen Organisationen eng<br />
zusammenzuarbeiten, vor allem weil<br />
sämtliche Rivalitäten, auch zwischen<br />
deutschen und italienischen Gruppen,<br />
völlig beiseite gelassen wurden!“<br />
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