Radius - ZIVILSCHUTZ
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p a g i n i e r u n g<br />
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10 11 12<br />
Matteo und Andreas,<br />
die „direttori“<br />
Vierzehn Wochen waren sie im<br />
Zeltlager Sant´ Elia, Matteo<br />
und Andreas, die beiden<br />
Abgeordneten der Abteilung<br />
Zivilschutz, die über lange Zeit<br />
das Zeltlager geleitet haben. Und<br />
nicht nur: Sie waren es, die den<br />
Platz ausgesucht haben und sie<br />
gehörten auch zum letzten Zug,<br />
der nach Schließung des Lagers<br />
wieder gen Südtirol rollte.<br />
Wenn man mit Matteo Vischi und<br />
Andreas Simmerle redet, fallen<br />
einem zwei Dinge besonders auf oder<br />
besser drei: Sie sind perfekt aufeinander<br />
eingespielt, ergänzen sich auch im<br />
Erzählfluss. Sie haben beide eine außerordentliche<br />
Sozialkompetenz und<br />
sie sind Zivilschützer mit Leib und<br />
Seele. Die Monate in den Abruzzen<br />
haben sie geprägt.<br />
Die Wiese auf der das Zeltlager entstanden<br />
ist, das die Bewohner des Weilers<br />
Sant´ Elia aufgenommen hat, war<br />
ideal. Leichte Hanglage, so dass das<br />
Regenwasser ablaufen konnte, frei, so<br />
dass die Nachbeben keinen Schaden<br />
anrichten konnten, mit schneebedeckten<br />
Bergen im Hintergrund. „Mitten im<br />
Grünen, ideal auch für uns, sowohl von<br />
der Lage her, als auch von der Struktur<br />
der Bewohner, Landbevölkerung mit<br />
starker Dorfgemeinschaft.“ Wie in Südtirol<br />
eben. Matteo erinnert sich, dass<br />
eine Zivilschutzgruppe aus Mailand ein<br />
Lager auf einem großen Kinoparkplatz<br />
geführt hat, Bewohner eines Stadtviertels<br />
von Aquila. „Mitten im Asphalt,<br />
städtisch und multiethnisch, das hat zu<br />
denen gepasst wie Sant´ Elia zu uns.“<br />
Am Tag nach dem beben vor Ort<br />
Matteo und Andreas gehörten zum ersten<br />
Trupp, der schon am Tag nach dem<br />
Beben vor Ort eintraf. Eine Gruppe aus<br />
dem Friaul hatte schon mit dem Aufbau<br />
der Zelte begonnen. Die beiden Südtiroler<br />
Zivilschützer ließen sich auch von den<br />
drängenden Nachfragen aus Bozen zunächst<br />
nicht aus der Ruhe bringen. „Wir<br />
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wollten zuerst verstehen, was es brauchte<br />
und was wir tatsächlich für Dienste anbieten<br />
können.“ Nach 36 Stunden hatten<br />
sie Auftrag und Ort ausfindig gemacht,<br />
am 9. April, zweieinhalb Tage nach dem<br />
Erdbeben setzte sich die erste große Kolonne<br />
aus Südtirol in Bewegung, am Karfreitag<br />
waren sie da und im Handumdrehen<br />
wurden Mensa, Küchenzelt, sanitäre<br />
Strukturen, Wasser- und Stromleitungen<br />
aufgebaut und verlegt. „Der erste Trupp<br />
bestand aus 85 Personen, das Lager wurde<br />
zunächst für die Aufnahme von 600<br />
Personen geplant.“<br />
Matteo und Andreas vermittelten, organisierten<br />
und waren von Anfang an<br />
darauf bedacht, auch die Lagerbevölkerung<br />
in die Arbeiten mit einzubeziehen.<br />
„Passivität ist das Schlimmste für<br />
die Leute.“ Von wegen Arbeitstag nach<br />
Provinzstundenplan. In der Früh ging<br />
es auf und gearbeitet wurde bis Einbruch<br />
der Dunkelheit oder auch noch<br />
danach. „Wir waren immer die Letzten,<br />
die zum Essen kamen, kalte Pasta und<br />
was sonst noch übrig war.“<br />
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6 06/2010<br />
06/2010 7<br />
1<br />
1 Eingang, Collevernescostraße 7 Zelte für Bewohner - Sektor 2<br />
2 Direktion und Rezeption 8 Mülldeponie<br />
3 Zelte für das Personal (Hilfszug Südtirol) 9 Küche und Mensa<br />
4 Behandlungsplatz (Krankenstation) 10 Zelte für Bewohner - Sektor 1<br />
5 Materiallager, Werkstatt 11 Spielplatz, Treffpunkt<br />
6 Sanitäranlagen, Duschen, Wäscherei 12 Parkplatz und Sektor für Caravan<br />
Perfekte Zusammenarbeit<br />
vom ersten Tag an<br />
Ein fixer Termin jeden Abend vor dem<br />
Schlafengehen: das informelle Treffen mit<br />
allen Gruppenleitern um den Tag Revue<br />
passieren zu lassen und vorzuplanen. „Es<br />
galt jeden Tag zu improvisieren, aber wir<br />
waren immer bereit und vor allem hat<br />
die Zusammenarbeit vom ersten Tag an<br />
perfekt geklappt.“ Eventuelle Reibereien<br />
oder Eifersüchteleien, wie sie vielleicht<br />
in der Heimat zwischen der einen oder<br />
anderen Gruppe auftreten, hatten keinen<br />
Platz. Die Zivilschützer nahmen im Übrigen<br />
am Lagerleben teil, wie die Bewohner<br />
auch. Gemeinsames Essen im Zelt, nicht<br />
ohne vorher die Hände mit „Amuchina“<br />
desinfiziert zu haben. Schlange vor den<br />
Duschen. Unterbringung im Zelt.<br />
Eine kompakte Dorfgemeinschaft<br />
Abgesehen von Alltagsproblemen, einem<br />
Rohrbruch, einer defekten Leitung<br />
oder Klimaanlage, gab es kaum Proble-<br />
me in Sant´ Elia. „Wir hatten es mit einer<br />
kompakten Dorfgemeinschaft zu tun.“<br />
Bei der Zeltverteilung war auf die vorher<br />
bestehenden Nachbarschaften und<br />
Viertel Rücksicht genommen worden.<br />
Ältere, kranke oder behinderte Men-<br />
schen wurden in der Nähe der Nasszellen<br />
untergebracht. Die Mensa war im<br />
Zentrum des Lagers aufgebaut. Jedes<br />
der 250 kg schweren Zelte nahm eine<br />
Familie auf. Wegen der großen Temperaturunterschiede<br />
waren die Zelte mit<br />
Klimaanlage und Heizung ausgestattet.<br />
„Schon nach wenigen Tagen begannen<br />
die Ersten, ihre Zelte mit Dingen zu<br />
schmücken, die sie gerettet haben: einem<br />
Teppich, dem Fernseher, Blumen.“<br />
Die Freiwilligen der Funknotrufgruppe<br />
hatten zu Beginn den Wachdienst<br />
gegen Diebstahl übernommen. Nach<br />
und nach übernahmen das die Einwohner.<br />
Aber abhanden gekommen<br />
ist nie etwas. Wer ins Lager eintrat,<br />
musste sich registrieren lassen, auch<br />
das übernahmen bald die Bewohner.<br />
Einer der ersten Bürger von Sant´ Elia,<br />
der bei den Südtiroler Zivilschützern<br />
vorstellig geworden war, um diverse<br />
Anliegen im Namen der Gemeinschaft<br />
vorzubringen, wurde kurzerhand zum<br />
Lagerleiter ernannt, Silvio Ciocca.<br />
Lachende Gesichter überall<br />
Matteo Vischi: „Was mich immer wieder<br />
begeistert hat, war unsere Freiwilligen<br />
am Improvisieren zu sehen,<br />
für jedes Problem wurde sofort eine<br />
Lösung gefunden. Alle waren hochmotiviert.“<br />
Die Erinnerungsfotos beweisen<br />
es: lachende Gesichter überall.<br />
Auch der Spaß kam nicht zu kurz. Eine<br />
Clowngruppe der Medicus Comicus<br />
und andere Clowns erheiterten nicht<br />
nur die Lagerbewohner und deren<br />
Kinder, sondern auch die freiwilligen<br />
Helfer aus Südtirol.