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Kultur 33<br />
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Seniorenbüros im Rahmen der Spielberg-<br />
Stiftung Kontakte zu Alfred Cahn als Zeitzeugen<br />
hergestellt, ihn zweimal besucht<br />
und interviewt hatte. Die Gespräche wurden<br />
in einer Zeitungsserie von Ferdinand<br />
Schlickel und Ria Krampitz in der Rheinpfalz<br />
2000 veröffentlicht. In dieser Zeit<br />
findet eine intensive Wiederbegegnung<br />
zwischen Alfred Cahn und seiner alten<br />
Heimat statt, die bis heute Früchte trägt.<br />
Persönlich ist er danach nicht mehr zurückgekehrt:<br />
„<strong>Speyer</strong> ist wieder mehr als<br />
meine ehemalige Heimat – aber es ist zu<br />
spät, zurück zu kommen.“<br />
Wäre Alfred Cahn nur einer der vielen<br />
Deportierten, würde die Zeit schnell über<br />
ihn hinweggehen. Als schöpferischer Musiker<br />
jedoch hat er sich in die Annalen<br />
der Stadt <strong>Speyer</strong> eingeschrieben. Er ahnte<br />
diese Verbindung selbst, als er formulierte:<br />
„Man hat einmal versucht, die<br />
Wurzeln, die uns mit <strong>Speyer</strong> und dieser<br />
Gegend seit Jahrhunderten verbunden<br />
haben, mit Gewalt zu sprengen und zu<br />
vernichten. Es ist nicht gelungen. Aber<br />
ohne meine Musik wäre ich heute wohl<br />
nicht hier.“ Es sind insbesondere drei<br />
Werke, die für das Amalgam "Cahn und<br />
<strong>Speyer</strong>" stehen:<br />
Zur Hundertjahrfeier der (neuen, zweiten)<br />
Synagoge in <strong>Speyer</strong> darf der junge<br />
Alfred Cahn in der Festveranstaltung am<br />
28. November 1937 das Kulturbundorchester<br />
Mannheim auf der Orgel begleiten.<br />
Das Werk ist mit „Kol Haschanah“<br />
(„Die Stimme des Jahres“) überschrieben<br />
und enthält eine Zusammenstellung von<br />
jüdischen liturgischen Melodien. In der<br />
Pogromnacht 1938 geht die <strong>Speyer</strong>er<br />
Synagoge in Flammen auf; auch das Manuskript<br />
des „Kol Haschanah“ fällt der<br />
Ausschreitung zum Opfer. Doch Alfred<br />
Cahn wird diese Musik lebenslang in<br />
Kopf und Herz bewahren. Bei seiner<br />
Rückkehr nach <strong>Speyer</strong> spielt er sie hier<br />
mehrfach nach dem Gedächtnis und rekonstruiert<br />
sie - nach mehr als 60 Jahren - für<br />
eine Druckausgabe.<br />
Als am 19. Oktober 2000 der Historische<br />
Verein der Pfalz die Gedenkveranstaltung<br />
„60. Jahrestag der Deportation der jüdischen<br />
Pfälzerinnen und Pfälzer nach Gurs“<br />
im Alten Stadtsaal in <strong>Speyer</strong> ausrichtet,<br />
steht ein anderes Werk im Mittelpunkt. Im<br />
Lager Gurs, wo die Deportierten unter Hunger,<br />
Trennung der Familien und schrecklichen<br />
hygienischen Bedingungen litten, hatte<br />
Alfred Cahn einen Kinderchor gegründet,<br />
mit dem er den Kindern, darunter viele<br />
<strong>Speyer</strong>er, über das Elend des Lagerlebens<br />
hinweghelfen, einen Rest ihrer Menschenwürde<br />
bewahren wollte. Für ihn schrieb er<br />
1941 den Liedsatz „Wir sind ganz junge<br />
Bäumchen“, in dem metaphorisch die<br />
Zwangsentwurzelung und die Sehnsucht<br />
nach einer neuen, sicheren, freundlicheren<br />
Heimat artikuliert wird. In dieser Gedenkveranstaltung<br />
tragen Chor und Orchester<br />
des NvWGSp dieses Lied erstmals in <strong>Speyer</strong>