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58 Reisen<br />
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Das Brauchtum lebt im Appenzeller Land<br />
…als wäre die Zeit stehen geblieben<br />
Reich an Vergangenheit - echt bis heute.<br />
Vielerorts sind noch Handwerker in Berufen<br />
tätig, die anderswo längst verschwunden<br />
sind: ein glänzendes Hackbrett,<br />
ziselierte Gürtel, geküferte Fahreimer,<br />
geschnitzte Lindauerli, ein fein besticktes<br />
Tuch, ein wunderschön gemaltes<br />
Bild – die Auswahl an Kostbarkeiten ist<br />
groß. Doch das traditionelle Handwerk ist<br />
nicht nur schön anzuschauen, es zeichnet<br />
sich auch immer durch hohe Funktionalität<br />
aus. So verwundert es kaum, dass die<br />
geschickt gefertigten Gegenstände bis<br />
heute im täglichen Gebrauch verwendet<br />
werden. Die Menschen hier schauen auf<br />
das Wesentliche, offenbaren beim Arbeiten<br />
ihre große Liebe zum Detail. Hier ist<br />
es eine geschnitzte Verzierung, da eine<br />
besondere Malerei, dort ein farbenprächtiges<br />
Devisli.<br />
Machen wir uns auf und besuchen Handwerker,<br />
die fast schon vergessen sind.<br />
Zuerst schauen wir bei Vreny Eugster-<br />
Dörig vorbei und bestaunen die Herstellung<br />
von „Devisli“-ein besonderer<br />
Schmuck für Christbaum und die Clausezüüg.<br />
Die ersten Devisli in Appenzell wurden<br />
um 1860 von einem deutschen<br />
Konditor namens Grob nach dem Vorbild<br />
der süddeutschen Anisbrötchen, den<br />
„Springerli“ hergestellt. Nach dessen Tod<br />
führte die Familie von Maria Lutz-Fanoni<br />
die Devisli-Produktion weiter. Die Devisli<br />
der Familie Lutz entstanden zwischen<br />
1920 und 1940 und wurden mit Modeln<br />
geprägt und anschliessend auf einfache<br />
Art bemalt. Eine neue und eigenständige<br />
Technik entwickelte um 1980 Vreny<br />
Eugster-Dörig. Sie modelliert Figürchen<br />
frei aus der Hand - ihr einziges Werkzeug<br />
ist ein Zahnstocher - und platziert sie an<br />
schliessend auf einem vorher gefertigten<br />
und getrockneten Zuckerteigboden. Zu<br />
letzt werden die Zuckergebilde kunstvoll<br />
bemalt. Der Name Devisli leitet sich von<br />
Sinnsprüchen (Devisen) ab, mit denen die<br />
Zuckerbilder früher öfters versehen waren.<br />
Alles über die Appenzeller „Chlauserzüüg“<br />
und „Chlausebickli“ erfahren wir im Cafe-<br />
Konditorei-Confiserie bei Willy Fässler. Der<br />
Clauserzüüg ist ein alter Appenzeller Weihnachtsbrauch.<br />
Früher bekamen die Kinder<br />
in der Vorweihnachtszeit fürs Artigsein von<br />
den Eltern, Paten und Nachbarn einen<br />
Chlausebickli geschenkt. Das sind ungefüllte<br />
Lebkuchen, die mittels einer Schablone mit<br />
Zuckerglasur übergossen und anschliessend<br />
von Hand kunstvoll bemalt werden. Als Motive<br />
für die Bemalung dienen hauptsächlich<br />
Szenen aus dem bäuerlichen Alltag, selten<br />
Darstellungen aus der Weihnachtsgeschichte.<br />
Ab Allerheiligen sind diese Bickli in den<br />
Konditoreien Fässler und Laimbacher erhältlich.<br />
Diese Bickli wurden von den Kindern nicht<br />
etwa aufgegessen, sondern zwischen die<br />
Fenster auf und ausgestellt. So konnte man<br />
von außen sehen, wie artig die Kinder ge-