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GEERENPOST - Alterszentrum im Geeren

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Artikel erschienen <strong>im</strong> NOVA, Fachzeitschrift für Pflege und Betreuung, 11/12 2010.<br />

Eine E Antwort auf<br />

spirituelle Bedürfnisse<br />

Gottesdienst für Menschen mit Demenz<br />

Wie gesund ist ein Mensch mit Demenz, wer erkennt seine körperlichen und seelischen<br />

Bedürfnisse? Im <strong>Alterszentrum</strong> <strong>im</strong> <strong>Geeren</strong> in Seuzach wird seit einem Jahr einmal monatlich<br />

ein spezieller Gottesdienst für Menschen mit Demenz angeboten. Ruth Gygax<br />

RRuth<br />

Gygax ist dipl.<br />

Pflegefachfrau und dipl.<br />

Gerontologin mit Zertifikat<br />

als Dementia-care-<br />

Evaluatorin. Sie unterrichtet<br />

Person zentrierte<br />

und validierende Pflege<br />

und arbeitet mit der<br />

DCM-Methode nach Kitwood<br />

in verschiedenen<br />

Institutionen.<br />

geht es Ihnen?» – «Danke es, geht<br />

mir gut.» – «Sie sind gesund und<br />

«Wie<br />

glücklich?» – «Ja und nein, für meine<br />

alltäglichen Gesundheitsprobleme habe ich den<br />

Hausarzt und für mein Rheuma den Spezialisten,<br />

die psychischen Schwankungen bespreche ich mit<br />

meiner Therapeutin, und ich gehe in die Selbsterfahrungsgruppe.<br />

So alle zwei Monate gönne ich mir<br />

ein verlängertes Wellness-Wochenende, und wenn<br />

ich demnächst Glück habe <strong>im</strong> Lotto, na ja dann…»<br />

Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von<br />

Krankheit. Gesundheit bedeutet körperliches, seelisches<br />

und soziales Wohlbefinden. Wie gesund ist<br />

ein Mensch mit Demenz, wer erkennt seine körperlichen<br />

und seelischen Bedürfnisse?<br />

Spiritualität wird zum Thema Inspiriert durch die<br />

Tagung «Spirituelle Bedürfnisse von Menschen mit<br />

Demenz» am 4. Juli 2009 in Zürich haben sich <strong>im</strong><br />

<strong>Alterszentrum</strong> <strong>im</strong> <strong>Geeren</strong> die zwölf Absolventinnen<br />

und Absolventen dieser Tagung des Themas angenommen.<br />

Für die Zentrumsleiterin Susanne Nieder-<br />

Die Erfahrung eines Gottesdienstes<br />

Ich gehe am Rollator, ich weiss nicht wohin, ist die Frau an meiner Seite meine Tochter oder<br />

meine Mutter?<br />

Ich höre Glockengeläute, ist Neujahr? Wir gehen in einen Raum, da sind schon Leute, einige<br />

kommen mir bekannt vor. Meine Begleiterin und ich setzen uns auf einen freien Stuhl, ich bin<br />

froh, dass sie bei mir bleibt, ich habe Angst, wenn ich alleine bin.<br />

Ich sehe farbige Fenster, eine Kerze, ich höre Musik, ein angenehmes Wohlgefühl umhüllt<br />

mich. Ein schwarz gekleideter Mann begrüsst mich freundlich, er kennt meinen Namen, das<br />

ist wohl der Kaminfeger. Er spricht langsam, ich kann nicht alles verstehen, was er sagt, doch<br />

seine St<strong>im</strong>me klingt warm und sicher.<br />

Wir singen, ich kenne das Lied, aber mein Mund bleibt stumm, meine Lippen suchen<br />

vergebens mitzuhalten, doch, doch ich kenne das Lied, ich kann nur gerade nicht sagen,<br />

wie es heisst, es singt in mir. Meine Augen sehen viele frohe Farben.<br />

Nun n<strong>im</strong>mt der schwarze Mann die Giesskanne und gibt den Pflanzen Wasser. Aha, es ist eine<br />

Taufe? Wird unser Kind getauft? Dort sitzt auch mein Mann, er hat das guttuchene Sonntagsgewand<br />

an. Ich erinnere mich an den trocken Sommer, wo alles verdorrt war, Angst macht<br />

sich in mir breit. Wasser, kein Wasser, ich will aufstehen, da streckt mir die Mutter-Person<br />

neben mir ihre Hand hin, ich ergreife sie, und nun höre ich auch wieder, dass sie singen. Sie<br />

gibt mir ein Blatt, und ich falte es schön zusammen und stecke es in meine Tasche, die Orgel<br />

spielt, ich schliesse die Augen, und die Wogen des Wohlgefühls wiegen mich ein, als wäre ich<br />

das Kind, das eben getauft wurde.<br />

Gesungen wurde unter anderem: «Geh aus mein Herz und suche Freud».<br />

mann war klar: «Religiosität und Spiritualität sind<br />

auch bei uns noch ein Stiefkind.»<br />

Im Oktober 2009 wurden alle Mitarbeitenden,<br />

freiwillige Helferinnen und Helfer, die Angehörigen<br />

der Bewohnenden und andere Interessierte eingeladen<br />

zu einer Weiterbildung über das Thema «Spirituelle<br />

Bedürfnisse von Menschen mit Demenz».<br />

Professor Dr. Ralph Kunz hielt ein Referat, und die<br />

Projektgruppe «Gottesdienste für Menschen mit<br />

Demenz» stellte den zahlreichen Anwesenden ihre<br />

Ideen vor. Seither hat die Arbeitsgruppe, bestehend<br />

aus der Leiterin Susanne Niedermann, vier engagierten<br />

Mitarbeiterinnen aus den Bereichen Pflege<br />

und Aktivierung sowie dem katholischen und dem<br />

reformierten Pfarrer der Gemeinde, für jeden Monat<br />

einen speziellen Gottesdienst vorbereitet und<br />

begleitet.<br />

Die He<strong>im</strong>kultur <strong>im</strong> <strong>Geeren</strong> ist getragen von der<br />

Person zentrierten, validierenden Haltung in der<br />

Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz<br />

und wird regelmässig mit der DCM-Methode erfasst,<br />

evaluiert und verbessert. Mit dieser nach Tom Kitwood<br />

erarbeiteten Haltung werden sehr spezielle, die<br />

Sinne ansprechende, die Biografie der Teilnehmenden<br />

einbezogene, in der Sprache sehr verständliche<br />

(kurze, langsame Sätze) Gottesdienste angeboten.<br />

Wo Erklärungen nicht mehr ankommen, können<br />

wir die Sinne ansprechen, wo Worte sich <strong>im</strong><br />

Nebel verlieren, können Emotionen Licht schaffen.<br />

Beschreibung eines Gottesdienstes Das Geläut<br />

von Kirchenglocken begleitet die Gäste in den<br />

Raum. Mit Rollatoren, Arm in Arm mit einer Betreuungsperson<br />

oder auch noch ganz selbstständig<br />

finden sich 30 bis 40 Leute zusammen, die vom<br />

Pfarrer herzlich begrüsst werden. Zwei lange, aufgehängte<br />

Tücher mit den Motiven eines Kirchenfensters,<br />

ein Tisch mit einer Kerze und je nach Thema<br />

zusätzliche Gegenstände wie Luftballone, ein Wagen<br />

mit Kräutern und Pflanzen, ein grosser Haufen<br />

Steine usw. symbolisieren: Wir sind in einer Kirche.<br />

Nach dem Glockengeläut ertönt Orgelmusik.<br />

Ich beschreibe nachstehend (vgl. Kasten), wie<br />

eine Person mit fortgeschrittener Demenz so einen<br />

speziellen Gottesdienst erlebt haben könnte, indem<br />

ich meine eigene dichterische Fantasie einsetze.

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