Menschen in der Stiftung MBF – ihr Leben, ihre Sorgen, ihre ...
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Was wir von unsern Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohnern lernen können<br />
Was mögen wohl unsere Bewohner und Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
jeweils denken und fühlen, wenn sie hören: «Wir gehen <strong>in</strong><br />
die Ferien, wir gehen <strong>in</strong>s Lager»?<br />
Immer näher kommt <strong>der</strong> Term<strong>in</strong>, immer öfter ist davon die<br />
Rede: Woh<strong>in</strong>? Wann? Wer kommt mit? Was werden wir<br />
machen? Manchmal wird es e<strong>in</strong> wenig unruhig davor: Es<br />
wird diskutiert, entschieden, gebucht und <strong>in</strong>formiert. Ausweise<br />
und Unterlagen werden auf den neuesten Stand<br />
gebracht, Checklisten abgearbeitet, Risiken überlegt. Die<br />
Reiseroute und das Programm werden geplant, am Arbeitsplatz<br />
werden Ferien e<strong>in</strong>gegeben, <strong>der</strong> Notfallkoffer<br />
kontrolliert sowie das Gruppenhandy aufgeladen. Die Fotokamera<br />
muss auch mit und endlich wird gepackt, die<br />
Zimmer müssen für die jährliche Re<strong>in</strong>igung vorbereitet<br />
werden, das Büro wird zum Lagerraum für alle die D<strong>in</strong>ge,<br />
die mitmüssen, und endlich, endlich wird <strong>der</strong> Bus beladen<br />
und <strong>der</strong> Lunch e<strong>in</strong>gepackt. Wir steigen e<strong>in</strong> <strong>–</strong> alle angeschnallt<br />
und alles da, fertig, los!<br />
Wozu eigentlich? Könnten wir nicht auch zu Hause Ferien<br />
machen? Auch wenn <strong>Menschen</strong> mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung zu<br />
Recht e<strong>in</strong>e Rente zugesprochen haben, Unterstützung bekommen<br />
und <strong>in</strong> vielem für sie gesorgt wird, ist <strong>der</strong> Alltag<br />
für sie so anstrengend wie für uns auch, manchmal durch<br />
die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung vielleicht noch anstrengen<strong>der</strong>. Und<br />
manchmal ist es e<strong>in</strong>tönig am Arbeitsplatz und zu Hause,<br />
wie für uns manchmal auch.<br />
Es braucht viele Überlegungen und e<strong>in</strong>e gute Planung, e<strong>in</strong><br />
Lager durchzuführen. Verschiedenste Bedürfnisse und<br />
Risiken müssen überdacht se<strong>in</strong>. Wir Betreuer<strong>in</strong>nen und<br />
Betreuer müssen bereit se<strong>in</strong>, grosse Verantwortung zu<br />
übernehmen und e<strong>in</strong>en grossen Arbeitse<strong>in</strong>satz zu leisten.<br />
Wir s<strong>in</strong>d dazu bereit.<br />
Weil es unser Ziel ist, dass unsere Bewohner und Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong> so normales <strong>Leben</strong> wie möglich führen können.<br />
Dazu gehört nicht nur die Unterstützung im Alltag, Wohnen,<br />
Arbeiten, Beschäftigung, Bewältigung, Begleitung und Unterstützung<br />
sowie Freizeit. Dazu gehören auch Ferien!<br />
Ferien, das ist Abwechslung, aber auch Freude, Erlebnisse,<br />
E<strong>in</strong>drücke, Integration, Erholung, Ruhe, Bereicherung,<br />
Neues, Erfahrungen, Geme<strong>in</strong>schaft, Begegnungen, Glück.<br />
Und wie war es nun? E<strong>in</strong> Rückblick:<br />
Was wir, was die Gesellschaft von <strong>Menschen</strong> mit e<strong>in</strong>er<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung lernen kann?<br />
Wir können lernen, Geduld zu haben. Es gibt e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />
Zeitbewusstse<strong>in</strong> im <strong>Leben</strong> vieler <strong>Menschen</strong> mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung.<br />
Mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung zu leben bedeutet oft, <strong>in</strong><br />
vielem langsamer zu se<strong>in</strong>, für die alltäglichen D<strong>in</strong>ge mehr<br />
Zeit zu brauchen und für ausserordentliche D<strong>in</strong>ge noch<br />
mehr Zeit. Wir können lernen, im Hier und Jetzt zu leben.<br />
Es ist <strong>der</strong> Augenblick, <strong>der</strong> zählt.<br />
Was gestern war, hat uns geprägt und wir haben aus Erfahrungen<br />
gelernt <strong>–</strong> wir alle. Was heute ist, wird uns für<br />
morgen prägen. Darum ist das Heute wichtig. Was<br />
kommen wird, wissen wir alle nicht. Das Heute zu bewältigen,<br />
ist Herausfor<strong>der</strong>ung genug <strong>–</strong> und wenn es gel<strong>in</strong>gt,<br />
hat dies e<strong>in</strong>en guten E<strong>in</strong>fluss auf das, was kommt. Mehr<br />
können wir nicht tun. Was nicht heisst, dass wir nicht vorausdenken<br />
und vorsorgen sollen. Nur, wir sollen vor lauter<br />
Gedanken und <strong>Sorgen</strong> nicht vergessen, hier und heute zu<br />
leben, das <strong>Leben</strong> zu geniessen!<br />
Die Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner <strong>der</strong> WG Rot verbr<strong>in</strong>gen glück -<br />
liche Stunden im Lager<br />
Wir können lernen, dass Beziehungen mit an<strong>der</strong>en <strong>Menschen</strong><br />
das Wichtigste s<strong>in</strong>d im <strong>Leben</strong>. Darum s<strong>in</strong>d es<br />
Begegnungen, Beziehungen, Geme<strong>in</strong>schaft, Dazugehören,<br />
Aufgehoben se<strong>in</strong> mit und bei an<strong>der</strong>en <strong>Menschen</strong>, was<br />
glücklich macht. Wir haben erlebt <strong>in</strong> diesen Ferien, dass<br />
es möglich ist, mit letztlich doch zufällig zusammengekommenen<br />
und unterschiedlichsten <strong>Menschen</strong> ohne Konflikte<br />
schwierige Situationen zu meistern und viel Schönes zu<br />
erleben. Wir haben erlebt, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe immer<br />
Rücksicht genommen wird auf das schwächste Mitglied <strong>–</strong><br />
und dass das schwächste Mitglied nicht immer das<br />
Gleiche ist. Was <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e kann, kann <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e nicht,<br />
was die an<strong>der</strong>e kann, kann die e<strong>in</strong>e nicht. Wir haben alle<br />
Stärken und Schwächen und s<strong>in</strong>d alle froh, wenn die<br />
an<strong>der</strong>en Rücksicht auf unsere Schwächen nehmen. Wir<br />
haben auch erlebt, wie alle aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> schauen und e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
helfen - und wenn es nur das Aufheben e<strong>in</strong>es<br />
Stück Brotes ist, das auf den Boden gefallen ist, o<strong>der</strong> das<br />
Ausleihen e<strong>in</strong>es Gegenstandes, den <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gerade<br />
brauchen kann. Warten können, aufmerksam se<strong>in</strong> auf die<br />
Bedürfnisse <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, Schönes teilen, lachen.<br />
Wir können lernen, wie anspruchslos Glück ist und wie es<br />
<strong>in</strong> den kle<strong>in</strong>en D<strong>in</strong>gen liegt. Es waren ke<strong>in</strong>e Luxusferien.<br />
Die Zimmer haben wir geteilt, das Frühstück selbst zu -<br />
bereitet, den notwendigen Alltagsputz gemacht, den<br />
Tages bedarf e<strong>in</strong>gekauft, Wäsche besorgt, e<strong>in</strong>fach ge -<br />
gessen und den Aufenthaltsraum geteilt.<br />
Glück war, die Geme<strong>in</strong>schaft mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, Zeit haben für<br />
alle, Sonnenstrahlen, Feuer im Kam<strong>in</strong>, Vogelstimmen und<br />
die Sterne am Himmel, Landschaft und die Lebewesen<br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft, e<strong>in</strong> Spiel- und Discoabend, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>oabend<br />
zu Hause im Aufenthaltsraum, zwei tolle Ausflüge<br />
und e<strong>in</strong> gemütlicher Tag auf dem Hof, unser E<strong>in</strong>trudel -<br />
frühstück, Glacé, zwei Mittagessen im Gartenrestaurant<br />
und e<strong>in</strong>fache Mahlzeiten am Abend im schönen Essraum<br />
des Ferienhofes. Glück ist, dass wir alle gesund und zufrieden<br />
wie<strong>der</strong> zu Hause s<strong>in</strong>d.<br />
Judith Dick<br />
Betreuer<strong>in</strong> WG Rot<br />
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