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Spezial - Volkshochschule Reutlingen GmbH

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36 Im Gespräch<br />

37<br />

Wie beeinflusst Analphabetismus den Alltag eines Menschen?<br />

Eine Lese­ und Schreibschwäche beeinträchtigt auf vielfache Weise. Wir können<br />

uns das gar nicht vorstellen, weil für uns vieles selbstverständlich ist. Wir müssen<br />

uns nicht merken, wie das Emblem einer bestimmten Marke aussieht, oder<br />

die Verpackung. Wir lesen das einfach. Wir machen uns einen Einkaufszettel und<br />

müssen uns die Liste nicht im Kopf merken. Auch das Vergleichen von Preisen ist<br />

für uns kein Problem. Analphabeten müssen sich für all das Strategien ausdenken.<br />

Sie haben oft ein sehr gutes Gedächtnis.<br />

Wieso bleiben Analphabeten so lange unentdeckt?<br />

Menschen mit Analphabetismus delegieren viel. Beim Gang zu einer Behörde hat<br />

man seine Brille nicht dabei und bittet den Beamten, das Schreiben vorzulesen.<br />

Oder man hat die Hand verbunden und kann darum nicht schreiben. Manche<br />

schicken auch den Ehepartner vor – und begeben sich so in eine heikle Abhängigkeit.<br />

Dazu kommt, dass Analphabetismus immer noch ein Tabu ist. Nur wenige<br />

haben den Mut, die Umwelt über ihre Schwäche zu informieren. Analphabetismus<br />

gilt für viele – auch für die Betroffenen – immer noch als Dummheit. Man fühlt<br />

sich ziemlich klein und nichtig, wenn alle um einen herum lesen und schreiben<br />

können, nur man selbst kann es nicht.<br />

Was bewegt die Menschen, letztlich doch einen<br />

Alphabetisierungskurs zu besuchen?<br />

Es geht ganz viel um Unabhängigkeit. Meine Schüler wollen selbstbewusster werden,<br />

selbständiger. Für den konkreten Schritt sind oft Lebensumbrüche ausschlaggebend.<br />

Die Männer sind etwa von Arbeitslosigkeit bedroht oder arbeitslos geworden.<br />

Sie erhoffen sich von dem Kurs berechtigterweise eine Verbesserung ihrer<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt aber auch familiäre Gründe: Zwei meiner<br />

Schüler zum Beispiel wollen Lesen und Schreiben lernen, um ihre Kinder in der<br />

Schule unterstützen zu können. Das finde ich ganz enorm.<br />

Und was ist mit den Frauen?<br />

Alphabetisierungskurse werden in der Regel mehr von Männern besucht. Frauen<br />

sind unterrepräsentiert. Sie ziehen sich auf das alte Rollenbild zurück und werden<br />

Hausfrau und Mutter. Darum erreichen wir sie viel schlechter als Männer. In meinem<br />

aktuellen Kurs sitzt neben drei Männern nur eine Frau.<br />

Wie lange brauchen Ihre Schüler, bis sie lesen und schreiben können?<br />

Das hängt von den Vorkenntnissen ab und ist schwer einzuschätzen. Sicher ist aber:<br />

Bei einer Sitzung pro Woche kann ich niemandem innerhalb eines halben Jahres Lesen<br />

und Schreiben beibringen. Die Menschen müssen sich auf ein langes Zeitfenster<br />

einlassen.<br />

Gibt es für Sie als Dozentin besondere Herausforderungen mit diesen Schülern?<br />

Die Lernniveaus sind sehr unterschiedlich. Außerdem haben meine Schüler vor<br />

dem Unterricht bereits einen vollen Arbeitstag hinter sich gebracht. Da kann ich<br />

dann beispielsweise nicht erwarten, dass sie regelmäßig Hausaufgaben machen.<br />

Weil Alphabetisierung für Erwachsene nicht an den Hochschulen gelehrt wird,<br />

muss ich mich als Dozentin zudem viel selbst weiterbilden.<br />

Wie sieht eine typische Unterrichtsstunde<br />

bei Ihnen aus?<br />

Ich arbeite viel mit Spielen, etwa mit einfachen<br />

Kreuzworträtseln oder Silben­Bingo. Meine<br />

Schüler sollen Spaß haben beim Lernen. Wichtig<br />

ist auch das Silbentraining: Wenn man beim<br />

Lesen eines Wortes dessen Silben erkennt, wird<br />

das Gedächtnis entlastet, man muss sich nicht<br />

Buchstaben für Buchstaben merken. Das wird<br />

gerade bei längeren Wörtern wichtig. Denn<br />

Lesen ist eine sehr analytische, anstrengende<br />

Tätigkeit. Nach manchen Stunden sind meine<br />

Schüler regelrecht erschlagen. Fehler machen<br />

gehört einfach dazu. Nur durch sie lernt man<br />

– und ich kann dadurch beurteilen, welchen<br />

Wissensstand mein Schüler gerade hat.<br />

Was sind Ihre schönsten Momente?<br />

Wenn es den Leuten Spaß macht. Bei mir im<br />

Kurs wird viel gelacht. Es ist eine sehr entspannte<br />

Atmosphäre. Schön ist es auch immer, wenn<br />

die Leute stolz sind auf ihre Fortschritte. Ein<br />

Teilnehmer hat einen sehr persönlichen Text<br />

für einen Wettbewerb des Bundesverbandes<br />

für Alphabetisierung geschrieben. Der wurde<br />

zusammen mit anderen Einsendungen in einem<br />

Buch veröffentlicht. Wenn meine Schüler<br />

Lust bekommen, etwas Persönliches schriftlich<br />

auszudrücken, habe ich mein Ziel erreicht.<br />

<<br />

InFO<br />

Die ersten Alphabetisierungskurse für Erwachsene gab es in Deutschland 1978 als Antwort<br />

auf die zunehmenden Anforderungen im Berufsleben. Heute übernehmen vor allem<br />

die <strong>Volkshochschule</strong>n diese Aufgabe. Etwa 20.000 Erwachsene lernen dort derzeit Lesen<br />

und Schreiben. Häufig werden die Kurse subventioniert. So auch in der VHS <strong>Reutlingen</strong>:<br />

Eine Sitzung kostet die Teilnehmer nur einen Euro. So soll verhindert werden, dass Menschen<br />

dem Angebot aus Geldmangel fernbleiben.<br />

Kontakt:<br />

<strong>Volkshochschule</strong> <strong>Reutlingen</strong><br />

Spendhausstraße 6<br />

72764 <strong>Reutlingen</strong><br />

Telefon: 0 71 21 / 33 61 35<br />

email: sfuchs@vhsrt.de<br />

Internet: www.vhsrt.de<br />

Anwälte<br />

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