Spezial - Volkshochschule Reutlingen GmbH
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52 pIstoIA<br />
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toskanische träume<br />
die <strong>Volkshochschule</strong> pflegt beziehungen zu der stadt pistoia<br />
Autor: wolFGAnG AlBer<br />
FotoGrAF: mArInko BelAnov<br />
Wer Ambrogio Lorenzettis Fresko „Die gute<br />
Regierung“ von 1338/40 im Palazzo Pubblico<br />
von Siena genauer betrachtet, kann sie entdecken:<br />
Am unteren Bildrand treibt ein Bauer ein kleines<br />
Schwein vor sich her. Es ist schwarz und hat einen weißen<br />
Fellstreifen um den Bauch – das „Cinta Senese“, eine von<br />
der Wildsau abstammende Rasse. Sie stand kurz vor dem<br />
Aussterben, bis ein Konsortium sie schützte, Züchter sie<br />
wieder zur Schlachtreife päppelten. Vom Fleisch dieser frei<br />
lebenden Tiere stammen Schinken, Salami und Speck, den<br />
Metzgereien in Pistoia herstellen. Beim Toskanischen Markt<br />
italienischer Erzeuger und Direktvermarkter vor drei Jahren<br />
in <strong>Reutlingen</strong> servierte Luciano Bertini von der Genießerorganisation<br />
„Slow Food“ Pistoia in der italienisch angehauchten<br />
VHSCafeteria „La Bruschetta“ kulinarische Kostproben<br />
vom Cinta Senese wie cremigen, auf der Zunge zergehenden<br />
Lardo oder aromatischbetörenden Prosciutto.<br />
Der seit 2004 im September im Reutlinger Spitalhof abgehaltene<br />
Markt bringt den Schwaben den toskanischen Himmel<br />
auf Erden näher: Salsiccia und Olivenöl, Pecorino und<br />
Chianti, Vin Santo und Cantuccini, Olivenbäume und ländliche<br />
Keramik. Ein südlicher Wärmestrom in der nördlichen<br />
Kältezone, mediterranes Flair, wie es die Tübinger mit im ihrem<br />
umbrischprovencalischen Markt schon seit Jahren im<br />
Überfluss haben.<br />
Zu verdanken haben die Reutlinger den Toskanischen<br />
Markt der <strong>Volkshochschule</strong> und Claudia Ross. Die aus <strong>Reutlingen</strong><br />
stammende Sprachlehrerin lebt seit zwei Jahrzehnten<br />
in dem 30 Kilometer nordwestlich von Florenz im Herzen<br />
der Toskana gelegenen Pistoia. 1998 schlug sie der VHS eine<br />
Kooperation für Deutsch beziehungsweise Italienischkurse<br />
vor, so entstanden die ersten „TandemKurse“: Wer Ita<br />
Olivenöl und Brot, Salami und Pecorino, Wein und Honig<br />
aus der Gegend um Pistoia sind gefragte <strong>Spezial</strong>itäten beim<br />
Toskanischen Markt im Reutlinger Spitalhof.<br />
lienisch lernen will, wohnt in einer Gastfamilie in Pistoia,<br />
hat vormittags ItalienischUnterricht, nimmt nachmittags<br />
am kultur und landeskundlichen Programm teil und lernt<br />
abends zusammen mit dem Gastgeber beim TandemUnterricht<br />
Deutsch und Italienisch. Drei Monate später kommen<br />
dann die italienischen TandemPartner zum Gegenbesuch<br />
nach <strong>Reutlingen</strong> zu einem entsprechenden Sprach und Kulturprogramm.<br />
Da Pistoia überregional auch bekannt ist für seine Tradition<br />
der Schinkenveredelung, fragten die Wirtschaftsförderer<br />
Pistoias bei der VHS an, ob <strong>Reutlingen</strong> denn nicht gleichfalls<br />
über ein altehrwürdiges Metzgerhandwerk verfüge. VHS<br />
Leiter Ulrich Bausch verwies auf Wolfgang Göbel, stellte<br />
einen Kontakt zwischen den Innungen her, und eine Delegation<br />
von Reutlinger Metzgern brach auf, um die Pistoieser<br />
Kollegen kennenzulernen. Aus dieser „SalamiSchwarzwurstTaktik“<br />
entstand der Toskanische Markt. Inzwischen<br />
sind an der Kooperation neben VHS und Metzgerinnungen<br />
noch die Stadtmarketing und Tourismusorganisationen<br />
beider Kommunen beteiligt.<br />
Die VHS hat die Zusammenarbeit inzwischen auf kulturelle<br />
Angebote ausgeweitet. Begleitend zum Markt zeigte<br />
sie 2006 Arbeiten des 1901 in Pistoia geborenen, 1980 in<br />
Viareggio gestorbenen, weltbekannten Bildhauers, Malers<br />
und Grafikers Marino Marini sowie seines heute 86jährigen<br />
Schülers Jorio Vivarelli. 2007 waren dann in der VHS<br />
„Die Metamorphosen des Pinocchio“ von Paolo Tesi zu sehen,<br />
die auf den naseweisen Holzbengel anspielen, den der<br />
aus dem Dorf Collodi bei Pistoia stammende Autor Carlo<br />
Collodi 1881 als Abenteuergeschichte für eine Wochenzeitung<br />
und 1883 für sein weltweit verkauftes Kinderbuch<br />
geschaffen hat.