Spezial - Volkshochschule Reutlingen GmbH
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40 Im Gespräch<br />
„die bedeutung der erWachsenenbiLdung<br />
Wird unterschätzt“<br />
Vhs-aufsichtsratschef dr. rainer märklin setzt in seinem engagement auf klare Worte<br />
AutorIn: dAnIelA schröder<br />
FotoGrAF: mArInko BelAnov<br />
Er gehört zur <strong>Volkshochschule</strong> <strong>Reutlingen</strong> wie der Spanisch-Kurs<br />
ins Frühjahrsprogramm: Dr. Rainer Märklin, Vorsitzender des VHS-<br />
Aufsichtsrats und Gründer der nach ihm benannten Stiftung zur<br />
Förderung junger Musik- und Kunsttalente.<br />
Im Gespräch blickt Märklin auf den Start seines langjährigen Engagements<br />
im Bildungsbereich zurück und beschreibt aktuelle und künftige<br />
Herausforderungen für die VHS.<br />
Herr Dr. Märklin, was war der letzte VHS-Kursus, den Sie besucht haben?<br />
Ein Kurs in EDV (lacht). Als ich im September 2002 aus dem Beruf ausgeschieden<br />
und in ein anderes Büro gezogen bin, habe ich zu meiner Sekretärin gesagt: Frau<br />
Fuchs, jetzt sind wir bald blank, die BankFachleute stehen nicht mehr zur Verfügung.<br />
Da habe ich dann sechs Samstage von früh bis spät PC gelernt.<br />
Wann und warum stiegen Sie bei der VHS <strong>Reutlingen</strong> ein?<br />
Als ich im Vorstand der Volksbank <strong>Reutlingen</strong> begann, war gerade der Neubau<br />
des Bankgebäudes fertig. Beim Einzug im Frühjahr 1978 lernte ich den damaligen<br />
VHSGeschäftsführer Hans Haußmann kennen. Daraus entwickelte sich ein<br />
enger Kontakt, gemeinsam haben wir viele Veranstaltungen in der Bank organisiert.<br />
Haußmann fragte mich, ob ich in den Vorstand des Vereins für Volksbildung<br />
und damit in den Vorstand der VHS kommen wolle. Mit meiner Wahl zum<br />
Vorstandsmitglied wurde ich automatisch auch im Bereich Jugendkunstschule und<br />
Musikschule tätig. Nachdem diese in <strong>GmbH</strong>s umgewandelt wurden, wurde ich<br />
Aufsichtsratsvorsitzender der VHS.<br />
Was waren die bisher schwierigsten Situationen in ihrem Amt?<br />
Es gab eine Reihe schwieriger Fragen, die zu lösen waren. Eine der wichtigsten war<br />
die Bestellung der neuen Geschäftsführung 1998. Die Entscheidung fiel auf Dr.<br />
Ulrich Bausch. Die Entwicklung der VHS in den vergangenen zehn Jahren belegt,<br />
dass dies eine gute Entscheidung war. Immer schwieriger wurde die Finanzierung<br />
unserer Einrichtungen, denn die Zuschüsse vom Land BadenWürttemberg nah<br />
men ständig ab. Die Verhandlungen mit der<br />
Stadt über die veränderte Situation bedeuteten<br />
einige Jahre sehr intensive Arbeit.<br />
Welchen Einfluss hat der VHS-Aufsichtsratschef<br />
auf das Programm der VHS?<br />
Jedes Programm wird im Aufsichtsrat besprochen<br />
und beschlossen. Doch das Schwergewicht<br />
der Programmgestaltung liegt bei der<br />
Geschäftsführung. Wäre in der großen Linie<br />
etwas korrekturbedürftig, dann könnte und<br />
würde der Aufsichtsrat Möglichkeit haben<br />
einzugreifen. Doch wir entscheiden natürlich<br />
nicht darüber, ob dieses Semester Französisch<br />
oder Chinesisch angeboten wird. Schließlich<br />
sind wir keine Fachleute in der Erwachsenenbildung.<br />
Hat sich das Kurs-Angebot in den<br />
vergangenen Jahren verändert?<br />
Eine wichtige neue Perspektive ist, dass es<br />
neben den Angeboten für alle Interessierten<br />
auch Bildungsangebote für spezifische Gruppe<br />
oder Firmen gibt. In den Unternehmen<br />
selbst werden bestimmte Sprachkurse oder<br />
ManagementSeminare gehalten. Eine weitere<br />
Änderung ist der gestiegene Stellenwert<br />
der Gesundheitskurse wie die Reutlinger Gesundheitsakademie<br />
(REGA). Diese spezifischen<br />
Angebote haben das allgemeine VHS<br />
Programm, wie man es landläufig versteht,<br />
ergänzt und bereichert.<br />
Wie muss sich die VHS <strong>Reutlingen</strong> in Zukunft präsentieren?<br />
Sie muss auf jeden Fall auf der Höhe der Zeit bleiben. Dabei muss sie ihren Grundauftrag<br />
erfüllen und die berufliche und die politische Weiterbildung für alle betreiben.<br />
Gleichzeitig gilt es jedoch, den Bedarf an neuen Angeboten zu erkennen<br />
und entsprechend aufzugreifen. Bildung in den Betrieben und Gesundheit sind die<br />
stärksten Zweige, die im Augenblick vorangetrieben werden. Im sozialen Bereich<br />
müssen Mitbürger, die behindert sind oder sich nur schwer in die Gesellschaft einbinden<br />
können, Angebote erhalten. Dabei spielt auch die Jugendkunstschule eine<br />
wichtige Rolle.<br />
Stichwort Jugendkunstschule. Was gab den Ausschlag,<br />
junge Talente über Ihre Stiftung zu fördern?<br />
Die Idee wurde an meinem 60. Geburtstag geboren. Anstelle von Geschenken hatte<br />
ich die Gäste um Spenden gebeten. Ursprünglich sollte das Geld für Noten, Papier<br />
und Instrumente an die Musikschule und die Jugendkunstschule gehen. Es kam aber<br />
so viel zusammen, dass wir uns entschieden, das Geld nicht nur für Materialien auszugeben,<br />
sondern eine dauerhafte Einrichtung auf die Beine zu stellen.<br />
Geht es allein um die Finanzierung von Materialien?<br />
Heute geht es um mehr. Wir wollen musikalisch und kreativ begabten jungen Menschen,<br />
die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, eine nachhaltige und<br />
andauernde Ausbildung ermöglichen. Ein elfjähriger Schlagzeuger etwa, dessen allein<br />
erziehende Mutter den Einzelunterricht nicht bezahlen kann. Oder auch begabte<br />
Jugendliche mit Migrationshintergrund, die sich den Unterricht nicht leisten<br />
können. Die Förderung kann bis zur Vorbereitung für die Aufnahme an der Musikhochschule<br />
gehen. Pro Jahr setzt die Stiftung bis zu 7.000 Euro ein. Rund 5.000<br />
davon stammen aus Eigenkapital, der Rest sind Spenden der Stiftungsmitglieder.<br />
Was ist die herausragende Eigenschaft der VHS <strong>Reutlingen</strong>?<br />
Die VHS und ihre Einrichtungen haben sich einer hohen Qualität verschrieben,<br />
die man nachprüfen kann. Bildung als Grundlage für die private und die berufliche<br />
Entwicklung ist Aufgabe und Verantwortung der öffentlichen Hand. Daraus er<br />
DR. RAInER MÄRKlIn,<br />
geboren am 2. Mai 1938 in nagold.<br />
jurastudium in Tübingen und Heidelberg.<br />
Von 1977 bis 2002 Vorstandssprecher der<br />
Volksbank <strong>Reutlingen</strong>. Ab 1986 Mitglied,<br />
seit 1992 Vorsitzender des Vereins für Volksbildung<br />
<strong>Reutlingen</strong>. Seit 1994 Aufsichtsratsvorsitzender<br />
der VHS <strong>Reutlingen</strong> <strong>GmbH</strong>.<br />
geben sich Verpflichtungen für alle Beteiligten.<br />
Der Verein für Volksbildung, Stadt, Gemeinden,<br />
Landkreis und Land sind laut Verfassung<br />
als Träger der VHS dazu verpflichtet, qualitativ<br />
hochwertige Erwachsenenbildung zu ermöglichen.<br />
Sie dürfen es nicht plätschern lassen und<br />
ihre Prioritäten anders setzen.<br />
Besteht in <strong>Reutlingen</strong> die Gefahr<br />
es plätschern zu lassen?<br />
Ich sehe schon die Gefahr. Der Verfassungsauftrag<br />
ist zwar erkannt, wird bestätigt und auch<br />
artikuliert. Doch durch die schwierigen Haushaltssituationen<br />
der vergangenen Jahre sind<br />
zum Teil Entwicklungen entstanden, die mir<br />
den Eindruck vermitteln, dass die Bedeutung<br />
der Erwachsenenbildung leicht in Vergessenheit<br />
gerät und unterschätzt wird. Die große<br />
Masse derer, die auf diese Bildungseinrichtung<br />
angewiesen sind, die können sich nicht artikulieren.<br />
Es braucht engagierte Menschen, die<br />
sich dafür einsetzen.<br />