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DGfM - MITTEILUNGEN - Deutsche Gesellschaft für Mykologie

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30 <strong>DGfM</strong>-Mitteilungen, 2009/1<br />

9. BERICHT DES DGFM-TOXIKOLOGEN<br />

Prof. Dr. med. Siegmar Berndt<br />

Schwerste Vergiftungen nach Verwechslung Orangefuchsiger Rauhköpfe (Cortinarius orellanus)<br />

mit Pfifferlingen (Cantharellus cibarius)<br />

Interview mit dem Leiter der Nephrologischen Abteilung des Helios Klinikum Wuppertal, Herrn<br />

Dr. med. Scott – Oliver Grebe und der Ärztin Frau Dr. med. Dua Aresmouk am 27.11.2008.<br />

Am 25.09.2008 informierte der Pilzsachverständige Georg Müller, Ganderkesee, über schwerste<br />

Pilzvergiftungen durch Cortinarius (Lepr.) orellanus.<br />

Berichten des „Weserkuriers“ und des „Delmenhorster Kreisblattes“ vom 29.09.2008 war zu<br />

entnehmen, dass sich vier befreundete Ehepaare, Spätaussiedler aus Kasachstan, bei einem gemeinsamen<br />

Urlaub in Norwegen vergiftet haben. Während die Männer zum Angeln waren, hätten<br />

ihre Frauen Pilze gesammelt, die am Abend gemeinsam verspeist wurden. Nachdem sich bei allen<br />

Teilnehmern in der Folge zunehmend Krankheitssymptome entwickelten, brach man den Urlaub<br />

ab, um sich am Heimatort in ärztliche Behandlung zu begeben. Im Roten Kreuz Krankenhaus in<br />

Bremen lägen außer den beiden Bremer Ehepaaren auch noch ein Ehepaar aus Hamburg, somit<br />

6 Patienten, das vierte Ehepaar würde in Wuppertal behandelt.<br />

Am 04.11.2008 hatte ich ein Gespräch mit dem Chefarzt der Medizinischen Klinik mit Spezialabteilung<br />

Nephrologie am Rotes Kreuz Krankenhaus in Bremen, Herrn Priv.-Doz. Dr. med.<br />

Stefan Herget-Rosenthal (Dr. H.-R.).<br />

Sein 1. Patient, ein bislang gesunder, 49-jähriger kräftiger Mann, wurde ihm von dessen Hausarzt<br />

eingewiesen, nachdem bei einer Blutuntersuchung erheblich krankhaft veränderte Nierenwerte<br />

aufgefallen waren. Der Patient habe über anhaltendes Unwohlsein, Magen- und stärkste<br />

Kopfschmerzen geklagt.<br />

Die Überprüfung der Nierenwerte habe auf einen bereits fortgeschrittenen Nierenschaden hingewiesen.<br />

Nachdem der Patient berichtet habe, dass es auch seiner Ehefrau sowie dem befreundeten<br />

Ehepaar schlecht ginge, veranlasste Dr. H.-R. die stationäre Einweisung der Ehefrau und<br />

der weiteren Ehepaare aus Bremen und Hamburg.<br />

Die Ursache der Nierenschädigung sei zunächst völlig unklar gewesen. Die Betroffenen selbst<br />

hätten wegen des Ausbleibens von Durchfall oder Erbrechen nach der Mahlzeit nicht an eine Lebensmittelvergiftung,<br />

schon gar nicht an eine Pilzvergiftung gedacht, da man Pilze kenne, seit<br />

Jahren sammle und esse.<br />

Ärztlicherseits habe eine Infektion ausgeschlossen werden können. Die bei einem Patienten<br />

vorgenommene Nierenpunktion habe einen schweren Zellschaden mit Zerstörung der Tubuli (Anmerkung<br />

des Ref.: mikroskopisch kleine Kanälchen in der Nierensubstanz) gezeigt, so dass jetzt<br />

auch eine toxische Verursachung und, nach Ausschluss anderer Vergiftungsursachen, eben auch<br />

eine Orellaninvergiftung in Betracht gezogen wurde. Bei einer nochmaligen gezielten Befragung<br />

erinnerten sich die Bremer Patienten jetzt an die „Pfifferlingsmahlzeit“ und bestätigten auf ihnen<br />

vorgelegten, dem Internet entnommenen Pilzabbildungen, die u.a. auch Cortinarius orellanus<br />

zeigten, den Verdacht der Ärzte. Die Betroffenen seien sich einig gewesen, diese Pilzart als Pfifferlinge<br />

gesammelt zu haben.<br />

Bei rasch zunehmender weiterer Verschlechterung der Nierenwerte aller Patienten, beobachtete<br />

Dr. H.-R. eine deutliche „Dosis-Wirkungsbeziehung“, d.h. dass die Patienten, die am meisten<br />

von den Pilzen gegessen haben, auch am schwersten betroffen waren. Von seinen 6 Patienten<br />

© 2009, <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Mykologie</strong>

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