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Seite 14<br />

werden. In der antirassistischen Bildungsarbeit<br />

können so Ausgrenzungs- und<br />

Diskriminierungsmechanismen in verschiedenen<br />

Zusammenhängen thematisiert<br />

werden.<br />

Die fachliche Anleitung<br />

didaktischer Spiele<br />

Wesentlich bei der Anleitung didaktischer<br />

Spiele sind vor allem die Zielsetzung<br />

und die entsprechend intensive<br />

Auswertung der Übungen. Dies<br />

geschieht stets nach folgenden Prinzipien:<br />

· Die Spieldynamik bzw. der Spielkonflikt<br />

muss noch auf der Spielebene<br />

ausgewertet werden. Die Beteiligten<br />

sprechen aus ihren Spielrollen, mit<br />

allen dazugehörenden Gedanken und<br />

Gefühlen.<br />

· Die Spiele bzw. Übungen sind eindeutig<br />

zu beenden, die Gruppe ist nach<br />

einem in der Übung entstandenen Konflikt<br />

wieder zusammenzuführen.<br />

Das heißt, der Kontakt zwischen den<br />

Gruppenmitgliedern muss wieder<br />

hergestellt werden.<br />

· Der Transfer zwischen Spielverlauf und<br />

den Arbeitsinhalten ist zu vollziehen.<br />

In diesem Schritt wird über das Spiel<br />

und die Bedeutung der erfahrenen<br />

Dynamiken geredet, nicht mehr aus<br />

den Rollen. Es geht um den Vergleich<br />

mit der Realität.<br />

In Seminaren für Multiplikator/ inn/en<br />

sind in einem weiteren Schritt die Potenziale<br />

des Spiels für die Übertragung<br />

in den Schulkontext zu reflektieren.<br />

Jede Übung wurde in der Methodenreflexion<br />

auf die Möglichkeiten und<br />

die Grenzen für den Einsatz in der<br />

Schule überprüft und sinnvolle Abwandlungen<br />

wurden erörtert.<br />

Es empfiehlt sich, mit sogenannten<br />

Warm Ups (Aufwärmspielen) eine<br />

Übung zu beginnen. Sie lockern die<br />

Situation auf, können in die Thematik<br />

einer längeren didaktischen Spielphase<br />

einführen, für Gruppenteilungen<br />

genutzt werden oder Bewegung<br />

bringen und machen ganz einfach<br />

Spaß.<br />

Ebenso wichtig ist die Zusammenführung<br />

der Gruppe nach einem intensiven<br />

Abschnitt. Auch dies wird mit<br />

eigens hierfür konzipierten Spielen,<br />

den sogenannten »Reunionspielen«,<br />

vollzogen. Es kann während intensiver<br />

Übungen zu Konflikten und Spannungen<br />

kommen. Didaktischen Spielen ist<br />

dieses Potential inne, sie provozieren<br />

es oftmals sogar, um Reflexionsprozesse<br />

zu initiieren. Anschließende Reunionspiele<br />

sind daher fester Bestandteil der<br />

Auswertungsphasen und haben das<br />

Ziel, die Gruppe wieder zu einer Einheit<br />

zusammenführen.<br />

»Man merkt, wie wichtig Teamarbeit<br />

ist und wie sehr man auf die anderen<br />

angewiesen ist. Wenn einer ausschert,<br />

gibt es Probleme.« (Schülerin)<br />

»Wie im richtigen Leben«<br />

(Baustein zur nicht-rassistischen<br />

Bildungsarbeit, 2004)<br />

Am Beispiel der Übung »Wie im richtigen<br />

Leben« wird der Auseinandersetzungsprozess<br />

mit dem Thema »Ausgrenzung«<br />

und »Diskriminierung«<br />

in einer Fortbildungsgruppe verdeutlicht.<br />

Durch diese Übung wird sichtbar,<br />

wie Diskriminierung die Entfaltungsmöglichkeiten<br />

von Menschen<br />

einschränkt. Es werden Auswirkungen<br />

von Ungleichheiten in der Lebenswirklichkeit<br />

von Menschen herausgearbeitet.<br />

Die Mitwirkenden übernahmen vorgegebene<br />

Rollen von Menschen mit<br />

unterschiedlichen kulturellen und/oder<br />

sozialen Hintergründen:<br />

· eine 18-jährige iranische Abiturientin,<br />

nicht praktizierende Muslimin, Vater<br />

Arzt, Mutter Hausfrau<br />

· eine 14-jährige deutsche Hauptschülerin<br />

mit türkischem Hintergrund,<br />

traditionell muslimisch, Eltern AlG II<br />

Empfänger/innen<br />

· ein 16-jähriger weißer deutscher<br />

Gymnasiast, evangelisch, Sohn eines<br />

Lehrerehepaares<br />

· ein 17-jähriger schwarzer deutscher<br />

Gesamtschüler, religionslos, Eltern<br />

Facharbeiter/in<br />

· ein 15-jähriger Hauptschüler, katholisch,<br />

Sohn eines togolesischen<br />

Lehrers, Flüchtling im Asylverfahren<br />

· eine 17-jährige weiße polnische Gesamtschülerin,<br />

katholisch, Vater<br />

Unternehmer, Mutter Altenpflegerin<br />

Im Verlauf der Übung entschieden (nur)<br />

die positiven Antworten auf folgende<br />

Fragen, ob sich die einzelnen Personen<br />

in einem im Raum definierten Raster<br />

vorwärts bewegen können:<br />

Kannst du in Berlin/Potsdam …<br />

· … bei einem Diskobesuch damit rechnen,<br />

ohne Probleme eingelassen zu<br />

werden?<br />

· … dich nach Einbruch der Dunkelheit<br />

auf der Straße sicher fühlen?<br />

· … bei der nächsten Kommunalwahl<br />

wählen?<br />

· … damit rechnen, einen Ferienjob als<br />

Aushilfe im Supermarkt zu bekommen?<br />

· … davon ausgehen, dass dich BGS-<br />

Beamte im Zug nicht kontrollieren<br />

werden?<br />

· … ohne Probleme an einer<br />

Klassenfahrt nach London teilnehmen?<br />

· … damit rechnen, am Flughafen<br />

zügig abgefertigt zu werden?<br />

Am Ende der Übung wurde durch die<br />

Positionierung im Raum sehr deutlich,<br />

welche Chancen oder auch Einschränkungen<br />

für die jeweilige Rolle<br />

bestanden. Die Beurteilungen der<br />

Teilnehmer/innen zeigen die dem Spiel<br />

eigene Dynamik:<br />

· »Mit schwarzer Hautfarbe befinde ich<br />

mich stets auf einer Gratwanderung.<br />

Zuerst dachte ich, das und das kann<br />

ich ja, aber dann fiel mir ein, ›ich bin<br />

ja schwarz‹.«<br />

· »Ich bin weiß und habe einen deutschen<br />

Pass, es war schnell klar,<br />

dass ich damit leicht überall durch<br />

und hin komme.«<br />

· »Als weißer deutscher Mittelschichtsschüler<br />

habe ich ein schlechtes Gewissen,<br />

jede Frage mit ›ja‹ beantworten<br />

zu können, und schäme mich<br />

dafür.«<br />

Nach der Übertragung auf die eigene<br />

Lebenssituation »im richtigen Leben«<br />

der Teilnehmerinnen verdeutlichen die<br />

Äußerungen der Teilnehmer/innen<br />

sowohl die Sensibilisierung für Ausgrenzungsmechanismen<br />

und Diskriminierungen<br />

als auch die Überraschung<br />

über die bisher so nicht wahrgenommene<br />

Selbstverständlichkeit von<br />

Privilegien:<br />

· »Es gibt Privilegien, die ich ganz<br />

selbstverständlich habe, die mir aber<br />

nicht dauernd bewusst sind, z.B.<br />

deutsch zu sein oder weiße Hautfarbe<br />

zu haben.«<br />

· »Als weißer deutscher Mann aus der<br />

Mittelschicht repräsentiere ich die<br />

Machthabenden in der Gesellschaft.<br />

Das macht die Notwendigkeit des<br />

Perspektivenwechsels deutlich, um<br />

Achtung und Respekt für andere<br />

zu behalten.«<br />

· »Für die Privilegien, die ich habe, schäme<br />

ich mich oft, so z.B., dass ich<br />

Beamtin bin. Das halte ich in der Öffentlichkeit<br />

oft zurück.«<br />

· »Ich bin in diesem Seminar dafür sensibilisiert<br />

worden, mich öfters in andere<br />

Menschen hinein zu versetzen. Das<br />

möchte ich gerne an die Schüler und<br />

Schülerinnen weitergeben.«<br />

Zum Abschluss wurde die Anwendung<br />

dieser Methode im Schulunterricht<br />

diskutiert. Die Gruppe war sich einig,<br />

dass die Fragen sensibel für die jeweilige<br />

Zielgruppe zugeschnitten sein<br />

müssen und besondere Empathie<br />

beim Einsatz dieser Übung gefragt ist.<br />

Dies insbesondere dann, wenn bereits<br />

Erfahrungen von Benachteiligungen<br />

oder Ausgrenzungsphänomene<br />

im Klassenverband bekannt sind.

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