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Wissenstransfer im Tandem: ein Praxisbeispiel - GPI

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Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />

<strong>Wissenstransfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong>: <strong>ein</strong> <strong>Praxisbeispiel</strong><br />

Das Instrument <strong>Wissenstransfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong> wurde in dem GENERA-Pilotbetrieb Bochumer<br />

Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik GmbH, Bochum erfolgreich zur systematischen Qualifizierung un- und<br />

angelernter, oftmals älterer Beschäftigter in der Produktionslinie Räderwalzwerk <strong>ein</strong>gesetzt. In<br />

der praktischen Erprobung hat sich gezeigt, dass mit diesem spezifischen Ansatz des arbeitsplatznahen<br />

Lernens die Kompetenzen und die betriebliche Einsatzflexibilität auch von lernungewohnten<br />

Mitarbeiter/innen systematisch erweitert werden können. Er ist geeignet, <strong>ein</strong>e Veränderung<br />

der Lernkultur <strong>im</strong> Unternehmen zu bewirken. Der <strong>Wissenstransfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong> ist Bestandteil<br />

<strong>ein</strong>es systematischen Personalentwicklungsprozesses, den der Bochumer Ver<strong>ein</strong> innerhalb<br />

der Projektlaufzeit durchlaufen hat. Arbeitsplatzübergreifende Qualifikationen, etwa zum<br />

Arbeitsprozesswissen, sollten mit diesem Instrument verknüpft werden.<br />

Zum Betrieb<br />

Der Bochumer Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik GmbH ist <strong>ein</strong> Unternehmen der Georgsmarienhütte-<br />

Gruppe (GMH-Gruppe). Mit <strong>ein</strong>er Gesamtbelegschaftszahl von rund 600 Mitarbeiter/innen werden<br />

in Bochum u.a. Räder, Radreifen und Radsätze für den nationalen und internationalen<br />

Schienenfahrzeugmarkt gefertigt.<br />

© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />

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Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />

Der Produktionsabschnitt „Räderwalzwerk“ zeichnet sich zum <strong>ein</strong>en durch <strong>ein</strong>en hohen Anteil<br />

un- und angelernter Mitarbeiter aus: Von den zu Beginn der Maßnahme insgesamt 34 dort <strong>ein</strong>gesetzten,<br />

ausschließlich männlichen Beschäftigten sind 65% un- und angelernt, 15% haben<br />

<strong>ein</strong>e fachspezifische Erstausbildung (z.B. Schmied) und 20% <strong>ein</strong>e Ausbildung in <strong>ein</strong>em Metallbereich<br />

(z.B. Dreher). Zum anderen weist die Altersstruktur auf <strong>ein</strong>en dringenden Handlungsbedarf<br />

hin: 16 der 34 Mitarbeiter sind in 2002 über 40 Jahre, 5 bereits über 50 Jahre alt. Vor dem<br />

Hintergrund, dass sowohl den Möglichkeiten <strong>ein</strong>es Vorruhestandes als auch <strong>ein</strong>e Versetzung<br />

auf sogenannte Schonarbeitsplätze enge Grenzen gesetzt sind, müssen in dem Bereich Möglichkeiten<br />

<strong>ein</strong>es wirtschaftlichen und sinnvollen Personal<strong>ein</strong>satzes gefunden werden.<br />

Kennzeichnend für den Betrieb ist weiterhin <strong>ein</strong>e auf den Einzelarbeitsplatz orientierte Arbeitsorganisation.<br />

Die Arbeitsplätze lassen sich inhaltlich in drei Funktionsbereiche <strong>ein</strong>teilen: Walzen,<br />

Transport, Werkzeug. Die Mitarbeiter wurden üblicherweise an <strong>ein</strong>em Arbeitsplatz angelernt und<br />

über Jahre dort <strong>ein</strong>gesetzt. Im Laufe ihrer z.T. langjährigen Tätigkeit haben sie sich an <strong>ein</strong>zelnen<br />

Arbeitsplätzen <strong>ein</strong> umfassendes Erfahrungswissen angeeignet. Sie können zu Recht als Experten<br />

für diesen Produktionsabschnitt bezeichnet werden. Die negative Seite dieses Personal<strong>ein</strong>satzes<br />

ist, dass die Mitarbeiter in nur begrenztem Umfang auf anderen Arbeitsplätzen flexibel<br />

<strong>ein</strong>setzbar sind. Ein Verständnis von Produktionszusammenhängen <strong>im</strong> Hinblick auf Verarbeitungsfolge,<br />

Qualität, Termine und Kosten ist kaum vorhanden.<br />

Ziele<br />

Das bisherige Organisations- und Personal<strong>ein</strong>satzkonzept stieß zunehmend an s<strong>ein</strong>e Grenzen.<br />

Auf steigende Kundenanforderungen hinsichtlich Qualität, Flexibilität und Termintreue mußte<br />

reagiert werden: Folgende Ziele wurden gem<strong>ein</strong>sam festgelegt:<br />

• die Mitarbeiter so zu qualifizieren, dass sie flexibel an mehreren Arbeitsplätzen <strong>ein</strong>gesetzt<br />

werden können, damit u.a. bei <strong>ein</strong>er höheren Produktionsauslastung <strong>ein</strong> reibungsloser<br />

Wechsel von <strong>ein</strong>er 2- auf <strong>ein</strong>e 3- oder sogar 4-schichtige Fahrweise möglich wird,<br />

• den Mitarbeitern arbeitsplatzübergreifendes Prozesswissen hinsichtlich Kosten, Qualität und<br />

Termine zu vermitteln, so dass sie insgesamt an Handlungs- und Entscheidungskompetenz<br />

gewinnen und u.a. auf Produktionsfehler entsprechend frühzeitig reagieren können,<br />

© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />

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• die Vermittlung neuen Wissens so anzulegen, dass ältere an- und ungelernte Mitarbeiter ihr<br />

Erfahrungswissen an jüngere Kollegen weitergeben und sie darüber hinaus selbst auch<br />

neue Kompetenzen erwerben, die es ihnen ermöglichen, bis zur Verrentung in dem angestammten<br />

Arbeitsbereich produktiv <strong>ein</strong>gesetzt werden zu können.<br />

Gestartet ist der Bochumer Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik mit <strong>ein</strong>er beteiligungsorientierten Kompetenzanalyse,<br />

wie sie sich auf dieser CD befindet. Ausgangspunkt für den hier beschriebenen<br />

<strong>Wissenstransfer</strong> war der ermittelte Qualifizierungsbedarf, der sich konkret auf die angestrebte<br />

Erhöhung der Einsatzflexibilität der Mitarbeiter an mehren Arbeitsplätze bezieht. Die folgende<br />

Abbildung zeigt <strong>ein</strong>en Ausschnitt aus dem Qualifizierungsplan.<br />

Aus der Abbildung. geht erstens der <strong>im</strong> betrieblichen Konsens (zwischen Mitarbeiter und Führungskraft)<br />

festlegte Qualifikationsstand der <strong>ein</strong>zelnen Mitarbeiter hervor. Darüber hinaus sind<br />

zweitens die Zeiten <strong>ein</strong>getragen, die - auf betrieblichen Erfahrungswerten beruhend – die Mitarbeiter<br />

benötigen, um das notwendige Wissen an den <strong>ein</strong>zelnen Arbeitsplätzen zu erwerben.<br />

Dieses Wissen war bisher nirgendwo systematisch dokumentiert. Die Arbeitsplatzbeschreibungen,<br />

die u. a. zur Entgeltfestsetzung herangezogen werden, erwiesen sich als unzureichend.<br />

Vielmehr hat sich herausgestellt, dass das Wissen um den Arbeitsplatz und <strong>ein</strong>en reibungslosen<br />

Produktionsprozess <strong>im</strong> Gros auf dem Erfahrungswissen <strong>ein</strong>zelner Beschäftigter aufbaut.<br />

Damit ergab sich folgende Ausgangssituation:<br />

© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />

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• Für viele ältere, un- und angelernte Mitarbeiter ist Lernen eher etwas Ungewohntes. Ihr Arbeitsprozesswissen<br />

und ihre Einsatzflexibilität sollen jedoch erhöht werden.<br />

• Ältere Mitarbeiter können aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Experten des praktischen<br />

Tuns angesehen werden. Ein theoretisches Hintergrundwissen ist jedoch nur in geringem<br />

Umfang vorhanden.<br />

• Das wertvolle Erfahrungswissen der älteren Mitarbeiter soll bei ihrer Pensionierung dem<br />

Betrieb nicht verloren gehen.<br />

• Auf Arbeitsplatzbeschreibungen, die die Arbeitsschritte an den <strong>ein</strong>zelnen Aggregaten dokumentieren,<br />

kann nicht zurückgegriffen werden. Insbesondere die älteren Mitarbeiter sind die<br />

Wissensträger.<br />

Vor diesem Hintergrund wurden zur Vermittlung des notwendigen arbeitsplatzbezogenen Wissens<br />

Lerntandems gebildet:<br />

Die <strong>Tandem</strong>s setzten sich jeweils aus zwei Mitarbeitern mit unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungshorizonten<br />

zusammen. Während der <strong>ein</strong>e, meist ältere Mitarbeiter <strong>ein</strong>en Arbeitsplatz<br />

mit allen Tricks und Kniffen beherrschte, verfügte s<strong>ein</strong> meist jüngerer <strong>Tandem</strong>partner über mehr<br />

theoretisches Grundlagenwissen. Der <strong>Wissenstransfer</strong> war als gegenseitiger Lern- und Lehrprozess<br />

angelegt.<br />

Bei der Auswahl der <strong>Tandem</strong>partner wurde auf persönliche Affinitäten - soweit es ging - Rücksicht<br />

genommen. Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass Mitarbeiter, die z.B. bisher eher zu<br />

den „ruhigen“ Mitarbeitern zählten, in der neuen Lern-Situation <strong>ein</strong>e große auch persönliche<br />

Herausforderung erkannten und sich als äußerst geschickte Wissensvermittler erwiesen.<br />

Die <strong>Tandem</strong>s blieben über <strong>ein</strong>en mehrmonatigen Zeitraum zusammen, in dem sie systematisch<br />

gem<strong>ein</strong>sam das arbeitsplatzbezogene Wissen erschlossen haben. Die beiden Personen konnten<br />

sich auf <strong>ein</strong>ander <strong>ein</strong>stellen; mit der Zeit fällt es beiden Seiten <strong>im</strong>mer leichter Fragen zu stellen<br />

und gem<strong>ein</strong>sam nach Lösungen zu suchen bzw. sich diese zu erarbeiten.<br />

Erarbeitung <strong>ein</strong>er Arbeitsmappe<br />

Zur systematischen Wissensvermittlung wurden gem<strong>ein</strong>sam mit den an <strong>ein</strong>zelnen Arbeitsplätzen<br />

erfahrenen Mitarbeitern Einarbeitungsleitfäden entwickelt. Dies diente gleichzeitig zur Vorbereitung<br />

der Wissensvermittler. Zur Erarbeitung der Leitfäden fanden mehrere Treffen mit den Arbeitsplatzexperten<br />

statt, die in der ersten <strong>Tandem</strong>runde die Rolle der Lehrenden <strong>ein</strong>genommen<br />

haben. In <strong>ein</strong>em ersten Treffen ging es um <strong>ein</strong>en Perspektivwechsel für die Mitarbeiter. Ziel war,<br />

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aus der Arbeitssituation „herauszutreten“ und anhand von Leitfragen die kausalen Zusammenhänge<br />

an dem jeweiligen Arbeitsplatz systematisch zu erschließen. Anhand von Leitfragen wurde<br />

so das <strong>im</strong>plizite Wissen zu explizitem Wissen gemacht. Bei den Mitarbeitern war dieses Vorgehen<br />

häufig mit <strong>ein</strong>em Aha-Effekt verbunden. Die Beschreibung des <strong>ein</strong>gefahrenen und daher<br />

quasi automatischen Tuns schafft für alle Beteiligten <strong>ein</strong>en neuen Blick auf den Arbeitsprozess<br />

und das eigene Handeln.<br />

Gem<strong>ein</strong>sam mit den Arbeitsplatzexperten wurde so das gesamte arbeitsplatzbezogene Wissen<br />

sukzessiv in <strong>ein</strong>er Arbeitsmappe dokumentiert. Technische Zeichnungen, Abbildungen und<br />

screen shots der <strong>ein</strong>gesetzten EDV-Programme ergänzen die schriftliche Dokumentation. Am<br />

Ende ist <strong>ein</strong> Vademecum für jeden Arbeitsplatz entstanden, das den <strong>Tandem</strong>partnern in ihrer<br />

wechselseitigen Rolle als Lernende und Lehrende zur Orientierung und als Nachschlagewerk<br />

dient. Wichtig ist, dass der Leitfaden <strong>ein</strong> lebendiges Dokument bleibt. Damit ist gem<strong>ein</strong>t, dass<br />

Ergänzungen, Änderungen oder auch Korrekturen regelmäßig und zeitnah <strong>ein</strong>gepflegt werden.<br />

Die folgende Abbildung. zeigt <strong>ein</strong>en Ausschnitt aus der Arbeitsmappe für den Arbeitsplatz Drehherdofen.<br />

© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />

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Vorbereitung auf die Lehr- und Lernsituation<br />

Die Lern- und Lehrsituation in den <strong>Tandem</strong>s war für die Mitarbeiter neu. Im Rahmen <strong>ein</strong>es<br />

Workshops wurden die Mitarbeiter auf ihre neuen Rollen vorbereitet. Im Mittelpunkt stand die<br />

Reflexion ihrer neuen Rolle als Lehrende. Mit dem <strong>ein</strong>fachen Hilfsmittel „Fragen zu stellen“ und<br />

„Antworten zu geben“ wurden die Mitarbeiter darauf vorbereitet, gem<strong>ein</strong>sam das arbeitsplatzbezogene<br />

Wissen vor Ort zu erschließen. Sie haben gelernt, dass Fragen zu stellen k<strong>ein</strong> Ausdruck<br />

von Schwäche ist. Aus den Antworten gaben sich neue Fragen, auf die oftmals der andere<br />

<strong>Tandem</strong>partner <strong>ein</strong>e Antwort wußte. Auf diese Weise wurde der Blick für <strong>ein</strong> gegenseitiges von<strong>ein</strong>ander<br />

Lernen geschärft. Die Rollen des Lehrenden und Lernenden können in dem Prozess<br />

sogar wechseln.<br />

Der gesamte Lehr- und Lernprozess wurde unterlegt mit Lernregeln. Dazu wurde <strong>ein</strong> Vorschlag<br />

erarbeitet, der von den Mitarbeitenden angenommen wurde.<br />

Praktische Umsetzung und Erfahrungen nach <strong>ein</strong>er rund 2jährigen Erprobungsphase:<br />

• Schaffung von zusätzlichen Personalkapazitäten für den <strong>Wissenstransfer</strong><br />

Der <strong>Wissenstransfer</strong> am Arbeitsplatz setzte voraus, dass der vornehmlich lernende <strong>Tandem</strong>partner<br />

von s<strong>ein</strong>em Arbeitsplatz „freigestellt“ und s<strong>ein</strong>em Partner an die Seite gestellt werden<br />

konnte. Die Umsetzung konnte durch die Nutzung des arbeitsmarktpolitischen Instruments Job<br />

Rotation realisiert werden. Acht vormals Arbeitslose wurden unter Bezuschussung der Personalkosten<br />

für jeweils <strong>ein</strong> Jahr befristet <strong>ein</strong>gestellt (Vorgabe Job Aqtiv Gesetz). Sie wurden <strong>im</strong><br />

Betrieb für <strong>ein</strong>fache Tätigkeiten <strong>ein</strong>gewiesen und nahmen dann überwiegend die Transportarbeitsplätze<br />

<strong>ein</strong>, so dass – ggf. über <strong>ein</strong>en Ringtausch - der Arbeitsplatz des lernenden <strong>Tandem</strong>partners<br />

besetzt werden konnte.<br />

• <strong>Tandem</strong>bildung<br />

Mit dieser zusätzlichen Personalkapazität fand der <strong>Wissenstransfer</strong> parallel in acht <strong>Tandem</strong>s<br />

statt. Die Partner blieben jeweils über mehrere Monate <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong> zusammen. Der genaue Zeitraum<br />

orientierte sich an dem erfahrungsgeleiteten Zeitbedarf, der zur Erschließung des Wissens<br />

notwendig war, um an dem jeweiligen Arbeitsplatz <strong>ein</strong>gesetzt werden zu können. Zeitliche Veränderungen<br />

waren jederzeit möglich.<br />

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• Lernen und Lehren in <strong>Tandem</strong>s<br />

Es zeigte sich, dass die Verlagerung der Wissensvermittlung in den Arbeitsprozess geeignet ist,<br />

vorhandene Lernbarrieren aufzubrechen. Das praktische Tun unter Anleitung sowie die unmittelbar<br />

sichtbaren Konsequenzen bei der Anlagenbedienung läßt die Zusammenhänge greifbar<br />

ersch<strong>ein</strong>en. Der Wechsel von Erklären, Vormachen, Nachmachen und Besprechen führt zu<br />

<strong>ein</strong>em nachhaltigen Verstehen der Zusammenhänge. Wichtig für alle ist die Erkenntnis, dass<br />

Lernen und Lehren in diesem Rahmen plötzlich Spaß machen kann. Die Erinnerungen an unliebsame<br />

Schulerfahrungen sind dann schnell verflogen.<br />

• Steigerung der Einsatzflexibiltät<br />

Die Einsatzflexibilität der Mitarbeiter konnte deutlich gesteigert werden, wobei die Einsatzflexiblität<br />

zwischen vier und sieben Arbeitsplätzen rangiert. Ein flexibler Arbeitsplatzwechsel, z.B. bei<br />

der Umstellung auf <strong>ein</strong>e 3schichtige Fahrweise stellt heute k<strong>ein</strong> Problem mehr dar. Selbst die<br />

Umstellung auf <strong>ein</strong>e 4schichtige Fahrweise konnte auf diese Weise problemlos gemeistert werden.<br />

Der bereits absolvierte Qualifizierungsprozess bildet <strong>ein</strong>e gute Grundlage, die jedoch für<br />

neuerliche Veränderungen weiter ausgebaut werden muß.<br />

• Ergänzung: Arbeitsplatzübergreifende Schulungen<br />

Die ergänzenden arbeitsplatzübergreifenden Schulungen tragen darüber hinaus dazu bei, übergeordnetes<br />

Arbeitsprozesswissen in dem Produktionsbereich zu erwerben oder gar zu erweitern.<br />

Als nächster Schritt steht an, dafür Sorge zu tragen, dass die erworbenen Kompetenzen<br />

dauerhaft erhalten bleiben. Dies soll mittels <strong>ein</strong>er neuen Arbeitsorganisation geschehen, die von<br />

der heutigen Einzelarbeitsplatzlogik abweichend, <strong>ein</strong>en systematischen Wechsel der Arbeitsplätze<br />

innerhalb des gesamten Arbeitssystems fördert. Dabei wird jeder mehr Arbeitsplätze als<br />

früher bedienen, ansonsten aber steckt nur individuelle Lernbereitschaft und –fähigkeit die<br />

Grenzen der Rotation ab.<br />

• Motivation der Mitarbeiter<br />

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Nach anfänglicher Skepsis hat sich das Arbeitskl<strong>im</strong>a in dem Produktionsabschnitt deutlich verändert.<br />

Lernen ist <strong>ein</strong> Bestandteil des Arbeitsalltags geworden. Zu Beginn wurde der Qualifizierungsplan<br />

an alle Mitarbeiter verteilt, um von vornher<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>e entsprechende Transparenz zu<br />

schaffen. Die Mitarbeiter verfolgen die Umsetzung und fordern ihre Qualifizierungszeiten auch<br />

<strong>ein</strong>, wenn es zu Verzögerungen kommt.<br />

• Motivation und Qualifizierung der Älteren<br />

In den ersten <strong>Tandem</strong>paarungen übernahmen die älteren Mitarbeiter i.d.R. vornehmlich die Rolle<br />

der Lehrenden. Auf diese Weise konnten sie sich als wichtigen und akzeptierten Part <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong><br />

aber auch in der gesamten Produktion erleben. Diese Erfahrung hat sicherlich dazu beigetragen,<br />

dass sie zu <strong>ein</strong>em späteren Zeitpunkt auch selbst die Rolle des Lernenden schlüpfen<br />

konnten, um das notwendige Wissen für den Einsatz an anderen Arbeitsplätzen hinzuzulernen.<br />

• Neue Beschäftigung geschaffen<br />

Erfreulich ist, dass von den vormals Arbeitslosen, die über das Instrument Job-Rotation befristet<br />

<strong>ein</strong>gestellt wurden, <strong>im</strong> ersten Jahr drei Mitarbeiter be<strong>im</strong> Bochumer Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik <strong>ein</strong>e<br />

dauerhafte Beschäftigung gefunden haben. Begünstigt durch die Umstellung auf <strong>ein</strong> 4-<br />

Schichtsystem und den damit verbunden Personalmehrbedarf können weitere sechs Mitarbeiter<br />

aus der zweiten Einstellungsrunde zunächst befristet übernommen werden. Der erhoffte „Klebeeffekt“<br />

hat also durchaus funktioniert. Aber auch für diejenigen, die nicht übernommen werden<br />

konnten, war die 1jährige Beschäftigung <strong>ein</strong>e wichtige Erfahrung für den Wieder<strong>ein</strong>stieg in die<br />

Erwerbstätigkeit.<br />

Im Zuge der rund 2jährigen Erprobungsphase sind die Lerntandems zu <strong>ein</strong>em festen Bestandteil<br />

des Arbeitsprozesses geworden. Sie werden auch nach der Projektlaufzeit weitergeführt, um<br />

zum <strong>ein</strong>en die notwendigen Voraussetzungen für die 4schichtige Fahrweise zu schaffen. Darüber<br />

hinaus hat sich jedoch auch die Grundidee des Personal<strong>ein</strong>satzes verschoben. Neben den<br />

wirtschaftlichen Gründen, die für <strong>ein</strong>en flexiblen Personal<strong>ein</strong>satz sprechen, soll den Mitarbeitern<br />

über das Vehikel der erweiterten Einsatzflexibilität <strong>ein</strong> dauerhafter Verbleib in dem angestammten<br />

Arbeitssystem ermöglicht werden. Dies wird als <strong>ein</strong>e sinnvolle und notwendige Alternative<br />

sowohl zur bisherigen Praxis der Versetzung auf kaum noch vorhandene Schonarbeitsplätze als<br />

auch zur bisherigen Frühverrentungspraxis angesehen.<br />

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Nähere Informationen von: Soziale Innovation GmbH<br />

Deutsche Str. 10<br />

44339 Dortmund<br />

Tel: 0231 – 88 08 64 - 20<br />

Fax: 0231 – 88 08 64 - 29<br />

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