Wissenstransfer im Tandem: ein Praxisbeispiel - GPI
Wissenstransfer im Tandem: ein Praxisbeispiel - GPI
Wissenstransfer im Tandem: ein Praxisbeispiel - GPI
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
<strong>Wissenstransfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong>: <strong>ein</strong> <strong>Praxisbeispiel</strong><br />
Das Instrument <strong>Wissenstransfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong> wurde in dem GENERA-Pilotbetrieb Bochumer<br />
Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik GmbH, Bochum erfolgreich zur systematischen Qualifizierung un- und<br />
angelernter, oftmals älterer Beschäftigter in der Produktionslinie Räderwalzwerk <strong>ein</strong>gesetzt. In<br />
der praktischen Erprobung hat sich gezeigt, dass mit diesem spezifischen Ansatz des arbeitsplatznahen<br />
Lernens die Kompetenzen und die betriebliche Einsatzflexibilität auch von lernungewohnten<br />
Mitarbeiter/innen systematisch erweitert werden können. Er ist geeignet, <strong>ein</strong>e Veränderung<br />
der Lernkultur <strong>im</strong> Unternehmen zu bewirken. Der <strong>Wissenstransfer</strong> <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong> ist Bestandteil<br />
<strong>ein</strong>es systematischen Personalentwicklungsprozesses, den der Bochumer Ver<strong>ein</strong> innerhalb<br />
der Projektlaufzeit durchlaufen hat. Arbeitsplatzübergreifende Qualifikationen, etwa zum<br />
Arbeitsprozesswissen, sollten mit diesem Instrument verknüpft werden.<br />
Zum Betrieb<br />
Der Bochumer Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik GmbH ist <strong>ein</strong> Unternehmen der Georgsmarienhütte-<br />
Gruppe (GMH-Gruppe). Mit <strong>ein</strong>er Gesamtbelegschaftszahl von rund 600 Mitarbeiter/innen werden<br />
in Bochum u.a. Räder, Radreifen und Radsätze für den nationalen und internationalen<br />
Schienenfahrzeugmarkt gefertigt.<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
1
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
Der Produktionsabschnitt „Räderwalzwerk“ zeichnet sich zum <strong>ein</strong>en durch <strong>ein</strong>en hohen Anteil<br />
un- und angelernter Mitarbeiter aus: Von den zu Beginn der Maßnahme insgesamt 34 dort <strong>ein</strong>gesetzten,<br />
ausschließlich männlichen Beschäftigten sind 65% un- und angelernt, 15% haben<br />
<strong>ein</strong>e fachspezifische Erstausbildung (z.B. Schmied) und 20% <strong>ein</strong>e Ausbildung in <strong>ein</strong>em Metallbereich<br />
(z.B. Dreher). Zum anderen weist die Altersstruktur auf <strong>ein</strong>en dringenden Handlungsbedarf<br />
hin: 16 der 34 Mitarbeiter sind in 2002 über 40 Jahre, 5 bereits über 50 Jahre alt. Vor dem<br />
Hintergrund, dass sowohl den Möglichkeiten <strong>ein</strong>es Vorruhestandes als auch <strong>ein</strong>e Versetzung<br />
auf sogenannte Schonarbeitsplätze enge Grenzen gesetzt sind, müssen in dem Bereich Möglichkeiten<br />
<strong>ein</strong>es wirtschaftlichen und sinnvollen Personal<strong>ein</strong>satzes gefunden werden.<br />
Kennzeichnend für den Betrieb ist weiterhin <strong>ein</strong>e auf den Einzelarbeitsplatz orientierte Arbeitsorganisation.<br />
Die Arbeitsplätze lassen sich inhaltlich in drei Funktionsbereiche <strong>ein</strong>teilen: Walzen,<br />
Transport, Werkzeug. Die Mitarbeiter wurden üblicherweise an <strong>ein</strong>em Arbeitsplatz angelernt und<br />
über Jahre dort <strong>ein</strong>gesetzt. Im Laufe ihrer z.T. langjährigen Tätigkeit haben sie sich an <strong>ein</strong>zelnen<br />
Arbeitsplätzen <strong>ein</strong> umfassendes Erfahrungswissen angeeignet. Sie können zu Recht als Experten<br />
für diesen Produktionsabschnitt bezeichnet werden. Die negative Seite dieses Personal<strong>ein</strong>satzes<br />
ist, dass die Mitarbeiter in nur begrenztem Umfang auf anderen Arbeitsplätzen flexibel<br />
<strong>ein</strong>setzbar sind. Ein Verständnis von Produktionszusammenhängen <strong>im</strong> Hinblick auf Verarbeitungsfolge,<br />
Qualität, Termine und Kosten ist kaum vorhanden.<br />
Ziele<br />
Das bisherige Organisations- und Personal<strong>ein</strong>satzkonzept stieß zunehmend an s<strong>ein</strong>e Grenzen.<br />
Auf steigende Kundenanforderungen hinsichtlich Qualität, Flexibilität und Termintreue mußte<br />
reagiert werden: Folgende Ziele wurden gem<strong>ein</strong>sam festgelegt:<br />
• die Mitarbeiter so zu qualifizieren, dass sie flexibel an mehreren Arbeitsplätzen <strong>ein</strong>gesetzt<br />
werden können, damit u.a. bei <strong>ein</strong>er höheren Produktionsauslastung <strong>ein</strong> reibungsloser<br />
Wechsel von <strong>ein</strong>er 2- auf <strong>ein</strong>e 3- oder sogar 4-schichtige Fahrweise möglich wird,<br />
• den Mitarbeitern arbeitsplatzübergreifendes Prozesswissen hinsichtlich Kosten, Qualität und<br />
Termine zu vermitteln, so dass sie insgesamt an Handlungs- und Entscheidungskompetenz<br />
gewinnen und u.a. auf Produktionsfehler entsprechend frühzeitig reagieren können,<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
2
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
• die Vermittlung neuen Wissens so anzulegen, dass ältere an- und ungelernte Mitarbeiter ihr<br />
Erfahrungswissen an jüngere Kollegen weitergeben und sie darüber hinaus selbst auch<br />
neue Kompetenzen erwerben, die es ihnen ermöglichen, bis zur Verrentung in dem angestammten<br />
Arbeitsbereich produktiv <strong>ein</strong>gesetzt werden zu können.<br />
Gestartet ist der Bochumer Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik mit <strong>ein</strong>er beteiligungsorientierten Kompetenzanalyse,<br />
wie sie sich auf dieser CD befindet. Ausgangspunkt für den hier beschriebenen<br />
<strong>Wissenstransfer</strong> war der ermittelte Qualifizierungsbedarf, der sich konkret auf die angestrebte<br />
Erhöhung der Einsatzflexibilität der Mitarbeiter an mehren Arbeitsplätze bezieht. Die folgende<br />
Abbildung zeigt <strong>ein</strong>en Ausschnitt aus dem Qualifizierungsplan.<br />
Aus der Abbildung. geht erstens der <strong>im</strong> betrieblichen Konsens (zwischen Mitarbeiter und Führungskraft)<br />
festlegte Qualifikationsstand der <strong>ein</strong>zelnen Mitarbeiter hervor. Darüber hinaus sind<br />
zweitens die Zeiten <strong>ein</strong>getragen, die - auf betrieblichen Erfahrungswerten beruhend – die Mitarbeiter<br />
benötigen, um das notwendige Wissen an den <strong>ein</strong>zelnen Arbeitsplätzen zu erwerben.<br />
Dieses Wissen war bisher nirgendwo systematisch dokumentiert. Die Arbeitsplatzbeschreibungen,<br />
die u. a. zur Entgeltfestsetzung herangezogen werden, erwiesen sich als unzureichend.<br />
Vielmehr hat sich herausgestellt, dass das Wissen um den Arbeitsplatz und <strong>ein</strong>en reibungslosen<br />
Produktionsprozess <strong>im</strong> Gros auf dem Erfahrungswissen <strong>ein</strong>zelner Beschäftigter aufbaut.<br />
Damit ergab sich folgende Ausgangssituation:<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
3
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
• Für viele ältere, un- und angelernte Mitarbeiter ist Lernen eher etwas Ungewohntes. Ihr Arbeitsprozesswissen<br />
und ihre Einsatzflexibilität sollen jedoch erhöht werden.<br />
• Ältere Mitarbeiter können aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Experten des praktischen<br />
Tuns angesehen werden. Ein theoretisches Hintergrundwissen ist jedoch nur in geringem<br />
Umfang vorhanden.<br />
• Das wertvolle Erfahrungswissen der älteren Mitarbeiter soll bei ihrer Pensionierung dem<br />
Betrieb nicht verloren gehen.<br />
• Auf Arbeitsplatzbeschreibungen, die die Arbeitsschritte an den <strong>ein</strong>zelnen Aggregaten dokumentieren,<br />
kann nicht zurückgegriffen werden. Insbesondere die älteren Mitarbeiter sind die<br />
Wissensträger.<br />
Vor diesem Hintergrund wurden zur Vermittlung des notwendigen arbeitsplatzbezogenen Wissens<br />
Lerntandems gebildet:<br />
Die <strong>Tandem</strong>s setzten sich jeweils aus zwei Mitarbeitern mit unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungshorizonten<br />
zusammen. Während der <strong>ein</strong>e, meist ältere Mitarbeiter <strong>ein</strong>en Arbeitsplatz<br />
mit allen Tricks und Kniffen beherrschte, verfügte s<strong>ein</strong> meist jüngerer <strong>Tandem</strong>partner über mehr<br />
theoretisches Grundlagenwissen. Der <strong>Wissenstransfer</strong> war als gegenseitiger Lern- und Lehrprozess<br />
angelegt.<br />
Bei der Auswahl der <strong>Tandem</strong>partner wurde auf persönliche Affinitäten - soweit es ging - Rücksicht<br />
genommen. Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass Mitarbeiter, die z.B. bisher eher zu<br />
den „ruhigen“ Mitarbeitern zählten, in der neuen Lern-Situation <strong>ein</strong>e große auch persönliche<br />
Herausforderung erkannten und sich als äußerst geschickte Wissensvermittler erwiesen.<br />
Die <strong>Tandem</strong>s blieben über <strong>ein</strong>en mehrmonatigen Zeitraum zusammen, in dem sie systematisch<br />
gem<strong>ein</strong>sam das arbeitsplatzbezogene Wissen erschlossen haben. Die beiden Personen konnten<br />
sich auf <strong>ein</strong>ander <strong>ein</strong>stellen; mit der Zeit fällt es beiden Seiten <strong>im</strong>mer leichter Fragen zu stellen<br />
und gem<strong>ein</strong>sam nach Lösungen zu suchen bzw. sich diese zu erarbeiten.<br />
Erarbeitung <strong>ein</strong>er Arbeitsmappe<br />
Zur systematischen Wissensvermittlung wurden gem<strong>ein</strong>sam mit den an <strong>ein</strong>zelnen Arbeitsplätzen<br />
erfahrenen Mitarbeitern Einarbeitungsleitfäden entwickelt. Dies diente gleichzeitig zur Vorbereitung<br />
der Wissensvermittler. Zur Erarbeitung der Leitfäden fanden mehrere Treffen mit den Arbeitsplatzexperten<br />
statt, die in der ersten <strong>Tandem</strong>runde die Rolle der Lehrenden <strong>ein</strong>genommen<br />
haben. In <strong>ein</strong>em ersten Treffen ging es um <strong>ein</strong>en Perspektivwechsel für die Mitarbeiter. Ziel war,<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
4
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
aus der Arbeitssituation „herauszutreten“ und anhand von Leitfragen die kausalen Zusammenhänge<br />
an dem jeweiligen Arbeitsplatz systematisch zu erschließen. Anhand von Leitfragen wurde<br />
so das <strong>im</strong>plizite Wissen zu explizitem Wissen gemacht. Bei den Mitarbeitern war dieses Vorgehen<br />
häufig mit <strong>ein</strong>em Aha-Effekt verbunden. Die Beschreibung des <strong>ein</strong>gefahrenen und daher<br />
quasi automatischen Tuns schafft für alle Beteiligten <strong>ein</strong>en neuen Blick auf den Arbeitsprozess<br />
und das eigene Handeln.<br />
Gem<strong>ein</strong>sam mit den Arbeitsplatzexperten wurde so das gesamte arbeitsplatzbezogene Wissen<br />
sukzessiv in <strong>ein</strong>er Arbeitsmappe dokumentiert. Technische Zeichnungen, Abbildungen und<br />
screen shots der <strong>ein</strong>gesetzten EDV-Programme ergänzen die schriftliche Dokumentation. Am<br />
Ende ist <strong>ein</strong> Vademecum für jeden Arbeitsplatz entstanden, das den <strong>Tandem</strong>partnern in ihrer<br />
wechselseitigen Rolle als Lernende und Lehrende zur Orientierung und als Nachschlagewerk<br />
dient. Wichtig ist, dass der Leitfaden <strong>ein</strong> lebendiges Dokument bleibt. Damit ist gem<strong>ein</strong>t, dass<br />
Ergänzungen, Änderungen oder auch Korrekturen regelmäßig und zeitnah <strong>ein</strong>gepflegt werden.<br />
Die folgende Abbildung. zeigt <strong>ein</strong>en Ausschnitt aus der Arbeitsmappe für den Arbeitsplatz Drehherdofen.<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
5
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
Vorbereitung auf die Lehr- und Lernsituation<br />
Die Lern- und Lehrsituation in den <strong>Tandem</strong>s war für die Mitarbeiter neu. Im Rahmen <strong>ein</strong>es<br />
Workshops wurden die Mitarbeiter auf ihre neuen Rollen vorbereitet. Im Mittelpunkt stand die<br />
Reflexion ihrer neuen Rolle als Lehrende. Mit dem <strong>ein</strong>fachen Hilfsmittel „Fragen zu stellen“ und<br />
„Antworten zu geben“ wurden die Mitarbeiter darauf vorbereitet, gem<strong>ein</strong>sam das arbeitsplatzbezogene<br />
Wissen vor Ort zu erschließen. Sie haben gelernt, dass Fragen zu stellen k<strong>ein</strong> Ausdruck<br />
von Schwäche ist. Aus den Antworten gaben sich neue Fragen, auf die oftmals der andere<br />
<strong>Tandem</strong>partner <strong>ein</strong>e Antwort wußte. Auf diese Weise wurde der Blick für <strong>ein</strong> gegenseitiges von<strong>ein</strong>ander<br />
Lernen geschärft. Die Rollen des Lehrenden und Lernenden können in dem Prozess<br />
sogar wechseln.<br />
Der gesamte Lehr- und Lernprozess wurde unterlegt mit Lernregeln. Dazu wurde <strong>ein</strong> Vorschlag<br />
erarbeitet, der von den Mitarbeitenden angenommen wurde.<br />
Praktische Umsetzung und Erfahrungen nach <strong>ein</strong>er rund 2jährigen Erprobungsphase:<br />
• Schaffung von zusätzlichen Personalkapazitäten für den <strong>Wissenstransfer</strong><br />
Der <strong>Wissenstransfer</strong> am Arbeitsplatz setzte voraus, dass der vornehmlich lernende <strong>Tandem</strong>partner<br />
von s<strong>ein</strong>em Arbeitsplatz „freigestellt“ und s<strong>ein</strong>em Partner an die Seite gestellt werden<br />
konnte. Die Umsetzung konnte durch die Nutzung des arbeitsmarktpolitischen Instruments Job<br />
Rotation realisiert werden. Acht vormals Arbeitslose wurden unter Bezuschussung der Personalkosten<br />
für jeweils <strong>ein</strong> Jahr befristet <strong>ein</strong>gestellt (Vorgabe Job Aqtiv Gesetz). Sie wurden <strong>im</strong><br />
Betrieb für <strong>ein</strong>fache Tätigkeiten <strong>ein</strong>gewiesen und nahmen dann überwiegend die Transportarbeitsplätze<br />
<strong>ein</strong>, so dass – ggf. über <strong>ein</strong>en Ringtausch - der Arbeitsplatz des lernenden <strong>Tandem</strong>partners<br />
besetzt werden konnte.<br />
• <strong>Tandem</strong>bildung<br />
Mit dieser zusätzlichen Personalkapazität fand der <strong>Wissenstransfer</strong> parallel in acht <strong>Tandem</strong>s<br />
statt. Die Partner blieben jeweils über mehrere Monate <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong> zusammen. Der genaue Zeitraum<br />
orientierte sich an dem erfahrungsgeleiteten Zeitbedarf, der zur Erschließung des Wissens<br />
notwendig war, um an dem jeweiligen Arbeitsplatz <strong>ein</strong>gesetzt werden zu können. Zeitliche Veränderungen<br />
waren jederzeit möglich.<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
6
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
• Lernen und Lehren in <strong>Tandem</strong>s<br />
Es zeigte sich, dass die Verlagerung der Wissensvermittlung in den Arbeitsprozess geeignet ist,<br />
vorhandene Lernbarrieren aufzubrechen. Das praktische Tun unter Anleitung sowie die unmittelbar<br />
sichtbaren Konsequenzen bei der Anlagenbedienung läßt die Zusammenhänge greifbar<br />
ersch<strong>ein</strong>en. Der Wechsel von Erklären, Vormachen, Nachmachen und Besprechen führt zu<br />
<strong>ein</strong>em nachhaltigen Verstehen der Zusammenhänge. Wichtig für alle ist die Erkenntnis, dass<br />
Lernen und Lehren in diesem Rahmen plötzlich Spaß machen kann. Die Erinnerungen an unliebsame<br />
Schulerfahrungen sind dann schnell verflogen.<br />
• Steigerung der Einsatzflexibiltät<br />
Die Einsatzflexibilität der Mitarbeiter konnte deutlich gesteigert werden, wobei die Einsatzflexiblität<br />
zwischen vier und sieben Arbeitsplätzen rangiert. Ein flexibler Arbeitsplatzwechsel, z.B. bei<br />
der Umstellung auf <strong>ein</strong>e 3schichtige Fahrweise stellt heute k<strong>ein</strong> Problem mehr dar. Selbst die<br />
Umstellung auf <strong>ein</strong>e 4schichtige Fahrweise konnte auf diese Weise problemlos gemeistert werden.<br />
Der bereits absolvierte Qualifizierungsprozess bildet <strong>ein</strong>e gute Grundlage, die jedoch für<br />
neuerliche Veränderungen weiter ausgebaut werden muß.<br />
• Ergänzung: Arbeitsplatzübergreifende Schulungen<br />
Die ergänzenden arbeitsplatzübergreifenden Schulungen tragen darüber hinaus dazu bei, übergeordnetes<br />
Arbeitsprozesswissen in dem Produktionsbereich zu erwerben oder gar zu erweitern.<br />
Als nächster Schritt steht an, dafür Sorge zu tragen, dass die erworbenen Kompetenzen<br />
dauerhaft erhalten bleiben. Dies soll mittels <strong>ein</strong>er neuen Arbeitsorganisation geschehen, die von<br />
der heutigen Einzelarbeitsplatzlogik abweichend, <strong>ein</strong>en systematischen Wechsel der Arbeitsplätze<br />
innerhalb des gesamten Arbeitssystems fördert. Dabei wird jeder mehr Arbeitsplätze als<br />
früher bedienen, ansonsten aber steckt nur individuelle Lernbereitschaft und –fähigkeit die<br />
Grenzen der Rotation ab.<br />
• Motivation der Mitarbeiter<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
7
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
Nach anfänglicher Skepsis hat sich das Arbeitskl<strong>im</strong>a in dem Produktionsabschnitt deutlich verändert.<br />
Lernen ist <strong>ein</strong> Bestandteil des Arbeitsalltags geworden. Zu Beginn wurde der Qualifizierungsplan<br />
an alle Mitarbeiter verteilt, um von vornher<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>e entsprechende Transparenz zu<br />
schaffen. Die Mitarbeiter verfolgen die Umsetzung und fordern ihre Qualifizierungszeiten auch<br />
<strong>ein</strong>, wenn es zu Verzögerungen kommt.<br />
• Motivation und Qualifizierung der Älteren<br />
In den ersten <strong>Tandem</strong>paarungen übernahmen die älteren Mitarbeiter i.d.R. vornehmlich die Rolle<br />
der Lehrenden. Auf diese Weise konnten sie sich als wichtigen und akzeptierten Part <strong>im</strong> <strong>Tandem</strong><br />
aber auch in der gesamten Produktion erleben. Diese Erfahrung hat sicherlich dazu beigetragen,<br />
dass sie zu <strong>ein</strong>em späteren Zeitpunkt auch selbst die Rolle des Lernenden schlüpfen<br />
konnten, um das notwendige Wissen für den Einsatz an anderen Arbeitsplätzen hinzuzulernen.<br />
• Neue Beschäftigung geschaffen<br />
Erfreulich ist, dass von den vormals Arbeitslosen, die über das Instrument Job-Rotation befristet<br />
<strong>ein</strong>gestellt wurden, <strong>im</strong> ersten Jahr drei Mitarbeiter be<strong>im</strong> Bochumer Ver<strong>ein</strong> Verkehrstechnik <strong>ein</strong>e<br />
dauerhafte Beschäftigung gefunden haben. Begünstigt durch die Umstellung auf <strong>ein</strong> 4-<br />
Schichtsystem und den damit verbunden Personalmehrbedarf können weitere sechs Mitarbeiter<br />
aus der zweiten Einstellungsrunde zunächst befristet übernommen werden. Der erhoffte „Klebeeffekt“<br />
hat also durchaus funktioniert. Aber auch für diejenigen, die nicht übernommen werden<br />
konnten, war die 1jährige Beschäftigung <strong>ein</strong>e wichtige Erfahrung für den Wieder<strong>ein</strong>stieg in die<br />
Erwerbstätigkeit.<br />
Im Zuge der rund 2jährigen Erprobungsphase sind die Lerntandems zu <strong>ein</strong>em festen Bestandteil<br />
des Arbeitsprozesses geworden. Sie werden auch nach der Projektlaufzeit weitergeführt, um<br />
zum <strong>ein</strong>en die notwendigen Voraussetzungen für die 4schichtige Fahrweise zu schaffen. Darüber<br />
hinaus hat sich jedoch auch die Grundidee des Personal<strong>ein</strong>satzes verschoben. Neben den<br />
wirtschaftlichen Gründen, die für <strong>ein</strong>en flexiblen Personal<strong>ein</strong>satz sprechen, soll den Mitarbeitern<br />
über das Vehikel der erweiterten Einsatzflexibilität <strong>ein</strong> dauerhafter Verbleib in dem angestammten<br />
Arbeitssystem ermöglicht werden. Dies wird als <strong>ein</strong>e sinnvolle und notwendige Alternative<br />
sowohl zur bisherigen Praxis der Versetzung auf kaum noch vorhandene Schonarbeitsplätze als<br />
auch zur bisherigen Frühverrentungspraxis angesehen.<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
8
Dokument: InfosFuerUnternehmen/<strong>Wissenstransfer</strong>Praxisbeisp.pdf<br />
Nähere Informationen von: Soziale Innovation GmbH<br />
Deutsche Str. 10<br />
44339 Dortmund<br />
Tel: 0231 – 88 08 64 - 20<br />
Fax: 0231 – 88 08 64 - 29<br />
© GENERA: Die Jungen und die Alten – Belegschaftsintegration als Gestaltungsaufgabe<br />
9