Kasuistiken aus der endokrinologischen Sprechstunde
Kasuistiken aus der endokrinologischen Sprechstunde
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<strong>Kasuistiken</strong><br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>endokrinologischen</strong><br />
<strong>Sprechstunde</strong><br />
1. Münchener Symposium<br />
Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin<br />
Berufsverband<br />
Reproduktionsmedizin Bayern (BRB)<br />
25. Juni 2005
Dr. Markus S. Kupka<br />
Arbeitsgruppe Kin<strong>der</strong>wunsch<br />
Reproduktionsmedizin & Endokrinologie<br />
Ludwig-Maximilians-Universität<br />
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />
Direktor: Prof. Dr. K. Friese<br />
Klinikum <strong>der</strong> Universität München - Innenstadt<br />
Maistrasse 11<br />
D - 80337 München<br />
www.ivf-maistrasse.de
Fallbericht R. M.
Fallbericht R. M.<br />
Alter 31 Jahre<br />
Grund <strong>der</strong> Vorstellung prim. Amenorrhoe<br />
Zyklus prim. Amenorrhoe<br />
Gewicht 85<br />
Größe 172<br />
Diagnostik ?
Fallbericht R. M.<br />
transvag. U-Schall rel. kleiner Uterus<br />
Endometrium basal<br />
Ovarien erkennbar<br />
keine Zysten, kein Follikel
Fallbericht R. M.<br />
Parameter Wert Norm<br />
FSH 1,0 2,0 - 12,0 U/l<br />
LH<br />
PRL<br />
E-2<br />
P<br />
gesamt-T<br />
DHEA-S<br />
TSH<br />
0,80 1,0 - 18,0 U/l<br />
382 30,0 - 500,0 µU/ml<br />
10 30,0 - 150,0 pg/ml<br />
0,2 4,7 - 20,0 ng/ml<br />
0,2 bis 1,2 ng/ml<br />
0,4 0,50 - 4,00 µg/ml<br />
1,5 0,30 - 4,00 µU/ml
Fallbericht R. M.<br />
Nebenbefund<br />
Kin<strong>der</strong>wunsch<br />
Anosmie
Fallbericht R. M.<br />
Laparoskopie<br />
Hysteroskopie<br />
Es zeigen sich zwei schlanke Kanäle in Richtung bei<strong>der</strong> Ostien mit einem breiten, ca. 1/3 des Cavums<br />
einnehmenden Septum. Die Schleimhaut erscheint unauffällig. Das rechte Ostium ist gut einsehbar mit<br />
Bubble-Bildung, das linke Ostium in <strong>der</strong> Tiefe zu erahnen. Der Zervikalkanal ohne Beson<strong>der</strong>heiten. Vom<br />
hysteroskopischen Befund her kann noch nicht zwischen einem Uterus subseptus und einem Uterus bicornis<br />
unterschieden werden.<br />
Laparoskopie<br />
Uterus mittelständig, nahezu vollständig normal konfiguriert mit allenfalls minimal angedeuteter<br />
Herzform, antevertiert/-flektiert. Es finden sich keine Adhäsionen o<strong>der</strong> Anzeichen für Endometrioseherde.<br />
Die Ovarien sind beidseits von normaler Farbe und Lokalisation, jedoch deutlich kleiner, etwa 2x1 cm,<br />
was einer Ovarialhypoplasie entspricht. Die Tuben sind beidseits stark geschlängelt und elongiert, die<br />
Fimbrientrichter bds. zart, das Schleimhautrelief erkennbar. Der Blick in den Oberbauch zeigt keine<br />
Beson<strong>der</strong>heiten, keine Hinweiszeichen für Endometriose. Leberoberfläche glatt, Kante scharf, Gallenblase<br />
gefüllt. Appendix vermiformes unauffällig. Der Blick in den Douglas’schen-Raum ist ebenfalls unauffällig.
Fallbericht R. M.<br />
Chromopertubation<br />
Blau<strong>aus</strong>tritt ist beidseits prompt erkennbar.
Fallbericht R. M.<br />
Diagnose Kallmann-Syndrom (Olfacto-genitales Syndrom)<br />
Genetisch bedingte Assoziation von<br />
hypogonadotropem Hypogonadismus<br />
und Anosmie.<br />
Der Hypogonadismus ist durch vermin<strong>der</strong>te<br />
o<strong>der</strong> fehlende Sekretion von GnRH und<br />
entsprechend niedrige o<strong>der</strong> fehlende FSHund<br />
LH-Spiegel bedingt, die zum Ausbleiben<br />
<strong>der</strong> normalen Geschlechtsreifung führen<br />
können.<br />
Das Bestehen einer nichtselektiven<br />
Hyposmie<br />
o<strong>der</strong> Anosmie ist essentiell für die<br />
Diagnose-<br />
Stellung und bedingt durch die Störung <strong>der</strong><br />
Migration <strong>der</strong> GnRH-Neurone und<br />
Entwicklungsstörung des Riechhirns.<br />
Weitere assoziierte Störungen<br />
(Synkinesien,<br />
unilaterale renale Agenesie, Pes cavus)<br />
können<br />
gefunden werden.
Fallbericht R. M.<br />
Die Symptome sind durch einen<br />
Defekt in <strong>der</strong> axonalen Wan<strong>der</strong>ung<br />
von zwei neuronalen<br />
Subpopulationen, den GnRH<br />
produzierenden Neuronen und den<br />
olfaktorischen Neuronen, bedingt.<br />
Häufigkeit<br />
männliches Geschlecht: 1: 10.000<br />
weibliches Geschlecht: 1: 50.000<br />
Die Beschreibung von autosomal<br />
dominanter, autosomal rezessiver<br />
und X-chromosomal rezessiver<br />
Vererbung weist auf die genetische<br />
Heterogenität des Kallmann-<br />
Syndroms hin, wobei inter- und<br />
intrafamiliär variable Penetranz und<br />
Expressivität besteht.<br />
Die X-chromosomal gekoppelte Form<br />
des Kallmann-Syndroms scheint am<br />
häufigsten vorzukommen, wodurch<br />
die höhere Inzidenz bei Männern<br />
erklärt wird.
Fallbericht R. M.<br />
Das Gen (KAL-X) für die Xchromosomal<br />
vererbte Form des<br />
Kallmann-Syndroms konnte auf dem<br />
distalen kurzen Arm des X-<br />
Chromosoms (Xp22.3) kartiert und in<br />
<strong>der</strong> Folge isoliert werden.<br />
Bei Patienten mit Kallmann-Syndrom<br />
wurden verschiedenste Mutationen<br />
(Punktmutationen, nonsense-<br />
Mutationen, missense- und splicesite-Mutationen)<br />
gefunden.<br />
Patienten mit Deletionen <strong>der</strong> Region<br />
Xp22.3 zeigen im Sinne eines<br />
"contiguous gene syndrome" oft<br />
zusätzliche Symptome wie sie bei<br />
Ichthyosis-X, Chondrodysplasia<br />
punctata, okulärem Albinismus<br />
und/o<strong>der</strong> mentaler Retardierung<br />
gefunden werden. Dies läßt auf den<br />
Verlust weiterer Gene <strong>aus</strong> dieser<br />
Region schließen. Die autosomalen<br />
Kallmann-Gene konnten bisher noch<br />
nicht genau kartiert werden.<br />
In 11 Mitosen<br />
normaler weiblicher<br />
Chromosomensatz<br />
KAL-X Gen-Nachweis noch<br />
nicht abgeschlossen
Fallbericht R. M.<br />
weitere Diagnostik?<br />
Knochendichte-Messung
Fallbericht R. M.<br />
DEXA Dual Energy X-ray Absorptiometry (=DXA)<br />
Absorptiometrie unter Verwendung von Photonen<br />
zweier unterschiedlicher diskreter Energien<br />
(38 und 70 keV)<br />
-> Bestimmung des Knochenmineralsalzgehaltes<br />
(BMC = bone mineral content) <strong>der</strong><br />
"durchgescanten" Körperregionen<br />
-> planimetrische Ermittlung <strong>der</strong> Knochendichte<br />
(BMD = bone mineral density)
Fallbericht R. M.<br />
DEXA ist das etablierteste Verfahren zur Messung <strong>der</strong><br />
Knochendichte.<br />
an<strong>der</strong>e Methoden sind:<br />
QCT volumetrische Knochendichte-Messung<br />
Nachteil: relativ hohe Strahlenbelastung<br />
QUS Erfassung von Knochenstruktureigenschaften mit<br />
quantitativem<br />
Ultraschall<br />
LWS-Messung<br />
Schenkelhals-Messung
Fallbericht R. M.<br />
An großen Normkollektiven wurden BMD-Durchschnittswerte<br />
(bone mineral density) mit entsprechenden Standardabweichungen (SD)<br />
ermittelt; diese erlauben bei einer Messung die Angabe von<br />
T-Wert = Abweichung des Meßergebnises von <strong>der</strong> peak bone mass<br />
(junger Erwachsener, 30-jährig) <strong>aus</strong>gedrückt in SD<br />
Z-Wert = Alters- (und körpergewichts-) korrigierter Wert<br />
WHO-Definition: Osteopenie T -1 bis –2,5<br />
Osteoporose T < -2,5
Fallbericht R. M.<br />
<strong>aus</strong>geprägte Osteopenie<br />
LWK 1-4: durchschn. Mineralsalzgehalt = 0,926 g/cm²<br />
T-Wert = - 2,0 SD<br />
Z-Wert = - 2,7 SD
Fallbericht R. M.<br />
Therapie-Optionen ?
Fallbericht R. M.<br />
1. INS<br />
rec. FSH (Gonal-F)<br />
150 I.E. – 300 I.E.<br />
E-2 max 60 pg/ml.<br />
2. INS<br />
rec. FSH (Puregon)<br />
300 I.E.<br />
+<br />
rec. LH (Luveris) à 75<br />
I.E.
Fallbericht R. M.<br />
HRT
Fallbericht F. N.
Fallbericht F. N.<br />
Alter 30 Jahre<br />
Grund <strong>der</strong> Vorstellung Hirsutismus<br />
„Zyklusunregelmäßigkeiten“<br />
Zyklus Oligomenorrhoe (4-5 Moate)<br />
Menarche 12 Jahre<br />
Größe 160<br />
Gewicht 45<br />
Diagnostik ?
Fallbericht F. N.<br />
transvav. U-Schall sonographisch > 10 Follikel<br />
2-8 mm Durchmesser,<br />
periphere Lage<br />
Stromahyperplasie<br />
vergrösserte Ovarien<br />
Sonographisch: PCO
Fallbericht F. N. Bewertung des Body-Mass-Index (BMI)<br />
nach WHO 1998:<br />
Mangelernährung Grad 1 17,0 - 18,5<br />
Mangelernährung Grad 2 16,0 - 17,0<br />
Mangelernährung Grad 3 < 16<br />
Untergewicht < 18,5<br />
Normalgewicht 18,5 - 24,9<br />
Übergewicht > 25<br />
Prä-Adipositas 25,0 - 29,9<br />
Adipositas Grad 1 30,0 - 34,9<br />
Adipositas Grad 2 35,0 - 39,9<br />
Adipositas Grad 3 > 40<br />
BMI und Alter<br />
19-24 Jahre 19-24<br />
25-34 Jahre 20-25<br />
35-44 Jahre 21-26<br />
45-54 Jahre 22-27<br />
55-64 Jahre 23-28<br />
>64 Jahre 24-29<br />
nach DGE, Ernährungsbericht 1992:<br />
Klassifikation m w<br />
Untergewicht 40<br />
F.N. = 30 Jahre, BMI = 17,6
Fallbericht F. N.<br />
4. ZT. nach Duphaston (Dydrogesteron Tbl. à 10 mg 2/d über max. 14 Tage)<br />
Parameter Wert Norm<br />
FSH 2,7 2,0 - 12,0 U/l<br />
LH<br />
PRL<br />
E-2<br />
P<br />
T<br />
9,6 1,0 - 18,0 U/l<br />
476 30,0 - 500,0 µU/ml<br />
52 30 - 120 pg/ml<br />
0,3 0,3 - 4,0 ng/ml<br />
1,2 bis 1,2 ng/ml<br />
TSH 2,0 2 - 12 U/l<br />
Cortisol 15,1 4 - 19 µg/dl<br />
DHEA-S 1,2 0,5 – 4,0 µg/ml<br />
17-α-OH-P 76 10 - 110 ng/dl<br />
SHBG 31,8 18 – 144 nmol/l<br />
AD 3,5 bis 3,5 ng/ml
Fallbericht F. N.<br />
• Stein und Leventhal (1935):<br />
– Amenorrhoe, Hirsutismus, PCO-Morphologie, Adipositas<br />
• NICHD-Konsensus = National Institute of Child Health and<br />
Human Development (1990)<br />
- Hyperandrogenämie und Anovulation,<br />
– Ausschluss an<strong>der</strong>er Ätiologie (Dunaif 1992)<br />
• Rotterdam-Konsensus (2003):<br />
– Hyperandrogenämie<br />
PCO-Definitionen<br />
– Oligomenorrhoe und/o<strong>der</strong> Anovulation<br />
– PCO-Morphologie ist Kriterium<br />
– Zwei Kriterien müssen erfüllt sein (F<strong>aus</strong>er 2003)
Fallbericht F. N.<br />
“Presence of 12 or more follicles in each ovary<br />
measuring 2–9 mm in diameter, and/or increased<br />
ovarian volume (10 mL)”<br />
The follicle distribution should be omitted as<br />
well as the increase in stromal echogenicity<br />
and volume.<br />
Only one ovary fitting this definition is sufficient<br />
to define PCO.
Fallbericht F. N.<br />
PCO: Häufigkeit und Bedeutung<br />
• Prävalenz: 4-7 % aller Frauen (Carmina 1999)<br />
• Hauptursache anovulatorischer Infertilität<br />
• Spätfolgen:<br />
– Assoziation mit metabolischem Syndrom<br />
– Assoziation mit onkologischen Erkrankungen
Fallbericht F. N.<br />
• Sterilität (74%)<br />
• Hirsutismus/Akne (69%)<br />
• Oligo-Amenorrhoe (51%)<br />
• Adipositas (41%)<br />
PCO: Klinik<br />
• Virilisierung (31%)<br />
• dysfunktionelle Blutungen (29%)<br />
Morphologie
Fallbericht F. N.<br />
• Pathologische Glukosetoleranz bei 25-60 % aller PCOS-Patientinnen<br />
(Dunaif 1989)<br />
• Hyperinsulinämie auf dem Boden einer Insulinresistenz<br />
• Insulinwirkung<br />
PCO: Hyperinsulinämie<br />
– wirkt am Ovar als Co-Gonadotropin wie LH<br />
– senkt SHBG-Synthese, erhöht freie Androgene<br />
– Rezeptordefekt ? Modifizierte intraovarielle Signaltransduktion ?
Fallbericht F. N.<br />
• metabolische und atherogene Risikofaktoren (Reaven 1988)<br />
– Hyperinsulinämie<br />
– pathologische Glukosetoleranz<br />
– Diabetes Typ II<br />
– Hypertonus<br />
– Dyslipidämie<br />
– Adipositas (Stamm)<br />
– Hyperurikämie<br />
– Hyperkoagulabilität<br />
PCO: Metabolisches Syndrom<br />
• 3-fach erhöhtes Risiko für KHK, Schlaganfall (Isomaa 2001)
Fallbericht F. N.<br />
Insulinresistent-Testung<br />
Verabreichung von Glukose (1 g Glukose/kg KM als 20 %ige Lösung)<br />
0 30 min 60 min<br />
Blutzucker 86 111 143 116 mg/dl<br />
Insulin<br />
120 min<br />
23 85 214 235 µU/ml
Fallbericht F. N.<br />
Insulinresistent-Testung<br />
Das HOMA-Modell (homeostasis model assessment) ist ein<br />
mathematisches Modell, das über die Nüchtern- Plasma-Glukose und<br />
Nüchtern-Insulin-Konzentration eine Berechnung <strong>der</strong> Insulinresistenz<br />
erlaubt.<br />
Norm: bis 4,0 hier: 20,5 -> path. Werte<br />
Empfehlung: Metformin einschleichend bis 3 x 500 mg/d<br />
LSK mit Ovar-Drilling
Fallbericht F. N.<br />
• Wirkmechanismus:<br />
– Insulinsensitizer<br />
PCO: Metformin<br />
– Suppression <strong>der</strong> hepatischen Gluconeogenese<br />
– Senkung des Serum-Insulins<br />
• Effekte bei PCOS:<br />
– Senkung <strong>der</strong> Androgenspiegel<br />
– Wie<strong>der</strong>auftreten von Zyklen / Verbesserung <strong>der</strong> Intervalle<br />
– Ovulationen, Schwangerschaften<br />
– unabhängig von Gewichtsverlust (Moghetti 2000)
Fallbericht F. N.<br />
PCO: Therapie – ohne Kin<strong>der</strong>wunsch<br />
• Ziel: Reduzierung hyperandrogenämischer Folgen und mittel- bis<br />
langfristiger metabolischer Risiken<br />
• Bei Übergewicht: Lebensstil än<strong>der</strong>n<br />
• Medikamentöse Therapie:<br />
– „Pille“ mit anti-androgenem Gestagenanteil<br />
– Metformin<br />
– Dexamethason, Androcur, (Spironolacton, Finasterid)<br />
• Chirurgische Therapie:<br />
– Laserkoagulation<br />
• Mechanische Therapie:<br />
– Epilation, Laser
Fallbericht F. N.<br />
LSK mit Ovar-Drilling
Fallbericht F. N.<br />
PCO: Therapie – mit Kin<strong>der</strong>wunsch<br />
• Ziel: Induktion eines Follikelwachstums, Ovulation<br />
• bei Übergewicht: Lebensstil än<strong>der</strong>n<br />
• Medikamentöse Therapie:<br />
– Clomifen (first line therapy)<br />
– FSH low-dose (cave Mehrlingsrisiko)<br />
– Metformin<br />
• Assistierte Reproduktion:<br />
– Insemination o<strong>der</strong> IVF (cave Mehrlingsrisiko,<br />
Überstimulation)