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Juli - Münchener Anwaltverein

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24 |<br />

Kultur | Rechtskultur<br />

Recht durchzusetzen - uns für den Satz nicht<br />

schämen:<br />

»Der Gerechtigkeit müssen sich auch Glanz<br />

und Macht beugen!«,<br />

Unsere Sicherheitsbedürfnisse entstehen<br />

letztlich aus dem Wunsch, Glanz und Macht<br />

zu erringen, unsere Freiheitsbedürfnisse aus<br />

je ganz individuellen Zielen (zu denen auch<br />

der Wunsch nach Untergang gehören kann) -<br />

ein Konflikt zwischen beiden ist also unvermeidbar.<br />

Das Recht regelt Konflikte, es entscheidet,<br />

es verteilt, es sorgt für Rechtsfrieden auch<br />

dort, wo es nur die Strukturen schafft, an<br />

denen jeder einzelne sich orientieren kann.<br />

Das Recht bildet die Statik des Gesellschaftssystems<br />

und es besteht aus beiden Elementen,<br />

der Sicherheit und der Freiheit. Wenn diese<br />

Ausgewogenheit wechselnden Situationen<br />

beliebig geopfert wird , dann fällt nicht nur der<br />

Stuck von den Wänden, dann ist die Statik<br />

selbst bedroht.<br />

Was der Gesetzgeber zu tun hat, ist deshalb<br />

nicht, die Welt mit allen erdenklichen Rechtsregeln<br />

zuzubetonieren , damit nirgendwo eine<br />

Lücke mehr bleibt. Er muss vielmehr dafür<br />

Sorge tragen, die Macht dort in rechtliche<br />

Bahnen zu lenken, wo sie in der Gefahr steht,<br />

aus Angst oder Anmaßung nur noch ein<br />

einziges Interesse zu sehen und diesem zu<br />

dienen. Das wird nicht gelingen, wenn wir in<br />

unzähligen Einzelregelungen ersticken, wenn<br />

wir die Übersicht über die Grundlinien dessen<br />

verlieren, das uns trägt.<br />

Der Gesetzgeber muss wieder lernen, sich<br />

auch unter schwierigen Umständen an das<br />

verfassungsrechtlich verbriefte Übermaßverbot<br />

21 zu halten. Es ist die zentrale Grundregel des<br />

Umgangs, den der Staat mit seinen Bürgern<br />

einhalten muss, eine Regel, die dazu zwingt,<br />

stets Ursache und Wirkung zu bedenken und<br />

so jenes empfindliche Gleichgewicht der<br />

Kräfte zu schaffen, ohne das ein Recht , das<br />

seinen Namen verdient , nicht funktionieren<br />

kann.<br />

Prof. Dr. Benno Heussen, Rechtsanwalt<br />

21 Peter Lerche hat diesen Begriff geprägt (Übermaß und Ver-<br />

fassungsrecht, Heymanns 1961 (1999)), der seither das Verfassungsrecht<br />

zur Frage der Ausgewogenheit staatlichen<br />

Verhaltens beherrscht (seit BVerfGE NJW 1963, 1597 - Ausschluss<br />

eines Strafverteidigers; bis jüngst BVerfG NJW 2009,<br />

1061 - Kannibale von Rotenburg.<br />

Zur Fotostrecke in diesem Heft<br />

Spaziergänge in München:<br />

„Charakter ist nur<br />

Eigensinn, es lebe die Zigeunerin!”<br />

sagte Paul Scheerbart (1863 – 1915) über<br />

sich: Dichter, Visionär und ein Konstrukteur,<br />

der drei Jahre lang vergeblich an einem<br />

Perpetuum mobile gearbeitet hatte (damals<br />

verhielt sich das physikalische Weltbild noch<br />

ein wenig freundlicher gegenüber solchen<br />

Utopien).<br />

Eigensinn? Kennzeichnet jeden Besitzer eines<br />

Land Rover Defender (ausgenommen natürlich<br />

Bergbauern Förster, Landvermesser usw.).<br />

Sehen Sie selbst:<br />

Luftwiderstand? Stur wie ein Brett.<br />

Benzinverbrauch? Spielt unter diesen Umständen<br />

keine Rolle .<br />

Um welt verträg lich keit? Gewiss: Gelegentlich<br />

sieht man so gar einen Defender mit grüner<br />

Plakette. Andere – ganz neue – schaffen es<br />

nur bis zur roten. Und viele, eigentlich die<br />

meisten, die ich gesehen habe – und ebenfalls<br />

ganz neue – fahren ohne.<br />

Evolutionär betrachtet, handelt es sich bei<br />

dem Defender um eine Sackgasse. Und<br />

entsprechend selten hat man auch in den<br />

letzten Jahren neue Exemplare gesehen. Erst<br />

seit vielleicht zwei Monaten tauchen sie<br />

vermehrt in München auf: am häufigsten in<br />

schwarz, gern aber auch in grau. Diesem entspricht<br />

die Entwicklung von zwei anderen<br />

Typen: Jeep Wrangler und Mercedes G-<br />

Klasse, beide ebenfalls lange verschmäht von<br />

der Gunst der Käufer, beide ebenfalls kantig<br />

und bedie ebenfalls häufig in schwarz. Aber<br />

beide haben nicht den ganz gleichen<br />

Erfolg des Defender. Alle drei grenzen<br />

sich entschieden ab von den gerundeten,<br />

“weichgespülten” SUVs (Sport Utility Vehicle),<br />

die sich mittlerweile als ganz normale Autos<br />

anbiedern:<br />

auf der Tür eines BMW X5<br />

Der De fen der ist archaisch.<br />

Äußerlich erkennbar z.B.<br />

an den Nieten seitlich und<br />

hinten. Und konzeptionell<br />

ist er gleichsam für den<br />

Mann gedacht, der gelegentlich<br />

Jagd auf ein<br />

Mammut machen muss:<br />

Seitenauspuff nach oben,<br />

damit er Bäche und Furten<br />

durchqueren kann.<br />

Großer Dachgepäckträger<br />

für die Beute, Dachleiter<br />

hinten und/oder Trittbretter<br />

auf den Kotflügeln<br />

vorn, um das Essen oben zu verstauen. Nun ist<br />

aber Mammutjagd heute an und für sich<br />

schon ein Problem. Und Wilderei wird<br />

sowieso nicht gern gesehen. Worum geht es<br />

also wirklich?<br />

1984 gab es in Amerika eine Werbekampagne,<br />

die das ganz prägnant ausgedrückt<br />

hatte. Erstes Motiv: Eine kleine Insel, darauf<br />

ein Zelt und ein Jeep. Und dazu die Zeile:<br />

„Only in a Jeep.” Zweites Motiv: Reißender<br />

Gebirgsbach. Ein Jeep auf einem Felsen direkt<br />

am Ufer. Darin ein Mann mit Schaum im Gesicht,<br />

der sich rasiert: „Only in a Jeep.” Drittes<br />

Motiv: Wüste im Abendlicht. Auf einer Sanddüne<br />

ein Jeep. Viertes Motiv: Flaches Flussbett.<br />

Ein Jeep brettert die Flussmitte entlang. Links<br />

und rechts zwei Meter hohes Spitzwasser:<br />

”Only in a Jeep.”<br />

Der Jeep, der Defender – sie stehen für Selbstbestimmung:<br />

keine Zwänge, keine Kompromisse.<br />

Sie stehen für eine Utopie. Wie das<br />

Perpetuum mobile.<br />

Und für den Entwurf einer anderen Welt. Und<br />

wenn diese Montag bis Freitag nicht möglich<br />

ist, dann wenigstens am Wochenende.<br />

Die Zeiten sind wohl so, dass das Bedürfnis<br />

nach einer Utopie jetzt wieder wächst.<br />

Helmut Winkler , (Fotos und Text)<br />

Nieten: in den 30er bis<br />

50er Jahren gab es für sie<br />

sicherlich technische<br />

Gründe.<br />

MAV-Mitteilungen <strong>Juli</strong> 2009

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