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Heft 2/2008 - Pro Tier

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Raubtier-Update<br />

<strong>Pro</strong>teste und Kritik<br />

nach Bären-Abschuss<br />

« <strong>Pro</strong>blembär », « Risikobär », toter Bär. Das ist die tragische Chronik des<br />

Braunbären « JJ3 ». Am 14. April wurde er im Kanton Graubünden von einem<br />

Wildhüter erschossen. Die Tötung löste im In- und Ausland <strong>Pro</strong>teste aus.<br />

VON ANANDA KUNZ<br />

JJ3 ? Schon dieser Kürzelname<br />

erzählt eine unglückliche<br />

Geschichte. « JJ » steht für<br />

« Jurka » und « Jože ». Das sind die<br />

Eltern der drei bekannt gewordenen<br />

Bärenbrüder JJ1, JJ2 und JJ3.<br />

Jurka und Jože wurden 2001 von<br />

Slowenien ins italienische Trentino<br />

umgesiedelt. Unbedarfte Leute fütterten<br />

die Bärin Jurka im Tovel-Tal.<br />

So gewöhnte sie sich an Menschen.<br />

Die fehlende Scheu vor Menschen<br />

übertrug sie auf ihre drei Söhne.<br />

Oft suchten diese Nahrung in Siedlungsnähe.<br />

Mit dem Ende vonJJ3<br />

sind mittlerweile alle drei Brüder tot<br />

– und ihre Mutter hinter Gittern.<br />

2005 wanderte JJ2 in den Kanton<br />

Graubünden ein. Als « Lumpaz » wurde<br />

er im Val Mustair zur Touristenattraktion.<br />

Er riss wiederholt Schafe<br />

und liess sich kaum abschrecken.<br />

Im September 2005 wechselte er ins<br />

Südtirol ; seither ist er verschollen.<br />

Ein Jahr später erlangte sein Bruder<br />

12<br />

Foto : zvg Amt für Jagd und Fischerei Graubünden (Bildarchiv Roth)<br />

JJ1 als « Bruno » traurigen Ruhm in<br />

Bayern. Sogar tagsüber suchte er<br />

sein Fressen im Siedlungsraum.<br />

Am 26. Juni 2006 wurde JJ1 auf Anweisung<br />

der bayerischen Behörden<br />

abgeschossen, was in Deutschland<br />

einen <strong>Pro</strong>teststurm auslöste.<br />

Ähnliches Schicksal<br />

Ein ganz ähnliches Schicksal hat<br />

nun auch JJ3 ereilt. Am 14. April<br />

erschoss ihn ein Wildhüter im Kanton<br />

Graubünden, weil er fortgesetzt<br />

in menschlichen Einrichtungen Essbares<br />

suchte. Dieses Verhalten hatte<br />

JJ3 bereits im Herbst 2007 gezeigt,<br />

weshalb er nach dem Konzept Bär<br />

Schweiz zunächst als « <strong>Pro</strong>blembär »<br />

eingestuft wurde. Als er in diesem<br />

Frühling – hungrig nach der Winterruhe<br />

– auch in Hütten und Scheunen<br />

eindrang, trug ihm dies die Klassierung<br />

als « Risikobär » und damit das<br />

Todesurteil ein.<br />

Vor seinem Abschuss zog JJ3<br />

von Brienz nach Surava. Von dort<br />

wanderte er weiter nach Lenz, Alvaschein,<br />

Oberhalbstein, Radons, Tinizong,<br />

Rona, Savognin, Tiefencastel.<br />

Überall wühlte er in Mülltonnen<br />

und Komposthaufen, frass Futter<br />

aus Vogelhäuschen und besuchte<br />

abgelegene Restaurants. Vergrämungsaktionen<br />

wurden zunehmend<br />

aufwändiger ; der Bär kannte die ihm<br />

JJ3 in einem Fotofallen-Bild<br />

kurz vor seinem Abschuss.<br />

nachstellenden Personen, deren<br />

Fahrzeuge und Gerätschaften und<br />

wich geschickt aus, jedoch ohne sich<br />

von der Suche nach menschlicher<br />

Nahrung abbringen zu lassen.<br />

Mensch macht<br />

die Regeln<br />

War JJ3 also « unbelehrbar » ? Da<br />

stellt sich zum einen die Frage, wer<br />

im Gefüge Natur-<strong>Tier</strong>-Mensch welche<br />

Regeln aufstellt, bzw. befolgt.<br />

Zum anderen fragt sich, ob JJ3 genug<br />

Zeit blieb, dazuzulernen. Wohl<br />

kaum. Zu den Erfolgsaussichten einer<br />

« Umerziehung » von JJ3 äussert<br />

sich Dave Garshelis, der Leiter der<br />

IUCN/SSC « Bear Specialist Group » :<br />

« Es hängt davon ab, wie stark ein<br />

Bär an Menschen gewöhnt ist », sagt<br />

er gegeüber « Kora », der Koordinationsstelle<br />

für Forschungsprojekte<br />

zur Erhaltung und zum Management<br />

der Raubtiere in der Schweiz.<br />

« Nationalparks in den USA und in<br />

Kanada und viele Dörfer und Städte<br />

haben sich schon seit langem mit<br />

diesem Thema beschäftigt. Einerseits<br />

hat man entfernt, was Bären<br />

anlocken kann, andererseits mit<br />

Knallpetarden, Gummikugeln, Pfefferspray,<br />

Einfangen und Umsiedeln,<br />

usw. experimentiert. Die Resultate<br />

waren immer durchzogen : Mit Beharrlichkeit<br />

konnte einigen Bären<br />

beigebracht werden, Menschen<br />

fernzubleiben, aber die schlimmsten<br />

Übeltäter waren in der Regel<br />

nicht belehrbar. »<br />

Musste man das <strong>Pro</strong>blem also<br />

mit dem Gewehr aus der Welt schaffen<br />

? In der kleinen Alpenpopulation<br />

ist jeder einzelne Bär wertvoll und<br />

wichtig. Und wie seine Mutter und<br />

älteren Brüder hat sich JJ3 Men-<br />

<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 2/08

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