Heft 2/2008 - Pro Tier
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Dabei zielt der Bundesrat auf eine<br />
grössere Bewegungsfreiheit : So ist<br />
es neu verboten, ein Pferd allein zu<br />
halten oder es von anderen Pferden<br />
abzuschotten. Die <strong>Tier</strong>e müssen<br />
gemäss BVet « Blickkontakt zu<br />
anderen Pferden haben und diese<br />
hören und riechen können ». Ab<br />
2013 wird bei Pferden die Anbindehaltung<br />
verboten. Bei Schafen gilt<br />
das Verbot ab 2018 und bei Ziegen in<br />
allen neu eingerichteten Ställen. Ab<br />
2013 ebenfalls verboten sind harte<br />
Vollspaltböden in Ställen für Rinder<br />
und für Schweine. Mit den teilweise<br />
langen Übergangsfristen sollen die<br />
Interessen der Bauern berücksichtigt<br />
werden. Trotzdem ist die neue<br />
<strong>Tier</strong>schutzverordnung den Bauern<br />
noch zu restriktiv. Der Schweizerische<br />
Bauernverband etwa kritisiert,<br />
die neue <strong>Tier</strong>schutzverordnung bedinge<br />
teure bauliche Anpassungen.<br />
Den <strong>Tier</strong>schützern hingegen geht<br />
sie klar zu wenig weit. Und der Teufel<br />
steckt im Detail. Daher müssen<br />
die neuen Bestimmungen – oder<br />
ihr Ausbleiben – und deren Folgen<br />
im Einzelnen analysiert werden. So<br />
sind die erwähnten, unverständlich<br />
langen Übergangsfristen in der<br />
Nutztierhaltung stossend. Warum<br />
beispielsweise soll man Schafe<br />
im Stall noch bis zum Jahr 2018<br />
anbinden dürfen ? Und warum gab<br />
der Bund vor mehr als zehn Jahren<br />
eine Arbeit zur <strong>Tier</strong>schutzrelevanz<br />
des elektrischen Kuhtrainers in Auftrag,<br />
nur um jetzt das Verbot der<br />
20<br />
Kuhtrainer für bestehende Ställe<br />
fallen zu lassen ? Dabei war das Resultat<br />
eindeutig. Biobauern zeigen<br />
seit Jahren, dass es ohne Kuhtrainer<br />
geht. Und auf dem Markt sind<br />
schon lange bewährte Alternativen<br />
erhältlich.<br />
Mächtige Einflüsterer<br />
Offensichtlich sind die Lobbyisten<br />
der einflussreichen und hoch subventionierten<br />
Agrarindustrie nicht<br />
untätig geblieben. Denn es geht um<br />
viel Geld – auf Kosten der <strong>Tier</strong>e. So<br />
empfinden Bauernvertreter doch<br />
tatsächlich die neue Mindestfläche<br />
von drei Quadratmetern pro Mastmuni<br />
als Schikane. Dabei kann ein<br />
junges, bewegungsfreudiges Rind<br />
sich auf dieser Fläche kaum wenden,<br />
geschweige denn entspannt<br />
liegen, den angeborenen Sozialabstand<br />
einhalten, herumspringen<br />
oder mit Artgenossen spielen.<br />
Foto : © Maier Robert, SUTTER<br />
Auch die Einflüsterer der nicht<br />
weniger mächtigen Pharmalobby<br />
haben ihre Wirkung in Bundesbern<br />
nicht verfehlt. So bleiben belastende<br />
<strong>Tier</strong>versuche an Primaten ebenso<br />
weiterhin zulässig wie belastende<br />
<strong>Tier</strong>versuche für Tabakwaren oder<br />
Kosmetika und Körperpflegemittel.<br />
Dass der Bundesrat solches weiter<br />
zulassen will, ist aus tierschützerischer<br />
Sicht völlig unverständlich.<br />
Zoos geschont<br />
Die <strong>Tier</strong>schutzverordnung nimmt<br />
also in erster Linie private Heimtierhalter<br />
in die Pflicht, die landwirtschaftlichen<br />
Nutztierhalter bereits<br />
deutlich weniger. Den Zoos<br />
hingegen ist offenbar gar nichts<br />
zuzumuten – zum Beispiel die<br />
Straussenvogelgehege zu vergrössern.<br />
Die Mindestfläche, die bisher<br />
ohnehin nur für Landwirte und Private<br />
galt, wird für zwei Straussen<br />
sogar noch auf 500 Quadratmeter<br />
gesenkt. Zwei Tigern werden gerade<br />
mal 110 Quadratmeter zugestanden.<br />
Pech für die grösste Raubkatze<br />
der Welt : Die Zoos verhinderten<br />
eine Erhöhung auf immer noch<br />
mickrige 330 Quadratmeter.<br />
In Bundesbern gibt man sich<br />
derweil pragmatisch : Es würden<br />
nur Verordnungen erlassen, die<br />
auch umsetzbar seien. Nach dieser<br />
Logik müsste die Höchstgeschwindigkeit<br />
auf Autobahnen mindestens<br />
140 Stundenkilometer betragen. <br />
Alle Infos zur neuen<br />
<strong>Tier</strong>schutzverordnung im Detail :<br />
www.tiererichtighalten.ch<br />
Meldungen über <strong>Tier</strong>quälerei nehmen zu<br />
<strong>Tier</strong>schutzorganisationen sind besorgt : Meldungen über <strong>Tier</strong>quälereien haben<br />
in letzter Zeit deutlich zugenommen. Das Bundesamt für Veterinärwesen BVet<br />
vermutet hinter den Zahlen eher eine gestiegene Sensibilisierung der Bevölkerung.<br />
Laut dem BVet wurden 2006 insgesamt 592 Straffälle gemeldet, 105 oder<br />
rund 22 <strong>Pro</strong>zent mehr als im Vorjahr. In die Schlagzeilen geraten waren vor allem<br />
im Kanton Bern in den vergangenen Wintermonaten einige Landwirtschaftsbetriebe,<br />
wo <strong>Tier</strong>e unter miserablen Bedingungen dahinvegetierten. Als Reaktion<br />
darauf will der Kanton mit einer besseren Früherkennung von <strong>Pro</strong>blem- und<br />
Risikobetrieben und dem Aufbau eines vernetzten Kontrollsystems Fällen von<br />
<strong>Tier</strong>quälerei vorbeugen. (hpr)<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 2/08