07.05.2013 Aufrufe

Heft 2/2008 - Pro Tier

Heft 2/2008 - Pro Tier

Heft 2/2008 - Pro Tier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Foto : zvg Bildarchiv H.P. Roth<br />

schen gegenüber nie aggressiv verhalten.<br />

Die todbringende Einstufung<br />

als « Risikobär » bezieht sich indes<br />

auf die Gefahr, dass es zu nahen<br />

und überraschenden Begegnungen<br />

mit Menschen » kommen konnte,<br />

« mit möglichen ernsthaften Verletzungen<br />

eines Menschen als Folge<br />

». Diese vage und kleine Gefahr<br />

reichte den Behörden als Todesurteil<br />

aus. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

von einem an Menschen gewöhnten<br />

Bären verletzt zu werden, mag<br />

selbst für Leute im Bärengebiet weit<br />

geringer sein als die, bei einem Verkehrsunfall<br />

zu Schaden zu kommen.<br />

Aber das Risiko besteht, und weil es<br />

ungewohnt ist, wollen die Behörden<br />

es nicht tragen.<br />

Tödliche Büro-Logik<br />

Der behördlichen Büro-Logik zufolge<br />

hätte der Einwanderer aus<br />

den italienischen Alpen wohl des<br />

Lesens der deutschen Amtssprache<br />

kundig sein sollen. Dann hätte<br />

JJ3 entziffern können, dass Bär<br />

nicht gleich Bär ist, dass es unauffällige,<br />

problembehaftete und riskante<br />

Bären gibt. Letztere heissen<br />

wohl darum so, weil sie gemäss<br />

Amtsdeutsch ihre « Entfernung »<br />

riskieren, wenn sie zu fest über die<br />

Stränge hauen. Es definiert nun mal<br />

der Mensch, welche <strong>Tier</strong>e sich wie<br />

zu verhalten haben, um geduldet zu<br />

sein oder in Ungnade zu fallen, und<br />

welches Fleckchen Natur unserem<br />

vermassten Wertschöpfungs-System<br />

in welcher Weise ökonomisch<br />

optimal zu dienen hat. Daher wird<br />

JJ3 fortan als erster Risikobär seine<br />

geschichtliche Würdigung ausgestopft<br />

im Museum erfahren.<br />

Dennoch gibt es einige Lichtblicke<br />

: Die Sympathie und Zustimmung<br />

für Grossraubtiere in der<br />

Schweizer Bevölkerung ist ausgesprochen<br />

gross. So wurde beispielsweise<br />

ein eingerichtetes Forum zum<br />

Thema Bärenabschuss auf der Website<br />

www.naturschutznetz.ch/jj3 zu<br />

einem eigentlichen Online-Kondolenzbuch<br />

gegen den Abschuss<br />

von JJ3. Bei Redaktionsschluss<br />

verzeichnete das Forum rund 750<br />

Einträge. Laut den Betreibern sprechen<br />

sich über 90 <strong>Pro</strong>zent gegen<br />

<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 2/08<br />

Foto : zvg Bildarchiv Hans Peter Roth<br />

Schäden von JJ3<br />

kurz vor seinem Abschuss<br />

den Abschuss des Risikobären aus.<br />

Die Einträge gehen nun als Petition<br />

an das Bündner Jagdinspektorat<br />

mit der Bitte, den Raubtieren in<br />

der Schweiz eine Chance zu geben.<br />

Bereits hat die Bündner Regierung<br />

angekündigt, dass Graubünden ein<br />

bärensicheres Abfallsystem einführen<br />

will, um Bären künftig möglichst<br />

von Siedlungen fernzuhalten. Derweil<br />

lebt MJ4, der Halbbruder von<br />

JJ3, ganz unauffällig im Bündnerland,<br />

ist kaum bekannt und liefert<br />

keine Schlagzeilen. Möge es so<br />

bleiben.<br />

Weitere Luchse gewildert<br />

Kein Lichtblick für die Luchse im<br />

Berner Oberland. Das Untersuchungsrichteramt<br />

Berner Oberland<br />

führt erneut eine Untersuchung gegen<br />

Unbekannt, weil Hinweise auf<br />

Wilderei vorliegen. Dies, nachdem<br />

das Fotofallenmonitoring markant<br />

weniger Luchse erfasst hat. « Auffallend<br />

ist insbesondere der Rückgang<br />

der Luchse zwischen Brienz<br />

und dem Haslital, wo nur noch<br />

zwei Luchse fotografiert wurden ;<br />

im Vorwinter waren es noch acht<br />

<strong>Tier</strong>e », hielt das Bundesamt für<br />

Umwelt bereits im August 2007 fest.<br />

Der eidgenössische Jagdinspektor<br />

Reinhard Schnidrig geht davon aus,<br />

« dass der markante Rückgang allein<br />

durch Abwanderung und natürliche<br />

Sterblichkeit nicht zu erklären ist<br />

und illegale Tötungen wahrscheinlich<br />

sind ».<br />

Der Berner Volkswirtschaftsdirektor<br />

Andreas Rickenbacher äussert<br />

sogar die Befürchtung, dass<br />

« der Luchsbestand möglicherweise<br />

schon eine kritisch tiefe Dichte<br />

erreicht hat, welche die Überlebensfähigkeit<br />

der Population in<br />

Frage stellt ». Peter Zenklusen,<br />

Präsident des Berner Jägerverbandes,<br />

sieht dies diametral anders : In<br />

der Praxis zeige sich « je länger je<br />

mehr », dass Grossraubtiere in Gebieten<br />

wie dem östlichen Berner<br />

Oberland « überhandnehmen und<br />

die Auswirkungen auf den Bestand<br />

ihrer Beutetiere gravierend sind ».<br />

Mit anderen Worten : Zenklusen<br />

jammert einmal mehr, die bösen<br />

Luchse frässen den armen Jägern,<br />

die ohne erlegtes Wild wohl am<br />

Hungertuch nagen müssen, die<br />

Beute weg.<br />

Glaubt man dagegen den Werten<br />

des Fotofallenmonitorings, muss<br />

der Unterbestand von Gämsen und<br />

Rehen im Oberland ganz andere Ursachen<br />

haben. Geht man noch von<br />

20 bis 25 erwachsenen und halberwachsenen<br />

Luchsen im Berner<br />

Oberland aus, reissen diese 500<br />

bis 600 Gämsen und 800 bis 1000<br />

Rehe pro Jahr. Zum Vergleich : Die<br />

Jäger im Berner Oberland schiessen<br />

1700 Gämsen und fast 1000<br />

Rehe. Weitere 1200 Gämsen und<br />

800 Rehe kommen jährlich ohne<br />

jagdliche Einwirkung (Kollisionen<br />

mit Fahrzeugen, Krankheit, Abstürze,<br />

Lawinen, Erschöpfung, etc.) zu<br />

Tode. (hpr) <br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!