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BELLETRISTIK<br />
Versteckte<br />
Kindheit<br />
Nach ihrem erfolgreichen Debüt erzählt Astrid Rosenfeld nun eine<br />
fantastische Geschichte von Kindheit und erster Liebe, von den<br />
Bedingungen des Erfolgs in der Kunst und der Ehrlichkeit mit sich<br />
selbst. Lesen sollte man beide Bücher.<br />
Von Simon Eckstein<br />
Mit ihrem zweiten Roman „Elsa<br />
ungeheuer“ bestätigt sie ihr<br />
Talent, Geschichten heiter und unbefangen<br />
zu erzählen, auch wenn sie<br />
eher traurig sind. Naiv und unbefangen<br />
ist auch die Hauptperson, nicht<br />
die Titelfigur Elsa, sondern der wenig<br />
erfolgreiche Karl Brauer, der seine<br />
und seines Bruders Lorenz Lebensge-<br />
schichte erzählt. Es<br />
ist eine Geschichte<br />
über Leidenschaften<br />
und Obsessionen,<br />
über kindliche Verletzungen,<br />
über Projektionen<br />
und Enttäuschungen.<br />
Lorenz Brauer ist der neue Star der<br />
internationalen Kunstszene. Doch<br />
kaum einer ahnt, dass hinter seinem<br />
kometenhaften Aufstieg nicht nur<br />
Talent, sondern der raffinierte Plan<br />
zweier einflussreicher Frauen steckt.<br />
Karl Brauer, Lorenz’ jüngerer Bruder,<br />
weiß das natürlich. Und auch, dass die<br />
verrätselten Bilder des aufstrebenden<br />
Malers ihren Ursprung in der Kindheit<br />
haben – in der Zeit, als Lorenz<br />
und Karl gerade ihre Mutter verloren<br />
hatten und Elsa in ihr Leben trat.<br />
Elsa mit den Streichholzarmen, dem<br />
rotzfrechen Mundwerk, den extravaganten<br />
Kleidern. Das Mädchen, an das<br />
einer der Brüder sein Herz verlor und<br />
der andere seine Illusionen. Das Mädchen,<br />
das keiner von beiden vergessen<br />
kann. Die Kindheit hat beide Jungen<br />
geprägt. Doch dann lassen die beiden<br />
„Mich interessieren genau<br />
die Dinge, die bleiben, die es<br />
offenbar schon immer gab,<br />
seit es Menschen gibt.“<br />
Förderinnen ihre Marionette fallen und<br />
Lorenz muss sich, wie Karl es in seinem<br />
Bericht tut, der Kindheit stellen.<br />
Astrid Rosenfeld be gann nach der<br />
Matura eine Schauspielausbil dung<br />
an der Schule für Bühnenkunst. Aus<br />
„Mangel an Ta lent und Leidenschaft“<br />
beerdigte sie nach anderthalb Jahren<br />
Studium ihren Kindheitstraum, Schau-<br />
spielerin zu werden.<br />
Stattdessen arbeitete<br />
sie als Casterin für<br />
Spielfilmproduktionen.<br />
Aber begann auch an<br />
ihrem Debütroman<br />
„Adams Erbe“ zu arbeiten. Es ist ein<br />
Roman über eine jüdische Familie,<br />
die durch ihre Unkonventionalität<br />
den Wirren der Zeitläufte trotzt – und<br />
trotzdem nicht heil davonkommt –,<br />
und über die große Liebe. Auch hier<br />
musste man sich mit der Vergangenheit<br />
konfrontieren: Auf einem Dachboden<br />
haben sich Adams und Edwards<br />
Geschichte in einander verschlungen,<br />
auch wenn sich die beiden nie begegnet<br />
sind. Zwei Generationen trennen<br />
die beiden, aber eine Geschichte und<br />
ein dunkles Familiengeheimnis<br />
vereinen sie. Seit seiner<br />
Kindheit muss sich Edward<br />
anhören, wie sehr er seinem<br />
Großonkel Adam gleicht. Der<br />
galt als das Schwarze Schaf der<br />
Familie Cohen; als die Nazis<br />
die Herrschaft übernommen<br />
haben, ist er verschwunden.<br />
18<br />
buchmedia<br />
magazin 19 (1/13)<br />
Mit dem Familienschatz, wird vermutet.<br />
Beim Durchwühlen der Kisten und<br />
Koffer am Dachboden findet Edward<br />
ein Paket ohne Absender, das nie geöffnet<br />
worden ist. Darin findet er einen<br />
Stapel beschriebener Seiten und damit<br />
die Geschichte von Adam Cohen, der<br />
sich 1938 in Anna verliebt, die in der<br />
Kristallnacht spurlos verschwindet.<br />
Adam aber will sie wieder finden und<br />
widmet der Suche nach Anna sein<br />
Leben.<br />
Neben originellen Personen interessieren<br />
Astrid Rosenfeld eben Erlebnisse<br />
und Gefühle, die bleiben, Bestand<br />
haben. So erklärte sie im Interview:<br />
„Mich interessieren genau die Dinge,<br />
die bleiben, die es offenbar schon<br />
immer gab, seit es Menschen gibt. Das<br />
fesselt mich viel mehr als das, was in<br />
diesem Moment gerade aktuell ist, der<br />
sogenannte Zeitgeist. Ein schlimmes<br />
Wort übrigens, ich kriege Pickel, wenn<br />
ich das höre. Natürlich ändert sich die<br />
Welt, aber so sehr ändert sie sich eben<br />
auch nicht.“<br />
Zärtlich und schonungslos schlägt<br />
Astrid Rosenfeld einen Bogen von einer<br />
verrückten Kindheit auf dem Land bis<br />
zum Glamour und den Perversionen<br />
der modernen Kunstwelt.<br />
Astrid Rosenfeld<br />
Elsa ungeheuer<br />
Diogenes, 288 S.<br />
Euro (A) 22.60; Euro (D) 21.90;<br />
Euro (I) 23.40<br />
ISBN 978-3-257-06850-4<br />
Auch als E-Book erhältlich<br />
Foto: Gaby Gerster / Diogenes Verlag