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Garten-/Landschaftsbau - G Plus

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<strong>Garten</strong>-/<strong>Landschaftsbau</strong><br />

20<br />

Baumpflanzgruben<br />

Die Steuerung von Baumwurzeln<br />

Jungfernsteig in Hamburg: Fertig gestellte Fläche mit Wurzelglocken und vollständig<br />

überpflasterten Baumgruben.<br />

Text: Felix Käppeli, Cham<br />

Bilder: Dr. Clemens Heidger, Hannover<br />

In erster Linie ist nicht der Wassermangel der wachstumsbegrenzende<br />

Faktor für die Ausbreitung von Baumwurzeln, sondern die fehlende<br />

Bodenluft. Durch dauerhafte und tief reichende Belüftungsmassnahmen<br />

ist es möglich, das Wurzelwachstum von Stadtbäumen zu fördern<br />

und gleichzeitig die Baumwurzeln zu lenken. Dadurch ergibt sich die<br />

Möglichkeit, Gehwege und Strassen als erweiterten durchwurzelbaren<br />

Standraum von Strassenbäumen nutzbar zu machen.<br />

Bäume sind sehr komplexe und dynamische<br />

Individuen. Die erfolgreiche Planung<br />

von Baumpflanzungen in städtischen Gebieten<br />

beruht darauf, dass die individuellen<br />

und dynamischen Wachstumsprozesse<br />

von Bäumen über einen Zeitrahmen<br />

von 50 bis 80 Jahren vorausblickend abgeschätzt<br />

werden können. Die zentrale<br />

Frage muss somit lauten: Wie gelingt es<br />

bereits zum Zeitpunkt der Neupflanzung<br />

einen Baumstandort so zu optimieren,<br />

dass eine Wirksamkeit über einen grossen<br />

Zeitraum dauerhaft erhalten bleibt, so<br />

dass das Gehölz ein hohes Alter erreicht<br />

und damit seine gestalterische Qualität<br />

erfüllt. Von entscheidender Bedeutung<br />

sind die Bodeneigenschaften und das Volumen<br />

des durchwurzelbaren Raums. Verlangen<br />

doch gewisse Einzelbäume einen<br />

durchwurzelbaren Bodenraum von min-<br />

die Gärtner-Fachzeitschrift 2/2006<br />

destens 300 m 3 (1,5 m Tiefe) und Grosssträucher<br />

gedeihen am besten bei einem<br />

Bodenvolumen von mindestens 100 m 3<br />

(1 m Tiefe).<br />

In der Praxis sind die Bodenverhältnisse<br />

leider mehrheitlich alles andere als optimal.<br />

Sehr oft handelt es sich um stark verdichtete,<br />

inhomogene Auffüllböden, die<br />

sich als Baumstandort nur wenig eignen.<br />

Um unter solchen Umständen erfolgreiche<br />

und dauerhafte Baumpflanzungen<br />

durchführen zu können, sind neben den<br />

bekannten Massnahmen zur Standortoptimierung<br />

auch innovative Ideen und<br />

Techniken erforderlich. Ein am Institut für<br />

Grünplanung und <strong>Garten</strong>architektur der<br />

Universität Hannover bearbeitetes Forschungsvorhaben<br />

über Bäume an städtischen<br />

Strassen hatte die Entwicklung und<br />

Erprobung von vegetationstechnischen<br />

und bautechnischen Massnahmen zur<br />

Optimierung des Wurzel- und Standraumes<br />

von Bäumen in Stadtstrassen zum<br />

Ziel. Die Untersuchungen mit einer Ge-<br />

samtlaufzeit von über zehn Jahren konzentrierten<br />

sich auf Baumscheibenpflanzungen,<br />

bei denen extreme Standortbedingungen<br />

vorliegen. Sie umfassten<br />

unterschiedliche Bauweisen für die Belüftung<br />

in der Fläche in Form einer Luft führenden<br />

Tragschicht oder als linear geführte<br />

Belüftungsgräben sowie die Tiefenbelüftung<br />

durch vertikal geführte Belüftungsbohrungen.<br />

Erprobt wurden die entwickelten<br />

Bauweisen an den Baumarten<br />

Eichen, Eschen und Linden in den Städten<br />

Hannover und Münster.<br />

Wurzeln wachsen<br />

aus den Pflanzgruben<br />

Die Untersuchungsergebnisse belegen,<br />

dass es unabhängig von den Pflanzgruben-Bauweisen,<br />

den Bodenverhältnissen<br />

und den spezifizierten Eigenschaften der<br />

Baumarten immer zu einem Herauswurzeln<br />

aus der Pflanzgrube gekommen ist.<br />

Zum Herauswurzeln nutzen die Bäume in<br />

der Hauptsache Grobporenräume. Generell<br />

kommt es im Kontaktbereich zwischen<br />

Baumsubstrat und dem benachbarten,<br />

verdichteten Stadtboden aber zu einer<br />

Zunahme an Fein- und Mittelporen zu Lasten<br />

der Grobporen, was eine höhere Dichte<br />

bewirkt und somit den Eindringwiderstand<br />

heraufsetzt. Eine verminderte<br />

Wuchsentwicklung ist dann immer die<br />

Folge. Auch ein gross dimensioniertes Volumen<br />

an Luft führendem und sackungsstabilem<br />

Baumsubstrat von mindestens<br />

12 m 3 , reicht als durchwurzelbarer Bodenraum<br />

auf die Dauer für einen Baum nicht<br />

aus. Immer dann, wenn der gesamte Grubenraum<br />

vollständig durchwurzelt ist,<br />

und das kann bereits nach zwei bis drei<br />

Vegetationsperioden der Fall sein, kommt<br />

es zu einem «Blumentopf-Effekt».Die Wurzeln<br />

können die Kontaktflächen zwischen<br />

dem Baumsubstrat und dem umgebenden<br />

«festen» Boden nicht durchdringen.<br />

Ziel muss es sein, über den unmittelbaren<br />

Baumstandort hinausgehend das gesamte<br />

Baumumfeld durch ergänzende


Massnahmen so zu optimieren, dass eine<br />

Vergrösserung des durchwurzelbaren Bodenraumes<br />

erreicht wird. Durch verschiedenartige<br />

Belüftungsmassnahmen ergibt<br />

sich heute die Möglichkeit, den wurzelkonformen<br />

Raum zu vergrössern. Mit derselben<br />

Technik kann ebenfalls die Wuchsrichtung<br />

der Baumwurzeln bestimmt werden.<br />

Flächenbelüftung<br />

Infolge der Flächenbelüftung ist der umgebende<br />

Boden sowohl vertikal als auch<br />

horizontal als erweiterter Wurzelraum er-<br />

schlossen worden. Die maximale Durchwurzelungstiefe<br />

beträgt 160 cm, die seitliche<br />

Ausdehnung erreicht Distanzen von<br />

mehr als drei Metern. Voraussetzung für<br />

eine solche vertikale und horizontale<br />

Wurzelausdehnung ist die Erreichbarkeit<br />

von durchwurzelbaren Bodenzonen.<br />

Wird diese unterbunden, etwa durch<br />

Isolation, die im Allgemeinen von undurchwurzelbaren<br />

Sandkörnern ausgeht,<br />

bleibt die Wirkung der Massnahme<br />

auf die oberflächennahen Zonen beschränkt.<br />

Zusammenfassend kann für diese Bauweise<br />

festgehalten werden, dass unter<br />

dem Einfluss einer Luft führenden Tragschicht<br />

der Pflanzgrubennebenraum viel<br />

leichter, das heisst mit einem erheblich<br />

geringeren Energieaufwand erschlossen<br />

Grubenbelüftung<br />

Tiefenbelüftung<br />

werden kann als bei der konventionellen<br />

Pflanztechnik. Ausserdem hat sich gezeigt,<br />

dass die Länge des räumlich erschlossenen<br />

Seitenraumes weit grösser<br />

ist, als bisher angenommen.<br />

<strong>Garten</strong>-/<strong>Landschaftsbau</strong><br />

Grabenbelüftung<br />

Wie in den Untersuchungen nachgewiesen<br />

werden konnte, führt ein grabenförmiger<br />

Belüftungskörper immer zu einer<br />

deutlich feststellbaren Reaktion. In sämtlichen<br />

Fällen wird der Pflanzgrubenseitenraum<br />

erschlossen und immer beginnen<br />

die Durchwurzelungen in der Kontaktflächenzone<br />

zum Belüftungsgraben. Ein<br />

massgeblicher Faktor ist aber die Erreichbarkeit<br />

der ventilierenden Schotterschicht<br />

des Grabens. Entscheidend ist daher<br />

der präzise Anschluss an die Pflanzgrubenwand.<br />

Die bewurzelungsintensivs-<br />

Die Belüftungsgräben sind mind. 30 cm<br />

breit und verbinden die Pflanzgruben<br />

miteinander. Die gelben Dränagerohre<br />

dienen ausschliesslich der Belüftung.<br />

te Zone ist der Sohlbereich des Belüftungsgrabens.<br />

Die seitliche Ausdehnung<br />

erstreckt sich über eine Länge von mehr<br />

als drei Metern.<br />

Tiefenbelüftung<br />

Wie bereits bei der Grabenbelüftung nachgewiesen<br />

werden konnte, führt ebenso die<br />

Tiefenbelüftung immer zu einer deutlichen<br />

Reaktion am Wurzelsystem des Strassenbaumes.<br />

In sämtlichen Fällen kommt es zu<br />

einer Abänderung des Wurzelsystems. Infolge<br />

der punktuellen Tiefenbelüftung<br />

kommt es zu einer Umkehrung des artspezifischen<br />

Wurzelwachstums. Unter normalen<br />

Bedingungen wächst die Hauptwurzel<br />

geotrop, während die Seitenwurzel sich<br />

schräg oder horizontal im Boden ausbrei-<br />

die Gärtner-Fachzeitschrift 2/2006 21


<strong>Garten</strong>-/<strong>Landschaftsbau</strong><br />

22<br />

tet. Aufgrund der anatomischen und morphologischen<br />

Flexibilität können sich aber<br />

die Baumwurzeln der kleinräumigen<br />

Heterogenität der Luft führenden Bodenschichten<br />

anpassen.<br />

Kombination<br />

Wenn, wie vorangehend dargestellt wurde,<br />

bereits der grabenförmige Belüftungskörper<br />

zu einer Prägung des Wurzelsystems<br />

geführt hat, die in noch stärkerem<br />

Masse bei einer Tiefenbelüftung gegeben<br />

ist, dann war zu erwarten, dass die Kombination<br />

beider Bauweisen zu einer weiteren<br />

Steigerung führt. Genau das wird<br />

durch die Ergebnisse bestätigt. Die sich so<br />

einstellende Wurzelarchitektur ist als Reaktion<br />

auf die Bauweise eindeutig vertikal-horizontal<br />

ausgerichtet.<br />

Andere Massnahmen dagegen, bei denen<br />

pneumatisch mit Hilfe von Belüftungslanzen<br />

versucht wird, den Standort<br />

zu sanieren, sind wenig Erfolg versprechend.<br />

Da der Boden nach der explosionsartigen<br />

Behandlung wieder in seine ursprüngliche<br />

Lage zusammenfällt, wird<br />

eine dauerhafte Stabilisierung der Gefügestruktur<br />

nicht erreicht.<br />

Präventiver Durchwurzelungsschutz<br />

Bei Neuanpflanzungen wird der Einsatz<br />

von Pflanzglocken empfohlen. Bei vegetationstechnisch<br />

korrekter Anwendung bieten<br />

diese Bauelemente den wirksamsten<br />

und nachhaltigsten Durchwurzelungsschutz.Dabei<br />

ist darauf zu achten,dass nur<br />

solche Systeme verwendet werden, die<br />

sich nach unten weiten, um dadurch die<br />

Wurzeln in tiefere Bodenzonen zu leiten.<br />

In jedem Fall sind darüber hinausgehend<br />

vegetationstechnisch geeignete Untergrundverhältnisse<br />

erforderlich. Denn nur<br />

die Gärtner-Fachzeitschrift 2/2006<br />

Systembauweise<br />

mit Wurzelglocke<br />

diese garantieren eine rasche Tiefendurchwurzelung,<br />

auf der die Funktionsweise<br />

von Wurzelglocken basiert. In Verbindung<br />

mit grabenförmigen oder tief reichenden<br />

Belüftungsmassnahmen gewährleistet<br />

diese Bauweise über den<br />

Durchwurzelungsschutz hinaus die Möglichkeit,<br />

den erweiterten Bodenraum im<br />

Umfeld des Baumes zu erschliessen. Den<br />

wirkungsvollsten Schutz bieten monolithische<br />

Elemente, die nur aus einem Bauteil<br />

bestehen und keine Fugen aufweisen.<br />

Sie sind quasi undurchwurzelbar.Wird aus<br />

Kostengründen eine derartige Lösung<br />

verworfen, gilt es bei anderen Einfassungselementen<br />

die Menge an Stossfugen<br />

zu beachten. Je geringer ihr Fugenanteil<br />

ist, desto wirkungsvoller ist der Durchwurzelungsschutz.<br />

Folgerungen für die Praxis<br />

Ausgehend vom erreichten Erkenntnisstand<br />

ist es ohne grossen Aufwand mög-<br />

lich, bautechnische Massnahmen zur<br />

Standortoptimierung bei Strassenbäumen<br />

unter Berücksichtigung der Erfordernisse<br />

des Tief- und Strassenbaues anwendungsbezogen<br />

einzusetzen. Die Ausführung<br />

ist sowohl während der Neu- oder<br />

Umbaumassnahme als auch nachträglich<br />

realisierbar. Von entscheidender Bedeutung<br />

sind die Untergrundverhältnisse. Es<br />

ist von der Beschaffenheit des umgebenden<br />

Bodenkörpers abhängig, an welcher<br />

Stelle und in welcher Tiefe es zu Einwurzelungen<br />

kommt.<br />

Bei schwächer bindigen bis bindigen<br />

Stadtböden, also bei lehmigen oder sandig-schluffigen,<br />

meist gut nährstoffversorgten<br />

reliktischen Unterböden, gilt:<br />

● Die Wirksamkeit von Belüftungsgräben<br />

ist hoch.<br />

● Die Wirksamkeit von Tiefenbohrungen<br />

ist ebenfalls hoch.<br />

● Die Wirksamkeit der Kombination<br />

aus Graben- und Tiefenbelüftung ist am<br />

höchsten.<br />

Bei sehr leichten Stadtböden mit geringem<br />

Feinerdeanteil, also bei wenig bis<br />

nicht nährstoffversorgten reliktischen<br />

Sandböden, erzielen vertikal geführte Belüftungsbohrungen<br />

die höchste Wirkung.<br />

Das Spektrum der anwendbaren Baumarten<br />

muss mit den Bodenverhältnissen abgestimmt<br />

werden.<br />

Bei sehr schweren Stadtböden mit abweichenden<br />

Bodeneigenschaften, also<br />

bei stark bindigen reliktischen Unterböden<br />

aus Schluff und Ton, zeigen bei geringen<br />

Flurwasserabständen nur vertikal geführte<br />

Tiefbohrungen eine gute Wirkung.<br />

Die Auswahl beschränkt sich bei feuchtnassen<br />

Untergründen auf nur wenige<br />

Baumarten.<br />

Quelle: Heidger Clemens, 2004: Baumwurzeln<br />

sind lenkbar – aber wie? Jahrbuch<br />

der Baumpflege. Verlag Thalacker, Braunschweig.<br />

Die Wurzelglocken<br />

werden direkt auf<br />

die Oberfläche der<br />

mit einem speziellen<br />

Baumsubstrat<br />

verfüllten und verdichtetenPflanzgrube<br />

gesetzt. Sie<br />

verhindern das<br />

Einwurzeln in den<br />

Oberbau und die<br />

Decke von angrenzenden<br />

Belägen.

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