Viel Herzblut für den Friedhof - G Plus
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<strong>Friedhof</strong><br />
34<br />
<strong>Viel</strong> <strong>Herzblut</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Friedhof</strong><br />
Moos auf der Mauer:<br />
Ein Auge <strong>für</strong> die Schönheiten der Natur.<br />
Text und Bilder: Katharina Nüesch<br />
Hans Campolongo hat zeit seines Lebens unzählige Gärten gestaltet und vor<br />
allem dem <strong>Friedhof</strong> Uetikon seine Einmaligkeit verliehen. Der Landschaftsund<br />
<strong>Friedhof</strong>sgärtner wurde im Februar siebzig und übt sich nun im Loslassen.<br />
Die Zaubernuss reckt ihre Äste mit <strong>den</strong><br />
filigranen Blüten in <strong>den</strong> Himmel, der<br />
waldige Bo<strong>den</strong> ist übersät mit weiss und<br />
rosa blühen<strong>den</strong> wil<strong>den</strong> Cyclamen,<br />
Schneeglöcklein, Bärlauch und vielem<br />
anderen. Dass hier ein alt gedienter<br />
Gärtner wohnt, sieht man nicht. Es wuchert<br />
und wächst, wie es gerade kommt.<br />
Längst abgestorbene Bäume stehen da,<br />
Ziegel mit Patina, verwitterte Sandsteinfiguren<br />
liegen oder stehen herum, hie<br />
und da ein besonders schöner alter<br />
Grabstein, verwitterte Zaunpfähle – Mitbringsel<br />
von einer Reise nach Öland –,<br />
riesige alte Steingutgefässe der Chemischen.<br />
Hans Campolongo ist nicht in erster<br />
Linie Sammler, er ist ein Augen-<br />
Mensch, hat Freude an <strong>den</strong> kleinsten,<br />
unscheinbarsten Flechten, dem Möslein,<br />
das auf dem Ziegel wächst, <strong>den</strong> Farben<br />
des verwitterten Holzes.<br />
Warum gibt es hier keinen Rasen?<br />
«Moos ist wunderschön und absolut<br />
pflegeleicht. Es gibt nichts zu tun, und<br />
die Gärtner-Fachzeitschrift 5/2008<br />
barfuss darüberzugehen, ist ein Genuss<br />
<strong>für</strong> die Füsse.» Er gärtnerte schon naturnah,<br />
bevor dieser Begriff Verbreitung<br />
fand, <strong>den</strong>n er liebt jede Pflanze, ihre Eigenheit,<br />
ihre Schönheit. «Für mich ist<br />
ein Stück moosbewachsene Mauer unbezahlbar»,<br />
sagt er und deutet auf ein<br />
grünes Mäuerchen. <strong>Viel</strong>e seiner Kollegen<br />
wür<strong>den</strong> wohl mit dem Hochdruckreiniger<br />
dahinter, so dass es wieder<br />
nackt und grau ist.<br />
Schwung in <strong>den</strong> Gräberreihen<br />
Auf dem grossen Gelände stand einst<br />
die Gärtnerei seiner Eltern. Mit vielen<br />
Kun<strong>den</strong> fuhr Gärtner Campolongo hierher,<br />
in dieses Stück Miteinander von<br />
Mensch,Tier und Pflanzen. «<strong>Viel</strong>en Kun<strong>den</strong><br />
gefiel es und sie wollten etwas<br />
Ähnliches in ihrem Garten. Andere hätten<br />
‹Nein, so nicht!› gerufen, und so<br />
wusste ich auch, in welche Richtung es<br />
ging», schmunzelt er.<br />
Hans Campolongo, dessen Vorfahren<br />
vom Trentino ins Prättigau auswanderten,<br />
absolvierte eine Lehre zum Baumschulisten.<br />
1965 übernahm er <strong>den</strong> Garten-/Landschaftsbau-Betrieb<br />
seines Vaters.<br />
Damit wurde er auch <strong>Friedhof</strong>s-<br />
gärtner im damals noch beschaulichen<br />
Bauerndorf.<br />
Im Uetiker <strong>Friedhof</strong> stan<strong>den</strong> wie normalerweise<br />
üblich die Gräber in Reih<br />
und Glied. Campolongo störte sich daran.<br />
Er hatte eigene Ideen <strong>für</strong> die Anlage.<br />
Nach und nach schlug er diese der jeweiligen<br />
<strong>Friedhof</strong>skommission vor. «Die<br />
schluckten immer alles und machten<br />
nie Einwände.» So kam Schwung in die<br />
Gräberreihen.Die Grabsteine richtete er<br />
nicht auf eine Linie aus, einzelne versetzte<br />
er etwas nach vorn, andere nach<br />
hinten. Mit der Zeit entstan<strong>den</strong> eigentlich<br />
kleine Gräbergärtchen, zum Beispiel<br />
rund um einen Busch herum,unter<br />
einem grösseren Baum oder geschwungen<br />
entlang eines Weges. Alles wirkt<br />
sehr harmonisch und liebevoll. Die letzten<br />
Ruhestätten der Verstorbenen liegen<br />
in einer Art stimmungsvollem<br />
Quartier, haben eine individuelle Prägung<br />
und lassen auch Gestaltungswünschen<br />
von Angehörigen Raum offen.<br />
Das Grab eines Weinbauern umranken<br />
beispielsweise Reben oder hinter dem<br />
Grabstein eines Baumschulisten steht<br />
ein spezieller Solitär. Hans Campolongo<br />
scheint jedes Grab, seine Geschichte,<br />
Ein Sammlerherz, das auch einmal einen alten Grabstein im eigenen Garten<br />
aufstellt. «Meine Frau möchte aber zuhause nicht auch noch einen <strong>Friedhof</strong> …»
Harmonisch in die parkähnliche Umgebung eingebettet: Gräber im <strong>Friedhof</strong> Uetikon.<br />
<strong>den</strong> Menschen, der darin beigesetzt ist,<br />
zu kennen. Pflanzen nahm er aus seinen<br />
eigenen Baumschulbestän<strong>den</strong> und<br />
wählte sie ganz bewusst aus, nach Art,<br />
Grösse und Wuchsform. Im <strong>Friedhof</strong><br />
gibt es unzählige Pflanzenarten.<br />
Scheinbuchen, Muschelzypressen, Korokien<br />
und viele andere findet man hier.<br />
Wur<strong>den</strong> Gräber aufgehoben, hat der<br />
Gärtner Eiben, Koniferen und Büsche,<br />
die dort wuchsen, ausgegraben und andernorts<br />
wieder gepflanzt. Diese alten<br />
Pflanzen verleihen dem <strong>Friedhof</strong> einen<br />
ganz eigenen Charme.<br />
Loslassen ist nicht einfach<br />
Der Uetiker <strong>Friedhof</strong> ist nicht nur ein<br />
Ort, wo beerdigt wird: Er hat Poesie,<br />
Hans Campolongo gärtnerte schon naturnah, bevor der Begriff Verbreitung<br />
fand.<br />
nicht nur wegen der schönen Aussicht<br />
auf <strong>den</strong> See. Und er nimmt Anteil. Am<br />
Tod, wie auch am Leben. Darum fühlen<br />
sich hier auch die Leben<strong>den</strong> wohl. Sie<br />
kommen oft in die parkähnliche Anlage,<br />
sonnen sich auf <strong>den</strong> Bänken, picknicken,<br />
spazieren oft in Begleitung von<br />
Kindern und mit Kinderwagen. Nur<br />
wenn es zu laut wird, Junge etwa laute<br />
Musik abspielen, greift der Mann mit<br />
der ruhigen Stimme ein und verjagt sie.<br />
Die Würde des Ortes ist <strong>für</strong> ihn zentral.<br />
Dieser <strong>Friedhof</strong> ist Hans Campolongos<br />
Lebenswerk. Loslassen fällt dem 70-<br />
Jährigen nicht leicht. Keine einfachen<br />
Jahre liegen hinter dem beschei<strong>den</strong>en<br />
Mann. Sein grösster Wunsch, <strong>den</strong> Betrieb<br />
innerhalb der Familie weiterzugeben,<br />
ist gescheitert. Zwei seiner Kinder<br />
sind wohl Gärtner, eine Tochter erledig-<br />
te die Administration des Betriebs.Trotz<br />
dieser guten Ausgangslage sah sich die<br />
Familie aus privaten und gesundheitlichen<br />
Grün<strong>den</strong> gezwungen, <strong>den</strong> Betrieb<br />
zu verkaufen. Nach einigen Turbulenzen<br />
und Zwischenlösungen übernahm<br />
die Firma Altwegg aus dem Zürcher<br />
Oberland letztes Jahr die Campolongo<br />
AG und führt sie unter dem alten<br />
Namen weiter. Es ist zu hoffen, dass die<br />
neuen Besitzer dem Namen Rechnung<br />
tragen.<br />
Sehr am Herzen liegt Hans Campolongo<br />
natürlich der <strong>Friedhof</strong>. Per 2009 vergibt<br />
die Gemeinde Uetikon <strong>den</strong> Unterhalt<br />
des <strong>Friedhof</strong>s neu. Campolongo<br />
hofft, dass sein Geist auf diesem herrlichen<br />
<strong>Friedhof</strong> weiterleben darf. Er<br />
wünscht sich dies nicht zuletzt <strong>für</strong> all<br />
die Verstorbenen und <strong>für</strong> die Leben<strong>den</strong>,<br />
die sich hier so wohl fühlen.<br />
die Gärtner-Fachzeitschrift 5/2008 35<br />
<strong>Friedhof</strong>