05.06.2013 Aufrufe

Luftwaffen-Revue - Netteverlag

Luftwaffen-Revue - Netteverlag

Luftwaffen-Revue - Netteverlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

GESCHICHTE<br />

Die Aufklärungsflieger der Luftwaffe im II. Weltkrieg<br />

In Fortsetzung der begonnenen Serie<br />

über die Langstreckenaufklärung<br />

der damaligen Luftwaffe berichten<br />

wir heute über den zeitlich längsten<br />

Feindflug der 1.(F) 124. Unser Mitglied,<br />

OTL a.D. Werner Horst, hat<br />

hierzu das Kriegstagebuch des Lt<br />

Adolf Haiss mit seinem Eintrag vom<br />

23.08.1942 ausgewertet und den folgenden<br />

Bericht mit Bildmaterial zur<br />

Verfügung gestellt. Er verdeutlicht<br />

in eindrucksvoller Weise, wie damals<br />

eine Besatzung stets auf sich<br />

allein gestellt war, ohne jede Unterstützung<br />

fernab der Heimat operieren<br />

musste, wobei die Navigation<br />

bei derartigen Langstreckenflügen<br />

im polaren Bereich über See höchste<br />

Anforderungen an das Können des<br />

Beobachters und Flugzeugführers<br />

stellte. Die Redaktion gibt hierzu einige<br />

Erläuterungen am Schluss des<br />

folgenden Artikels.<br />

29. Feindflug:<br />

Ju 88 G2+CH,<br />

FF Lt Dietsche – BO Lt Haiss<br />

Start: 10:00 h in Kirkens,<br />

Landung: 20:45 in Kirkens<br />

Auszug aus dem Kriegstagebuch<br />

“Sonderauftrag: Durch V-Männer<br />

wurde in Erfahrung gebracht, dass der<br />

nächste Geleitzug nicht wie bisher üblich<br />

von Westen, sondern durch die Bering<br />

Strasse und Kara-See in Richtung<br />

Murmansk bzw. Archangelsk steuert.<br />

Meine Besatzung erhielt daher den<br />

Auftrag, das angebliche Geleit in ei-<br />

4-motoriger Fernaufklärer Ju 290 (Bild: Bundesarchiv)<br />

nem bestimmten Bereich der Kara-See<br />

zu suchen. Wir fliegen mit 2 unter den<br />

Tragflächen angebrachten Zusatzbehältern,<br />

den so genannten ’Dödeln’.<br />

Flugweg: Von Kirkens Kurs NO nach<br />

Nowaja Semlja. Mit Koppelnavigation<br />

einwandfrei an der Matotschkin Schar<br />

angekommen, Flughöhe 3500 m, Reihenbild<br />

der Matotschkin Schar, Wolkenuntergrenze<br />

4000 m, 2/10 Cu, Sicht<br />

100 km.<br />

Von dort flogen wir Kurs SO in die Kara-See<br />

und nach 45 min Flugzeit Südkurs<br />

an die Nordspitze der Waigatsch<br />

Insel. Das angebliche Geleit war nicht<br />

auffindbar. Wir konnten feststellen,<br />

dass die Kara Strasse eisfrei war. An<br />

der Nordspitze der Waigatsch Insel<br />

fotografierten wir einige Siedlungen<br />

und flogen dann an der Ostküste dieser<br />

Insel weiter nach Süden, bis wir gegen<br />

16:00 Uhr das Festland erreichten<br />

(Nordspitze des Urals) auf der Jugorski-<br />

Halbinsel, und wir flogen so erstmalig<br />

über asiatischem Gebiet. Das Wetter<br />

hatte sich hier leider verschlechtert,<br />

wir flogen in eine ’Waschküche’ hinein<br />

und mussten auf 50-100 m herunter.<br />

In dieser Gegend hatten wir mit unserer<br />

Bodenstelle keine Funkverbindung<br />

mehr. In 100 m Höhe flogen wir durch<br />

die Waigatsch Strasse und mit der HK<br />

habe ich von kleineren Ansiedlungen<br />

Aufnahmen gemacht. Vor Chabarowo<br />

sichteten wir einen russischen Eisbrecher<br />

der Deshner-Klasse. An der Nordweststrecke<br />

der vorstehenden Landzunge<br />

von Chabarowo überflogen wir eine<br />

Küstenbatterie, die unser Bordschütze<br />

mit einigen Feuerstössen aus seinem<br />

Doppel-MG begrüßte. Nach etwa einer<br />

weiteren 1/2 Flugstunde erreichten wir<br />

die Petschora-Mündung und die Ansiedlung<br />

Narjan Mar. Narjan Mar hat<br />

eine kleine holzverarbeitende Industrie<br />

und dient auch als Versorgungsstützpunkt<br />

für die russische Funk- und Wetterstation<br />

auf Nowaja Semlja. Etwa 2-3<br />

km südlich dieser Ansiedlung befindet<br />

sich ein Seeflugplatz; wir konnten dort<br />

etwa 4-6 gewasserte Flugzeuge vom<br />

Typ MBR II und III feststellen und fotografieren.<br />

In gebührendem Abstand flogen wir<br />

dann zwischen der Kolgujew-Insel<br />

und der Halbinsel Kanin und später<br />

entlang der Kola-Halbinsel auf Heimatkurs.<br />

Im letzten Dämmerlicht und<br />

buchstäblich mit dem letzten Tropfen<br />

Sprit kehrten wir ungerupft nach Kirkens<br />

zurück. Die Staffel stand schon<br />

Todesängste aus, zumal sie ja über 2<br />

Stunden überhaupt keinen Funkkontakt<br />

mit uns mehr hatte.<br />

Mit diesem Flug von 10,75 Stunden haben<br />

wir den zeitlich längsten Feindflug<br />

der Staffel erflogen.“ Werner Horst<br />

Anmerkung der Redaktion<br />

Derartig lange Flüge über See stellten<br />

damals höchste Anforderungen an das<br />

navigatorische Können und Geschick<br />

der Besatzungen einer Ju 88. Es gab<br />

für diesen Flugzeugtyp noch kein GPS,<br />

keine funkbasierte Hyperbelnavigation<br />

wie LORAN (Long Range Navigation)<br />

oder ein Trägheitsnavigationssystem<br />

und auch kein Bordradar. Des Weiteren<br />

2. Quartal 2009 15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!