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Afrikaner in Hamburg - Museum für Völkerkunde

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Interview mit Douglas<br />

von Eleana Economidis, Amira Voß und Mara Götz – Albert-Schweitzer-Gymnasium<br />

Nun gut, eigentlich heißt unser Thema „Beziehungen zwischen <strong>Afrikaner</strong>n und Deutschen“,<br />

doch nur weil der 23jährige aus Kamerun stammende Douglas momentan ke<strong>in</strong>e deutsche<br />

Freund<strong>in</strong> hat, heißt es nicht, dass er <strong>für</strong> unser Projekt un<strong>in</strong>teressant ist. „Hattest du schon e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>e deutsche Freund<strong>in</strong>?“ „Jaaa…..ich hatte viele“ antwortet er uns schmunzelnd. Beste<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> unser Interview. Wir treffen Douglas <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Studentenwohnheim <strong>in</strong> Harburg. Mit e<strong>in</strong>em Afrika<br />

Buch unter dem Arm führt er uns <strong>in</strong> den Aufenthaltsraum.<br />

Er lebt seit drei Jahren <strong>in</strong> Deutschland und studiert an der TUHH Masch<strong>in</strong>enbau. Geboren ist er <strong>in</strong> Kamerun, lebte<br />

schon <strong>in</strong> Paris und England. Momentan teilt er sich mit vier Mädchen e<strong>in</strong>e Studentenwohnung <strong>in</strong> Harburg und um<br />

se<strong>in</strong> Studium zu f<strong>in</strong>anzieren, arbeitet er zweimal wöchentlich am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Später würde er<br />

gerne bei Airbus oder Mercedes arbeiten, wo er auch schon mehrere Praktika durchgeführt hat. Er würde auch gerne<br />

<strong>in</strong> Deutschland leben, so gut wie er die deutsche Sprache kann und sich mit deutschen Frauen auskennt, dürfte das<br />

ke<strong>in</strong> Problem se<strong>in</strong>. Er blättert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch herum, nach e<strong>in</strong>iger Zeit f<strong>in</strong>det er, wonach er gesucht hat: „Hier, ich<br />

hab´s: Das ist Kamerun!“ präsentiert er uns. Es ist nicht zu übersehen, dass er stolz auf se<strong>in</strong> Heimatland ist. Ob er<br />

auch afrikanische Freunde hier <strong>in</strong> <strong>Hamburg</strong> hätte, fragen wir ihn. „Ja da vorne wohnen zwei und dah<strong>in</strong>ten wohnen<br />

auch noch drei und hier oben wohnen drei und da wohnt auch noch e<strong>in</strong>er, alle aus Kamerun“ aber er hat auch<br />

viele deutsche Freunde. Er hat sich gut <strong>in</strong> die Gesellschaft <strong>in</strong>tegriert, schnell Anschluss gefunden und auch die Sprache<br />

gelernt, doch se<strong>in</strong>e afrikanische Kultur beibehalten. „Was haben afrikanische Frauen, was deutsche Frauen nicht<br />

haben?“ fragen wir ihn. Was er geantwortet hat? Haben wir leider nicht gehört. Aber sehen können es ja alle.<br />

Interview mit Cherif Cisse<br />

von Hannah Christmann und Johanna Uchlierz – Albert-Schweitzer-Gymnasium<br />

Als wir die Wohnung von Cherif Cisse (66 Jahre alt) betreten, sehen wir Holz- und Teppichboden,<br />

Familienfotos an den Wänden, altmodische Vorhänge sowie e<strong>in</strong>en sehr abgelebten<br />

Ventilator. Im Gegensatz dazu steht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wohnzimmer e<strong>in</strong> großer Flachbildfernseher, auf<br />

dem e<strong>in</strong>e politische Sendung über e<strong>in</strong> Land <strong>in</strong> Afrika auf Französisch läuft. Es sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e große<br />

Familie zu se<strong>in</strong>. Die Jüngeren tragen moderne Klamotten. Frau Cisse trägt e<strong>in</strong>en langen Rock.<br />

Die Sprache, <strong>in</strong> der sich unterhalten wird, wechselt: Mal Französisch, mal Deutsch. Sobald wir die Wohnung betreten<br />

haben, fällt uns außerdem e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Flasche auf dem Tisch im „Empfangszimmer“ auf. E<strong>in</strong>e <strong>Afrikaner</strong><strong>in</strong>, die mit uns<br />

im Wohnzimmer sitzt, fragen wir, ob alle hier im Haus zur Familie gehören. Sie verne<strong>in</strong>t und erklärt uns, dass Cherif<br />

e<strong>in</strong> sehr angesehener Mann bei den <strong>Afrikaner</strong>n ist. Sie kommen aus ganz Deutschland zu ihm, um ihn <strong>für</strong> sich beten<br />

zu lassen und ihnen aus ihren Händen zu lesen, wenn es ihnen e<strong>in</strong>mal „dreckig“ geht. Da<strong>für</strong> also auch die Flasche,<br />

die uns vorerst so verwundert hatte. Die Frau lacht und sagt: „Ich habe mich schon gewundert, was Ihr von Cherif<br />

wollt. Deutsche glauben nicht an so etwas. Uns hilft es.“ Bis Cherif endlich Zeit <strong>für</strong> uns gefunden hat, ist schon e<strong>in</strong>e<br />

Stunde seit unserem eigentlichen Term<strong>in</strong> vergangen. Die Stimmung ist sehr aufgelockert und wir dürfen ihn sofort<br />

duzen.<br />

Wo genau kommst Du her?<br />

Cisse: Ich b<strong>in</strong> im Senegal geboren, <strong>in</strong> Frankreich mit me<strong>in</strong>er Familie aufgewachsen und dann alle<strong>in</strong>e nach<br />

Deutschland gekommen. In Frankreich habe ich me<strong>in</strong>e erste Frau kennen gelernt. Es war e<strong>in</strong>e sehr starke Liebe.<br />

Sie war adelig und ihre Eltern wollten ke<strong>in</strong>en „Neger“ als Schwiegersohn, obwohl me<strong>in</strong> Name <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Heimatland<br />

sehr alt und bedeutend ist. Ihre Eltern haben gewonnen. Ich habe immer gearbeitet. Ich wäre e<strong>in</strong> guter<br />

Ehemann gewesen. Doch ich war schwarz.<br />

Als es kaputt g<strong>in</strong>g, wollte ich Urlaub machen. Ich habe mir e<strong>in</strong>en Globus genommen, gedreht und bl<strong>in</strong>d mit<br />

me<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>ger draufgetippt. Ich hätte überall landen können, auch <strong>in</strong> Amerika. Aber durch Zufall ist me<strong>in</strong> F<strong>in</strong>ger<br />

auf Hannover gefallen.<br />

Wie lange ist das her?<br />

Cisse: Das war 1947 als ich nach Frankreich kam, ich b<strong>in</strong> seit 1978 <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Wie hat dich Deutschland empfangen?<br />

Cisse: Man kommt nach Deutschland und es öffnen sich alle Türen <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en. Nicht alle s<strong>in</strong>d rassistisch, natürlich<br />

gibt es e<strong>in</strong> paar, aber die Mehrheit ist sehr nett. Hier <strong>in</strong> Deutschland oder eher Europa gibt es viele neue Möglichkeiten.<br />

Man sagt zwar, alle Schwarzen dealen mit Drogen, was auch größtenteils stimmt, aber nicht alle.<br />

Diejenigen, die etwas <strong>in</strong> Deutschland erreichen wollen brauchen die Möglichkeit dazu. Es gibt Vere<strong>in</strong>e die e<strong>in</strong>em<br />

solche Möglichkeiten geben. Auch ich habe so e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> früher geleitet, um anderen <strong>Afrikaner</strong>n zu helfen.<br />

Wie hast Du Dich <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>gelebt? Gab es Probleme bei Dir?<br />

Cisse: Ich habe auch schlechte Erfahrungen hier <strong>in</strong> Deutschland gemacht! Als ich noch ganz neu hier war, 1979,<br />

haben Radikale mich mit Messern attackiert und mich mehrmals <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Arm und <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Brust gestochen.<br />

Das war e<strong>in</strong>e Erfahrung, die ich immer <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Kopf behalten werde. Ich habe damals noch nicht gut Deutsch<br />

gesprochen, es war sozusagen das „Willkommen <strong>in</strong> Deutschland“. Ich habe danach aber sehr viele, sehr nette<br />

Menschen getroffen.<br />

Hast Du <strong>in</strong> Frankreich auch solche schlechten Erfahrungen gemacht oder nur <strong>in</strong> Deutschland?<br />

Cisse: Ja, natürlich auch <strong>in</strong> Frankreich. Ich habe dort nur gearbeitet, hatte e<strong>in</strong> eigenes Haus, aber die Familie<br />

me<strong>in</strong>er ersten Frau dachte, ich will nur ihr Geld. Das ist zwar ke<strong>in</strong>e körperliche Gewalt, doch es hat mich <strong>in</strong>nerlich<br />

kaputt gemacht.<br />

Und wie gehen die <strong>Afrikaner</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en damit um?<br />

Cisse: Viele <strong>Afrikaner</strong> urteilen über die Deutschen zu schnell, denn die Lebensart <strong>in</strong> Afrika ist total anders als<br />

hier <strong>in</strong> Europa. Es gibt zum Beispiel ke<strong>in</strong>en Rassismus. Viele <strong>Afrikaner</strong>, die hierher kommen, versuchen aber, ihre<br />

neue Lebensart zu adoptieren.<br />

Hast Du genauso gehandelt?<br />

Cisse: Ja, früher habe ich auch so gehandelt, somit habe ich heute viele Erfahrungen gesammelt. Die Integration<br />

kommt langsam! Dies vergessen viele.<br />

Was hast Du denn anfangs hier <strong>in</strong> Deutschland gemacht?<br />

Cisse: Zuerst habe ich mir als Boxer Geld verdient und auch Schlosser gelernt. Dann hatte ich e<strong>in</strong>en Autounfall<br />

und musste das Boxen aufgeben, womit ich eigentlich me<strong>in</strong> Geld verdiente…<br />

Dann habe ich zuerst bei „Blohm + Voss“ gearbeitet und war Besitzer e<strong>in</strong>er Kneipe oder Diskothek. Dort, direkt<br />

unter me<strong>in</strong>er Wohnung, aber ich musste sie irgendwann wegen der Lärmbelästigung schließen. Den Nachbarn<br />

hier wurde es zu laut. Außerdem habe ich K<strong>in</strong>der bekommen und me<strong>in</strong>e zweite Frau starb <strong>in</strong> dieser Zeit.<br />

Wie hast du De<strong>in</strong>e jetzige Frau kennen gelernt?<br />

Cisse: Ich b<strong>in</strong> zurück <strong>in</strong> den Senegal gefahren und habe dort me<strong>in</strong>e jetzige Frau kennen gelernt und sie mit hierher<br />

genommen.<br />

Wie viele K<strong>in</strong>der hast Du? Hier hängen viele Familienbilder!<br />

Cisse: Ich habe 7 K<strong>in</strong>der, zwei davon leben nicht mehr zuhause. Die Anderen s<strong>in</strong>d sieben, elf, fast sechs und<br />

e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb, alles Söhne. Me<strong>in</strong>e Tochter ist 16 Jahre alt.<br />

Leben sie nach den Gebräuchen und Sitten aus De<strong>in</strong>em Mutterland?<br />

Cisse: Sie s<strong>in</strong>d hier geboren und kennen nichts anderes als das Leben <strong>in</strong> Deutschland. Sie fühlen sich sehr wohl.<br />

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