Jahresbericht 2009/2010 - vzbv
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Verbraucherpolitik schafft Vertrauen<br />
und Sicherheit<br />
Haben Sie sich im zurückliegenden Jahr einmal<br />
über die Bahn, ihren Telefondienstleister,<br />
ihre Krankenversicherung oder ihren Energieversorger<br />
geärgert? Sind Sie vielleicht sogar<br />
in eine Abofalle im Internet getappt oder<br />
waren Opfer eines Finanzberaters, der Ihnen<br />
riskante Produkte des grauen Kapitalmarktes<br />
verkauft hat?<br />
Wer im Einzelfall enttäuscht wird, verliert<br />
schnell das Vertrauen in ganze Wirtschaftsbranchen.<br />
Die Finanzkrise hat gezeigt, wie<br />
schnell das hohe Gut des Vertrauens ins<br />
Wanken geraten kann. Betrachtet man die<br />
Wurzeln der Krise, nahm sie in den Vereinigten<br />
Staaten durch Missachtung verbraucherpolitischer<br />
Grundsätze ihren Lauf: Man<br />
nehme überbewertete Immobilien, wertlose<br />
Hypotheken, zahlungsschwache Verbraucher<br />
und verantwortungslose Investmentbanker,<br />
die faule Kredite in noch faulere Papiere verpacken<br />
und an Gutgläubige weiterverkaufen.<br />
Aber nicht nur das Vertrauen in einzelne<br />
Wirtschaftsbranchen hat gelitten – auch die<br />
Politik muss stets neu um das Vertrauen der<br />
Verbraucher werben. Alle Entscheidungen,<br />
so hat es die Bundesregierung beschlossen,<br />
sollen in Zukunft auf ihre Auswirkungen für<br />
die Verbraucher untersucht werden.<br />
Gemäß seiner griechischen Herkunft bedeutet<br />
Krise (κρίσις, krísis) Entscheidung<br />
oder entscheidende Wendung. Exakt diese<br />
benötigen wir in dieser Legislaturperiode, um<br />
die auf die Interessen der Anbieter fixierte<br />
Wirtschaftspolitik in Richtung einer nachfrageorientierten<br />
Politik zu entwickeln. Anlässlich<br />
der Europa- und der Bundestagswahlen<br />
hatten wir aufgezeigt, dass eine ambitionierte<br />
Verbraucherpolitik in der Lage ist, Antworten<br />
nicht auf alle, doch auf viele drängende<br />
Probleme zu geben.<br />
Doch dafür braucht die Verbraucherpolitik<br />
einen neuen strategischen Ansatz. Sie fokussiert<br />
sich derzeit auf den mündigen Verbraucher,<br />
der sich selbstbestimmt und zielsicher<br />
den Weg durch den Konsumdschungel<br />
bahnen soll. Die dafür nötige Unterstützung<br />
– sei es in Form verständlicher Information,<br />
unterstützender Institutionen oder klarer<br />
verbraucherrechtlicher Leitplanken – fehlt in<br />
vielen Bereichen. Das Beispiel des Finanzmarktes<br />
zeigt den Mangel. Es ist gut, dass<br />
es jetzt verständlichere Produktinformationen<br />
über Anlagen, Versicherungen oder Anleihen<br />
gibt. Und auch das Beratungsprotokoll wird<br />
für die Verbraucher eine Hilfe sein. Entscheidend<br />
ist aber, dass Verbraucherschutz zu<br />
einem zentralen Thema in der Finanzaufsicht<br />
wird. Denn ob eine Bank oder eine Versicherung<br />
vertrauenswürdig ist, sie die Spielregeln<br />
eines fairen Umgangs mit den Verbrauchern<br />
einhält oder nicht – das kann der Einzelne<br />
nicht oder nur schwer erkennen und erst<br />
recht nicht verändern.<br />
Eine bessere Politik für die Verbraucher wird<br />
es zudem nur geben, wenn das Verbraucherministerium<br />
mit den entscheidenden<br />
Kompetenzen ausgestattet ist. Dazu zählt,<br />
dass Themen wie das Mess- und Eichwesen,<br />
Informations- und Kennzeichnungspflichten<br />
für Produkte und Dienstleistungen aller Art<br />
ebenso im Verbraucherministerium gebündelt<br />
werden wie auch der Ausbau von Verbraucherforschung<br />
und Verbrauchermonitoring.<br />
Die soziale Marktwirtschaft ist nur dann<br />
sozial, wenn die wichtigsten Akteure in ihr,<br />
die Verbraucher, durch die Entwicklung und<br />
Bereitstellung von Information, sei es durch<br />
eine bessere Ausstattung der Verbraucherorganisationen<br />
mit Rechtsinstrumenten und<br />
Geld, in ihrem Konsumalltag tatkräftig unterstützt<br />
werden.<br />
Verehrte Leser – Sie halten unseren Jahresrückblick<br />
in Händen. Dieser dokumentiert,<br />
wie wir uns im zurückliegenden Jahr für die<br />
Editorial<br />
Gerd Billen, Vorstand<br />
des Verbraucherzentrale<br />
Bundesverbandes<br />
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