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Deutsche Klassenvereinigung - Deutsche J24-Klassenvereinigung

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Knapp eine Woche hat die Verarbeitung der Erlebnisse bei<br />

“Väterchen Frost” gedauert. Nun verheilen die körperlichen<br />

Wunden langsam, und durch offenes Reden sind vielleicht<br />

auch die sonstigen Blessuren in den Griff zu bekommen.<br />

Es beginnt mit einer harmlosen Email von Weltmeister<br />

Steuermann („Beluga“) Leif Tom Loose. Er meldet taktischen<br />

Unterstützungsbedarf für das Väterchen Frost Projekt auf<br />

einer <strong>J24</strong> an. Die Sätze sind so gewählt, dass eine vordere<br />

Platzierung im Bereich des Möglichen ist. Wohl wissend,<br />

dass ich noch nie einen Fuß auf eine solche J gesetzt habe.<br />

Aber der Mann selber hat viele Jahre auf höchstem Niveau<br />

erfolgreich <strong>J24</strong> gesegelt und sich die <strong>J24</strong> „Rotoman“ mit<br />

dem erfolgsverwöhnten Klassenhäuptling Jan Mark Ullrich<br />

gesichert. Dessen Stammcrew um Skipper Kai Mares ist an<br />

diesem Wochenende anderweitig beschäftigt. So hat Leif für<br />

das Vorschiff noch Volker Kramer rekrutiert, der in dieser<br />

Saison mit dem Gewinn des Drachen Bahnwärters einen<br />

absoluten Karriere Höhepunkt feiern durfte, sowie North<br />

Sails Germany Geschäftsführer Stefan Matschuk, der 2010<br />

zahlreiche Meistertitel auf diversen Yachten gewonnen hat.<br />

Einen davon holten wir in Kiel gemeinsam.<br />

Ein absolutes Dreamteam also, ausgestattet mit einem<br />

möglichen Sieg-Potenzial bei einer Regatta, die Väterchen<br />

Frost heißt. Ein Name, der auf den ersten Blick nicht gerade<br />

auf absolute Höchstqualität schließen lässt. So weit die<br />

Theorie.<br />

In der Praxis bringt die <strong>J24</strong> Klasse aber beim Hamburger<br />

Segel Club ein Feld an die Startlinie, das mit 27 Schiffen die<br />

Qualität einer <strong>Deutsche</strong>n Meisterschaft hat. Sie nutzt zurzeit<br />

die Gunst der Stunde, die sie zumindest im norddeutschen<br />

und Berliner Raum zur Erfolgsgeschichte macht. 140<br />

Menschen kommen zur Alster. Darunter 34 Frauen.<br />

40<br />

Picture by Pepe Hartmann<br />

väterchen FrOst<br />

Ich sitze nun mitten drauf auf dem „Affenfelsen“, wie die<br />

<strong>J24</strong> oft liebevoll in der Segelszene genannt wird angesichts<br />

der vielen Menschen, die das kleine Kielboot bevölkern.<br />

Ich soll als Taktiker sagen, wo es lang geht. Schön und gut.<br />

Aber vorher hat mir niemand gesagt, dass ich auch noch<br />

körperlich arbeiten muss. Ich hab schließlich “Rücken”, ein<br />

bisschen “Fuß” und mit zunehmender Renndauer auch noch<br />

“Unterarm”.<br />

Auf einer <strong>J24</strong> sitzt der Taktiker nicht wie anderswo<br />

bequem irgendwo hinter dem Steuermann, wo er wichtig<br />

dummschnacken kann. Nein, er hängt an der breitesten<br />

Stelle des Schiffes an der Reling und muss bei der Wende<br />

den weitesten Weg zurücklegen. Sage und schreibe 2,72<br />

Meter.<br />

Darüber hinaus ist der Abstand zwischen Großbaum und<br />

Kajütdach minimal. Es bedarf zuckender und schlängelnder<br />

Bewegungen, um das unwillige Fleisch auf die neue Luvseite<br />

zu wuchten. Diese Situation mag dazu führen, dass sich<br />

meine Wenden-Ansagen mit der zunehmenden Anzahl von<br />

blauen Flecken verringert. So bleibt der eine oder andere<br />

Dreher ungenutzt im Wasser liegen. Natürlich nur im<br />

Unterbewusstsein. So etwas macht man ja nicht absichtlich.<br />

Picture by Pepe Hartmann<br />

Jedenfalls könnte das der Grund für die sich verschlechternde<br />

Gesamtleistung sein. Nach einem guten Beginn mit 4 und 2<br />

folgt die Serie 7, 10, 7 und Gesamtplatz 6. Der ist prinzipiell<br />

aller Ehren Wert. Aber die Starts und Manöver sind eigentlich<br />

zu gut, als dass man mit der Gesamtleistung zufrieden sein<br />

könnte.<br />

In einem Rennen zeigen wir der Konkurrenz drei Runden<br />

lang das Heck. Nur um dann in der vierten Runde doch<br />

auf Platz zwei zu rutschen. Ein Typ mit komischer grüner<br />

Pudelmütze fängt uns ab. Das zickige Revier erschließt<br />

sich mir nicht. Die gelernten Schablonen passen nicht. Mal<br />

links, mal rechts, jede Kreuz ist anders. Je nachdem, wo<br />

gerade ein Böen-Paket aus dem Himmel fällt, dreht der Wind<br />

zwanzig Grad.<br />

Picture by Pepe Hartmann<br />

Dabei ist es gar nicht so wichtig, den stärkeren Druck zu<br />

erwischen. Die Js sind ohnehin schnell überpowert. Sobald<br />

sie Rumpfgeschwindigkeit erreicht haben, werden sie durch<br />

eine Böe nicht mehr beschleunigt. Bei der vermehrten<br />

Schräglage treiben sie eher quer. Aber es dauert, bis ich<br />

das checke.<br />

Die Dreher müssen richtig gelesen werden. Gefühlt<br />

erwischen wir zwar einige “hohen Beine”. Aber die anderen<br />

offenbar auch. Irgendwann funktioniert es immer schlechter.<br />

Die Big Points bleiben aus. Das mag auch mit mangelnder<br />

Konzentration zu tun haben, die mit zunehmendem<br />

Erschöpfungszustand zunimmt. Ich erwische mich bei einer<br />

heimlichen Rechnung. Bei vier Rennen und vier Runden am<br />

ersten Tag stopfe ich den Spi 16 Mal mit hochexplosiven<br />

Greif- und Stopf-Bewegungen in die Tüte am Niedergang.<br />

Ha, das mag sich banal anhören und nicht den erwünschten<br />

Mitleidseffekt erzeugen. Aber wer mich an der Leetonne wie<br />

ein Derwisch mit dem schwarzen Spituch kämpfen und die<br />

aufgepumpten, verkrampften Popeye Unterarme gesehen<br />

hat, dürfte vor Ehrfurcht erstarren. Zumal unsere Crew mit<br />

einem Durchschnittsalter von 42,2 Jahren wohl das älteste<br />

Team der Flotte ist. Ha! Platz sechs ist für unser Alter also<br />

nicht schlecht. Wehe, das behauptet jemand!<br />

Die absteigende Performance-Kurve könnte aber auch an<br />

der Konkurrenz liegen. Von wegen Väterchen Frost gleich<br />

Wald und Wiesen Regatta. Das Niveau ist hoch. Die Führung<br />

wechselt häufig, und die Top 15 liegen in jedem der fünf<br />

Rennen eng beisammen. Keinem Team gelingen zwei<br />

väterchen FrOst<br />

Siege in der Serie. Es macht richtig Spaß. Eine echte<br />

Herausforderung.<br />

Kaum jemandem unterlaufen grobe Schnitzer. Es wird<br />

fair gesegelt, sich brav im Dreilängenkreis angestellt und<br />

protestiert, wenn sich jemand daneben benimmt. Und mit<br />

fünf und teilweise sechs Menschen auf dem 7,32 Meter<br />

kurzen Schiffchen – maximales Crewgewicht: 400 Kilo –<br />

gibt es genug Hände an Bord für ansprechende Manöver.<br />

Immerhin fährt dem stattlichen Feld kein geringerer als<br />

der legendäre Segel- und Liedermacher Frank Schönfeld<br />

voraus. Der Rekordmeister in verschiedensten Klassen<br />

erreicht gerade mit Sohn Till Krüger an Bord seinen<br />

zweiten Segel-Frühling. Das gemeinsame Regattieren<br />

erzeugt beim Altmeister neue Motivationsschübe.<br />

Klar, es gibt modernere Schiffe. Mit Bugspriet, Gennaker<br />

und geradem Steven. Die Silhouette mit kleinem Groß<br />

und großer Genua sieht nach 34 Jahren etwas altbacken<br />

aus. Aber wer große Felder an den Start bringt, hat Recht.<br />

Die Klasse funktioniert. Den besten Beweis dafür liefert<br />

die abendliche Sitzung der J/24-Vereinigung. Während<br />

Picture by Pepe Hartmann<br />

die Segler in anderen Klassen angesichts bürokratischer<br />

Abwicklungen an einem Samstag Abend mit Grausen das<br />

Weite suchen würden, ist der Raum im HSC prall gefüllt.<br />

Man könnte das mit dem danach ausgeschenkten Freibier<br />

erklären. Aber so einfach ist die neue Faszination der alten<br />

<strong>J24</strong> nicht zu ergründen. Es kommt auf die Mischung an.<br />

Und die stimmt zurzeit bei den Js.<br />

Erschienen am 20.11.2010 auf www.segelreporter.com<br />

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