Gien Karssen

Instinktiv lenkte sie ihre Schritte nach Süden, auf den langen
Weg nach Ägypten. Je weiter sie kam, um so deutlicher wurde
ihr, in welche Gefahr sie sich begab. Sie hatte die Sicherheit
eines Zeltlagers mit seinen Bewohnern gegen die endlose," unwirtliche
Steppe und Wüste eingetauscht. Meilenweit kein
Mensch, kein Tier; niemand, der ihr helfen konnte.
Irgendwo im Nordosten der Sinai-Halbinsel, auf dem Weg
nach Schur, kam Hagar an eine Oase. Hier konnte sie sich
stärken und ausruhen, aber ihre innere Not blieb ungestillt.
Und in ihrer Einsamkeit, weit weg von jeder Geborgenheit und
Freundschaft, schrie sie aus ihrem Innersten zum Gott Abrams
- dem einzigen, der sie retten konnte.
Und er hatte sie nicht vergessen. Der langsam durch das
rauhe Wüstengelände des Sinai ziehende Punkt war seinem
Auge nicht verborgen geblieben; er wachte über Hagar, so wie
er über jeden Menschen wacht.
»Hagar!« rief er laut. Er sprach sie mit ihrem Vornamen an. 4
Er wußte genau, wer sie war.
Und er fügte gleich hinzu: »Magd Sarais.« Denn so sah er sie.
In seinen Augen war sie nach wie vor Sarais Magd. Er begann
das Gespräch nicht mit einer Rüge, obwohl er jedes Recht dazu
gehabt hätte.
Gott sprach weiter. »Woher kommst du, und wohin gehst
du?« Eine entwaffnende Frage, die Hagar Gelegenheit gab,
ganz frei zu reden. Jesus Christus, der später während seiner
Erdenjahre auf die gleiche Weise zu schuldbeladenen Frauen
reden und ihre Herzen gewinnen würde, sprach hier mit ihr. 5
Jesus Christus besuchte sie in der Gestalt des Engels des Herrn.
Es handelte sich um eine der Erscheinungen vor seiner Menschwerdung.
Genauso würde er sich später Abraham, dem Vater aller
Gläubigen, 6 und Mose, dem Geber des jüdischen Gesetzes 7 -
4 Genesis (1 Mo) 16,7-9
5 Johannes 4,4-42; 8,3-11
6 Genesis (1 Mo) 17,4-5
7 Exodus (2 Mo) 3,2-6
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