Gien Karssen

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, daß dieser
bedrückende und trostlose Ort einst der Schauplatz einer furchtbaren
Katastrophe war. Das Gericht scheint noch förmlich in der
Luft zu liegen. »Und hier sehen Sie die Frau Lots«, sagt der
Reiseführer, wenn er auf eine bestimmte Stelle im Fels deutet; ob
er Recht hat, weiß niemand genau.
An einem Tag vor vielen hundert Jahren war dieser gleiche Ort
lieblich grün, fruchtbar und von Leben erfüllt. 1 Alles lief seinen
gewohnten Gang in Sodom und Gomorra, und niemand ahnte,
daß Gottes Gericht kurz bevorstand.
Am Abend dieses Tages war es allerdings nicht mehr so ganz
friedlich. Zwei Männer waren nach Sodom gekommen, um Lot
und seine Familie zu besuchen, und um sie kam es bald zu einem
Aufruhr.
Ob Lots Frau wußte, daß ihre Gäste Engel waren, die Gott
gesandt hatte, um die Stadt zu richten? Wahrscheinlich wußte sie
nicht, wie flehentlich der Erzvater Abraham Gott gebeten hatte,
Sodom und Gomorra doch zu schonen, wenn es auch nur ein paar
Gerechte in ihnen gäbe. 2 »Über die Leute von Sodom und
Gomorra sind schwere Klagen zu mir gedrungen«, hatte Gott zu
Abraham gesagt, »ihre Schuld schreit zum Himmel. Deshalb will
ich jetzt hingehen und mit eigenen Augen sehen, ob sie es
tatsächlich so schlimm treiben.« 3
Aber auf jeden Fall wußte Lots Frau, daß es in Sodom schon seit
Jahren sehr böse zuging. Die Bewohner der Stadt gaben sich so
offen und hemmungslos sexuellen Perversionen hin, daß bestimmte
Perversionen noch heute ihren Namen - »Sodomie« - von
dieser Stadt haben. 4 Die Lage war so schlimm geworden, daß an
diesem Abend, als Lot seine Gäste empfing, die männlichen
Bewohner der Stadt - jung und alt - sich zusammenrotteten, um
sie an sich zu reißen und zu vergewaltigen.
Lots Frau schaute zu, wie ihr Mann das Haus verließ, um mit
den enthemmten Männern zu verhandeln. Schockiert hörte sie,
1 Genesis (1 Mo) 13,10
2 Genesis (1 Mo) 18,23-33
3 Genesis (1 Mo) 18,20-21
4 Römer 1,26-27
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