Wiener Kommentar Strafgesetzbuch - Manz
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Lässig Zu den §§ 67 bis 70 StPO § 200<br />
(2) Außer den Rechten des Opfers, des Privatbeteiligten und des Subsidiaranklägers<br />
hat die Finanzstrafbehörde noch folgende Rechte:<br />
a) Sie kann im gleichen Umfang wie der Staatsanwalt (gem § 20 StPO richtig: „die<br />
Staatsanwaltschaft“) gerichtliche Entscheidungen bekämpfen und die Wiederaufnahme des<br />
Strafverfahrens verlangen.<br />
b) Ihre Nichtigkeitsbeschwerde bedarf nicht der Unterschrift eines Verteidigers.<br />
c) Die Anberaumung von Haftverhandlungen (§§ 175 und 176 StPO), die Freilassung<br />
des Beschuldigten und die Anberaumung von mündlichen Verhandlungen im Rechtsmittelverfahren<br />
ist ihr mitzuteilen.<br />
d) Ihre Vertreter können bei den Haftverhandlungen und bei den mündlichen Verhandlungen<br />
im Rechtsmittelverfahren das Wort ergreifen und Anträge stellen.<br />
e) Die Akteneinsicht (§ 68 StPO) darf nicht verweigert oder beschränkt werden.<br />
(3) Die Vermutung des Rücktrittes von der Verfolgung (§ 72 Abs. 2 und 3 StPO) ist<br />
gegenüber der Finanzstrafbehörde als Ankläger ausgeschlossen.<br />
(4) Die besonderen Rechte der Finanzstrafbehörde erstrecken sich auch auf gerichtlich<br />
strafbare Handlungen, die keine Finanzvergehen sind, aber mit solchen in derselben Tat<br />
zusammentreffen.<br />
IdF BGBl I 2007/44<br />
Inhaltsübersicht<br />
Rz<br />
I. Grundsätzliches....................................... 1–4<br />
II. Rechtsstellung der Finanzstrafbehörde nach der StPO. . . . . . 5–8<br />
III. Sondernormen. ....................................... 9–15<br />
I. Grundsätzliches<br />
Nach Abs 1 kommt der Finanzstrafbehörde im gerichtlichen Finanzstrafverfahren<br />
die Stellung eines Privatbeteiligten zu. Dadurch wird – verdeutlicht durch<br />
Abs 2–4, die diese „Stellung“ näher definieren – ausgedrückt, dass § 200 nicht<br />
(auch) der Durchsetzung einer Forderung dient, sondern (nur) eine bestimmte<br />
prozessuale Position garantiert. Darin liegt der wesentliche Unterschied zum Begriffsverständnis<br />
der StPO, wonach die Privatbeteiligung darauf zielt, im Wege<br />
des Adhäsionsverfahrens (§§ 366–379 StPO) Schadenersatz (§ 67 Abs 1 StPO)<br />
zu erlangen. Der Anschluss als Privatbeteiligter iSd StPO dient also dazu, einen<br />
zivilrechtlichen Anspruch (solcherart vereinfacht) im Strafverfahren durchzusetzen.<br />
Demgegenüber sind Abgabenansprüche öffentlich-rechtlicher Natur und<br />
damit gerade nicht Gegenstand einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung. Was<br />
nicht Objekt eines Zivilprozesses sein kann, ist aber folgerichtig ebenso wenig<br />
tauglicher Gegenstand eines – (wie dargelegt) das zivilgerichtliche Urteil substituierenden<br />
– Adhäsionserkenntnisses, aus welchem Grund die Privatbeteiligung<br />
nach § 200 nicht den Zweck verfolgt, den staatlichen Abgabenanspruch zu effektuieren<br />
(SSt 59/33, RIS-Justiz RS0086704, 13 Os 152/08i; Spenling, WK-StPO Vor<br />
§§ 366–379 Rz 29f).<br />
Die Finanzstrafbehörde hat die Position des Privatbeteiligten (Rz 1) gem<br />
Abs 1 im nicht von ihr (sondern von der Kriminalpolizei [§ 196 Abs 2]) geführten<br />
Ermittlungsverfahren (§§ 91–189 StPO), im Haupt- (§§ 210–279 StPO) und im<br />
Rechtsmittelverfahren (§§ 280–296a StPO).<br />
Die Stellung eines Privatbeteiligten steht der Finanzstrafbehörde „kraft Gesetzes“<br />
zu. Anders als nach § 67 Abs 2 erster Satz StPO folgt diese Prozessposition<br />
hier somit nicht aus einer Anschlusserklärung, sondern unmittelbar aus dem Ge-<br />
<strong>Wiener</strong> <strong>Kommentar</strong> 2 , 87. Lfg. (Juni 2012) (9)<br />
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