Wiener Kommentar Strafgesetzbuch - Manz
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Lässig Zu den §§ 67 bis 70 StPO § 200<br />
Umfang wie der Privatbeteiligte anfechten (§ 72 Abs 4 StPO iVm § 71 Abs 5<br />
StPO).<br />
III. Sondernormen<br />
Über die in Rz 6–8 zusammengefasst dargestellten Rechte hinaus räumt 9<br />
Abs 2 der Finanzstrafbehörde im gerichtlichen Finanzstrafverfahren folgende<br />
Sonderrechte ein:<br />
Nach Abs 2 lit a kann die Finanzstrafbehörde gerichtliche Entscheidungen 10<br />
ebenso bekämpfen wie die Staatsanwaltschaft. Demgemäß stehen ihr die Beschwerde<br />
(§ 87 StPO) gegen Beschlüsse sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die<br />
Berufung (§ 280 StPO) gegen Urteile sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil<br />
des Angeklagten bzw Beschuldigten zu (§§ 282, 283 Abs 2 erster Satz StPO; in Bezug<br />
auf Beschlüsse Tipold, WK-StPO § 87 Rz 4; zur Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich<br />
RIS-Justiz RS0086743).<br />
Bekämpft die Finanzstrafbehörde ein Urteil zum Nachteil des Angeklagten<br />
mit Nichtigkeitsbeschwerde, sind die diesbezüglichen Einschränkungen zu beachten.<br />
So stehen die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 1a und 5a StPO insoweit<br />
nicht offen (§ 282 Abs 2 StPO). Die Gründe des § 281 Abs 1 Z 2, 3 und 4 StPO<br />
wiederum können in diese Richtung nur dann geltend gemacht werden, wenn erkennbar<br />
ist, dass die Formverletzung einen die Anklage beeinträchtigenden Einfluss<br />
auf die Entscheidung zu üben vermochte, und die Finanzstrafbehörde sich ihr<br />
widersetzt, die Entscheidung des Schöffengerichts begehrt und sich sofort nach<br />
Verweigerung oder Verkündung dieser Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde<br />
vorbehalten hat (§ 281 Abs 3 zweiter Satz StPO; 12 Os 6/01).<br />
Unabhängig davon, in welche Richtung die Finanzstrafbehörde ein Urteil<br />
anficht, bedarf ihre Nichtigkeitsbeschwerde gem Abs 2 lit b nicht der Unterschrift<br />
eines Verteidigers. Dies bedarf einer Sonderregelung, weil allein der Umstand,<br />
dass der Finanzstrafbehörde auch die Rechte des Privatbeteiligten und des Subsidiaranklägers<br />
zukommen (Abs 2 erster Satz), das Erfordernis der Verteidigerunterschrift<br />
nicht tangiert (vgl Ratz, WK-StPO § 285a Rz 7).<br />
Zum Recht, die Wiederaufnahme zu begehren (Abs 2 lit a), s die Kommen- 11<br />
tierung zu §§ 220–226.<br />
Abs 2 lit c und d räumen der Finanzstrafbehörde besondere Rechte in Bezug 12<br />
auf Haftverhandlungen (§ 176 StPO) und mündliche Verhandlungen im Rechtsmittelverfahren,<br />
also Gerichtstage vor dem OGH (§§ 286ff, 296 StPO) und dem<br />
Oberlandesgericht (§ 294 Abs 5 StPO), ein. Die Anberaumung solcher Verhandlungen<br />
ist der Finanzstrafbehörde – stets, aber bloß – „mitzuteilen“, was bedeutet,<br />
dass es ihr freisteht, einen Vertreter zu entsenden, und dass ein allfälliges Fernbleiben<br />
den Verfahrensfortgang nicht hindert. Nimmt ein Vertreter der Finanzstrafbehörde<br />
an der Haft- oder der Rechtsmittelverhandlung teil, ist er berechtigt,<br />
Anträge zu stellen und das Wort zu ergreifen.<br />
Neben dem Antragsrecht kann er somit im Rahmen der Haftverhandlung<br />
sich zum Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft äußern, ergänzende Feststellungen<br />
aus den Akten begehren und Fragen an den Beschuldigten, Zeugen<br />
oder Sachverständige richten (§ 176 Abs 4 StPO).<br />
Beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde<br />
erhält der Vertreter der Finanzstrafbehörde das Wort zur Begründung<br />
deren Beschwerde und zur Erwiderung auf die des Gegners (§ 287 Abs 3 erster<br />
Satz StPO) sowie – was unmittelbar aus der insoweit nicht differenzierenden Be-<br />
<strong>Wiener</strong> <strong>Kommentar</strong> 2 , 87. Lfg. (Juni 2012) (11)