nicht mehr geht - Veranstaltungskalender für Körper Geist und Seele
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Wenn <strong>mehr</strong>,<br />
<strong>mehr</strong>, <strong>mehr</strong> –<br />
<strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> <strong>geht</strong><br />
Von Marc Rackelmann<br />
„Masters of the Universe“ nannten sich – nur halb im<br />
Scherz – die Banker, die zu ihrem eigenen Nutzen irrwitzige<br />
Geldbeträge verschoben haben. Solange, bis das System<br />
des immer <strong>mehr</strong> <strong>und</strong> immer weiter in der Finanzkrise<br />
kollabierte. Wie im Märchen vom Fischer <strong>und</strong> seiner Frau<br />
sollte aus der armseligen Hütte erst ein stattliches Haus,<br />
dann ein Palast werden. Am Schluss wollte sich des Fischers<br />
Frau <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> damit zufrieden geben, Kaiser <strong>und</strong><br />
Papst zu sein – sie wollte <strong>nicht</strong> eher ruhn, bis sie zu Gott<br />
selbst geworden war. Wir wissen, wie das Märchen endet:<br />
Das Paar saß wieder da, wo es begonnen hatte.<br />
Die Finanzkrise wurde <strong>für</strong> ihre Akteure auch zu einer<br />
persönlichen, narzisstischen Krise. Wer bin ich, wenn<br />
ich mein Ego <strong>nicht</strong> durch noch <strong>mehr</strong> Geld auf meinem<br />
Konto, noch teurere Autos <strong>und</strong> noch schönere Frauen<br />
stützen kann? Narzissmus ist die Leit- (<strong>und</strong> Leid-)haltung<br />
unserer Gesellschaft. Die über ihre aufgeblasenen Egos<br />
gestolperten Banker sind zwar dem allgemeinen Ärger<br />
<strong>und</strong> der Schadenfreude preisgegeben, völlig fremd ist<br />
dieser Charakterzug jedoch den wenigsten Menschen in<br />
unserem Kulturkreis. Da er aber so allgegenwärtig ist, ist<br />
seine Gestalt <strong>für</strong> uns manchmal schwer erkennbar. Was<br />
macht den Narzissmus im Kern aus?<br />
Im Kern jedes Narzissten befindet sich ein Loch, ein<br />
unersättliches, schwarzes Loch, in dem alle Bestätigungen<br />
<strong>und</strong> alle Erfolge zu verschwinden scheinen.<br />
Wie ein Süchtiger muss ein Narzisst die Dosis nach<br />
Anerkennung von außen immer weiter erhöhen, um<br />
das Loch <strong>nicht</strong> spüren zu müssen. Narzissten setzen<br />
alles daran, möglichst nie mit diesem Loch in Kontakt<br />
zu kommen. Es fühlt sich bedrohlich <strong>und</strong> ver<strong>nicht</strong>end<br />
an – wie der Tod. Narzissten stellen unrealistische Anforderungen<br />
an sich <strong>und</strong> das Leben. Sie stehen unter<br />
einem immensen Leistungsdruck <strong>und</strong> sind, egal, wie<br />
sie sich zu amüsieren scheinen, im Kern sehr unglücklich<br />
<strong>und</strong> einsam. Da die Wirklichkeit den narzisstischen<br />
Ansprüchen selten genügen kann, kennen alle<br />
Narzissten depressive Phasen. Die tiefe Überzeugung,<br />
versagt zu haben, macht sich dann breit.<br />
Was bringt Menschen zu der Überzeugung, aus sich<br />
© Yurok Aleksandrovich - Fotolia.com<br />
heraus <strong>nicht</strong>s wert zu sein <strong>und</strong> nur durch permanente<br />
Leistung ihre Existenzberechtigung zu verdienen?<br />
Die narzisstische W<strong>und</strong>e hat ihren Ursprung in dem<br />
Gefühl, als Kinder von unseren Eltern <strong>nicht</strong> – genügend<br />
– gesehen worden zu sein. Vielleicht waren sie selbst<br />
so voll mit eigenen Problemen, dass <strong>für</strong> uns emotional<br />
wenig Platz war; vielleicht brauchten sie uns als kleinen<br />
Verbündeten im Kampf mit dem Leben; vielleicht sollten<br />
wir <strong>für</strong> sie das erreichen, was ihnen selbst verwehrt<br />
geblieben war. Das Kind fühlt: „Wenn ich das <strong>nicht</strong><br />
bekomme, was ich eigentlich brauche – Einfühlung,<br />
Interesse an meinem Wesen - dann bedeutet das, dass<br />
mit mir etwas <strong>nicht</strong> in Ordnung sein kann. Nur wenn ich<br />
mich anstrenge <strong>und</strong> die an mich von außen gestellten<br />
Anforderungen erfülle, bin ich richtig.“<br />
Und so entsteht das narzisstische „falsche Selbst“,<br />
dessen Gefühlsqualitäten <strong>und</strong> Haltungen ich oben kurz<br />
umrissen habe. Da das falsche Selbst zwangsläufig<br />
Krisen verursacht, trägt es den Kern zu seiner Überwindung<br />
bereits in sich. Von uns Betroffenen braucht<br />
es die Bereitschaft, den Schmerz zu spüren <strong>und</strong> die<br />
Scham darüber wahrzunehmen, dass wir beschämt<br />
worden sind. Dann können wir aus dem Kreislauf von<br />
Selbstüberschätzung <strong>und</strong> Minderwertigkeitsgefühlen,<br />
beschämen oder beschämt werden, aussteigen. Da die<br />
Ressourcen unseres Planeten endlich sind, kommt<br />
diese Bewusstseinswandel <strong>nicht</strong> nur unserem eigenen<br />
<strong>Seele</strong>nheil zugute. Wir erhalten damit auch die Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />
<strong>für</strong> zukünftige Generationen.<br />
Marc Rackelmann ist Diplom Politologe <strong>und</strong> Heilpraktiker <strong>für</strong> Psychotherapie.<br />
Er arbeitet als <strong>Körper</strong>psychotherapeut in eigener Praxis in Berlin Friedenau<br />
mit Einzelnen, Paaren <strong>und</strong> Gruppen. www.praxis-rackelmann.de<br />
Literatur: Heinz Kohut: Narzissmus, Frankfurt a. M., 1976 - Alice Miller:<br />
Das Drama des begabten Kindes, Frankfurt a. M., 1997 - Stephen M.<br />
Johnson: Der narzisstische Persönlichkeitsstil, Köln, 2000 - Heinz-Peter<br />
Röhr: Narzissmus. Das innere Gefängnis, München, 2005<br />
Marc Rackelmann, Vortrag: „Ich bin der Größte – Versager!“<br />
– Wie finden Narzissten ihr seelisches Gleichgewicht wieder?<br />
Erscheinungsformen, Ursachen <strong>und</strong> Therapie, Mo 18. Mai 2009,<br />
19:30h, Eintritt: 5€; Ort: Praxis Rackelmann, Stubenrauchstr.<br />
15, Berlin-Friedenau, Anmeldung erbeten unter: 030-<br />
797812198 oder mr@koerperpsychotherapie-berlin.de<br />
KGSBerlin 05/2009