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Sternstunden gibt es nur in der Nacht

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P. GERHARD VOSS OSB<br />

Geboren 1935 <strong>in</strong> Reckl<strong>in</strong>ghausen,<br />

Prof<strong>es</strong>s <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>altaich 1959,<br />

Pri<strong>es</strong>terweihe <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>altaich 1961,<br />

Promot<strong>in</strong> bei Prof. Schnackenburtg<br />

<strong>in</strong> Würzburg,<br />

von 1968 bis 2002 Schriftleiter <strong>der</strong><br />

Zeitschrift Una Sancta,<br />

redigiert jetzt die Hauszeitschrift<br />

„Die beiden Türme“.<br />

Tätig als Rektor d<strong>es</strong> Ökumenischen<br />

Instituts <strong>der</strong> Abtei Nie<strong>der</strong>altaich<br />

on – im Menschen als e<strong>in</strong>em Mikrokosmos<br />

wi<strong>der</strong>spiegelt. Nicht was e<strong>in</strong>e Planetenkonstellation<br />

im menschlichen Leben bewirkt,<br />

kommt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Astrologie zur Sprache, son<strong>der</strong>n<br />

was sie anzeigt. Von <strong>der</strong> Planetenkonstellation<br />

wird abgel<strong>es</strong>en, was <strong>in</strong> di<strong>es</strong>em<br />

Augenblick für den g<strong>es</strong>amten Kosmos gilt,<br />

für den Makrokosmos und entsprechend<br />

für den Mikrokosmos Mensch.<br />

Das Geburtshoroskop ist e<strong>in</strong>e Skizze d<strong>es</strong><br />

g<strong>es</strong>amtkosmischen Augenblicks, bezogen<br />

auf Zeit und Ort <strong>der</strong> Geburt d<strong>es</strong> betreffenden<br />

Menschen. Die Astrologie verb<strong>in</strong>det<br />

damit die Vorstellung, dass di<strong>es</strong>er Mensch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Struktur e<strong>in</strong>er Persönlichkeit vom Augenblick<br />

se<strong>in</strong>er Geburt bleibend qualitativ<br />

geprägt ist, zugleich aber im Laufe se<strong>in</strong><strong>es</strong><br />

Lebensweg<strong>es</strong> mit immer neuen Konstellationen<br />

konfrontiert ist. So zeichnen sich Fähigkeiten,<br />

Grenzen und Spannungen ab,<br />

mit denen di<strong>es</strong>er Mensch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben<br />

fertig werden muss, aber auch Probleme,<br />

die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em b<strong>es</strong>timmten Abschnitt<br />

se<strong>in</strong><strong>es</strong> Lebens stellen.<br />

Hier will astrologische Beratung ansetzen.<br />

Doch kann man dabei nicht vorsichtig genug<br />

se<strong>in</strong>. Die Gefahr ist sehr groß, Ratsuchende<br />

<strong>in</strong> unzulässiger Weise zu fi xieren.<br />

Astrologie lehrt ja gerade, wie unterschiedlich<br />

Menschen se<strong>in</strong> können. Und seriöse<br />

Astrologie hat immer auch betont, dass <strong>der</strong><br />

Planetenkonstellation Neigungen abzul<strong>es</strong>en<br />

s<strong>in</strong>d, nicht aber Zwangsläufi gkeiten<br />

(„Astra <strong>in</strong>cl<strong>in</strong>ant, non nec<strong>es</strong>sitant“ – „Die<br />

Sterne zeigen sich, aber sie haben <strong>es</strong> nicht<br />

notwendig“). E<strong>in</strong> Spielraum menschlicher<br />

Freiheit bleibt hier gewahrt. Immer bleibt<br />

die Möglichkeit, dass Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft<br />

<strong>der</strong> Liebe <strong>in</strong> unberechenbarer Weise über<br />

sich selbst h<strong>in</strong>auswachsen. Thomas von<br />

Aqu<strong>in</strong> sagt, dass Menschen umso weniger<br />

astrologisch berechenbar s<strong>in</strong>d, je weniger<br />

sie e<strong>in</strong>fach bloß ihren natürlichen Leidenschaften<br />

folgen.<br />

Christus, die Sonne<br />

In <strong>der</strong> Kirche war Astrologie wegen <strong>der</strong><br />

Gefahr d<strong>es</strong> Missbrauch<strong>es</strong> immer umstritten<br />

– manchmal mehr, manchmal weniger.<br />

Die astrologische Bildsprache jedoch spielt<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> christlichen Tradition e<strong>in</strong>e größere<br />

Rolle, als meist bewusst ist: Zur Zeit <strong>der</strong><br />

W<strong>in</strong>tersonnenwende feiern wir Weihnachten,<br />

das Geburtsf<strong>es</strong>t Christi. Wir b<strong>es</strong><strong>in</strong>gen<br />

ihn als die „Sonne“, die aufg<strong>es</strong>trahlt ist<br />

im Dunkel <strong>der</strong> Welt. Im Zeichen „Wid<strong>der</strong>“<br />

feiern wir den österlichen Sieg Christi über<br />

den Tod. „Als unser Paschalamm ist Christus<br />

geopfert worden“ (1. Kor<strong>in</strong>therbrief 5,7).<br />

E<strong>in</strong> männlich<strong>es</strong> Lamm, wie <strong>es</strong> das Buch Exodus<br />

12,5 für das Pascha-Opfer vorschreibt,<br />

ist e<strong>in</strong> Wid<strong>der</strong>. Ostern feiern wir im Zeichen<br />

„Wid<strong>der</strong>“, das heißt: Die H<strong>in</strong>gabe unserer<br />

Vitalität <strong>in</strong> liebendem Gehorsam ist <strong>der</strong><br />

Weg zum Leben, den Christus uns durch<br />

se<strong>in</strong> Opfer eröffnet hat.<br />

Liebe und Leidenschaft<br />

Geistliche Wegweisung wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> christlichen<br />

Überlieferung (z.B. im Kapitel über<br />

die Demut <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel d<strong>es</strong> hl. Benedikt)<br />

öfters <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zwölfzahl von Schritten o<strong>der</strong><br />

Mahnungen entfaltet – offenbar <strong>in</strong> Entsprechung<br />

zum Tierkreis als differenziertem Erfahrungsh<strong>in</strong>tergrund<br />

für den menschlichen<br />

Reifungsproz<strong>es</strong>s: Die „Musik d<strong>es</strong> Weltalls“<br />

(H. H<strong>es</strong>se) <strong>in</strong> uns bedarf <strong>der</strong> Unterscheidung<br />

von Gut und Böse, um zur Reife zu<br />

kommen. Denn kosmische Symbole s<strong>in</strong>d<br />

immer ambivalent. Merkur beispielsweise<br />

ist <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Kaufl eute und <strong>der</strong> Diebe.<br />

Beide brauchen di<strong>es</strong>elben Fähigkeiten. Das<br />

gilt auch für den nach di<strong>es</strong>em „Gott“ benannten<br />

Planeten „Merkur“ <strong>in</strong> uns. Aus sich<br />

heraus kennt die Astrologie ke<strong>in</strong>e ethische<br />

Wertung.<br />

Dazu brauchen wir das Wort Gott<strong>es</strong>. Die<br />

gleichen Fähigkeiten können als Laster<br />

o<strong>der</strong> als Tugenden ausgeprägt se<strong>in</strong>. Astrologie<br />

kann uns lehren, dass <strong>der</strong> Proz<strong>es</strong>s <strong>der</strong><br />

Reifung vom Laster zur Tugend e<strong>in</strong> Weg<br />

<strong>der</strong> Wandlung, nicht e<strong>in</strong>er Vernichtung <strong>der</strong><br />

Leidenschaften ist. Liebe ist zur Reife gewandelte,<br />

nicht abgetötete Leidenschaft.<br />

Das war <strong>in</strong> Verg<strong>es</strong>senheit geraten. Die Ausgrenzung<br />

<strong>der</strong> Astrologie ist e<strong>in</strong> beredt<strong>es</strong><br />

Zeichen für den Verlust <strong>der</strong> kosmischen Dimension<br />

<strong>der</strong> christlichen Botschaft und für<br />

die Verkopfung ihrer Verkündigung.<br />

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