Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Mai</strong> <strong>2010</strong>
EDITORIAL<br />
3<br />
INHALT<br />
Seite<br />
Br. Stephan Veith OSB<br />
Vorwort ...................................................................... 3<br />
P. Meinrad Dufner OSB, Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />
Mönche reden über Liebe .............................................. 4<br />
P. Anselm Grün OSB<br />
Stark wie der Tod ist die Liebe ........................................ 6<br />
P. Jonathan Düring OSB<br />
Liebe drückt kein Auge zu ............................................ 8<br />
Dr. Wunibald Müller<br />
Wenn Liebe scheitert ................................................. 10<br />
Br. Bankaja Mkenda OSB<br />
Paradox der Liebe ...................................................... 12<br />
Pinchas Lapide<br />
Kann man lieben, die uns hassen? .............................. 14<br />
P. Fidelis Ruppert OSB<br />
Kritik, die neu motiviert ............................................ 16<br />
Maria Hisch<br />
Wichtige Schritte auf dem gemeinsamen Weg ............... 18<br />
Interview: mit Sr. Christiane Sartorius OP und<br />
Br. Frowin Rückert OSB ................................................. 20<br />
Projekt Marriage Encounter: von P. Severin Pieper OSB ..... 22<br />
Namen/Nachrichten ......................................................... 26<br />
Dank/Serie ................................................................. 33<br />
Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />
Aus dem Nähkästchen geplaudert ................................. 35<br />
So wie Reiskorn für Reiskorn von einer<br />
Hand in die andere rieselt, so ist es<br />
auch mit der Liebe: Sie ist ein Geben<br />
und Nehmen!<br />
Porträt:<br />
P. Jesaja Langenbacher OSB<br />
IMPRESSUM<br />
Ruf in die Zeit<br />
AUSGABE MAI <strong>2010</strong>, NR. 2/10<br />
MISSIONSBENEDIKTINER<br />
MÜNSTERSCHWARZACH<br />
Das Magazin für Freunde, Förderer und Interessenten der Missionsarbeit<br />
der Abtei Münsterschwarzach<br />
Abonnement<br />
Bestellung an prokura@abtei-muensterschwarzach.de<br />
oder Telefon 09324/20-275 vierteljährlich, kostenfrei<br />
Redaktion<br />
Br. Stephan Veith (verantw.), Br. Thomas Morus Bertram (verantw.),<br />
P. Jonathan Düring, Br. Alfred Engert, Br. Joachim Witt, Br. Manuel Witt<br />
Herausgeber<br />
Missionsprokura der Abtei Münsterschwarzach<br />
97359 Münsterschwarzach Abtei<br />
Tel.: 09324/20275 Fax: 09324/20270<br />
E-<strong>Mai</strong>l: prokura@abtei-muensterschwarzach.de<br />
Internet: http://www.abtei-muensterschwarzach.de<br />
Auslandsspenden<br />
Bei Spenden aus dem Ausland bitte unseren<br />
Swift Code: GENODEF1MO5 und<br />
Iban Nr.: DE51750903000003015033 unbedingt angeben.<br />
Bankverbindung<br />
Liga Bank, Kto. Nr. 3015033, BLZ 750 903 00<br />
Bei Adressenänderungen und Spenden wenden Sie sich bitte an<br />
die Spendenbuchhaltung der Missionsprokura<br />
Tel: 09324/20-287 oder 20-276<br />
Fax: 09324/20-494<br />
E-mail: prokura@abtei-muensterschwarzach.de<br />
Bildnachweis<br />
F. Bertele (S. 1), Fairhandel (S. 2), Br. Thomas Morus (S. 4, 5, 21,<br />
32, 33, 35, 36), DPA (S. 7, 11, 12), P. Jonathan (S. 9), KNA (S. 10,<br />
15), Br. Bakanja (S. 13, 22), P. Fidelis (S. 16), M. Hisch (S. 19), Anja<br />
Legge (S. 20, 33), Buchhandlung (S. 24, 25), Archiv (S. 26, 27, 28,<br />
29) Br. Gregory (S. 30, 31), Br. Robert (S. 34)<br />
Gesamtherstellung:<br />
Vier-Türme GmbH, Benedict Press, 97359 Münsterschwarzach Abtei<br />
Konzeption: Klaus Gold<br />
BR. STEPHAN VEITH OSB<br />
Missionsprokurator<br />
Liebe<br />
Leserinnen<br />
und Leser...<br />
... eigentlich kann ein einziges Wort gar nicht ausreichen für das, was damit alles<br />
gemeint ist: „Liebe“ steht für Sympathie, für sexuelles Begehren, für Hingabe<br />
an den Nächsten, für das Verhältnis der Eltern zu ihrem Kind, von Gott zum<br />
Menschen, von Teenagern zueinander. Gott ist die Liebe. Liebe ist Thema in<br />
Groschenromanen, Kinofi lmen, Opern oder TV-Serien.<br />
Andere Sprachen haben verschiedene Wörter für Liebe, wie Caritas und Amor im<br />
Lateinischen, oder Eros, Agape und Philia im Griechischen. Das klärt manches.<br />
Andererseits gehört es zum Faszinosum der „Liebe“, dass eine ganze Welt in diesem<br />
Wort zusammengefasst ist. Eine Welt, die von Menschen gar nicht mit letzter<br />
Klarheit in ihre Unterabteilungen zerlegt werden kann.<br />
In diesem „Ruf in die Zeit“ geht es um Liebe. Zum Kind, zu Gott, zum Feind, zum<br />
Geliebten. Es geht um die Himmelsmacht, ohne die alles: das Leben, der Glauben<br />
wertlos ist. Es geht auch um die Kehrseite: Scheitern, Streit und Heuchelei, die sich<br />
nicht ausblenden lassen. Im Leben nicht, in der Kirche nicht, im Glauben nicht.<br />
Wenn Gott die Liebe ist, wie der Apostel Johannes schreibt, dann ist auch verständlich,<br />
dass wir mit dem Thema Liebe nie fertig werden. „Liebe“ geht nicht<br />
einfach von allein. Der rechte Umgang mit unseren Mitmenschen, mit unseren<br />
Partnern, mit Gott will gelernt und eingeübt sein. Lassen Sie sich durch die Beiträge<br />
in diesem Heft anregen auf Ihrem Weg zu einem liebevollen Leben!<br />
Es grüßt Sie herzlich
ZUM THEMA<br />
4<br />
Mönche reden über Liebe<br />
P. Meinrad und Br. Thomas Morus im Gespräch über Liebe auf dem Winkelhof im Steigerwald am 12. Januar <strong>2010</strong><br />
Meinrad, was ist für Dich<br />
Liebe? Welche Bilder<br />
und Erfahrungen kommen<br />
Dir, wenn Du an<br />
Liebe denkst?<br />
Oh, das ist eine zu<br />
große Frage. Bin ich<br />
Philosoph oder Psychologe,<br />
Biologe oder<br />
Theologe, gar Soziologe<br />
– es käme je eine andere Antwort,<br />
und mit Recht. Ich will Dir keine Defi nition<br />
sagen, aber ich würde gerne erzählen.<br />
So entstehen Bilder von Erfahrung.<br />
Wenn ich an die Liebe<br />
denke, fällt mir meine<br />
erste Jugendliebe ein.<br />
Wir lernten uns in der<br />
Tanzstunde kennen. Sie<br />
hatte einen Pferdeschwanz und ihre dunkelbraunen<br />
Haare reichten fast bis zum<br />
Po. Das fand ich toll. Unsere Beziehung<br />
war im wahrsten Sinne des Wortes rustikal.<br />
(Meinrad) „Kann man sich denken.“ (Tom)<br />
Bei jedem Wetter, egal ob es stürmte oder<br />
schneite, durchstreiften wir in Begleitung<br />
von ‚Mister Hund’ Feld und Wald. Aus zwei<br />
Ponchos bauten wir ein Minizelt und lagen<br />
dicht an dicht, erzählten Geschichten,<br />
planten unsere Zukunft und kuschelten. Sie<br />
holte mich später in die Russisch AG an<br />
ihrem Gymnasium. Dort saßen wir in einer<br />
Schulbank und ich malte rote Herzchen<br />
mit Liebesgefl üster auf Zettel, die ich ihr<br />
zuschob. Vom ganzen Russischunterricht<br />
behielt ich nur einen Satz: „Ja lublju tebja<br />
– ich liebe Dich.“<br />
Ganz alte, aber immer<br />
noch leuchtende Erinnerung<br />
geht bei mir auf ein<br />
Zeltlager zurück. Da war<br />
ich für eine kleine Gruppe<br />
Jüngerer verantwortlich. Ich erlebte mein<br />
Sorgen und Bemuttern bei Tag und Nacht<br />
als Hochgefühl und die Tugend der Liebe.<br />
Nach Jahren endete<br />
meine erste Jugendliebe.<br />
Zurück vom Sommerlager<br />
der Pfadfi nder<br />
in Finnland freute ich<br />
mich auf unser Wiedersehen. Ich hatte ein<br />
kleines Geschenk mitgebracht, doch ihre<br />
Freude darüber war verhalten. Wir gingen<br />
in ihr Zimmer und da eröffnete sie mir, dass<br />
da jemand anderes sei – aber, so sagte<br />
sie, wir können doch weiter gute Freunde<br />
sein. Für mich gab es nur eins: bloß weg!
5<br />
Zu Hause liefen dann die Tränen und das<br />
arme Herz schlug heftig in der Brust. Meine<br />
Mutter sagte damals zu mir: „Junge, die erste<br />
Liebe geht zu Herzen, die zweite brennt<br />
nicht mehr so heiß. Die dritte kann man<br />
leicht verschmerzen, weil man die vierte<br />
kommen weiß.“ Meine Antwort darauf: „So<br />
ein Scheißspruch!“ Aber geholfen hat es<br />
ein wenig.<br />
Ich erinnere mich mit viel<br />
dankbarer Freude an die<br />
heißen Phasen von Verliebt<br />
sein. Die Sprungkraft<br />
dieser Zeiten, das<br />
süße Weh dieser Tage und Nächte, – sie<br />
waren so reich, wie es auch weh tat, wenn<br />
wieder Abschiede anstanden. „Liebe ist<br />
ein Hemd aus Feuer“, dieser Schreck hat<br />
mir mein artiges, scheinbar Gott lieben<br />
an einem Weihnachtstag zerschlagen. Ich<br />
schämte mich der frommen Floskeln, als<br />
mir das heiße Erleben in Leib und Seele<br />
wirklich brannte. Das hat mich viel gelehrt.<br />
In meinem Leben gab<br />
es einen Menschen, der<br />
mich von Kindesbeinen<br />
an begleitet und den ich<br />
wirklich lieb hatte. Das<br />
war Oma Hedwig – Mutters Mutter. Oma<br />
Hedwig war früh Witwe geworden und<br />
musste sich mit ihrer ledigen Schwester<br />
und einer kleinen Landwirtschaft durchs<br />
Leben schlagen. Sie war eine fromme,<br />
total naturverbundene, humorvolle Frau.<br />
Wenn Oma früh aufstand, sprang ich mit<br />
aus dem Bett. Feuer machen, anziehen,<br />
Schweine und Hühner füttern, Ziegen melken.<br />
Dann zur Kirche – die anderen haben<br />
noch gepennt. Im Winter war der Weg zur<br />
Kirche eine Rutschpartie. Zurück in der<br />
warmen Küche. Da quirlte Oma mir – und<br />
nur mir – ein rohes Eidotter in den Kaffeepott,<br />
zusammen mit Ziegenmilch und<br />
Zucker. So etwas Herrliches. Als meine Oma<br />
starb, war ich 13 Jahre. Wie schwer fi el mir<br />
ihr Tod. Da war plötzlich eine Lücke. Dieser<br />
Mensch war fort, den ich so geliebt und der<br />
mich so geformt hat.<br />
Vom Vater kenne ich<br />
mehrere Auftritte, da<br />
er schützend wie eine<br />
Mauer mich verteidigte.<br />
So weiß ich: Liebe ist<br />
ein Schützen und Einstehen. Als ich mal<br />
schlechte Schulnoten brachte, gab es keinerlei<br />
Vorwurf. Er sagte nur: „Bring das<br />
wieder in Ordnung, wer nichts schafft,<br />
bringt es zu nichts.“ Mit diesem Zutrauen<br />
entlassen, brachte das nächste Zeugnis<br />
geradezu in jedem Fach die bessere Note.<br />
Liebe ist, etwas zugetraut zu bekommen.<br />
Noch etwas anderes will ich ansprechen.<br />
Als ich aufgewachsen bin, war es nicht so<br />
üblich, dass Eltern die Kinder herzten, mit<br />
ihnen schmusten. Da hab ich sogar einige<br />
Male Halsweh simuliert. Jetzt rieb mir die<br />
Mutter einen Schmalzwickel um Hals und<br />
Brust. Das war ein Fest von Geliebt werden.<br />
Dann hat Liebe ja immer<br />
mit Körper zu tun!<br />
Das hast du recht gesagt.<br />
Manches Mal wird<br />
in frommen Kreisen abwertend<br />
von „nur körperlicher<br />
Liebe“ geredet. So<br />
kann nur reden, wer davon nichts weiß.<br />
Körper ist Seele. Hätten wir nicht diese<br />
vermeintliche Feindschaft eingebläut bekommen,<br />
wir wären viel tiefer im Frieden.<br />
Als mir aus tiefster Ergriffenheit gesagt<br />
wurde: „Du bist schön“, da kam ich in mir<br />
an. Daraus ist das Wort entstanden: „Würde<br />
ich einmal jegliche Feindschaft gegen<br />
mich lassen, ich hätte Gott im Arm.“<br />
Meine Erfahrung mit<br />
dem großen DU. Es war<br />
auf der Farm Lipilipili<br />
in Tansania. Abend für<br />
Abend, bevor ich mir<br />
mein Essen kochte, ging ich zu einem lauschigen<br />
Platz. Ein See, riesige Bäume, Blumen<br />
und Tiere. Wie ein Garten Eden. Dort<br />
saß ich auf einem Baumstumpf, schaute<br />
in den abendlichen Himmel und erzählte<br />
meinem Gott, was ich erlebt und so auf<br />
dem Herzen hatte. Ihm konnte ich alles<br />
sagen und ich fühlte, dass da ein DU, eine<br />
Beziehung war. Und oft kamen Ruhe und<br />
Frieden dabei über mich.<br />
Ich habe Liebe als einen wichtigen Bestandteil<br />
meines Lebens erlebt, denn<br />
Glauben ohne Liebe macht fanatisch,<br />
Ordnung ohne Liebe macht kleinlich, Gerechtigkeit<br />
ohne Liebe macht hart, ein<br />
Leben ohne Liebe macht krank.<br />
Da hast du recht! Ich<br />
brauche Liebe. Und ich<br />
fühle mich geliebt, wenn<br />
jemand oder das Leben<br />
sagt: „Ich brauche dich.“<br />
Die Rede von selbstloser Liebe taugt mir<br />
nichts. Immer gibt das Lieben Wertvolles<br />
zurück, und immer ist das Sich Lieben Lassen<br />
auch ein Geschenk an den anderen. Das<br />
gegenseitige einander nötig haben, das<br />
schafft das Netz, durch dessen Fäden etwas<br />
strömt, das wir lieben nennen. So sehe<br />
ich es beim Menschen, aber auch in der<br />
Natur; solches Brauchen scheint auch auf<br />
Gottes Liebe zu passen, sagt er doch, wie er<br />
sich sehnte nach diesem Mahl, wie es seine<br />
Freude ist, bei den Menschen zu sein. Und<br />
überdies beschreibt die Rede vom Dreieinigen<br />
ein dauerndes Liebesfest in Gott.<br />
Ich ahne die Richtung, weil mein Lebensfi lm<br />
wunderbare – nicht leidfreie – Szenen dazu<br />
kennt, da ich lieben kann und geliebt werde.<br />
P. Meinrad Dufner OSB<br />
Geboren 1946 in Elzach/Schwarzwald<br />
• Profess 1967 • Priesterweihe<br />
1973 • Künstler und geistlicher<br />
Begleiter<br />
Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />
Geboren 1954 in Göttingen •<br />
Profess 1985 • Diplomagraringenieur<br />
• Tansania 1981–84 und<br />
1987–2001 • seit 2001 Mitarbeit<br />
in der Missionsprokura
ZUM THEMA<br />
6<br />
Stark wie der Tod<br />
ist die Liebe<br />
Das Hohelied der Liebe im Alten Testament<br />
von P. Anselm Grün OSB<br />
Das Hohelied der Liebe – oder wie es im<br />
Alten Testament heißt: das Lied der Lieder<br />
– ist eine Sammlung von wunderbaren Liebesliedern,<br />
in denen die Liebe zwischen<br />
Mann und Frau gepriesen wird, zwischen<br />
Braut und Bräutigam, zwischen Freund<br />
und Freundin. Diese Lieder sind kunstvolle<br />
Dichtung. Da fi nden sich neckische Locklieder,<br />
in denen der Bräutigam die Braut<br />
lockt, ihm zu folgen. Da gibt es Bewunderungslieder,<br />
in denen der Freund die Schönheit<br />
der Freundin preist oder die Freundin<br />
den schönen und kraftvollen Körper des<br />
Freundes beschreibt. Da gibt es Wechselgespräche,<br />
Beschwörungslieder und Sehnsuchtslieder.<br />
In all diesen Liedern kommt<br />
zum Ausdruck, dass die erotische und sexuelle<br />
Liebe zwischen Mann und Frau eine<br />
übermächtige Kraft ist und zugleich eine<br />
wunderbare Gabe, die Gott dem Menschen<br />
geschenkt hat und die der Mensch in vollen<br />
Zügen genießen darf. Die Liebe zwischen<br />
Mann und Frau trägt ihren Sinn in sich<br />
selbst. Sie erfüllt die Liebenden mit Sehnsucht<br />
und mit Glück.<br />
Sehnsucht<br />
Wenn wir die wunderbaren Gedichte hören,<br />
wird in uns die Sehnsucht nach Liebe<br />
entfacht. Wir spüren die Liebe in uns selbst,<br />
wenn die Braut sagt: „Stört die Liebe nicht<br />
auf, weckt sie nicht, bis es ihr selbst gefällt.“<br />
(Hld 1,7), oder wenn der Bräutigam sagt:<br />
„Steh auf, meine Freundin, meine Schöne,<br />
so komm doch! Denn vorbei ist der Winter,<br />
verrauscht der Regen. Auf der Flur erscheinen<br />
die Blumen; die Zeit zum Singen ist<br />
da.“ (Hld 1,10–12) Das können sich Verliebte<br />
auch heute zurufen und damit ihrer<br />
Liebe Ausdruck verleihen. Ein Mann kann<br />
seine Liebe zu seiner Frau kaum schöner<br />
ausdrücken als mit den Worten: „Verzaubert<br />
hast du mich, meine Schwester Braut;<br />
ja verzaubert mit einem Blick deiner Augen,<br />
mit einer Perle deiner Halskette. Wie schön<br />
ist deine Liebe, meine Schwester Braut; wie<br />
viel süßer ist deine Liebe als Wein, der<br />
Duft deiner Salben köstlicher als alle Balsamdüfte.“<br />
(Hld 4,9f) Und die Braut kann<br />
kaum angemessenere Worte für ihre Liebe<br />
fi nden als: „Ich bin krank vor Liebe.“ (Hld<br />
5,8) oder: „Ich gehöre meinem Geliebten,<br />
und ihn verlangt nach mir. Komm, mein Geliebter,<br />
wandern wir auf das Land, schlafen<br />
wir in den Dörfern.“ (Hld 7,11f) Kann eine<br />
Frau schönere Worte fi nden für ihre Liebe<br />
als das Sehnsuchtslied eines Mädchens in<br />
Hld 8,6f: „Leg mich wie ein Siegel auf dein<br />
Herz, wie ein Siegel an deinen Arm! Stark<br />
wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft<br />
ist hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind<br />
Feuergluten, gewaltige Flammen. Auch<br />
mächtige Wasser können die Liebe nicht<br />
löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht<br />
weg. Böte einer für die Liebe den ganzen<br />
Reichtum seines Hauses, nur verachten<br />
würde man ihn.“<br />
Doch die Liebeslieder sind nicht einfach<br />
nur Beschreibungen der Liebe zwischen<br />
Mann und Frau. Sie sind voller Bilder. Die<br />
Bilder schöpft das Hohelied aus den Liebesliedern<br />
Ägyptens, Syriens, Mesopotamiens<br />
und Palästinas. Dabei werden Attribute<br />
vorderasiatischer Liebesgöttinnen für<br />
die Beschreibung der Braut herangezogen.<br />
Wenn ihr Hals wie ein Turm beschrieben<br />
wird, dann ist damit nicht nur die äußere<br />
Gestalt des Halses gemeint. Vielmehr geht<br />
es um die Uneinnehmbarkeit der Braut.<br />
Oder wenn sie als verschlossener Garten,<br />
als versiegelter Quell beschrieben wird,<br />
dann geht es um die Unerreichbarkeit der<br />
Frau. Auf der einen Seite kommt da ein<br />
Geheimnis zwischen Mann und Frau zum<br />
Ausdruck, dass der Mann die Frau nicht<br />
einfach erobern kann, sondern dass er sich<br />
ihr behutsam nähern soll. Auf der anderen<br />
Seite bekommt die Frau hier quasi göttliche<br />
Attribute. Sie wird wie eine Liebesgöttin<br />
beschrieben.<br />
Vielfältige Auslegung<br />
Diese metaphorische Sprache, die den Liedern<br />
innewohnt, hat dazu geführt, dass<br />
schon die Juden diesen Text metaphorisch<br />
gedeutet haben und zwar auf die Liebe<br />
zwischen Jahwe und Israel. Es gab bei den<br />
Juden einen Streit, ob man dieses Buch<br />
überhaupt in den biblischen Kanon aufnehmen<br />
solle. Das Buch entstammt vermutlich<br />
den Kreisen der Weisheit und ist<br />
etwa um 300 vor Christus entstanden.<br />
Zunächst war es sicher ein Preislied auf<br />
die erotische und sexuelle Liebe zwischen<br />
Mann und Frau. Doch vermutlich schon um<br />
das Jahr 100 haben die Juden an dieser<br />
rein menschlicher Sicht Anstoß genommen<br />
und haben die Lieder als Beschreibung der<br />
Liebe zwischen Gott und seinem Volk verstanden.<br />
Auf diese Weise haben sie es in<br />
den Kanon aufgenommen und lesen es bis<br />
heute aus der Festrolle beim Paschafest.<br />
Und so wurde es hochgeschätzt. Rabbi<br />
Akiba sagt vom Hohenlied: „Alle Zeiten<br />
sind nicht dem Tage ebenbürtig, an dem<br />
Israel das Hohelied verliehen wurde; denn<br />
alle Schriften (des Kanons) sind heilig, aber<br />
das Hohelied ist das heiligste von allen.“<br />
Pinchas Lapide führt sechs verschiedene<br />
Weisen an, wie Juden in der Geschichte<br />
– auch unter dem Einfl uss griechischer Philosophie<br />
– das Hohelied ausgelegt haben:<br />
„1. Als Hochzeitslied zweier Menschen, die<br />
die Liebe befl ügelt; 2. Als Sehnsuchtslied
7<br />
der Seele, die zu Gott emporsteigen will;<br />
3. Als Liebeslied Israels, dessen Begehren<br />
auf Gott gerichtet ist; 4. Als Gleichnis aller<br />
Entzweiung auf Erden, die ihre Heilung<br />
in der Einswerdung sucht; 5. Als Zwiegespräch<br />
zwischen Leib und Seele, die den<br />
Weg zur vollen Synthese erstreben; 6. Als<br />
messianischer Gesang des Erlösers und seiner<br />
Heilsgemeinde.“<br />
Grenzen überschreiten<br />
Der Evangelist hat die jüdische Tradition,<br />
das Hohelied der Liebe am Paschafest<br />
vorzulesen, aufgegriffen. Er beginnt seine<br />
Ostererzählungen mit der Begegnung von<br />
Maria von Magdala mit dem Auferstandenen.<br />
Dabei bezieht er sich auf das 3.<br />
Kapitel des Hohenliedes der Liebe. Maria<br />
von Magdala macht sich früh morgens,<br />
als es dunkel war, auf, um den zu suchen,<br />
den ihre Seele liebt. Die Auferstehungsgeschichte<br />
ist für ihn eine Liebesgeschichte.<br />
Johannes 20,1–18 können wir nur lesen<br />
vor dem Hintergrund der Verse aus dem<br />
3. Kapitel des Hohenliedes: „Des Nachts<br />
auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine<br />
Seele liebt. Ich suchte ihn und fand<br />
ihn nicht.“ Dreimal heißt es im Hohenlied,<br />
dass die Braut den sucht, den ihre Seele<br />
liebt, und dass sie ihn nicht fi ndet. Dreimal<br />
sagt Maria „Man hat den Herrn aus<br />
dem Grab weggenommen, und wir wissen<br />
nicht, wohin man ihn gelegt hat.“ Als die<br />
Braut ihren Bräutigam fi ndet, packt sie<br />
ihn und lässt ihn nicht mehr los. (Hld 3,4)<br />
Der Auferstandene sagt zu Maria: „Halte<br />
mich nicht fest; denn ich bin noch nicht<br />
zum Vater hinaufgegangen.“ (Joh 20,17)<br />
Pascha heißt: Hinübergehen. Die Liebe ist<br />
von ihrem Wesen her Hinübergehen. Mann<br />
und Frau gehen über ihre Grenze hinüber,<br />
um miteinander eins zu werden. In der<br />
Liebe übersteigen sie jedoch immer auch<br />
ihre menschliche Beziehung in Gott hinein.<br />
Jesus geht in der Auferstehung zum Vater<br />
hinüber. So verweist er unsere menschliche<br />
Liebe auf die göttliche Liebe. Auferstehung<br />
heißt, dass die Liebe stärker ist als der Tod,<br />
dass uns im Tod der erwartet, den unsere<br />
Seele liebt. Erst dann dürfen wir ihn für<br />
immer festhalten.<br />
Die Kirche hat das Hohelied schon seit Origenes<br />
– also schon kurz nach 200 – allegorisch<br />
ausgelegt und zwar als Beschreibung<br />
der Liebe zwischen Christus und der Kirche<br />
und zwischen Christus und der Einzelseele.<br />
In der Tradition des Origenes haben<br />
dann zahlreiche Kirchenväter und geistliche<br />
Schriftsteller – von Gregor dem Großen<br />
bis zu Bernhard von Clairvaux – das Hohelied<br />
mystisch ausgelegt als Beschreibung<br />
des mystischen Einswerdens zwischen Gott<br />
und der menschlichen Seele. Im Mittelalter<br />
entstand dann noch eine andere Deutung:<br />
Man hat die Lieder marianisch ausgelegt,<br />
als Beschreibung der Liebe zwischen Maria<br />
und ihrem Sohn Jesus. Diese Deutung hat<br />
dann vor allem die Liturgie übernommen.<br />
Noch heute werden an Marienfesten häufi<br />
g Texte aus dem Hohenlied vorgelesen<br />
oder in den Gesängen verwendet.<br />
Tiefendimension<br />
Mag bei der allegorischen Auslegung<br />
manchmal auch die Angst vor der erotischen<br />
Dimension dieser Lieder mit beteiligt<br />
gewesen sein, für mich zeigt sich<br />
darin doch auch etwas Wesentliches vom<br />
Geheimnis der Liebe. Die Liebe zwischen<br />
Mann und Frau hat eine Tiefendimension,<br />
die durch die rein psychologische Beschreibung<br />
nicht ausgelotet wird. In der<br />
erotischen und sexuellen Liebe zwischen<br />
Mann und Frau spielt immer auch die<br />
Ahnung von einem Einswerden mit dem<br />
Grund des Seins mit. Letztlich steckt in der<br />
Liebe zwischen Mann und Frau immer auch<br />
– wie der Eheberater Hans Jellouscheck<br />
sagt – ein Transzendenzpotenzial. Die Kirchenväter,<br />
die das Hohelied allegorisch<br />
ausgelegt haben, haben die erotischen<br />
Bilder als die treffendste Beschreibung<br />
unserer Beziehung zu Gott gesehen. Für<br />
sie war die Liebe immer auch offen für<br />
Gott. Von Johannes vom Kreuz, dem spanischen<br />
Mystiker, wird erzählt, dass er sich<br />
auf dem Sterbebett das Hohelied vorlesen<br />
ließ. Er wollte also keine Bußpsalmen hören,<br />
sondern diese wunderbare Liebeslyrik<br />
des Hohenlieds. Für ihn war das die treffendste<br />
Beschreibung dessen, was ihn im<br />
Tod erwartete.<br />
Zwei Wege<br />
Dabei haben sowohl Origenes als auch Johannes<br />
um die wörtliche Bedeutung dieser<br />
Lieder gewusst. Johannes hat beides in eins<br />
gesehen. Er hat die Erotik dieser Lieder<br />
nicht übersprungen, sondern sie meditiert<br />
und im Meditieren zugleich das Geheimnis<br />
der Liebe zu Gott gespürt. Dabei gibt<br />
es eben beide Wege: Die einen, die die<br />
sexuelle Liebe zwischen Mann und Frau<br />
körperlich leben, spüren in der Erfahrung<br />
dieser Liebe die Öffnung für das Geheimnis<br />
der göttlichen Liebe. Sie erfahren im<br />
Einswerden mit dem andern zugleich das<br />
Einswerden mit der ganzen Welt und letztlich<br />
auch mit Gott, dem Urgrund der Welt.<br />
Und es gibt den ehelosen Weg, den Weg,<br />
auf die körperliche Liebe zu verzichten, um<br />
die erotische Dimension, die in jeder Liebe<br />
steckt, und die Sehnsucht, die in der Sexualität<br />
verborgen ist, auf Gott zu lenken.<br />
Beide Wege sind möglich. Auf beiden Wegen<br />
kann man der Erotik und der Sexualität<br />
und dem Leibhaften der Liebe nicht aus<br />
dem Weg gehen. Auf beiden Wegen aber<br />
geht es auch darum, das Körperliche als<br />
Symbol für das Geistige zu sehen und mit<br />
der Sehnsucht des ganzen Leibes Gott zu<br />
lieben, der unsere tiefste Sehnsucht nach<br />
Liebe allein für immer zu erfüllen vermag.<br />
Auch die Liebe zu Gott braucht das Sinnliche<br />
und Ekstatische, wie es in diesen wunderbaren<br />
Liebesliedern anklingt.<br />
Jesus und Maria von Magdala<br />
P. Anselm Grün OSB<br />
Geboren 1945 in Junkershausen • Profess 1965<br />
• Priester 1971 • Seit 1977 Cellerar der Abtei<br />
Münsterschwarzach • Geistlicher Begleiter und<br />
Bestsellerautor christlicher Spiritualität
ZUM THEMA<br />
8<br />
Liebe drückt kein Auge zu<br />
Leben aus Zuversicht und Gewissheit<br />
von P. Jonathan Düring OSB<br />
Wie lieb muss Liebe sein<br />
„Liebe drückt kein Auge zu“ – ist da nicht<br />
ein Buchstabe zuviel im Titel dieses Beitrags?<br />
Heißt es doch für die meisten von uns<br />
schon von Kindheit an: Sei doch lieb! Und<br />
es heißt doch immer, dass gerade die Liebe<br />
ein Auge zudrückt, wenn es darum geht,<br />
dass jemand einen Fehler gemacht hat,<br />
dass ihm ein Missgeschick oder sonst etwas<br />
Peinliches passiert ist. „Na, das macht<br />
nichts“ wird als liebevolle und noble Geste<br />
erwartet, „das kann ja mal passieren“, „das<br />
ist nicht so schlimm“. Dass genau hier eine<br />
der größten Gefahren liegt, die Liebe in<br />
ihrem Wesenskern zu verraten, wird damit<br />
aber gleich mit übersehen. Übrig bleibt<br />
eine zahnlose Karikatur von „Liebe“, eine<br />
Liebe, die man gerade deshalb nicht mehr<br />
ernst nimmt, weil sie zu lieb geworden ist.<br />
Wo Liebe zu lieb wird, weil sie zu oft die<br />
Augen zudrückt, bewirkt sie, dass man sie<br />
letztlich selbst aus den Augen verliert.<br />
Wirkliche Liebe ist überhaupt nicht lieb. Sie<br />
schaut eben nicht weg, wenn ein Fehler<br />
gemacht wird, wenn ein Missgeschick, etwas<br />
Peinliches oder Schlimmes geschieht.<br />
Im Gegenteil. Liebe schaut ganz genau<br />
hin. Nicht nur oberfl ächlich, sondern eindringlich.<br />
Liebe verharmlost nichts und<br />
fürchtet letztlich auch nichts – auch nicht<br />
den Schmerz, der dadurch entsteht, dass<br />
sie offenlegt, was gespielt wird, oder dass<br />
sie etwas klar beim Namen nennt, was in<br />
einem irreführenden Gewand oder Aussehen<br />
daherkommt.<br />
Liebe braucht viele Namen<br />
Liebe lässt sich gar nicht wirklich in Worte<br />
fassen und schon gar nicht in ein einziges.<br />
Weil Liebe so unbeschreiblich ist, braucht<br />
sie so viele Namen. Es gibt kaum eine<br />
Sprache, in der es nicht viele verschiedene<br />
Namen für die Liebe und ihre unterschiedlichen<br />
Ausprägungen gibt. An unserer<br />
Sprache, unserer Sprachkenntnis und unserem<br />
Sprachgebrauch können wir ablesen,<br />
was unser Leben prägt. Das lässt sich auch<br />
an anderen Worten erkennen. So gibt es<br />
bei den Eskimos mehr als 20 Begriffe für<br />
die unterschiedlichen Nuancen von „weiß“,<br />
so wie manche Urwaldvölker mehr als 20<br />
Namen für „grün“ haben, oder Wüstenbewohner<br />
eine Vielzahl an Worten für „Sand“<br />
und Sandfarben.<br />
Ein Volk, dessen Sprache eine Vielfalt von<br />
Bezeichnungen für Liebe hat, erkennt an,<br />
wie lebensnotwendig sie ist. Andersherum<br />
bedeutet die häufi ge und undifferenzierte<br />
Verwendung des Wortes „Liebe“ nur, wie<br />
lieblos oder wie seelisch arm eine Gesellschaft<br />
geworden ist. Dann dauert es nicht<br />
mehr lang bis das Wort „Liebe“ ausgelutscht<br />
ist und man es eigentlich nicht mehr hören<br />
kann. Und dann dauert es nicht mehr<br />
lang, bis auch das verschwindet, was mit<br />
„Liebe“ eigentlich gemeint ist. Die Folge<br />
ist der Verlust und die Verdunstung der<br />
Menschlichkeit. Übrig bleiben starre Ideologien<br />
und eiskalte Ideologen, für die auch<br />
Leid und Leichen keine zu beherzigenden<br />
Hemmschwellen sind.<br />
Liebe als Gefühl<br />
Hier scheint mir eine der größten (wenn<br />
auch schönsten…) Gefahren für die Liebe<br />
zu liegen. Oft verwechseln wir sie mit dem<br />
Schmetterlingsgefühl im Bauch, das Verliebten<br />
eigen ist. Wir reduzieren sie auf das<br />
Erleben von romantischen Stunden und inspirierenden,<br />
zärtlichen Begegnungen. Wo<br />
wir diese Gefühle nicht haben, glauben wir<br />
allzu oft auch die Liebe verloren zu haben –<br />
und verhalten uns dann auch als ungeliebt<br />
und lieblos. Wer Liebe als Gefühl versteht,<br />
braucht sich nicht zu wundern, wenn sein<br />
Leben einer Achterbahnfahrt gleicht, die<br />
ihn mehr oder weniger kräftig durcheinanderwirbelt.<br />
Das mag mal passen auf dem<br />
Jahrmarkt, aber für den Alltag taugt das<br />
nichts. Dass Liebe Gefühle auslöst, ist außer<br />
Frage, aber dass Liebe aus Gefühlen<br />
besteht, ist ein Irrtum.<br />
Liebe als Grund-Einstellung<br />
Liebe braucht einen festen und verlässlichen<br />
Grund, auf dem sie sich entwickeln<br />
und entfalten kann. Das müssen keine äußeren<br />
Sicherheiten sein. Innere Entschiedenheit<br />
ist dazu wichtig. Entschiedenheit,<br />
aus der und an der Gewissheit wachsen<br />
kann, gewollt zu sein. Das ist zu allererst<br />
das Ja zum Leben als ein kostbares, zu<br />
schützendes und zu pfl egendes Geschenk.<br />
Wo dieses Ja fehlt, fi ndet auch die Liebe<br />
keinen Grund. Die Bibel hat für dieses Ja<br />
zum Leben das Bild-Wort „Barmherzigkeit“.<br />
Barmherzigkeit ist eine der mütterlichsten<br />
Eigenschaften, die es gibt. Das Wort bedeutet:<br />
„den Säugling an die Mutterbrust<br />
nehmen“. Barmherzig zu sein, das bedeutet:<br />
Offen zu sein für das ohnmächtige Leben.<br />
Es bedeutet: Sich auch mal aussaugen<br />
zu lassen, um dem Kleinen Lebenskraft zu<br />
geben. Solche Barmherzigkeit ist weder ein<br />
Gefühl, noch abhängig von (guten) Gefühlen.<br />
Sie ist laut Jesus auch die zentrale<br />
Grund-Einstellung Gottes zum Menschen.<br />
Und das war auch seine frohe Botschaft:<br />
„Lebe aus dieser Gewissheit, Mensch! Du<br />
hast alle Liebe, alles Licht und alle Kraft<br />
in Dir, die es zum wahren Leben braucht.<br />
Die Liebe Gottes ist Dir gewiss, Mensch!<br />
Zeige Dich ihrer würdig! Zeige auch, dass<br />
Du aus dem Säuglingsalter heraus bist.<br />
Liebe selbst!“
9<br />
Wie Liebe richtet<br />
Liebe öffnet die Augen. Liebe lässt auf<br />
die Wirklichkeit schauen, wie sie ist – nur<br />
schaut sie nicht richtend, sondern „auf-richtend“<br />
darauf. Echte Liebe kann das, weil<br />
sie auch sehen kann und will, was beugt<br />
und lähmt und verkrümmt. Sie kann das,<br />
weil sie träumen kann, obwohl sie durch<br />
und durch realistisch ist. Und nur weil sie<br />
realistisch ist, macht die Liebe auch lebendig.<br />
Liebe leuchtet in der Wirklichkeit des<br />
Alltags und sie beleuchtet ihn. Liebe macht<br />
hell. Liebe klärt auf. Und das lässt leben.<br />
Die alten Mönche haben dafür das Wort<br />
Discretio geprägt. Damit ist gerade kein<br />
Wegschauen gemeint von dem, was da gerade<br />
geschieht, sondern ein darauf Achtgeben,<br />
dass die negativen Folgen möglichst<br />
gering bleiben. Discretio ist Achtsamkeit<br />
pur. Discretio kann nur üben, wer um den<br />
Menschen und seine Abgründe weiß. Jemand,<br />
der nicht nur darum weiß, sondern<br />
sie auch kennt, vor allem in sich selbst.<br />
Discretio gelingt nur, wenn mit wachem<br />
und offenem und vor allem auch wohlwollendem<br />
Blick auf sich selbst und dann auch<br />
auf die anderen geschaut wird. Dieses<br />
Wohlwollen erscheint mir<br />
als der Schlüssel zur Liebe.<br />
Lieb sein kann ich auch<br />
ohne Wohlwollen. Lieben<br />
nicht.<br />
Unbarmherzigkeit dagegen<br />
sieht hin und deckt auf,<br />
um abzugrenzen und auszuschließen.<br />
Falsche Barmherzigkeit<br />
sieht weg oder<br />
drückt eben sprichwörtlich<br />
ein Auge zu, um nicht ausschließen<br />
oder einschreiten<br />
zu müssen.<br />
Echte Barmherzigkeit schließlich<br />
sieht hin mit offenen<br />
Augen. Sie deckt auf, damit<br />
sich der oder die andere<br />
nicht selber ausschließt.<br />
Echte Barmherzigkeit sieht<br />
nicht nur den Schmutz, sie<br />
sieht auch die Wunde, die<br />
darunter verborgen liegt.<br />
Und genau darauf kommt<br />
es an. Es geht ihr um die<br />
Klarheit und die Reinheit,<br />
die das Leben braucht, um<br />
in seine Kraft zu kommen. Es<br />
geht ihr um das Einüben der<br />
Wahrhaftigkeit, das nur dort<br />
möglich ist, wo alles ans Licht kommen<br />
kann und ans Licht kommt, was geschehen<br />
ist und geschieht. Wahrhaftigkeit lässt<br />
sich aber nur üben im Blick und im Licht<br />
klarer, wohlwollender Augen. Diese zeigen<br />
die Richtung zum Richtigen. Diese richten<br />
neu aus.<br />
Der aufrechte und aufrichtige<br />
Mensch als Maß gelebter Liebe<br />
Wie ein solcher Mensch heranwachsen<br />
kann, zeigt die Darstellung des heiligen<br />
Benedikt in unserer Abteikirche. Der lange,<br />
hagere und aufrechte Mann mit den<br />
offenen Augen, bei dem alles in seiner Ordnung<br />
ist, von den Falten seiner Kukulle<br />
bis hin zu den ordentlichen Haaren seines<br />
langen Bartes. Eine Hand hat er zum klaren<br />
Segen erhoben, in der anderen Hand hält<br />
er die Regel, das Gesetzbuch der Mönche,<br />
nach dem sie zu leben versprochen haben.<br />
Es ist ein dickes, schweres Buch mit dicken<br />
Platten als Einband. Genau hier hat<br />
der Künstler das Wesen der sehenden und<br />
klärenden Liebe Gestalt werden lassen.<br />
Dieses dicke, schwere Buch mit seinem<br />
dicken Buchenholzplatten-Einband weist<br />
in der Hand Benedikts eine ganz leichte<br />
Biegung auf. Es liegt ganz geschmeidig in<br />
seiner Hand.<br />
Es braucht ein verbindliches Gesetz in der<br />
Hand eines aufrichtig und aufrichtend Liebenden,<br />
dessen offene und klare Augen<br />
alles anzusehen bereit sind und gerade<br />
dadurch heilenden Segen bewirken.<br />
P. Jonathan Düring OSB<br />
Geboren 1960 in Iphofen• Profess<br />
1984 • Priesterweihe 1989<br />
• Seit Oktober 2008 im Priorat<br />
Damme als Subprior und Seelsorger<br />
tätig.
ZUM THEMA<br />
10<br />
Wenn Liebe scheitert<br />
Mich selbst annehmen und lieben können<br />
von Dr. Wunibald Müller<br />
Zunächst bricht eine Welt<br />
zusammen<br />
Wenn Liebe scheitert, ja was dann? Dann<br />
denkt man, das ist das Ende, ja das ist<br />
das endgültige Ende. Es gibt kein Leben<br />
mehr danach. Doch ist es wirklich so? Was<br />
geschieht, was kann geschehen, wenn Lie-<br />
be scheitert? Ich will es an einem Beispiel<br />
aufzeigen.<br />
Berthold, 55 Jahre alt, wird von Petra, mit<br />
der er seit fünf Jahren zusammenlebt, verlassen.<br />
Als er vor fünf Jahren Petra traf,<br />
konnte er es zunächst gar nicht glauben,<br />
in Petra der Frau zu begegnen, die alle<br />
seine Wünsche zu erfüllen schien: eine<br />
Partnerin, die in der Literatur bewandert<br />
ist, einem Bereich, in dem er sich sehr gut<br />
auskannte; eine Frau, die vom Aussehen<br />
her seinen Idealvorstellungen entsprach;<br />
eine Weggefährtin, die den gleichen Unternehmensgeist<br />
an den Tag legte wie er. Und<br />
dann, nach einer letzten großen Auseinandersetzung,<br />
entschied sie sich, zu gehen. In<br />
den letzten Wochen hatten sie die meiste<br />
Zeit nur noch miteinander gestritten. Petra<br />
fühlte sich von ihm festgehalten. Er hatte<br />
sie mit Geschenken überhäuft und auch<br />
alle Kosten für die vielen und teuren Reisen<br />
übernommen. Jetzt ist sie weg.<br />
Für Berthold bricht eine Welt zusammen,<br />
eine Welt, die vornehmlich aus seiner Beziehung<br />
zu Petra bestand. Es war eine geliehene,<br />
zum Teil auch erkaufte Welt. Er fällt<br />
in eine tiefe Depression, wie das typisch<br />
ist, wenn wir einen großen Verlust erleiden,<br />
vor allem auch, wenn Liebe scheitert.<br />
Lebensträume stürzen zusammen, tiefste<br />
Sehnsüchte werden unterbrochen, können<br />
nicht mehr gestillt werden. Je nachdem,<br />
was uns der geliebte Mensch bedeutet hat,<br />
verlieren wir den Menschen, mit dem wir<br />
vertrauten Umgang pfl egen konnten, der<br />
uns menschliche Nähe schenkte, der sich<br />
um unsere wirtschaftliche Sicherheit kümmerte.<br />
Es ist wichtig, sich zunächst die Zeit<br />
zu lassen, die wir benötigen, um den Verlust<br />
zu betrauern. Es ist ein Segen, in dieser Zeit<br />
Menschen zu haben, mit denen wir reden<br />
können, die uns stützen und ermutigen.<br />
Das Scheitern als Chance,<br />
an sich zu arbeiten<br />
Wenn die Trauer oder die Depression länger<br />
andauernt als das beim Scheitern einer<br />
Beziehung normalerweise üblich ist – so<br />
sehr es hier auch keinen festgelegten Zeit-
11<br />
rahmen gibt und das auch von der Schwere<br />
des Verlustes abhängig ist – kann es sein,<br />
dass tieferliegende Gründe, die für das<br />
Scheitern der Beziehung mitverantwortlich<br />
sind, sich bemerkbar machen.<br />
Im Falle von Berthold wird mit Hilfe therapeutischer<br />
Begleitung deutlich, dass es<br />
bei ihm nicht nur um den Verlust von Petra<br />
geht. Das Scheitern der Beziehung bringt<br />
ihn in Berührung mit seiner alten Wunde<br />
des Ungeliebtseins, dem Gefühl nicht liebenswert<br />
zu sein, von anderen nicht gewollt<br />
zu sein oder geschätzt zu werden.<br />
Durch die Beziehung mit Petra war diese<br />
Wunde neutralisiert worden. Allein die<br />
Wunde schwelte weiterhin vor sich hin, da<br />
sie noch nicht geheilt war. Berthold stellte<br />
sich nicht seiner eigenen Unfähigkeit, sich<br />
anzunehmen und lieben zu können, bekam<br />
er doch – anscheinend – von Petra, was<br />
er sich selbst nicht geben konnte. Doch<br />
jetzt, da sie nicht mehr da war, spürte er<br />
deutlicher als zuvor das Gefühl, nicht liebenswert<br />
zu sein.<br />
Wenn Liebe scheitert, werde ich auf mich<br />
selbst zurückgeworfen. Ich komme dabei,<br />
wenn ich nach einer Zeit der Trauer, der Enttäuschung,<br />
der Erfahrung von Ärger, Wut,<br />
auch Hass, dazu bereit bin, mit mir, meinen<br />
Bedürfnissen, meinen Unzulänglichkeiten<br />
und Defi ziten in Berührung. Auch solchen,<br />
die ich glaubte über die andere Person, die<br />
ich liebte, ersetzt oder erfüllt zu bekommen.<br />
Es hängt dann von mir ab, wie ich<br />
mich in einer solchen Situation verhalte.<br />
Mich selbst annehmen und<br />
lieben können<br />
Berthold beispielsweise kann versuchen, in<br />
eine neue Beziehung zu fl üchten. Auch, um<br />
seinem Gefühl, nicht liebenswert zu sein<br />
und seiner Einsamkeit zu entfl iehen. Oder<br />
aber er nimmt die Trennung zum Anlass,<br />
sich seiner Wunde des Ungeliebtseins zu<br />
stellen und sich mit seinem Gefühl des Alleinseins<br />
auseinanderzusetzen. Er entscheidet<br />
sich für eine Therapie. Diese hilft ihm<br />
zunächst einmal, die schwere Zeit nach der<br />
Trennung auszuhalten, so sehr er manchmal<br />
auch an den Rand der Verzweifl ung<br />
gerät und es Augenblicke gibt, in denen er<br />
am liebsten nicht mehr leben will. Im weiteren<br />
Verlauf seiner Therapie verändert sich<br />
sein Selbstbild. Das Bild, das er bisher von<br />
sich hatte, war vergleichbar mit einem wenig<br />
attraktiven, nur halb fertigen Gebäude,<br />
unverputzt und eher spärlich eingerichtet.<br />
Kein Ort, an den es einen hinzieht, wo man<br />
sich gerne niederlässt. An die Stelle dieses<br />
Bildes tritt nach vielen Therapiesitzungen<br />
das Bild von sich als einem attraktiven,<br />
wohnlichen und einladenden Haus, in dem<br />
vor allem auch er selbst sich wohlfühlt.<br />
Wenn Liebe scheitert, ich zunächst meine,<br />
nicht länger existieren zu können, ein Leben<br />
ohne den geliebten Menschen sinnlos<br />
sei, muss ich in mühevollen Schritten erst<br />
wieder dahin kommen, dass ich mich spüre,<br />
mir bewusst wird, dass ich unabhängig<br />
von der anderen Person bin, existiere und<br />
liebenswert bin. Dass es mich auch ohne<br />
die andere Person gibt. Der Titel eines Bestsellers<br />
lautet Liebe dich selbst und es ist<br />
egal, wen du heiratest. Das hat nichts mit<br />
einem ungesunden Narzissmus oder Egotrip<br />
zu tun. Wir sind dann eine reife und beziehungsfähige<br />
Person, wenn wir zunächst<br />
auch in Beziehung zu uns selbst treten und<br />
wir uns selbst gegenüber eine positive,<br />
wohlwollende, liebevolle Einstellung und<br />
Haltung einnehmen können. Doch dieses<br />
Ja zu uns selbst als Ausdruck unserer Liebe<br />
zu uns selbst versagen wir uns oft, auch<br />
weil es mit zu dem Schwersten gehören<br />
kann, das uns aufgetragen oder auch zugemutet<br />
wird. Doch wie kann ich einen anderen<br />
lieben, wenn ich mich selbst nicht zu<br />
lieben vermag? Und kann die Liebe eines<br />
anderen mich je in meiner Tiefe, in meinem<br />
Herzen erreichen, solange ich mich selbst<br />
nicht zu lieben vermag?<br />
Berthold ist am Ende der Therapie offen<br />
und bereit zu einer neuen Beziehung. Es<br />
drängt ihn aber nicht danach. Er führt inzwischen<br />
ein abwechslungsreiches Leben,<br />
geht auf Reisen, besucht Ausstellungen<br />
und Seminare über Kunst und Literatur,<br />
belebt alte, über lange Zeit brachgelegene<br />
Beziehungen. Berthold braucht keine Petra<br />
mehr, um glücklich zu sein. Er braucht kein<br />
anderes Haus, um sich wohlzufühlen, da er<br />
sich in seinem eigenen Haus wohlfühlt. Die<br />
Welt, die er sich geschaffen hat, ist jetzt<br />
seine Welt. Zugleich ist er reif geworden<br />
für eine Beziehung, in der er und seine<br />
Partnerin sich gegenseitig bereichern und<br />
wirklich lieben können.<br />
Dr. Wunibald Müller<br />
Geboren 1950 in Buchen/Odenwald<br />
• verheiratet, zwei Kinder •<br />
wohnhaft in Würzburg • Diplom-<br />
Psychologe und Psychotherapeut<br />
• tätig als Leiter des therapeutisch-spirituellen<br />
Zentrums „Recollectio-Haus“ der Abtei Münsterschwarzach
ZUM THEMA<br />
12<br />
Paradox der Liebe<br />
Beziehungen und Gefühle aus afrikanischer Sicht<br />
von Br. Bakanja Mkenda OSB<br />
Person kann sich nur freuen, wenn der Mitmensch<br />
Schaden erleidet.<br />
In der afrikanischen Kultur ist Liebe eine<br />
sehr komplizierte Angelegenheit. Wenn<br />
man nicht richtig hinschaut, könnte man<br />
die Afrikaner als Menschen bezeichnen, die<br />
sehr egozentrisch sind und denen ein Ansinnen<br />
der Nächstenliebe im christlichen<br />
Sinne fehlt. Der Völkermord, der in Ruanda<br />
stattgefunden hat, Stammesfehden,<br />
Vetternwirtschaft und ethnische Vorurteile<br />
bestätigen dies.<br />
Dabei hält man von der Brüderlichkeit (Undugu)<br />
in Afrika sehr viel. Für Afrikaner bedeutet<br />
Liebe, offen zu sein für die Bedürfnisse<br />
der Mitmenschen. Gastfreundschaft<br />
wird in Afrika ganz groß geschrieben. Sogar<br />
Adoptionen von verwaisten Familienmitgliedern<br />
sind kein Problem. Arme und<br />
Schwache werden von den starken Familienmitgliedern<br />
unterstützt. Liebe wird also<br />
durch Brüderlichkeit (Undugu) zum Ausdruck<br />
gebracht. Undugu bedeutet Liebe,<br />
Solidarität, Einigkeit, Freude, Frieden, Gemeinsamkeit<br />
und das Teilen untereinander.<br />
Ein großzügiger Mensch liebt die anderen<br />
Menschen innerhalb seiner Gemeinschaft.<br />
Eine geizige Person wird als Person angesehen,<br />
die der Liebe nicht fähig ist. Ein<br />
Mensch, der liebt, zeigt Mitgefühl für seine<br />
Mitmenschen. Beim Stamm der Agikuyu<br />
in Kenia sagt man: „utaana ni tha“, was<br />
bedeutet, Mitgefühl ist Großzügigkeit.<br />
Ein Mensch, der liebt oder großzügig ist,<br />
hat immer ein gutes Herz. Ein Geizkragen<br />
hat einen schlechten Charakter, er ist oft<br />
neidisch, eifersüchtig und egoistisch. Ist<br />
jemand großzügig, wird er als glücklicher<br />
und froher Mensch bezeichnet, der mit<br />
anderen teilt und ein gutes Auskommen<br />
mit seinen Mitmenschen hat. Eine geizige<br />
Helfen, ohne zu lieben<br />
Eine Person mit einem schlechten Charakter<br />
wird in Afrika als „Zauberer“angesehen.<br />
Beim Stamm der Chagga in der Kilimanjaro-Region<br />
haben „Zauberer“ böse Augen.<br />
Sie sind eifersüchtig, neidisch und gönnen<br />
den anderen Menschen weder Erfolg<br />
noch Wohlergehen. „Zauberer“ wünschen<br />
den Tod anderer Menschen herbei. Daher<br />
geht man ihnen aus dem Weg. Sie haben<br />
stets das Bestreben, Menschen, denen es<br />
gut geht, zu schaden anstatt erfolgreiche<br />
Menschen zu fragen, wie sie es geschafft<br />
haben, dass es ihnen gut geht. Die „Zauberer“<br />
sind die Feinde der Liebe. Aus diesem<br />
Grund möchte niemand etwas mit ihnen<br />
zu tun haben. „Zauberer“ sterben einsam,<br />
da sie mit niemandem teilen möchten.<br />
Wenn ein „Zauberer“ jedoch Hunger leidet,<br />
versorgt man sie trotzdem mit Nahrung.<br />
Nach der afrikanischen Tradition darf man<br />
niemanden gehen lassen, ohne ihm Nahrung<br />
gegeben zu haben. Es ist interessant,<br />
dass ethnische Gruppen, die um Nahrung<br />
gegeneinander gekämpft haben, schließlich<br />
ihr Essen miteinander geteilt haben<br />
und dabei ihrer Feindschaft gedachten. Es<br />
ist eigenartig: Auch Menschen mit einem<br />
schlechten Herzen, die niemand mag, wird<br />
stets geholfen – obwohl sie außerhalb der<br />
Gemeinschaft stehen. Das ist das Paradoxe<br />
der Liebe aus afrikanischer Sicht. Man hilft<br />
dieser Person, liebt sie aber nicht.<br />
Liebe ist Wahrheit<br />
Wir Afrikaner verwenden Sprichwörter, in<br />
denen die Großzügigkeit und die Liebe<br />
als Tugenden gepriesen werden, während<br />
Geiz, wie wahrscheinlich überall, zu den<br />
Zauberer in Ostafrika<br />
Untugenden zählt. Zum Beispiel sagt man<br />
auf Swahili: „ana roho ya korosho“ (ein<br />
Herz wie eine Cashewnuss haben). Diese<br />
Beschreibung trifft auf einen Geizkragen<br />
zu, dessen Herz verkrampft und nicht offen<br />
für die Bedürfnisse anderer ist. Man sagt<br />
auch: „ana roho ya kutu“ (ein eingerostetes<br />
Herz haben) oder auch: „ana roho mbaya“<br />
(ein schlechtes Herz haben). Dies gilt für<br />
egoistische Menschen. Wenn jemand ein<br />
reines Herz hat, handelt es sich um eine<br />
liebenswürdige Person. Dieser Mensch ist<br />
offen und versteckt nichts vor den anderen.<br />
Ein Mensch mit freiem Geist und offenem<br />
Herzen redet nicht über Personen, die nicht<br />
anwesend sind, spricht keine Verleumdungen<br />
aus und erpresst niemanden. Eine<br />
ehrliche Person steht auch ganz allgemein<br />
für die Wahrheit. Daher sind Ehrlichkeit<br />
und Wahrheit in der afrikanischen Mentalität<br />
gleichzusetzen. Liebe ist Wahrheit.
13<br />
Beziehungen<br />
Zum Thema meiner Diplomarbeit habe ich<br />
Informationen bezüglich der Rolle der Alten<br />
bei dem Stamm der Agikuyu in Kenia gesammelt.<br />
Ich habe dabei festgestellt, dass<br />
die Agikuyu und besonders die Bantus unter<br />
Liebe Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft,<br />
Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit, Freude,<br />
Zusammenhalt, Gemeinsinn und das<br />
Teilen verstehen. Mir wurde gesagt, dass<br />
diese Werte sehr wichtig sind, um die Beziehungen<br />
untereinander zu festigen. Beziehungen<br />
sind in Afrika ein zentraler Bestandteil<br />
des Lebens und somit das Fundament<br />
einer Gemeinschaft. Beziehungen gehen<br />
über Familie und Nachbarschaft hinaus. Es<br />
wird erwartet, dass man seine Nachbarn<br />
liebt. So ist es ganz normal, die Nachbarn<br />
zu grüßen, und selbstverständlich, dass man<br />
sich unterstützt, teilt und zusammenhält.<br />
Unser Novize Br. Deogratias lehrt Kindern das Beten<br />
Leider sind derartige Werte heutzutage<br />
nicht mehr unbedingt üblich. Der Grund<br />
dafür liegt im Materialismus unserer Zeit.<br />
Gemeinschaft zählt nicht mehr, sondern<br />
Individualismus. Wirtschaftlicher Wettbewerb<br />
und Selbstsucht stehen im Vordergrund.<br />
Jeder kämpft für sich ohne<br />
Rücksichtnahme auf den anderen. In der<br />
heutigen Zeit geht es um Geld, Zeit und<br />
Wohlstand. Man möchte nicht mehr mit<br />
anderen teilen. Statt sich für die Gemeinschaft<br />
einzusetzen, fühlen sich viele Afrikaner<br />
nur noch verpfl ichtet, ihre Ehefrauen,<br />
Kinder, Geschwister und nahe Verwandte<br />
zu unterstützen. Dies wiederum führt zu<br />
ethnischen Spannungen, Vetternwirtschaft<br />
und Stammesfehden. Dennoch ist es interessant,<br />
dass einige positive afrikanische<br />
Traditionen nach wie vor bestehen. Liebe<br />
untereinander ist für die Menschen ein<br />
wichtiges Element.<br />
Liebe, nicht Geld schenken ist wichtig.<br />
Ich konnte diese Erfahrung schon oft mit<br />
Schülern hier in der Gegend machen. Sie<br />
sprachen mit mir über verschiedene, auch<br />
fi nanzielle Probleme. Ich habe ihnen kein<br />
Geld gegeben, sondern ihnen nur zugehört.<br />
Es erstaunte mich, wie zufrieden sie waren<br />
– und sie kommen noch immer, weil ich mir<br />
Zeit für ihre Geschichten nehme. Für sie ist<br />
es Liebe, die ich ihnen entgegen bringe. Ich<br />
bin für sie da. Für jemanden da sein, bedeutet<br />
aus afrikanischer Sicht Liebe. Liebe zum<br />
Ausdruck zu bringen bedeutet in Afrika,<br />
teilnehmen an gesellschaftlichen Ereignissen,<br />
z. B. Initiationsriten, Hochzeiten und<br />
Beerdigungen. In der afrikanischen Tradition<br />
bedeutet Liebe: Teilnehmen und Teilhaben.<br />
Ein Mensch, der sich absondert und<br />
sich nicht in die Gemeinschaft einbringt,<br />
wird als unsozial und nicht fähig zur Liebe<br />
gegenüber seinen Mitmenschen angesehen.<br />
Dieses Etikett erhalten auch die Menschen,<br />
die den Beerdigungen fernbleiben.<br />
In der afrikanischen Gesellschaft hat sich<br />
ein großer Wandel vollzogen. Daher müssen<br />
die guten Eigenschaften wie Gemeinsinn,<br />
Zusammenhalt, Wahrheit, Ehrlichkeit,<br />
Großzügigkeit, Brüderlichkeit, Freude, Gastfreundschaft,<br />
Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit,<br />
Mitmenschlichkeit, Anteilnahme und<br />
Freundlichkeit auch weiterhin gepfl egt<br />
werden. Liebe ist nicht nur eine Leidenschaft<br />
oder ein Gefühl. Liebe bedeutet, den<br />
Nächsten als menschliches Wesen wahrzunehmen.<br />
Diese Werte dürfen wir in unserer<br />
modernen Zeit und Kultur einfach nicht<br />
aufgeben – viel mehr müssen wir eine Erneuerung<br />
und eine Kultur der Liebe pfl egen.<br />
Br. Bakanja Mkenda OSB<br />
Geboren 1972 in Kilimanjaro/<br />
Tansania • Profess 2004 • Philosophiestudium<br />
und afrikanische<br />
Studien in Langata/Nairobi<br />
2004–2008 • Tätigkeiten in verschiedenen<br />
Bereichen der Abtei Ndanda
ZUM THEMA<br />
14<br />
Kann man lieben,<br />
die uns hassen?<br />
Die drei Strategien Jesu zur Ent-Feindung<br />
von Pinchas Lapide (+1997)<br />
Wir drucken diesen Beitrag aus<br />
seinem Nachlass ab.<br />
Einer der schönsten Abschnitte im Neuen<br />
Testament ist zweifelsohne die sogenannte<br />
Bergpredigt, die mit Recht auch zu den<br />
Meisterwerken der Weltliteratur gehört.<br />
Das Malheur dabei ist nur, dass sie ihren<br />
Lesern einen Weltrekord an Moralität zumutet<br />
und damit den Durchschnittsmenschen<br />
bei weitem zu überfordern scheint.<br />
Das gilt ganz besonders für jene Spitzenaussage<br />
jesuanischer Ethik, die gewöhnlich<br />
mit „Feindesliebe“ umschrieben wird. Der<br />
Originaltext beim Evangelisten Matthäus<br />
lautet in deutscher Übersetzung: „Ihr habt<br />
gehört, dass gesagt ist: Liebe deinen Nächsten<br />
und hasse deinen Feind! Ich aber sage<br />
euch: Liebet eure Feinde und betet für die,<br />
die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures<br />
Vaters im Himmel werdet.“<br />
Der erste Satz enthält ein alttestamentarisches<br />
Gebot aus dem Buch Leviticus: „Liebe<br />
deinen Nächsten wie dich selbst!“, das<br />
viele Christen dem Rabbi von Nazareth als<br />
Neueinführung zuschreiben. Dieser aber zitiert<br />
es lediglich aus seiner Hebräischen Bibel<br />
und betont seinen Stellenwert als „das<br />
vornehmste Gebot“. Hierauf folgt nun bei<br />
Matthäus eine Unwahrheit, die unmöglich<br />
von Jesus selbst stammen kann: „Hasse<br />
deinen Feind!“ Man nimmt an, dass derjenige,<br />
der die letzte Fassung des Evangeliums<br />
über 40 Jahre nach Jesu Tod niedergeschrieben<br />
hat, den damaligen politischen<br />
Umständen entsprechend diesen Satz über<br />
den Hass auf den Feind hinzugefügt hat.<br />
Das Gegenteil des Feindeshasses liegt<br />
jedoch dem Judentum viel näher: „Wenn<br />
dein Feind zu Fall kommt, freue dich nicht,<br />
und wenn er stürzt, frohlocke nicht dein<br />
Herz!“, heisst es in den Sprüchen Salomos.<br />
Und: „Wenn dein Feind hungert, so speise<br />
ihn mit Brot.“ In den fünf Büchern Mose<br />
gibt es zahlreiche Bestimmungen, die eine<br />
faire Behandlung des Gegners, beispielsweise<br />
des Ägypters, ja selbst der Tiere eines<br />
Feindes vorschreiben.<br />
Kurzum: Schadenfreude, Feindeshass und<br />
Vergeltung des Bösen mit Bösem werden in<br />
der Bibel ausdrücklich verboten, Großmut<br />
und Liebesdienste für den Feind in der Not<br />
immer wieder geboten. Aber Feindesliebe<br />
als moralisches Prinzip – das scheint normale<br />
Menschen denn doch zu überfordern.<br />
Taten statt Gefühle<br />
Mit Recht stellt sich daher die Frage nach<br />
der Erfüllbarkeit: Kann man die lieben, die<br />
uns hassen, uns Böses antun? Ist das nicht<br />
eine moralische Illusion? Eine Antwort tritt<br />
erst bei der Rückübersetzung der Worte<br />
Jesu in seine Muttersprache zutage: Hier<br />
wird weder Sympathie für Feinde noch<br />
Schwärmerei gefordert. Denn weder Gefühle<br />
noch das Martyrium können befohlen<br />
werden, wohl aber das Tun – das häufi gste<br />
Zeitwort im Sprachschatz Jesu. Und in der<br />
Tat heisst es im Gebot der Nächstenliebe<br />
nicht: „Liebe deinen Nächsten“ (im vierten<br />
Fall, Akkusativ), sondern im dritten Fall,<br />
dem sogenannten Dativus Ethicus – eine<br />
Wortfolge, die sich nicht übersetzen, sondern<br />
nur umschreiben lässt, etwa: „Erweise<br />
ihm Liebe“ – durch Handwerk, nicht durch<br />
Mundwerk! Oder auch: „Tue ihm Liebe<br />
an!“ Also: Nicht Herzensregungen oder<br />
Empfi ndungen werden hier gefordert, sondern<br />
praktische Liebeserweise – also etwa<br />
Krankenbesuche, das heimliche Geben<br />
von Almosen, Brot für die Hungernden<br />
– mit einem Wort: all die tausend wirksamen<br />
Liebestaten, die Vertrauen schaffen,<br />
Feindseligkeit abbauen und Liebe fördern.<br />
Es geht also um einseitige Vorleistungen<br />
an den Feind, die meine gute Absicht bezeugen,<br />
ohne mich selbst dabei aber zu<br />
schwächen.<br />
Jesus, der in parallelen Kontrastpaaren zu<br />
lehren pfl egte, muss auch die Steigerung<br />
„Liebet eure Feinde“ im ursprünglichen<br />
semitischen Wortlaut als „ethischen Dativ“<br />
verstanden haben. So wollte er keineswegs<br />
zu einer utopischen Feindesliebe<br />
auffordern, sondern zum versöhnlichen<br />
Umgang mit dem Gegner. Zweck dieser<br />
menschlichen Übung ist einzig und allein<br />
die Entfeindung des Feindes – eine Formulierung,<br />
die ich mir erlaubt habe zu prägen.<br />
Darum also geht es Jesus von Nazareth in<br />
der Bergpredigt!<br />
Nun werden spitzfi ndige Leserinnen und<br />
Leser auf Fälle von Feindesmisshandlungen<br />
im Alten Testament hinweisen. Gerade<br />
diese Aufrichtigkeit der Berichte aber<br />
macht das Alte Testament umso glaubwürdiger:<br />
Licht- und Schattenseiten, also alles<br />
Menschliche – auch von Seiten der Helden<br />
– werden offen erzählt. Die dem Alten Testament<br />
gegenüber durchaus kritische Fragestellung<br />
ist häufi g sehr ungerecht, denn<br />
sie scheut die Gegenfrage: Haben Christen<br />
eigentlich untereinander oder gegenüber<br />
anderen jemals die Bergpredigt praktiziert?<br />
Es geht nicht um<br />
Selbstentblößung<br />
Dass es Jesus um Entfeindung durch tatkräftige<br />
Versöhnlichkeit geht, bezeugt<br />
auch der Vers zuvor: „Wer dich nötigt, eine<br />
Meile weit zu gehen, mit dem gehe zwei!“<br />
Gemeint war hier der berüchtigte Frondienst<br />
der Römer, der es jedem Legionär<br />
erlaubte, sein Sack und Pack irgendeinem<br />
Juden aufzuladen, der gerade des Weges
ZUM THEMA<br />
16<br />
Kritik, die neu motiviert<br />
Über die Correctio fraterna, die brüderliche Zurechtweisung<br />
Lob der correctio fraterna<br />
von P. Fidelis Ruppert OSB<br />
In der Tradition wird die brüderliche Zurechtweisung<br />
als ein reifer Ausdruck christlicher<br />
Nächstenliebe betrachtet. Es gilt als<br />
besonderer Liebesdienst, seinen Bruder,<br />
seine Schwester in guter Weise auf Fehler<br />
hinzuweisen und ihm oder ihr zu helfen,<br />
das Verhalten zu bessern.<br />
An vielen Stellen der Heiligen Schrift wird<br />
darüber gesprochen. In Matthäus 18,15<br />
wird Jesus das Wort in den Mund gelegt:<br />
„Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu<br />
ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht.<br />
Hört er auf dich, so hast du deinen<br />
Bruder zurückgewonnen.“<br />
Oder in Hebräer 3,13 heißt es: „Ermahnt<br />
einander jeden Tag, solange es noch heißt:<br />
‚Heute’, damit niemand von euch durch<br />
den Betrug der Sünde verhärtet wird.“<br />
In der Literatur über christliches Gemeinschaftsleben<br />
hat die correctio fraterna immer<br />
einen hohen Stellenwert. Sie gilt als<br />
ein wertvolles Mittel, das Gemeinschaftsleben<br />
und die gegenseitigen Beziehungen<br />
immer wieder zu reinigen.<br />
Angst vor correctio fraterna<br />
Wenn man aber konkret nachfragt, dann<br />
ist man erstaunt, wie selten dieses so<br />
hochgelobte Mittel der geschwisterlichen<br />
Zurechtweisung benützt wird. Man möchte<br />
einander nicht wehtun, man weiß auch<br />
nicht, wie empfi ndlich der andere reagieren<br />
wird usw. „Ich sag nichts!“, kann man immer<br />
wieder hören. „Ich verbrenne mir nicht<br />
den Mund!“ Angst und Scheu hindern die<br />
meisten daran, etwas zu sagen. Man leidet
17<br />
lieber oder macht sich in Abwesenheit des<br />
Betreffenden durch lautstarkes Schimpfen<br />
und Kritisieren Luft. Das zeigt, dass man<br />
leidet, dass man das Problem loshaben<br />
oder es gelöst sehen möchte. Aber man<br />
fi ndet nicht das richtige Mittel oder weiß<br />
das Instrument der correctio fraterna nicht<br />
recht anzuwenden.<br />
Wenn wir zurückscheuen, einen anderen<br />
kritisch anzusprechen, dann hängt das oft<br />
damit zusammen, dass wir wohl alle schon<br />
durch zu heftige Worte anderer verletzt wurden.<br />
Wir wissen, wie weh es tut, wenn man<br />
hart kritisiert oder runtergemacht wird. Die<br />
schlechten Erfahrungen hindern uns, correctio<br />
fraterna bei anderen auszuprobieren.<br />
Dabei sind wir ja oft besorgt, über einen<br />
Mitmenschen: „Der macht sich ja kaputt,<br />
wenn er so weitermacht“ oder „Mit dem<br />
wird es nicht gut ausgehen, wenn sich<br />
nichts ändert“. Wir sind besorgt, sprechen<br />
es sogar in guter Weise aus, wissen aber<br />
nicht, wie wir unsere Besorgnis zum anderen<br />
„rüberbringen“ können. Der gute Wille<br />
ist wohl da. Aber wie geht es?<br />
Correctio fraterna lernen<br />
Vor Jahren haben wir uns im Rahmen<br />
eines Kurses Gedanken gemacht, wie eine<br />
geschwisterliche Kritik beschaffen sein<br />
müsste, damit sie Aussicht hat, beim Anderen<br />
gut zu landen. Wir entwickelten folgende<br />
Methode: Jeweils zwei Teilnehmer<br />
taten sich zusammen.<br />
Sie kannten sich schon gegenseitig. In einer<br />
kurzen Zeit der Stille machte sich jeder der<br />
beiden über den anderen Notizen zu den<br />
Fragen: „Das und das fi nde ich gut an dir.“<br />
„Das und das fi nde ich nicht so gut an dir.“<br />
Danach gingen sie paarweise spazieren.<br />
Der erste sagte dem anderen, was er über<br />
ihn aufgeschrieben hatte. Dieser durfte<br />
nicht darauf reagieren. Er sollte einfach<br />
zuhören. Danach wurden die Rollen gewechselt<br />
und der andere musste zuhören.<br />
Danach sollten beide in die Kapelle gehen<br />
und still für einander beten. Dort kamen<br />
schließlich alle Paare zum stillen Gebet zusammen.<br />
Es entstand eine sehr tiefe Sammlung<br />
und man spürte, dass diese Form der<br />
correctio fraterna alle tief angerührt hatte.<br />
Entscheidend an dieser Methode war, dass<br />
dem Bruder, der „korrigiert“ werden sollte,<br />
zunächst vermittelt wurde, dass man einen<br />
wachen Blick für seine positiven Seiten<br />
hatte. Das, was weniger gut an ihm war,<br />
stand dann nicht so ungeschützt da, als<br />
ob es das einzige wäre, was man an ihm<br />
wahrnimmt und wonach man den ganzen<br />
Menschen beurteilt. Das ermutigt, das Negative<br />
wirklich in den Blick zu nehmen und<br />
daran zu arbeiten. Correctio, die ermutigt<br />
und aufrichtet.<br />
Das erinnert mich an eine Erfahrung, die<br />
wir hier im Kloster gemacht haben. Wir<br />
hatten einen auswärtigen Trainer eingeladen,<br />
von Zeit zu Zeit für einen Tag zu uns<br />
zu kommen, um einer Gruppe von Mitbrüdern,<br />
die Leitungsaufgaben hatten, zu helfen,<br />
ihr Führungsverhalten zu verbessern.<br />
Eines Tages baten wir ihn, uns Hinweise zu<br />
geben, wie man mit einem Mitarbeiter ein<br />
Tadelgespräch führen könne, das Aussicht<br />
auf Erfolg hat. Der Trainer sagte, Tadelgespräche<br />
gehörten für ihn in die Kategorie<br />
der Motivationsgespräche. Ergebnis eines<br />
Tadelgespräches dürfe nicht sein, dass<br />
man dem anderen „die Wahrheit sagt“<br />
und ihn heruntermacht, sondern am Ende<br />
des Gespräches müsse der Mitarbeiter neu<br />
motiviert sein, sein Bestes für die Firma,<br />
für die Gemeinschaft zu geben und müsse<br />
erhobenen Hauptes das Zimmer des Chefs<br />
verlassen dürfen, ohne gedemütigt worden<br />
zu sein. Dazu gehört dann, dass der Vorgesetzte<br />
nicht nur über das Tadelnswerte<br />
gesprochen hat, sondern auch von den<br />
guten Fähigkeiten und der Wertschätzung<br />
gegenüber dem Mitarbeiter.<br />
Correctio fraterna in der Gruppe<br />
Die oben erwähnte Paarübung habe ich<br />
vor Jahren einmal mit jungen afrikanischen<br />
Mitbrüdern gemacht, im Rahmen von Exerzitientagen<br />
in ihrem Kloster. Sie waren<br />
ganz fasziniert, wie leicht es plötzlich fi el,<br />
über kritische Dinge zu sprechen, wenn<br />
eine positive Atmosphäre geschaffen ist. Es<br />
entstand dann die Frage, ob man so etwas<br />
auch im Rahmen einer größeren Gruppe<br />
machen könne. Wir kamen zum Ergebnis,<br />
dass wir es in einer Gruppe ausprobieren<br />
wollten. Einer solle sich bereit erklären, sich<br />
in die Mitte eines Kreises von sechs bis<br />
acht Mitbrüdern aus seiner Altersgruppe<br />
zu setzen. Alle erzählen dann der Reihe<br />
nach, was sie alles an Gutem von diesem<br />
Bruder kennen. Danach erwähnen sie all<br />
das, was sie nicht so gut an ihm fi nden.<br />
Die Sitzung wurde mit einer Gebetsrunde<br />
abgeschlossen, in der jeder eine Bitte oder<br />
einen Dank aussprechen konnte, auch der,<br />
der in der Mitte saß.<br />
Die Erfahrung dieser Sitzung war so positiv,<br />
dass einer nach dem anderen darauf<br />
drängte, auch mal in der Mitte sitzen zu<br />
dürfen. Anscheinend waren alle daran interessiert,<br />
zu erfahren, was seine Brüder über<br />
ihn denken. Und weil die Atmosphäre so<br />
positiv war, konnte jeder auch das weniger<br />
Positive gut anhören.<br />
Dazu passt ein Text aus dem Kolosserbrief<br />
3,13.15f: „Ertragt euch gegenseitig und<br />
vergebt einander, wenn einer dem andern<br />
etwas vorzuwerfen hat. In eurem Herzen<br />
herrsche der Friede Christi...; Seid dankbar!<br />
Das Wort Christi wohne mit seinem<br />
ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und<br />
ermahnt einander in aller Weisheit! Singt<br />
Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen<br />
und Lieder, wie sie der Geist eingibt.“ Hier<br />
sind Ermahnung und Korrektur nicht eine<br />
isolierte Aktion, sondern eingerahmt von<br />
einer ganzen Reihe positiver Verhaltensweisen<br />
wie Liebe, Verzeihen, Dankbarkeit,<br />
gemeinsames Singen und gottesdienstliches<br />
Feiern.<br />
Ertragen statt streiten<br />
Aus der Tradition der Wüstenväter des 4.<br />
und 5. Jahrhunderts gibt es eine bedenkenswerte<br />
Geschichte. Zwei leibliche Brüder<br />
wohnten in der Wüste in einer gemeinsamen<br />
Einsiedlerzelle. Ständig hatten sie<br />
Streit miteinander. Eines Tages sagte der<br />
eine zum anderen:<br />
„Wie lange gehen wir noch so miteinander<br />
um?“ Da sagte der andere: „Ich habe<br />
einen Vorschlag: „Erweise mir die Liebe<br />
und ertrag mich, wenn ich dir lästig falle,<br />
und wenn du mir lästig fällst, will auch<br />
ich dich ertragen.“ Sie machten es so und<br />
lebten für den Rest ihres Lebens in Frieden<br />
miteinander.<br />
Hier wurden sich beide klar darüber, dass<br />
jeder auch dem anderen immer wieder<br />
zur Last fällt. Diese selbstkritische Einsicht<br />
machte sie fähig, den anderen zu ertragen,<br />
statt ständig an ihm herumkorrigieren zu<br />
wollen.<br />
P. Fidelis Ruppert OSB<br />
Geboren 1938 in Plankstadt •<br />
Profess 1960 • Priesterweihe<br />
1964 • Von 1982 bis 2006 Abt<br />
der Abtei Münsterschwarzach •<br />
Ab 2006 Kurse und geistliche Begleitung
ZUM THEMA<br />
18<br />
Wichtige Schritte auf dem<br />
gemeinsamen Weg<br />
Freud und Leid mit den eigenen Kindern<br />
von Maria Hisch<br />
Muttersein<br />
In deinem Gesicht<br />
ruht die Welt für dein Kind.<br />
Sie wächst und erblüht<br />
im Licht deiner Augen.<br />
Dein Lächeln,<br />
deine zärtlichen Worte sind<br />
ihm Sonne, Blumen, Lieder;<br />
sind zartes Flügelgefi eder<br />
den Himmel zu erspüren.<br />
Du erschaffst und schenkst ihm<br />
Acker und Brot,<br />
das schützende Dach,<br />
den Strom für das Boot<br />
beladen mit bunten Träumen.<br />
Für die Fahrt übers Meer<br />
gibst du Lampe und Lot,<br />
hängst Sterne auf in den Bäumen.<br />
Du begleitest das Suchen<br />
ins Weite hinaus,<br />
möchtest lenken und<br />
musst dich doch lösen.<br />
Siehe nur,<br />
die junge Hand steuert gut.<br />
Trag dein eigenes Boot<br />
zurück in die Flut<br />
und bewahre der Heimkehr<br />
ein offenes Haus.<br />
Christa Peikert-Flaspöhler<br />
(es drückt genau meine Erfahrungen<br />
zu diesem Thema aus)<br />
Zu einem klugen Mann kam einmal ein 17<br />
Jahre alter Junge und sagte: „Ich verstehe<br />
mich mit meinen Eltern nicht mehr. Immer<br />
wieder gibt es Streit. Sie sind so rückständig.<br />
Sie haben keinen Sinn für moderne<br />
Ideen. Was soll ich machen?“<br />
Der Mann antwortete: „ Junger Freund, ich<br />
kann dich gut verstehen. Als ich so alt<br />
war wie du, waren meine Eltern genauso<br />
schwierig. Es war oft nicht auszuhalten.<br />
Aber du musst Geduld mit älteren Leuten<br />
haben. Sie entwickeln sich langsamer.<br />
Nach zehn Jahren hatten sie schon so viel<br />
dazugelernt, dass man sich schon ganz<br />
vernünftig mit ihnen unterhalten konnte.<br />
Und was soll ich dir sagen? Heute, nach<br />
zwanzig Jahren – ob du es glaubst oder<br />
nicht –, wenn ich mir keinen Rat weiß,<br />
dann frage ich meine Eltern. So können die<br />
sich ändern!“ (nach Mark Twain)<br />
Phasen der Entwicklung<br />
Die Geschichte verdeutlicht, was ich durch<br />
meine Kinder erfahren habe. Jeder Mensch<br />
macht im Verlauf seiner Entwicklung verschiedene<br />
Phasen durch. Jede dieser Phasen<br />
ist wichtig und will durchlebt werden.<br />
Doch dies ist nicht immer einfach, gerade<br />
in einer Familie führen die unterschiedlichen<br />
Entwicklungen immer wieder zu<br />
Spannungen und Auseinandersetzungen.<br />
Kleine Kinder sehen die Welt durch die<br />
Augen der Eltern und übernehmen ihre<br />
Wertvorstellungen. Für meinen Mann und<br />
mich war es eine wichtige Grundhaltung,<br />
die Kinder an unserem Leben und an dem,<br />
was uns wichtig war, teilhaben zu lassen.<br />
Kinder können auf diese Weise, auch wenn<br />
sie noch klein sind, ins Leben hineinwachsen<br />
und vertraut werden mit vielen Dingen<br />
und Situationen, mit denen sie einmal alleine<br />
fertig werden müssen oder für die sie<br />
selbst einmal verantwortlich sein werden.<br />
Als Entwicklungshelfer arbeiteten wir in<br />
verschiedenen Ländern und erlebten als<br />
Familie mit kleinen Kindern intensive, schöne<br />
Jahre in Tansania, bis wir 1994 nach<br />
Deutschland zurückkehrten, um als Familie<br />
hier Wurzeln zu schlagen, was uns gelungen<br />
ist. Der Kontakt ins Ausland blieb jedoch<br />
bestehen und ermöglichte uns viele<br />
gemeinsame Reisen.<br />
Abnabelung<br />
Dann kam eine Zeit, in der die Kinder selbständiger<br />
wurden, sich aus der Sicherheit<br />
der Familie ablösten und etwas Eigenes<br />
fi nden wollten. Dieser Prozess war für mich<br />
als Mutter nicht immer leicht, ja manchmal<br />
sogar zermürbend und schmerzhaft. Es gab<br />
Momente, in denen ich spürte, dass meine<br />
Erwartungen und Vorstellungen vom Kind<br />
nicht übereinstimmten mit der Wirklichkeit.<br />
Dann das rechte Maß zu fi nden zwischen<br />
„Vorschriften machen“ und „Freiheiten lassen“<br />
war immer wieder eine Herausforderung<br />
und ist mir manchmal besser, manchmal<br />
weniger gut gelungen.<br />
Auf einmal war das Kind kein Kind mehr,<br />
sondern stand an der Schwelle zum Erwachsenenalter.<br />
Das dividierte uns erstmal<br />
auseinander und wir gingen auf Abstand.<br />
Es kam zu Missverständnissen, Streit und<br />
Vorwürfen und ein Kind zog sogar für einige<br />
Wochen zu Freunden um. Ich fühlte<br />
mich oft ratlos. Gott sei Dank gingen der<br />
Wunsch, sich wieder näher zu kommen und<br />
das Bemühen darum nicht verloren. Es ist<br />
beruhigend, wenn die Kinder heute sagen,
19<br />
Aus dem Fotoalbum …<br />
dass sie sich in der Ablösungsphase zwar<br />
oft missverstanden, aber immer auch angenommen<br />
und geliebt fühlten.<br />
Sebastian studiert seit zwei Jahren an einer<br />
internationalen Universität in Chiang<br />
<strong>Mai</strong>, Thailand und Anna seit 1 1 / 2 Jahren<br />
in Wien. Obwohl uns dabei mulmig war,<br />
haben mein Mann und ich ihren Wunsch,<br />
völlig eigenständig zu leben, mit ihnen<br />
diskutiert und schließlich akzeptiert und<br />
unterstützt. Interessanterweise sind wir<br />
uns jetzt näher als zuvor, der Umgang ist<br />
vertrauensvoll, wir haben regelmäßig Telefon-<br />
und E-mailkontakt und besuchen uns,<br />
soweit das geht. Auch die drei Kinder haben<br />
intensiven Kontakt miteinander.<br />
Eine Rückschau<br />
Meine Erfahrung zeigt, dass Kinder bei<br />
der Ablösung vom Elternhaus nicht gehindert,<br />
sie dabei aber auch nicht ganz<br />
alleine gelassen werden sollten. Wir können<br />
Rat und Hilfestellung anbieten, damit<br />
ihre Ablösung sie nicht in die falsche<br />
Richtung führt, indem wir ihnen unser<br />
eigenes Vertrauen in den tragenden Ur-<br />
grund unseres Lebens mitgeben.<br />
Dieses Vertrauen hilft ihnen auf<br />
dem Weg in die Eigenständigkeit,<br />
den Boden unter den Füßen zu<br />
behalten und sich an dem fest<br />
zu machen, was sie als Kind positiv<br />
in der Familie erlebt haben:<br />
Angenommensein, Geborgenheit,<br />
Liebe, Zuwendung und konstruk-ktiven<br />
Umgang mit Problemen und<br />
verschiedenen Meinungen. Wünsche und<br />
Worte des Kindes ernst zu nehmen und<br />
gelten zu lassen, sind wichtige Schritte<br />
auf dem gemeinsamen Weg, der das Loslassen<br />
und das Eigene-Wege-Gehen mit<br />
einschließt. Rückblickend lassen sich für<br />
mich diese Erfahrungen schlüssig formulieren,<br />
der Weg dahin war jedoch holprig.<br />
„So können die sich ändern!“ Die beiden<br />
älteren Kinder können die Bedeutung dieser<br />
Worte jetzt nachvollziehen und fragen<br />
ihre ‚alten’ Eltern, wenn sie Rat benötigen.<br />
Eva, die jüngste Tochter, steht vor dem Abitur,<br />
wohnt noch zuhause und ist noch auf<br />
der Suche nach ihrer Zukunft, nach dem<br />
was sie ausmacht. Sie muss noch etwas<br />
warten, bis „die sich ändern“.<br />
die Hisch-Kinder heute!<br />
Maria Hisch<br />
Geboren 1959 in Bürgstadt • Sozialpädagogin<br />
• Auslandseinsatz:<br />
1980–83 Brasilien, 1983–84<br />
Thailand, 1985–88 Äthiopien für<br />
das DAHW (mit ihrem Mann), 1990–94 Tansania<br />
• DAHW-Schulreferentin für „Globales<br />
Lernen“ • Verheiratet • 3 Kinder
INTERVIEW<br />
20<br />
„Als Kind dachte<br />
ich, es gibt<br />
nur zwei Arten<br />
von Liebe: Die Liebe in der Bibel und die<br />
verbotene…“, lacht Schwester Christiane<br />
Sartorius OP (geb. 1949), Missionsdominikanerin<br />
und geistliche Begleiterin im<br />
Recollectio-Haus in Münsterschwarzach.<br />
Doch schon bald hat sie gemerkt, dass<br />
die Sache in Wirklichkeit sehr viel komplizierter<br />
ist. Im nachfolgenden Interview<br />
verrät sie „Ruf in die Zeit“ warum. Das<br />
Gespräch mit Sr. Christiane führte Anja<br />
Legge.<br />
Schwester Christiane, seit wann arbeiten<br />
Sie im Recollectio-Haus und was sind<br />
Ihre Aufgaben?<br />
Sr. Christiane: Ich bin seit 2004 hier tätig<br />
und neben der Hausleitung für Leibarbeit,<br />
Kreativarbeit und Einzelbegleitung zuständig.<br />
Als gelernte Ergo- und Gestalttherapeutin<br />
war ich zuvor fast 26 Jahre lang<br />
im Rehabilitationszentrum St. Michael in<br />
Neustadt am <strong>Mai</strong>n. Diese Vorerfahrung<br />
hilft mir, den Problemen hier angstfrei zu<br />
begegnen.<br />
Wer kommt ins Recollectio-Haus und<br />
warum?<br />
Sr. Christiane: Im Recollectio-Haus können<br />
Priester, Ordensleute und Hauptamtliche<br />
der katholischen und evangelischen Kirche<br />
in fachkundiger Begleitung von geistlichen<br />
Begleitern, Psychotherapeuten und Ärzten<br />
eine Auszeit nehmen und neue Kraft tanken.<br />
Mit welchen Problemen kommen die<br />
Menschen hierher?<br />
Sr. Christiane: Es kommen ganz normale<br />
Menschen mit ganz normalen Problemen.<br />
Die meisten sind in ihrem Leben an einem<br />
Punkt angekommen, an dem sie sagen: So<br />
kann es nicht weitergehen! Dies können<br />
Autoritäts- und Hierarchiekonfl ikte sein<br />
oder eine überhand nehmende Arbeitsbelastung.<br />
Außerdem spielt der Themenbereich<br />
rund um zwischenmenschliche Beziehungen,<br />
Einsamkeit, Nähe und Distanz<br />
eine große Rolle.<br />
„Gottes Liebe<br />
macht mich satt!“<br />
Menschen im Zölibat und die Liebe<br />
Wie definieren zölibatäre Menschen die<br />
Liebe und welche (Liebes-)Beziehungen<br />
pflegen sie?<br />
Sr. Christiane: Priester und Ordensleute<br />
bewegen sich wie jeder andere Mensch in<br />
einem Beziehungsgefl echt aus Gottesliebe,<br />
Nächstenliebe und Selbstliebe. Diese drei<br />
Arten von Liebesbeziehungen gehören untrennbar<br />
zusammen. Das ist die Grundlage<br />
unserer Spiritualität! Nicht umsonst trägt<br />
uns Jesus auf, Gott UND den Nächsten zu<br />
lieben wie sich selbst. Das für ihn zentrale<br />
Gebot der Liebe meint also nicht nur die<br />
spirituelle Liebe zu Gott, sondern auch die<br />
irdische gegenüber dem Mitmenschen und<br />
sich selbst. Wichtig dabei ist, dass man die<br />
rechte Balance fi ndet. Sonst klappt man<br />
irgendwann zusammen.<br />
Zum Beispiel? Wann gerät das Gleichgewicht<br />
aus den Fugen?<br />
Sr. Christiane: Beispielsweise kann ein<br />
Priester oder Ordenschrist, der nur mit sich<br />
selbst und Gott beschäftigt ist, auf Dauer<br />
nicht glücklich werden – das wird schief.<br />
Ebenso wenig funktioniert die totale Fokussierung<br />
auf den Nächsten. Gerade Menschen<br />
in helfenden Berufen meinen häufi g<br />
irrtümlich, nur für die anderen da sein zu<br />
müssen. Es gibt keine Abgrenzung mehr<br />
von der Arbeit und den Problemen anderer.<br />
Das eigene Ich bleibt dabei auf der Strecke.<br />
Wie gehen Zölibatäre mit dem Wunsch nach<br />
Zärtlichkeit um und wo liegen die Grenzen?<br />
Sr. Christiane: Auch Zölibatäre haben das<br />
Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit. Die<br />
defi nitive Grenze für mich ist die genitale<br />
Liebe. Dennoch kann ich mich verlieben,<br />
kann ich einem Menschen nahe sein. Dieser<br />
Kontakt an der Grenze erfordert viel<br />
Mühe, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit: Ich<br />
muss mich selbst intensiv wahrnehmen –<br />
mit meinem Bedürfnis nach Liebe, meinen<br />
Grenzen und dem richtigen Maß an Liebe<br />
dem anderen gegenüber.<br />
In vielen aktuellen Diskussionen wird das<br />
Zölibat mit einer Fessel gleichgesetzt.<br />
Wie stehen Sie dazu?<br />
Sr. Christiane: Begriffe wie Unterdrückung<br />
oder Verdrängung sind hier völlig fehl am<br />
Platze. Die Beziehung zu Gott ist meine Erfüllung.<br />
Ich möchte für Gottes Liebe offen<br />
sein, seine Liebe spüren. Und diese Liebe<br />
macht mich satt. In der freiwilligen sexuellen<br />
Enthaltsamkeit um der größeren Liebe<br />
zu Gott willen liegt der eigentliche Sinn<br />
des Zölibats. Ich fi nde es schade, dass dieser<br />
Zusammenhang heute von vielen nicht<br />
mehr verstanden wird. Der Grund dafür ist<br />
wohl, dass der Respekt vor der Bindung des<br />
anderen, davor, dass dieser Mensch bereits<br />
vergeben ist, abgebröckelt, verloren gegangen<br />
ist. Das gilt auch für die Ehe.<br />
Gab es in ihrem Leben Momente, in denen<br />
sie mit ihrer Entscheidung gehadert<br />
haben?<br />
Sr. Christiane: Ich habe zum Beispiel immer<br />
wieder mal mehr oder weniger darunter<br />
gelitten, keine eigenen Kinder zu<br />
haben, keine intime Partnerschaft leben zu<br />
können. Ich habe viel geweint, gerungen,<br />
mit Gott gehadert, mit ihm besprochen,<br />
was sich in mir geregt hat… Am Ende war<br />
die Gottesliebe immer stärker. Diese Liebe<br />
zu spüren und eine Antwort darauf zu<br />
geben, war letztlich auch der Grund für<br />
meine Lebensentscheidung. Erst mit dem<br />
Ordenseintritt kam der innere Frieden.<br />
Wenn ich wieder wählen müsste, würde ich<br />
wieder so entscheiden, denn mein Leben ist<br />
so tief beschenkt!<br />
Wie gehen Sie an Menschen, die mit dem<br />
Zölibat kämpfen, heran?<br />
Sr. Christiane: Ich empfehle ihnen, intensiv<br />
in sich hineinzuhorchen und dem eigenen<br />
Ich nachzuspüren. Wo stehe ich? Was will<br />
ich? Was ist mit meiner Berufung? Was ist<br />
mit meiner Liebe zu Gott? Über Leibarbeit,<br />
Spürübungen und Körperwahrnehmung<br />
sollen sie mit dem eigenen Leib wieder in<br />
Kontakt kommen, ihre eigenen Stärken und<br />
Schwächen spüren, sich wieder bewusst<br />
werden: Gott ist da.<br />
Was ist das Ziel der gemeinsamen Arbeit?<br />
Sr. Christiane: Ins Gleichgewicht kommen,<br />
wieder Boden unter die Füße bekommen,<br />
die Balance zwischen Gottes-, Nächstenund<br />
Selbstliebe fi nden. Wenn diese Balance<br />
stimmt, kann zölibatäres Leben gelingen!<br />
Und es wird ein erfülltes Leben sein!<br />
Wir danken Sr. Christiane Sartorius für<br />
dieses Interview
INTERVIEW<br />
21<br />
Schon von Berufs<br />
wegen ist<br />
Bruder Frowin<br />
Rückert (geb. 1977 in Buchen/Erzdiözese<br />
Freiburg) tagaus tagein für seinen<br />
Nächsten da. Vor seinem Klostereintritt<br />
war er in der Caritas Sozialstation Mosbach<br />
tätig. Als Infirmar (Krankenpfleger)<br />
versorgt er seit 2007 zusammen mit<br />
Bruder Abraham Sauer, Pfleger Raimund<br />
Dürr, Krankenschwester Sabine Köberlein<br />
sowie Marliese Kestler und Renate<br />
Möstl die kranken und pflegebedürftigen<br />
Mitbrüder der Abtei Münsterschwarzach.<br />
Zum steten Dienst am Nächsten gehört<br />
eine gehörige Portion Nächstenliebe.<br />
Wochenweise wechseln sie sich im Dienst<br />
ab. Doch manchmal wird das von viel<br />
Routine geprägte Alltagsgeschäft auch<br />
zur echten Herausforderung, wie Bruder<br />
Frowin im Interview berichtet. Anja Legge<br />
sprach für „Ruf in die Zeit“ mit ihm.<br />
Br. Frowin, Sie sind als Pflegefachkraft<br />
schon von Berufs wegen für den Nächsten<br />
da. War die Nächstenliebe auch ausschlaggebend<br />
für Ihre Berufswahl?<br />
Br. Frowin: Im Nachhinein betrachtet ja.<br />
Beruf und Berufung sind bei mir eine enge<br />
Verbindung eingegangen. Schon als Kind<br />
lag mir neben Technischem die Sorge um<br />
kranke und gebrechliche Menschen am<br />
Herzen. Krankheit und Alter waren bei<br />
uns zu Hause nie ein Problem. Kranke und<br />
ältere Familienangehörige wurden immer<br />
in der Familie mitversorgt und gepfl egt.<br />
Außerdem war ich schon als Jugendlicher<br />
beim Roten Kreuz aktiv.<br />
Zwischen Alltagsgeschäft<br />
und Herausforderung<br />
Infirmar Br. Frowin Rückert OSB<br />
über die Facetten der Nächstenliebe<br />
Wie verlief ihr beruflicher Werdegang<br />
und wie kam es zur Berufung für ein<br />
geistliches Leben?<br />
Br. Frowin: Am Anfang stand eine Ausbildung<br />
zum Altenpfl eger. Nach dem Zivildienst<br />
im Rettungsdienst beim DRK, wo<br />
ich mich auch zum Breitenausbilder Erste<br />
Hilfe qualifi ziert habe, war ich bei einem<br />
privaten Pfl egedienst gearbeitet und eine<br />
zweijährige Weiterbildung zur staatlich<br />
geprüften leitenden Pfl egefachkraft absolviert.<br />
Zugleich habe ich immer wieder mit<br />
dem Ordensleben geliebäugelt: Während<br />
meiner Ministrantenzeit begeisterte mich<br />
ein Missionar in meiner Heimatpfarrei mit<br />
seinen Schilderungen über die Mission und<br />
Afrika. Etwas später, bei der Ministrantenarbeit,<br />
bekam ich einfach Lust, mehr<br />
zu entdecken. Unser damaliger Pfarrer<br />
Wilfried West nahm mich öfter mal mit ins<br />
Kloster. Nach einem „Kloster auf Zeit“-Kurs<br />
fi el meine Wahl schließlich bewusst auf die<br />
Missionsbenediktiner in Münsterschwarzach<br />
– denn ich möchte raus in die Mission.<br />
Wie würden Sie den Begriff „Liebe“ definieren?<br />
Br. Frowin: Liebe heißt zunächst einmal<br />
sich öffnen, sich beschenken lassen. Wichtig<br />
ist dabei, dass die Liebe frei ist wie<br />
der Heilige Geist: Man kann sie nicht erzwingen<br />
oder bestechen, sie kommt einfach<br />
von innen. Und: Liebe stirbt nicht,<br />
das bedeutet: Einmal verschenkte Liebe<br />
kann man nicht mehr zurücknehmen, sie<br />
geht ins Unendliche und hat so einen göttlichen<br />
Bezug. Natürlich muss man hier wie<br />
überall das rechte Maß einhalten; in manchen<br />
Beziehungen kann Liebe eben auch<br />
bedeuten, sich selbst zurückzunehmen, um<br />
dem anderen Raum zu geben. Das ist wie<br />
beim Blumengießen: Gibt man zu wenig,<br />
vertrocknen sie, ist es zu viel, ersaufen sie.<br />
In der Begegnung mit schwierigen, verbitterten,<br />
durch die Krankheit aggressiven<br />
Menschen kann die Nächstenliebe<br />
zur echten Herausforderung werden. Wie<br />
gehen Sie mit solchen Situationen um?<br />
Br. Frowin: Ja, das ist richtig – die Nächstenliebe<br />
kann auch zum drückenden Joch werden.<br />
Manchmal ist es ganz schön schwierig,<br />
Christus im Bruder zu sehen und einander<br />
in aller Liebe zu begegnen. Da wird’s dann<br />
schnell zweischneidig. Zum Beispiel wenn<br />
eine nett gemeinte Hilfestellung rüde abgewiesen<br />
wird. Oder wenn ein Mitbruder<br />
seine eigene Verärgerung und Ungeduld<br />
an mir auslässt, weil ich eben der Erstbeste<br />
bin, der in der Nähe ist. Da kann man auch<br />
schon mal die Beherrschung verlieren –<br />
das ist zutiefst menschlich. In aller Regel<br />
schlüpfe ich aber in die Rolle des Pfl egers<br />
und nehme die Vorwürfe nicht persönlich.<br />
Ich lasse mich dann einfach nicht abbringen,<br />
versuche professionell und menschlich<br />
zu reagieren, gebe weiter Hilfestellung, bin<br />
liebenswert, obwohl sich der andere vielleicht<br />
unmenschlich benimmt.<br />
Woher nehmen Sie die Kraft für eine solche<br />
Mammutaufgabe?<br />
Br. Frowin: Aus dem Glauben und dem Getragen-Sein<br />
durch die Gemeinschaft. Ohne<br />
einen starken Glauben, der das Ganze mitträgt,<br />
hätte ich schon längst das Handtuch<br />
geworfen. Natürlich kommt man manchmal<br />
auch an den Punkt, wo man sich fragt:<br />
Was mache ich da eigentlich?<br />
Und wie sieht die Antwort aus?<br />
Br. Frowin: Mein Dienst bedeutet für mich<br />
eine direkte Nachfolge Jesu. Ich möchte<br />
das tun, was Christus uns im Gleichnis<br />
vom barmherzigen Samariter aufgetragen<br />
hat – nämlich barmherzig zu handeln und<br />
Nächstenliebe zu leben.<br />
Wie muss ein Pflegender sich selbst pflegen,<br />
damit er liebenswert bleibt und<br />
nicht selbst verbittert?<br />
Br. Frowin: Indem er ganz bewusst das eigene<br />
Ich pfl egt. Eine Zeit lang habe ich das<br />
vernachlässigt: Da hat sich dann ein Frust<br />
in mir aufgebaut, der mich ungenießbar<br />
für mich selbst und die anderen gemacht<br />
hat. Gerade Menschen in pfl egenden Berufen<br />
treten hier in eine Falle, die einen<br />
eher um- als weiterbringt. Es ist einfach<br />
wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse zu<br />
achten, auch mal einen Gefallen zu verweigern,<br />
nach anstrengenden Dienstnächten<br />
mal auszuschlafen oder den Sonntag am<br />
Montag nachzuholen, ohne ein schlechtes<br />
Gewissen zu haben.<br />
Wie gehen Sie mit schweren Einzelschicksalen<br />
um, ohne daran zu zerbrechen?<br />
Br. Frowin: Hier ist Abgrenzung wichtig.<br />
Am meisten trägt mich aber das unerschütterliche<br />
Wissen, dass danach noch etwas<br />
kommt. Der Glaube an Gott, die Hoffnung<br />
auf seine Gnade und die Verheißung des<br />
ewigen Lebens lassen mich Kraft schöpfen<br />
– Kraft, um immer wieder in aller Liebe<br />
nachts aus dem Bett rauszukommen.<br />
Wir danken Br. Frowin Rückert für das<br />
Interview
PROJEKT<br />
22<br />
Echte Liebe schöpft<br />
ihre Kraft aus Gott<br />
Mit „Marriage Encounter“ die Liebe neu entdecken / Erfahrungen in Tansania<br />
von P. Severin Pieper OSB<br />
Ein Missionar war auf dem Wege zu seiner<br />
Missionsstation. Unterwegs traf er einen<br />
Seminaristen seiner Pfarrei, der auf dem<br />
kleinen Seminar in Namupa in Tansania<br />
studierte und nun auf dem Weg nach<br />
Hause war, um seine Ferien zu beginnen.<br />
Er nahm ihn im Auto mit und sprach mit<br />
ihm über sein Studium. Kurz vor der Missionsstation<br />
sagte der Seminarist: „Da vorne<br />
geht meine Mutter. Laß mich hier aussteigen.“<br />
Der Missionar hielt an, begrüßte die<br />
Mutter und teilte ihr freudig mit, daß er<br />
ihren Sohn dabei habe. Die Mutter nahm<br />
die Rückkehr ihres Sohnes zur Kenntnis,<br />
zeigte aber keinerlei Anzeichen von Freude<br />
oder Herzlichkeit, obwohl sie ihn monatelang<br />
nicht gesehen hatte. Der Missionar<br />
war irritiert. Er fragte sich, ob die Mutter<br />
ihr Kind liebe oder nicht.<br />
Afrikanisches Brettspiel<br />
Erwachsene tun<br />
sich schwer<br />
P. Severin mit dem Leitungsteam<br />
Nach hiesiger Sitte gehört Herzlichkeit in<br />
die Privatsphäre. Man zeigt sie nicht öffentlich.<br />
Öffentlich erfährt der Mensch nur<br />
Zärtlichkeit, solange er auf dem Rücken<br />
der Mutter ist, oder wenn er als Kind krank<br />
wird. Sobald die Mutter das nächste Kind<br />
bekommt, erfährt das vorherige Kind keine<br />
Zärtlichkeit mehr von seiten der Mutter.<br />
Auch der Vater zeigt ihm keine Zärtlichkeit.<br />
Das Kind kann auch keine Zärtlichkeit zwi-
23<br />
Gesprächsgruppe<br />
schen den Eltern erleben, weil sich das nicht<br />
schickt. Von daher ist es nicht erstaunlich,<br />
dass ein Erwachsener sich schwer tut, seiner<br />
Partnerin (seinem Partner) Zärtlichkeit<br />
zu erweisen. Wenn ich nur in den ersten<br />
Monaten meines Lebens Zärtlichkeit erfahre,<br />
wie kann ich dann als Erwachsener<br />
anderen Zärtlichkeit erweisen?<br />
Ich liebe Dich<br />
Beim Marriage Encounter sagte eine Teilnehmerin,<br />
die schon jahrelang verheiratet<br />
war: „Heute hat mir mein Mann das erste<br />
Mal in die Augen geschaut und mir gesagt<br />
`Ich liebe Dich.“ Marriage Encounter ist<br />
eine große Hilfe für Eheleute. Es ist so etwas<br />
wie ein „Ehe-TÜV“. Die Paare lernen dabei,<br />
dass Ehe mehr ist, als das Bett miteinader<br />
zu teilen und Kinder zu zeugen. Oft war die<br />
Kommunikation zwischen ihnen sehr oberfl<br />
ächlich; Zärtlichkeit war eine Ausnahme<br />
oder überhaupt nicht vorhanden. Wenn die<br />
Paare das, was ihnen bei dem ersten (entscheidenden)<br />
Kurs mitgeteilt wird, täglich<br />
umsetzen, kann ihr Zusammenleben eine<br />
positive Wende erleben. Sie werden offener<br />
und zärtlicher miteinander umgehen, was<br />
auch die Kinder zu spüren bekommen.<br />
Ehe hat gehalten<br />
Am 14. Oktober 2009 hatte ich hier in<br />
Ndanda einen Dankgottesdienst für das<br />
Ehepaar Vitus und Sophia Mpunga. Es war<br />
der 50. Jahrestag ihrer Hochzeit. Am Tag<br />
der Hochzeit war Sophia gerade 15 Jahre<br />
alt, Vitus 19. Sie benötigten eine Dispens,<br />
um in so jungen Jahren überhaupt zum<br />
Ehesakrament zugelassen zu werden. Sie<br />
haben in ihrer Ehe auch stürmische Zeiten<br />
erlebt, aber die Ehe hat gehalten. Seit<br />
2005 gehören sie zum „Marriage Encounter“<br />
und sind ein Vorbild, dem viele Paare<br />
nacheifern können. Ihre Kraft schöpfen sie<br />
aus Gott, der sie im Sakrament der Ehe<br />
miteinander verbunden hat. Da Vitus inzwischen<br />
pensioniert ist, kann er täglich<br />
zusammen mit seiner lieben Sophia an der<br />
Hl. Messe teilnehmen. Wenn man sie auf<br />
der Straße trifft, merkt man, dass die beiden<br />
etwas ausstrahlen. Es ist eine Freude,<br />
sie zu sehen.<br />
Helfen Sie P. Severin<br />
für seine vielen Auslagen<br />
für die Kurse und Seminare<br />
für Ehepaare in seinem neuen<br />
Exerzitienhaus ZAKEO.<br />
Stichwort: ZAKEO<br />
Sie unterstützen damit<br />
ein persönliches Anliegen von<br />
Abt Michael Reepen OSB.<br />
Herzlichen Dank
Onlineshop<br />
Was der neue der Klosterbetriebe alles bietet!<br />
www.klosterladen-muensterschwarzach.de<br />
ücher & CD‘s<br />
Was ist ein Onlineshop?<br />
Ein Onlineshop ermöglicht, die Produkte<br />
bei Anbietern und Händlern zu erwerben,<br />
die mir wichtig sind, die ich unterstützen<br />
möchte und auf deren Beratung ich vertrauen<br />
kann. Als Ergänzung zu den regionalen<br />
Produkten und Einkaufmöglichkeiten, ist<br />
das Internet eine Chance, Waren aus ganz<br />
Deutschland und aller Welt zu erwerben.<br />
Bequem von<br />
zu Hause bestellen<br />
Seit November 2009 bieten wir Produkte<br />
aus den Klosterbetrieben der Abtei Münsterschwarzach<br />
in einem eigenen Online-<br />
Shop an. Engagierte Buchhändler- und<br />
Buchhändlerinnen stellen das reichhaltige<br />
Sortiment zusammen. Mönche und<br />
Mitarbeiter der Abtei empfehlen darüber<br />
hinaus Bücher und Produkte, die Sie nun<br />
bequem von zu Hause bestellen können.<br />
chmuck<br />
Von der Wurst<br />
bis zum Buch<br />
versandt. Auch<br />
Pakete mit einer<br />
bunten Mischung<br />
verschiedener Klosterprodukte<br />
werden<br />
als Geschenk<br />
Geschenke<br />
zu besonderen An-<br />
Die Abtei hat in den letzten Jahren zunehmend<br />
auf die Nachfrage nach Klosterprodukten<br />
reagiert. Es gibt eine große Auswahl<br />
an Brot, Gebäck, Wurst und Fleischwaren<br />
aus den klostereigenen Betrieben.<br />
Die hohe Qualität der Lebensmittel ist<br />
vielen Menschen so wichtig, dass sie diese<br />
nicht nur bei ihren Besuchen in der Abtei,<br />
sondern auch daheim genießen möchten.<br />
Der Onlineshop bietet die Möglichkeit, sich<br />
Wurstdosen, Brot und Gebäck nach Hause<br />
schicken zu lassen. Damit das Brot frisch<br />
bei Ihnen ankommt, wird<br />
es jede Woche<br />
Lebensmittel
Lebensmittel<br />
lässen wie z.B. Geburtstage, Hochzeiten<br />
oder einfach mal zum Ausprobieren angeboten.<br />
Schenken Sie sich<br />
und anderen<br />
ein „Goldstück“<br />
Das handwerkliche und gestalterische<br />
Können der Goldschmiede ist weit über<br />
den fränkischen Landkreis hinaus bekannt.<br />
Schmuck und Kreuze von gediegener Qualität<br />
und mit Bewusstsein für Schönheit<br />
und den Wert des Besonderen schätzt man<br />
auch außerhalb der Region. Eine Auswahl<br />
aus dem Angebot der Gold- und Silberschmiede<br />
wie den Ärgere-dich-nicht-Engel<br />
und Silberkreuzchen und darüber hinaus<br />
Rosenkränze und andere Andachtsgegenstände<br />
bietet der<br />
Schmuck<br />
Internetshop.<br />
Wir beraten Sie gerne<br />
Die Buch- und Kunsthandlung hält ein<br />
breites Angebot an religiöser Literatur,<br />
an Büchern zu Spiritualität und Lebenshilfe,<br />
ausgewählten Romanen, Musik-CDs,<br />
Hörbüchern und Kinderliteratur bereit.<br />
Die Nachfrage nach Beratung und Empfehlungen<br />
aus dem immer unübersichtlicher<br />
werdenden Buchmarkt steigt zunehmend.<br />
Wir als Buchhändler bieten Ihnen nun die<br />
Möglichkeit, per Internet unser ausgewähltes<br />
Sortiment zu bestellen<br />
und sich über eine Anfrage- und<br />
Beratungsfunktion direkt mit uns<br />
in der Buch- und Kunsthandlung<br />
in Verbindung zu setzen. Mönche<br />
der Abtei empfangen Sie gleich<br />
auf der Startseite von www.klosterladen-muensterschwarzach.de<br />
mit ihren Buchempfehlungen.<br />
Der Onlineshop der Abtei Münsterschwarzach<br />
ist vernetzt mit vielen Menschen<br />
welt-weit, die uns Missionsbenediktiner<br />
von Münsterschwarzach unterstützen.<br />
Geschenke<br />
Viel Freude beim Onlineshop wünscht Ihnen<br />
Ihr Team aus der Buch- und Kunsthandlung<br />
Kunst<br />
www.klosterladen-muensterschwarzach.de<br />
h d
NAMEN/NACHRICHTEN<br />
26<br />
am 13. Juni 75 Jahre Profess<br />
Br. Ignatius Sauer OSB<br />
Er ist am 10. September 1915 in Lülsfeld geboren. Seit 1930 ist er in Münsterschwarzach und erlernte bei uns den Gärtnerberuf.<br />
Seine erste Profess legte er 1935 ab. Während des Krieges musste er Wehrdienst leisten und konnte erst 1948 aus der<br />
Gefangenschaft nach Münsterschwarzach zurückkehren. Von 1951 bis 1964 war er in der Gärtnerei und Landwirtschaft<br />
in St. Ludwig tätig, anschließend wurde er beim Aufbau des Marienhofes in Krandorf/Oberpfalz eingesetzt. Ab 1967<br />
wirkte er wieder in Münsterschwarzach beim Obstbau, in der Kellerei, Brennerei und als Imker. Er versorgte seine Mitbrüder<br />
mit vielen nahrhaften und gesunden Sachen. Seinen Lebensabend verbringt er auf der Krankenstation des Klosters.<br />
am 9. Juli 60 Jahre Priester<br />
Pater Laurentius Hennemann OSB<br />
Geboren am 4. September 1921 in Oberleiterbach in der schönen Gegend von Staffelstein/Vierzehnheiligen. Besuch<br />
der Münsterschwarzacher Gymnasien in St. Ludwig und Würzburg. Erst nach dem Wehr- und Kriegsdienst konnte<br />
Pater Laurentius am 11. September 1945 in Münsterschwarzach eintreten. 1946 zeitliche Profess, 1949 ewige Profess,<br />
1950 Priesterweihe durch Abt-Bischof Gallus Steiger von Peramiho/Tansania. 1952 Aussendung in das Missionsgebiet<br />
Ndanda. Dort in verschiedenen Pfarreien und jetzt in Ndanda segensreich in der Seelsorge tätig. Außerdem unterstützt<br />
er den Missionswissenschaftler und Afrika-Experten Altabt Siegfried Hertlein bei der Arbeit im Archiv von Ndanda.<br />
am 29. Juni 50 Jahre Priester<br />
Pater Beda Pavel OSB<br />
Wurde am 7. Juni 1935 im Kreis Budweis geboren, aufgewachsen ist er in Hammelburg (Unterfranken). Besuch der<br />
Kloster-Internate und Gymnasien in St. Ludwig und Würzburg. Nach dem Abitur 1954 Eintritt in unsere Abtei. 1960<br />
Priesterweihe. Studium in England mit Abschluss Lehrer-Diplom. Missionsaussendung 1963 in die Abtei Ndanda/Tansania.<br />
Pater Beda war mit Leib und Seele Lehrer für Mathematik, Physik und Biologie in Kigonsera, Likonde, Namupa<br />
und Soni. Von 1985 bis 1998 Hausoberer in Kurasini in Dar es Salaam. Ab 1999 Pfarrer in der Pfarrei Kilimahewa<br />
bei Dar es Salaam.<br />
Pater Sebald Hofbeck OSB<br />
ist am 15. November 1935 in Nürnberg geboren und kann somit außer seinem Priesterjubiläum in diesem Jahr auch<br />
auf 75 Lebensjahre zurückblicken. Nach dem Besuch der Gymnasien in Straubing und Nürnberg trat er 1954 in unser<br />
Kloster ein. 1960 empfi ng er die Priesterweihe. 1957 bis 1965 Studium in Würzburg und London mit Abschluss als<br />
Doktor der Theologie. Seit 1965 ist er Missionar in Ndanda/Tansania, seit 1972 engagierter Leiter der Ndanda-<br />
Mission-Press und des Buch-Verlages.<br />
Abt Lambert Dörr OSB<br />
Geboren am 4. August 1936 in Glashofen-Gerolzahn. Nach dem Besuch des Gymnasiums trat er im <strong>Mai</strong> 1955 in<br />
unsere Abtei ein. Am 16. <strong>Mai</strong> 1956 einfache und am 31. <strong>Mai</strong> 1959 feierliche Profess. Priesterweihe durch Abt-Bischof<br />
Viktor Hälg aus Ndanda/Tansania am 29. Juni 1960. Studium der Philosophie in St. Ottilien und Theologie in Würzburg.<br />
Im August 1964 wurde Pater Lambert als Missionar in das Abteigebiet Peramiho/Tansania gesandt. Ab 1965<br />
unterrichtete er am Likonde Seminary, bis ihn 1972 das Vertrauen seiner Oberen und seiner Mitbrüder zum Prior und<br />
dann 1976 zum Abt von Peramiho berief. Resignation als Abt von Peramiho am 4. August 2006. Abt Lambert verbringt<br />
seinen Lebensabend in Peramiho und versieht verschiedene Aufgaben, wie Seelsorge und die Kloster-Bibliothek.<br />
am 12. <strong>Mai</strong> 25 Jahre Priester<br />
P. Dominikus Trautner OSB<br />
Geboren am 1. Juli 1956 in Kirchehrenbach. Er besuchte unser Gymnasium und Seminar in Münsterschwarzach.<br />
Er legte 1979 die zeitliche und 1982 die ewige Profess ab. Studium der Theologie und Kirchenmusik in Würzburg.<br />
Priesterweihe am 12. <strong>Mai</strong> 1985 durch Bischof Paul Werner Scheele. Pater Dominikus ist Organist und Kantor in der<br />
Abtei sowie Dozent für Liturgik und Gregorianik an den Musikhochschulen in Würzburg und Frankfurt. Außer seiner<br />
Tätigkeit als Abtei-Organist gibt er Orgel-Konzerte in aller Welt. Im Vier-Türme-Verlag erscheinen jährlich neue CDs,<br />
von ihm. Außerdem ist er Organisator und Verantwortlicher der großen Abtei-Konzerte.
NAMEN/NACHRICHTEN<br />
27<br />
Am Dienstag, den 16. Februar <strong>2010</strong>, ist unser Mitbruder<br />
Pater Albert (Erwin) Herold OSB<br />
im Provinzkrankenhaus von Vryheid/Südafrika nach einem schweren Schlaganfall verstorben.<br />
P. Albert wurde am 12. Februar 1928 in Dipbach geboren. Er war das älteste von acht Kindern. Erwin<br />
besuchte die Grundschule und ging anschließend ins Kolleg St. Ludwig mit dem Gedanken, Missionsbenediktiner<br />
zu werden. Im Januar 1944, er war noch keine 16 Jahre alt, wurde er in die Armee eingezogen und bei der Luftwaffe<br />
ausgebildet. Am 13. März 1945 wurde er aus der Wehrmacht entlassen und bekam den Auftrag, sich dem nationalen<br />
Arbeitsdienst anzuschließen. Aufgrund des massiven Luftangriffs auf Würzburg am 16. März 1945, bei dem alle Papiere und<br />
Dokumente verbrannten, kam es nie zu diesem Einsatz. Am 21. September 1946, nach Beendigung des ersten Semesters in<br />
Philosophie, trat er in die Abtei Münsterschwarzach ein und begann das Noviziat mit dem Namen Albert. Ein Jahr später, am<br />
25. September 1947, war seine zeitliche Profess. In Dillingen, St. Ottilien und Würzburg setzte er das Theologiestudium fort. Am<br />
8. Oktober 1950 legte er schließlich seine ewige Profess ab. Bischof Alfons Streit/Mariannhill weihte ihn am 27. April 1952 in<br />
der Abteikirche Münsterschwarzach zum Priester. Im Leben von P. Albert begann ein neuer Abschnitt als Abt Burkhard ihn am<br />
14. <strong>Mai</strong> 1953 als Missionar ins Zululand aussandte. Am 25. <strong>Mai</strong> 1953 verließ er Deutschland und nach dreiwöchiger Schiffsreise<br />
erreichte er am 15. Juni das Zululand. Bischof Aurelian Bilgeri OSB sandte ihn nach Gonzaga, eine verlassene Station in den<br />
Bergen des südlichen Zululandes. Im Oktober 1961, als Erzabt Suso Brechter ein monastisches Zentrum im Zululand gründete,<br />
indem er die Inkamana-Mission zu einem einfachen Priorat erhob, wurde P. Albert zum Prior von Inkamana gewählt. Er baute<br />
eine Laiengemeinschaft von Benediktiner-Oblaten auf und begann, junge Männer aus dem Zululand für den Mönchsberuf zu<br />
begeistern. Aufgrund seiner Initiative und Führung war es möglich, dass die ersten einheimischen Kandidaten im Jahr 1965<br />
ihre Gelübde ablegen konnten. Im Januar <strong>2010</strong> beendete er seine pastorale Tätigkeit und ging in die Abtei Inkamana zurück.<br />
P. Albert war ein freundlicher, großzügiger und zugänglicher Mensch mit Sinn für Humor. Überall, wo er als Pfarrer tätig war,<br />
war er beliebt und genoss hohes Ansehen. Er veröffentlichte zwei Bücher, in denen er junge und alte Zulus zu Wort kommen<br />
ließ, die in der Art und Weise sprechen wie im „Kleinen Prinzen“ von Saint-Exupéry. Durch seine Fotos ist P. Albert in Südafrika<br />
sehr bekannt. Seine Portrait- und Landschaftsfotos haben viele Preise gewonnen.<br />
Der Herr vergelte ihm alles, was er an Gutem getan hat. RIP<br />
Der Herr über Leben und Tod hat seinen Diener<br />
Br. Cornelius (Otto) Hell OSB<br />
am Aschermittwoch, den 17. Februar <strong>2010</strong> zu sich in sein Reich der Liebe und des Lichtes heimgerufen.<br />
Br. Cornelius wurde am 28. Oktober 1920 in Großlangheim geboren. Mit 15 Jahren kam er ins Lehrlingsheim<br />
der Abtei Münsterschwarzach und machte dort die Ausbildung als Zimmerer. In seiner Lehrzeit hat er am<br />
Bau der Kirche mitgearbeitet, die er sein Leben lang so geliebt hat. Am 1. <strong>Mai</strong> 1938 wurde er ins Postulat<br />
und am 3. <strong>Mai</strong> 1939 ins Noviziat aufgenommen. Am 9. <strong>Mai</strong> 1940 legte er seine zeitliche Profess ab und nach 9 Jahren konnte<br />
er am 17. Oktober 1948 seine ewigen Gelübde ablegen. Schon am 7. Oktober 1940 wurde er als Soldat eingezogen und musste<br />
den Feldzug gegen Russland mitmachen. Dort wurde er am Ostersonntag 1942 schwer verletzt. Viele Operationen musste er über<br />
sich ergehen lassen. Am 16. April 1946 kehrte er in sein Heimatkloster zurück. Zunächst arbeitete er im Büro des Elektrowerks,<br />
bis ihn der Cellerar P. Theophil am 3. <strong>Mai</strong> 1948 als seinen persönlichen Sekretär in die Verwaltung nahm. Seither hat er bis kurz<br />
vor seinem Tod in der Verwaltung gearbeitet. Schnell hat er sich in die verschiedensten Bereiche von Lohnbuchhaltung und Versicherung<br />
eingearbeitet. Auf dem Gebiet der Renten- und Krankenversicherung wurde er in kurzer Zeit zum überall angesehenen<br />
Fachmann. Br. Cornelius hat mit seiner Güte und Menschenfreundlichkeit, aber auch mit seiner sehr klaren und effi zienten Weise<br />
zu arbeiten, die Verwaltung der Abtei bis heute geprägt.<br />
Br. Cornelius hat auch über das Kloster hinaus in die Gemeinde hinein gewirkt. Von 1952 bis 1990 war er Gemeinderat. Für<br />
seine Verdienste um das Gemeinwohl verlieh ihm der Markt Schwarzach am <strong>Mai</strong>n im Jahre 1995 die Ehrenbürgerwürde. Er<br />
hat den Kindergarten St. Felizitas in Münsterschwarzach gegründet und jährlich als Nikolaus die Kinder erfreut. Im Jahre 1993<br />
wurde er für seine Verdienste für die Abtei und die Marktgemeinde Schwarzach mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.<br />
Seit 1959 war er 1. Obmann für die Brüder und hat sie in seiner freundlichen und gütigen Art begleitet, gerade auch in schwierigen<br />
Situationen. Immer wenn der Abt eine schier unlösbare Aufgabe hatte, wandte er sich an Br. Cornelius, der in seiner<br />
unwiderstehlichen Art sich aller Probleme annahm.<br />
Br. Cornelius war ein betender Mensch. Bis zuletzt ist er treu mit seinem Rollator in die Abteikirche gefahren, um am Chorgebet<br />
teilnehmen zu können. Bis zuletzt hat er wach am Leben der Gemeinschaft teilgenommen und zu allem seine Meinung gesagt,<br />
die von Altersweisheit und Altersmilde geprägt war. So ist er zu einer tragenden Säule der Abtei geworden.<br />
Möge ihm nun die Liebe Gottes als strahlendes Licht für immer aufl euchten. RIP
NAMEN/NACHRICHTEN<br />
28<br />
Die Reisebrüder<br />
vom Mission Hill<br />
75 Jahre benediktinische Präsenz in Schuyler (USA)<br />
„Benediktinisches Missionsgebiet – das<br />
sind Afrika, Asien, Lateinamerika...“, so<br />
lautet eine landläufige Meinung. Dass die<br />
Abtei Münsterschwarzach jedoch auch<br />
in den USA eine Niederlassung besitzt,<br />
ist den wenigsten bekannt. Das Priorat<br />
Christkönig in Schuyler (Nebraska, USA),<br />
das aus dem Benedict Mission House und<br />
dem St. Benedict Center besteht, feiert in<br />
diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen.<br />
Während in den ersten Jahren die Großzügigkeit<br />
der amerikanischen Spender<br />
dazu beitrug, den Samen des Glaubens<br />
vor Ort weiter auszusäen, profitieren<br />
mittlerweile Menschen auf vier Kontinenten<br />
von der Unterstützung der vielen<br />
Wohltäter in der Neuen Welt.<br />
Der Anfang<br />
Es war in den späten 20er Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts, als die Brüder Placidus Husslein,<br />
Felix Meckel und Egbert Backer in New<br />
York City eintrafen. Da sich Deutschland zu<br />
jener Zeit an einem wirtschaftlichen Tiefpunkt<br />
befand und praktisch keine Spendengelder<br />
in die Missionskassen fl ossen,<br />
sandte Abt Placidus Vogel seine Mitbrüder<br />
aus, um fi nanzielle Unterstützung in den<br />
USA zu suchen. Hinzu kam die berechtigte<br />
Sorge, dass mit dem Aufstieg des Hitler-Regimes<br />
vielen Mitbrüdern die Rückkehr aus<br />
der Mission nach Hause unmöglich werden<br />
könnte, so dass man eine Anlaufstelle außerhalb<br />
Deutschlands benötigte. Zunächst<br />
kamen die Amerika-Pioniere in einem katholischen<br />
Hospital unter. Freunde und<br />
Familienmitglieder hatten sie mit Adressen<br />
von Angehörigen in der Neuen Welt<br />
versorgt. Die Mönche knüpften Kontakte<br />
unter den deutsch-amerikanischen Katholiken<br />
und suchten nach einer dauerhaften<br />
Bleibe. Zufällig kam Bruder Felix Meckel<br />
in Omaha (Nebraska) auch mit Bischof<br />
Joseph Francis Rummel in Kontakt, der<br />
Das Exerzitienhaus von Schuyler<br />
die Benediktiner schließlich einlud, sich in<br />
seiner Diözese niederzulassen.<br />
Haus in Schuyler gefunden<br />
An einem kalten stürmischen Tag des Jahres<br />
1935 erreichten Pater Hadelin Müller,<br />
Bruder Felix Meckel und Bruder Placidus<br />
Husslein den Ort Schuyler im Osten des US-<br />
Bundesstaates Nebraska und bezogen das<br />
Haus, das ihnen von Bischof Rummel zugewiesen<br />
war. Im Laufe der Jahre wurde das<br />
zweistöckige Gebäude, das unter dem Namen<br />
Benedictine Mission House bekannt<br />
wurde, mehrfach umgebaut. Zeitweilig bewohnten<br />
zwölf Mönche die Wohnräume im<br />
ersten Stock. Im Untergeschoss befanden<br />
sich Büroräume, eine kleine Kapelle, Küche<br />
und Refektorium. Da die Mönche ihre<br />
Briefe und Spendenaufrufe selbst druckten,<br />
nahmen Druckmaschine, Papierlager und<br />
Adresskartei den größten Raum ein.<br />
Reisebrüder werben<br />
um Spenden<br />
Besonders bemerkenswert für das Haus in<br />
Schuyler waren jedoch die so genannten<br />
Reisebrüder: So reisten vier oder fünf Mitbrüder<br />
neun Monate des Jahres quer durch<br />
die Vereinigten Staaten, um „Menschen<br />
mit einem großen Herzen“ zu fi nden. Eine<br />
Minimalbesetzung blieb zu Hause, lebte<br />
dort nach der benediktinischen Grundregel<br />
des „Ora et labora“, sorgte sich um die<br />
Korrespondenz mit den Wohltätern und bestätigte<br />
jede Spende noch am Tag des Erhalts.<br />
Darüber hinaus übernahmen die Benediktiner<br />
auch Dienste in weit entfernten<br />
Gemeinden, um einem Pfarrer eine Auszeit<br />
oder seinen Jahresurlaub zu ermöglichen.<br />
Die pastorale Arbeit und die persönlichen<br />
Besuche der Reisebrüder sorgten dafür,<br />
dass die Arbeit der Missionsbenediktiner<br />
bekannt wurde und ein Band des Vertrauens<br />
entstand. Die Brüder akzeptierten so
29<br />
zugleich, dass nicht jeder aktiv im Dienst<br />
der Evangelisierung stehen kann und dass<br />
fi nanzielle Unterstützung einen wichtigen<br />
Teil des Ganzen ausmacht.<br />
Die Reisebrüder fanden nicht nur offene<br />
Türen, sondern auch offene Herzen: Sie<br />
fanden Menschen, die das, was sie hatten,<br />
mit den Missionaren teilten. Darüber<br />
hinaus waren die Benediktiner-Brüder für<br />
ihr offenes Ohr bekannt. So gab man ihnen<br />
nicht nur Gebetsanliegen mit auf den<br />
Weg, sondern bat sie auch um Rat und<br />
Beistand, wenn der eigene Pfarrer nicht<br />
greifbar war. Zurück zu Hause in Schuyler,<br />
ging die Arbeit weiter: Die Reisebrüder sortierten<br />
Tausende von Geburtstagsgrüßen<br />
für das kommende Jahr ein. Diese Grüße,<br />
ein Telefonanruf oder ein kurzer Gruß nach<br />
einem Besuch waren einfache Gesten, die<br />
die Bindung entscheidend vertieften. Getragen<br />
waren all diese Aktivitäten durch<br />
die Regel des Hl. Benedikt einer gesunden<br />
Balance aus Ora und Labora.<br />
Zu Beginn der 1970er Jahre stand Schuyler<br />
vor neuen Herausforderungen: Die<br />
Reisetätigkeit rückte zugunsten von <strong>Mai</strong>ling-Aktionen<br />
in den Hintergrund. Schon<br />
damals verschickten die Mönche jährlich<br />
vier Rundschreiben an annähernd 60000<br />
Wohltäter. So wurde bald ein neues Gebäude<br />
nötig. Dank einer Privatspende von 15<br />
Morgen Land auf dem „Fuller Hill“ nördlich<br />
von Schuyler konnte man im Januar 1978<br />
mit dem Bau beginnen. Im September<br />
1979 konnten die Benediktiner einziehen,<br />
die Weihe vollzog Abt Bonifaz Vogel.<br />
Neue Wege – Neue Aufgaben<br />
Auch Abt Fidelis Ruppert war dem Haus in<br />
den USA sehr verbunden. Jedes Jahr verbrachte<br />
er mindestens eine Woche bei den<br />
Mitbrüdern in Schuyler. Er ermutigte die<br />
Mönche, ihre monastische Berufung treu<br />
zu leben, hoffnungsvoll in die Zukunft zu<br />
blicken, für neue Aufgaben offen zu sein<br />
und die Türen für neue Berufungen vor<br />
Ort zu öffnen. Zum 50-jährigen Jubiläum<br />
benediktinischer Präsenz in Schuyler im<br />
Jahr 1985 erhob er das Missionshaus zu<br />
einem abhängigen Priorat. Zugleich wurde<br />
der einst „Fuller Hill“ genannte Hügel in<br />
„Mission Hill“ umbenannt. Die ortsansässige<br />
Bevölkerung trug damit dem Auftrag<br />
des Benedict Mission House als Missionsprokura<br />
für Missionare und junge Kirchengemeinden<br />
in der ganzen Welt Rechnung.<br />
Nicht zuletzt auch unter dem Einfl uss von<br />
Abt Fidelis wandelte sich das<br />
Missionsbüro zunehmend<br />
zum Kloster, in dem die Feier<br />
der Liturgie und der Gebetszeiten<br />
noch mehr Gewicht erhielt.<br />
Abt Fidelis war es auch,<br />
der die Gemeinschaft in Schuyler<br />
ermutigte, den Menschen<br />
nach Jahrzehnten der Solidarität<br />
und Hilfsbereitschaft etwas<br />
zurückzugeben und den<br />
Bau eines Exerzitienhauses in<br />
Angriff zu nehmen. Am 1. Juli<br />
1997 konnte das St. Benedict<br />
Center als ökumenisches Exerzitien-<br />
und Bildungshaus<br />
eröffnet werden. In einer Atmosphäre<br />
aus Gebet, Ruhe<br />
und Erneuerung können hier<br />
Menschen, die nach persönlichem<br />
und spirituellem<br />
Wachstum suchen, benediktinische<br />
Gastfreundschaft<br />
und Spiritualität erleben. Seit<br />
der Eröffnung des Hauses Luftaufnahme von Kloster (unten) und Exerzitienhaus (oben)<br />
kommen alljährlich unzählige<br />
Menschen aller gesellschaftlichen<br />
Schichten nach<br />
Schuyler. Mit dem Bau eines<br />
weiteren Gebäudefl ügels mit<br />
Einzelzimmern stehen heute<br />
100 Betten zur Verfügung.<br />
Gleichzeitig richteten die<br />
Mitbrüder das El-Puente-<br />
Büro ein, ein Hilfsangebot<br />
für lateinamerikanische Einwanderer.<br />
Zudem spielen die<br />
Benediktiner auch weiter eine<br />
wichtige Rolle in der Seelsorgelandschaft<br />
von Nebraska:<br />
Örtliche Pfarreien nehmen<br />
gerne die Unterstützungsangebote<br />
wahr, vor allem die Br. Tobias, Br. Andrew<br />
Hintere Reihe v.l.n.r.: P. Paul, Br. Vianney, P. Thomas,<br />
Beicht- und Versöhnungsgottesdienste<br />
im Advent und in<br />
Vordere Reihe v.l.n.r.: P. Volker, P. Prior Germar, Br. Damian<br />
der Fastenzeit sowie die Angebote<br />
für Jugendliche.<br />
Für die Menschen dasein<br />
Derzeit zählt die Gemeinschaft in Schuyler<br />
acht Mitbrüder: P. Germar Neubert (Prior),<br />
P. Volker Futter (Cellerar, Missionsprokurator,<br />
Betreuung der Oblaten), P. Thomas<br />
Leitner (Leiter des Exerzitienhauses), P. Paul<br />
Kasun (El Puente), Br. Vianney Rentmeister,<br />
Br. Tobias Dammert (Prokura-Mitarbeiter,<br />
Berufungspastoral), Br. Andrew Fuller<br />
(Buchladen), Br. Damian Cayetano (Berufungspastoral,<br />
Webmaster). Gemeinsam<br />
wollen sie all den Menschen dienen, die<br />
ins Priorat Christkönig kommen. Vor allem<br />
aber wollen sie auch künftig durch ihre<br />
Arbeit im Missionsbüro den Menschen die<br />
Hand reichen, die auf der Schattenseite<br />
des Lebens stehen.
NAMEN/NACHRICHTEN<br />
30<br />
„Kenia ein Stück<br />
weiterbringen“<br />
Br. Gregory Musembi Maeke OSB kehrt<br />
nach sieben Jahren in Deutschland in<br />
seine Heimat Kenia zurück: Seine Erfahrungen,<br />
seine Visionen.<br />
Sieben Jahre hat der gebürtige Kenianer<br />
Br. Gregory Musembi Maeke in<br />
Deutschland verbracht und ist bei seiner<br />
Rückkehr nach Kenia um einen großen<br />
Schatz an Wissen, Erfahrungen und Begegnungen<br />
reicher. Auf die Frage, was<br />
er seinen Landsleuten aus dem fernen<br />
Deutschland mitbringt, antwortet der<br />
Missionsbenediktiner nach kurzem Innehalten<br />
mit einem Lächeln: „Mich selbst.<br />
Die Zeit hier in Deutschland hat mich offener,<br />
reifer gemacht. Mein Blick ist weiter<br />
geworden. Ich stelle mich den Menschen<br />
zur Verfügung. Ich möchte ihnen<br />
helfen, über die Armut hinauszuwachsen<br />
und ihre Identität und Würde zu finden!“<br />
1965 als ältestes von insgesamt acht Kindern<br />
geboren, wuchs Br. Gregory in einer<br />
christlichen Familie auf. „Meine Eltern<br />
legten großen Wert auf katholische Schulbildung“,<br />
erzählt er und so wurde wohl<br />
schon durch den Besuch der Grundschule<br />
bei den Maria-Ward-Schwestern seine Berufung<br />
zu grunde gelegt.<br />
Br. Gregory mit dem Missio-Chor<br />
Doch zunächst kam es anders:<br />
„Nach der Secondary School wollte ich<br />
erst mal Karriere machen.“ Br.Gregory<br />
ging 1986 nach Indien, legte dort den<br />
Bachelor of Commerce und MBA (Diplom-<br />
Kaufmann) ab, gründete eine eigene Firma<br />
und arbeitete sechs Jahre als Finanzberater.<br />
„Zurück in Kenia fragte ich mich aber irgendwann:<br />
Ist das wirklich alles im Leben?<br />
Ich habe mich nach mehr gesehnt“, erinnert<br />
er sich zurück. Langsam, ganz langsam<br />
reifte in ihm die Erkenntnis, dass er „die<br />
Erfüllung in einem geistlichen Leben fi n-<br />
den könnte“. 1998 gab der sympathische<br />
Kenianer seinen Job auf und nahm sich<br />
ein „Brückenjahr, um sich zu orientieren,<br />
in sich hineinzuspüren, ob dieser Schritt<br />
der richtige ist“.<br />
Bei den Missionsbenediktinern<br />
angeklopft<br />
Auf der Suche nach der passenden Ordensgemeinschaft<br />
klopfte er auch bei den<br />
Benediktinern an… und „es war Liebe auf<br />
den ersten Blick“, lacht Br. Gregory: „Schon<br />
nach meinem ersten Besuch war klar: Hier<br />
wollte ich hin!“ Am 12. Februar 1999<br />
trat er im Benediktiner-Priorat Tigoni (35<br />
Kilometer nordwestlich von Nairobi) ein,<br />
legte 2002 seine Profess ab und kam im<br />
April 2003 nach Deutschland. Nach einigen<br />
Monaten in der Erzabtei St. Ottilien<br />
mit Deutschkursen in München ging’s im<br />
Dezember 2003 nach Münsterschwarzach<br />
und Würzburg, wo er zum Sommersemester<br />
2004 das Theologiestudium aufnahm.<br />
Viele Bekannt- und Freundschaften hat<br />
Br. Gregory seitdem geschlossen, mit vielen<br />
Menschen ist er mittlerweile eng befreundet.<br />
Zu einem Stück „Heimat fern<br />
der Heimat“ wurde für ihn neben der Gemeinschaft<br />
im Haus St. Benedikt auch der<br />
Missio-Chor, wo er über die afrikanische<br />
Musik eine Verbindung zur Heimat aufrechterhalten<br />
konnte.<br />
Grundverschiedenheit<br />
Zugleich lernte Br. Gregory aber auch, wie<br />
grundverschieden Kenianer und Deutsche<br />
sind. Vor allem beim Thema Pfl ichtbewusstsein<br />
werde dies sehr deutlich: „Die Leute<br />
hier halten sich strikt an die Gesetze und<br />
Regeln: Sie tun was erwartet wird und erwarten<br />
dies auch von anderen“, berichtet<br />
er. „Die Gefahr dabei ist, dass irgendwann<br />
das Gefühl für das Menschliche verloren<br />
geht“, gibt er zu bedenken, weiß aber<br />
auch: „Wenn wir in Kenia weiterkommen<br />
wollen, dann müssen wir ein Stück dieses<br />
Pfl ichtbewusstseins in unsere Gesellschaft<br />
übernehmen.“ Ähnlich verhält es sich seiner<br />
Ansicht nach im Umgang miteinander:<br />
„Wenn ein Afrikaner Ja sagt, muss das noch<br />
lange nicht Ja heißen, das hängt von den<br />
Umständen ab, von der Tonlage und Mimik.<br />
In Deutschland hingegen ist ein Ja<br />
ein Ja und ein Nein ein Nein.“ Trotz manch<br />
schmerzhafter Erfahrung hält er diese Einstellung<br />
dennoch für den besseren Weg:<br />
„Auch wenn man sich zuweilen unbeliebt<br />
macht – es ist besser, gleich die Wahrheit<br />
zu sagen.“
31<br />
Br. Gregory lernt neue Kulturen kennen Br. Gregory beim Trommel-Workshop Br. Gregory – beim Jugendkurs<br />
Erfolgreiches Studium<br />
und Abschied<br />
Jüngst, im Februar <strong>2010</strong>, hat Br. Gregory<br />
nun seine Abschlussprüfungen erfolgreich<br />
absolviert. Ende März <strong>2010</strong> fl og er „mit<br />
einem lachenden und einem weinenden<br />
Auge“ wieder zurück nach Kenia: „Der Abschied<br />
von meinen deutschen Freunden<br />
fällt mir schwer, ich freue mich aber auch<br />
sehr auf mein Kloster, meine Familie.“ Vor<br />
allem aber will er endlich das ins Praktische<br />
umsetzen, was er hier gelernt hat. „Ich will<br />
als Missionsbenediktiner für die Menschen<br />
da sein, sie nicht nur materiell unterstützen,<br />
sondern auch spirituell, sie in ihrer<br />
Identität, ihrem Wertgefühl stärken, ihnen<br />
ihre Rechte, aber auch Pfl ichten aufzeigen.<br />
Kurz: Die Menschen in Kenia ein Stück weiterbringen.“<br />
Einsatz für die Bedürftigen<br />
Möglichkeiten zur Verwirklichung bieten<br />
sich Gregory viele: Eine der Hauptaufgaben<br />
im Priorat Tigoni ist die Pfarrei St. Benedict<br />
am Rande des zweitgrößten Slums<br />
(Mathare) von Nairobi, wo über 500 000<br />
Menschen leben. Im Laufe der letzten 30<br />
Jahre haben die Benediktiner hier mehrere<br />
Stationen mit Kindergärten, Behinderteneinrichtungen,<br />
Straßenkinderprojekten,<br />
Berufsschulen und Handwerksbetrieben<br />
aufgebaut. „Wir wollen den Menschen<br />
geistliche und körperliche Hilfen zum<br />
(Über-)Leben bieten und den Kindern eine<br />
Zukunft ermöglichen!“ Viel Unterstützung<br />
bietet dabei auch Münsterschwarzach, von<br />
wo engagierte Missionare und unzählige<br />
Spendengelder kommen. Jüngstes Beispiel<br />
ist die neu errichtete Grundschule für etwa<br />
700 Kinder, für die allein die Schüler des<br />
Egbert-Gymnasiums stolze 24000 Euro<br />
gesammelt haben. Überhaupt zeigt sich<br />
Br. Gregory begeistert von der enormen<br />
Hilfsbereitschaft der Deutschen: „Die Menschen<br />
hier leben zwar im Überfl uss, sind<br />
aber auch sehr hilfsbereit. Sie haben ein<br />
großes Herz!“ Die große Solidarität auf<br />
geistlicher wie auf praktischer Ebene gehört<br />
denn auch zu Br. Gregorys schönsten<br />
Erfahrungen in Deutschland.<br />
Inkulturation integrieren<br />
Für den Missionsbenediktiner eine echte<br />
Herzensangelegenheit ist jedoch der<br />
Bereich der Inkulturation. Nach den bekannten<br />
Problemen der Erstmissionierung<br />
vor etwa 130 Jahren stehe Kenia heute<br />
mitten im Prozess einer zweiten Missionierung<br />
oder besser der Inkulturation. Dies<br />
bedeute, dass man das vorwiegend europäisch<br />
geprägte Christentum nicht einfach<br />
fraglos übernehme, sondern in die Mentalität<br />
und Lebenswelt der Menschen integriere.<br />
„Denn unser Blut ist immer noch afrikanisch“,<br />
betont Br. Gregory. Das afrikanische<br />
Wertesystem biete hier eine perfekte Basis.<br />
So seien die im Christentum verkündeten<br />
Werte – Liebe, Treue, Gehorsam, Respekt,<br />
Pfl icht – im Grunde originär afrikanische<br />
Werte. Hinzu komme, dass Afrikaner „notorisch<br />
religiös“ seien: „Religion war und ist<br />
immer noch tief im Leben der Familie, des<br />
Stammes und des Volkes verwurzelt und<br />
ganz selbstverständlich. Der allwissende,<br />
allgegenwärtige Gott umfasst das gesamte<br />
Leben“, führt Br. Gregory aus. Wegweisend<br />
für diese Verbindung aus traditionellem<br />
Kulturgut und christlicher Botschaft ist für<br />
Bruder Gregory das Projekt „African Bible<br />
on the Ground” in der Pfarrei Nanyuki; im<br />
Laufe der Jahre ist hier eine regelrechte Pilgerstätte<br />
entstanden, wo Menschen in Exerzitien<br />
und Besinnungstagen die verblüffende<br />
Nähe von biblischen Inhalten und<br />
afrikanischen Werten erfahren können.<br />
„Im Grunde missionieren wir uns selbst,<br />
um unsere Wurzeln wiederzufi nden“, meint<br />
Br. Gregory, der liebend gerne in Nanyuki<br />
mitarbeiten würde: „Ich möchte meinen<br />
Landsleuten spirituelle Anstöße ermöglichen,<br />
damit sie Christentum und traditionelle<br />
afrikanische Werte als organisches<br />
Ganzes leben können.“<br />
Br. Gregory Musembi Maeke OSB<br />
Geboren 1965 in Nairobi/Kenia<br />
• Profess 2002 • Ausbildung als<br />
Dipl.-Kaufmann in Indien • Bis<br />
<strong>2010</strong> Studium der Theologie in<br />
Würzburg
NAMEN/NACHRICHTEN<br />
32<br />
Einander dienen in Leid und Freude<br />
Diakonatsweihe von Br. Noach Heckel OSB<br />
und die Überreichung des Evangeliars und<br />
die Umarmung des Neugeweihten. Die<br />
anschließende Eucharistiefeier, bei der der<br />
neue Diakon schon seinen ersten Dienst<br />
am Altar verrichtete, endete mit dem Segen<br />
des Bischofs. Beim anschließenden<br />
Empfang feierte die Klostergemeinschaft<br />
mit dem Diakon und seinen Angehörigen<br />
das festliche Ereignis.<br />
Bruder Noach Heckel aus der Abtei Münsterschwarzach<br />
ist am vierten Adventssonntag<br />
2009 durch Weihbischof Ulrich<br />
Boom von Würzburg in der Abteikirche<br />
Münsterschwarzach zum Diakon geweiht<br />
worden. Zu Beginn des Weihegottesdienstes<br />
begrüßte Abt Michael die Verwandten,<br />
Freunde und die Mitbrüder von<br />
Bruder Noach. Besonders willkommen hieß<br />
er den Weihespender Weihbischof Ulrich<br />
Boom und dankte ihm für seinen Dienst<br />
für das Münsterschwarzacher Kloster. Es<br />
war dies sein erster offi zieller Besuch in<br />
der Abtei. Abt Michael freute sich, dass<br />
an diesem Sonntag nicht nur die vierte<br />
Adventskerze angezündet wurde, sondern<br />
Bruder Noach zum Diakon geweiht wurde,<br />
was „ein Geschenk für die Abtei“ sei.<br />
Am Anfang des Gottesdienstes erfolgte<br />
die Vorstellung und Erwählung des Kandidaten.<br />
Abt Michael richtete an Weihbischof<br />
Ulrich die Bitte, diesen Bruder zum<br />
Diakon zu weihen. Der Bischof fragte den<br />
Abt: „Weißt du, ob er würdig ist?“ Abt<br />
Michael antwortete: „Das Volk und die<br />
Verantwortlichen wurden befragt; ich bezeuge,<br />
dass er für würdig gehalten wird.“<br />
Weihbischof Ulrich Boom stellte seine<br />
Predigt in das Vertrauen Gottes:<br />
Der Advent geht zu Ende. Weihnachten,<br />
die Menschwerdung Gottes naht.<br />
Die Menschen suchen nach Halt, wo<br />
in der heutigen Zeit vieles haltlos<br />
wird. Ein Diakon soll dienen. Vorbild des<br />
Diakons und aller Menschen ist die Gestalt<br />
Mariens. Sie zeigt in ihrem Leben auf, wo<br />
es um das Dienen geht. Einander dienen,<br />
nicht nur Trauer und Leid teilen, auch Freude<br />
und Hoffnung. Geteiltes Leid ist halbes<br />
Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude.<br />
Nach der Predigt des Bischofs folgte die<br />
Weihehandlung. Bruder Noach versprach<br />
vor dem Bischof und der versammelten Gemeinde,<br />
sein ganzes Leben in den Dienst<br />
der Verkündigung des Evangeliums zu stellen.<br />
In der folgenden Litanei wurden die<br />
Heiligen angerufen und um ihre Fürsprache<br />
für den Kandidaten gebeten. Bruder<br />
Noach lag dabei ausgestreckt auf dem<br />
Boden. Damit machte er sichtbar, dass er<br />
ohne Gottes Gnade nichts tun kann und<br />
ganz auf dessen Hilfe für seinen Dienst<br />
vertraut. Die Weihe des Diakons vollzog<br />
dann der Weihbischof durch Handaufl e-<br />
gung, das Anlegen von Stola, Dalmatika<br />
Weihbischof Ulrich Boom, Br. Noach Heckel und Abt<br />
Michael Reepen<br />
Br. Noach Heckel OSB<br />
Geboren 1971 in Rothenburg o. d. Tauber<br />
1982–1991 Riemenschneider-<br />
Gymnasium Würzburg<br />
1992–1998 Studium der<br />
Rechtswissenschaften mit<br />
anschließender Promotion<br />
in Würzburg<br />
1998–2002 Referendariat und<br />
Tätigkeit als Jurist in der<br />
bayerischen Justiz<br />
10.12.2002 Klostereintritt<br />
07.05.2005 Zeitliche Profess<br />
2004–2009 Studium der Theologie<br />
in Würzburg, Nairobi,<br />
Münster<br />
19. 09.2009 Feierliche Profess
DANK/SERIE<br />
33<br />
Dank aus Waegwan<br />
„Es entsteht neu in größerem Glanze“. So<br />
hätten es die Mitbrüder der Abtei Waegwan<br />
in Korea nach der Brandnacht am 6.<br />
April 2007 sicher nicht formuliert. Doch<br />
wie der Phönix aus der Asche neu und<br />
schöner ersteht, so entstand in Waegwan<br />
ein neues Kloster. Im Herbst 2009 konnte<br />
auch die neue, herrliche Abteikirche<br />
geweiht werden. Diese Mammutleistung<br />
war nur durch eine vielfältige und großzügige<br />
Unterstützung möglich. Es bedarf<br />
unserer Anerkennung, was dort mit dem<br />
Geld aufgebaut und geschaffen wurde.<br />
Ebenso bedarf es auch des Dankes an die<br />
vielen Spender. Im Namen von Abt Simon<br />
Ri OSB und seiner Gemeinschaft, bedanken<br />
wir uns recht herzlich bei Ihnen.<br />
Vergelt’s Gott<br />
Ihre Missionsbenediktiner<br />
Unser Mann aus Afrika berichtet<br />
Ein neues Gesicht stellt sich unseren<br />
Lesern aus Peramiho vor. Unser Mitbruder,<br />
Br. Jona Schäfer OSB, machte sich<br />
Anfang Dezember 2009 für zwei Jahre<br />
als Missionar auf Zeit auf den Weg nach<br />
Tansania.<br />
Am 7. Dezember 2009 musste ich mich<br />
morgens früh aus dem Bett quälen, denn<br />
die Abfahrt zum Flughafen war von Br. Stephan<br />
auf 4.15 h angesetzt. Drei Mitfahrer,<br />
Br. Engelbert Huth und P. Sylvanus Kessy<br />
aus Ndanda sowie meine Wenigkeit machten<br />
sich pünktlich auf den Weg. Am Flughafen<br />
passierten wir die ersten Hürden und<br />
warteten dann auf den Abfl ug der Maschine<br />
nach Zürich, wo wir weitere zwei Stunden<br />
Aufenthalt hatten. Nach neun Stunden<br />
Flug landeten wir sicher in Dar Es Salaam.<br />
Die Temperatur betrug nachts noch 30<br />
Grad, so dass der Unterschied zu unserem<br />
Start bei 5 Grad schon erheblich war. Nach<br />
30 Minuten Autofahrt erreichten wir die<br />
Prokura der Missionsbenediktiner Kurasini<br />
und nach einem kleinen Imbiss schlief ich<br />
zum ersten Mal unter einem Moskitonetz<br />
ein. Entweder war es die Zeitumstellung<br />
oder die Temperatur, jedenfalls verschlief<br />
ich am nächsten Morgen die Messe und<br />
kam gerade noch rechtzeitig zum Frühstück.<br />
Abt Anastasius, der mich abholte,<br />
zeigte mir an diesem Tag die Sehenswürdigkeiten<br />
von Dar Es Salaam. Besonders<br />
beeindruckend war die St. Josefs Kathedrale,<br />
Ende des 19. Jahrhunderts von unseren<br />
Mitbrüdern erbaut und heute die Kirche<br />
von Kardinal Polykarp Pengo. Am nächsten<br />
Morgen fuhren wir um 6.00 h in Richtung<br />
Südwesten. Bis Peramiho lagen 1.000 km<br />
Straße vor uns. Auf dieser<br />
Fahrt haben wir noch Frau<br />
Dr. Mushi eingeladen, die<br />
als Ärztin im Hospital von<br />
Peramiho tätig ist. Dabei<br />
begegnete mir erstmals<br />
das Wort „Shikamoo“<br />
(Grußform, z. B. Kinder<br />
gegenüber Erwachsenen).<br />
BR. JONA SCHÄFER OSB<br />
Geboren 1954 in Lohr a. <strong>Mai</strong>n<br />
Profess 1986,<br />
Gelernter Bürokaufmann.<br />
1993–Dezember 2009 als<br />
Buchhändler im Buchladen<br />
der Abtei Münsterschwarzach<br />
und ab Dezember 2009<br />
als Missionar auf Zeit in Peramiho<br />
(Buchladen) tätig.<br />
Bei meinem Swahili-Unterricht<br />
in Würzburg hatte ich<br />
diese Grußform kennen<br />
gelernt, dachte mir aber,<br />
das werde ich nicht brauchen.<br />
Nun merke ich, dass<br />
sie mir immer wieder zugesprochen<br />
wird und ich die<br />
Antwort „Marahaba“ stets<br />
parat habe. Nicht ganz so<br />
oft werde ich auch mit<br />
„Tumsifu Yesu Kristo“ angesprochen. Dies<br />
bedeutet: Gelobt sei Jesus Christus. Worauf<br />
ich mit einem kräftigen „Milele Amina“<br />
antworte. Mein erster Reisetag durch<br />
das afrikanische Land endete nach zwölf<br />
Stunden Autofahrt im Priorat Uwemba.<br />
Uwemba liegt auf 2.300 m Höhe und hat<br />
damit ein richtig europäisches Klima. Am<br />
anderen Morgen erlebte ich meine erste<br />
Messe in Swahili, von der ich nicht gerade<br />
sehr viel verstand. Prior P. Thiemo gab mir<br />
eine Schnellführung der<br />
Missionsstation und zeigte<br />
mir u. a. die Werkstatt von<br />
Br. Simeon Rummel (Missionar<br />
von Münsterschwarzach),<br />
der hier vor Jahren<br />
gewirkt hat. Gut versorgt<br />
mit Lebensmitteln von Sr.<br />
Marziana machten wir uns<br />
auf die letzte Etappe und<br />
kamen gegen 13.00 h in<br />
Peramiho an. Gewundert<br />
habe ich mich schon über<br />
die fl ächenmäßige Ausdehnung<br />
der Abtei, die<br />
drei Mal so groß ist wie<br />
das nicht gerade bescheidene<br />
Münsterschwarzach.<br />
Dies sind meine ersten<br />
Eindrücke. Ich gewöhne<br />
mich langsam an das benediktinische Leben<br />
in Afrika und werde Ihnen in Zukunft<br />
weiterhin meine Erfahrungen berichten.
SERIE<br />
34<br />
Unser Mann aus Kuba<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Während ich diese Zeilen schreibe, ist Erzabt<br />
Jeremias gerade auf dem Weg zum<br />
Flughafen. Seine Besuche – dieser war der<br />
zweite – sind für uns immer Wegmarken,<br />
denn sie geben Anlass, grundlegende Fragen<br />
zu besprechen und die nächste Zukunft<br />
zu planen. Seit einem Jahr gibt es<br />
Benediktiner auf Cuba, seit der Ankunft<br />
von Pater Emmanuel Löwe aus St. Ottilien<br />
am 17. Dezember 2008. Der Erzabt hatte<br />
dieses Mal schweres Gepäck dabei: Einen<br />
ganzen Satz Töpfe aus Edelstahl. Als ich<br />
die Töpfe in den Schrank räumte, entfuhr<br />
der Cubanerin, die gerade in der Küche<br />
half, bei jedem einzelnen ein „Que linda!“<br />
(Wie schön!) Ich konnte ihre Begeisterung<br />
gut verstehen, denn auf Cuba gibt es zwar<br />
Töpfe zu kaufen, aber nach der besseren<br />
Sorte muss man lange suchen, und meistens<br />
bleibt die Suche vergeblich. Nicht nur<br />
den Sorgen des Alltags galt der Besuch<br />
unseres Erzabtes, sondern auch einem Fest:<br />
Der Dreikönigstag hat für uns eine besondere<br />
Bedeutung – er ist unser Titularfest, da<br />
wir den Namen Priorat der Erscheinung des<br />
Herrn (Priorato de la Epifanía del Señor)<br />
tragen. Durch die Diakonenweihe von Prior<br />
Br. Jacques und von mir (Br. Robert) wurde<br />
unser erstes Titularfest noch besonders herausgehoben.<br />
Wir konnten bei der Gelegenheit<br />
mal wieder feststellen, dass es in der<br />
Kirche Cubas viel „familiärer“ zugeht als<br />
in Deutschland. Angesichts der geringen<br />
Zahl der praktizierenden Katholiken und<br />
angesichts von nur wenig mehr als 300<br />
Priestern im ganzen Land, verteilt auf 11<br />
Bistümer, ist das auch kein Wunder. Wem<br />
wir denn wohl eine offi zielle Einladung<br />
schicken sollten, hatten wir vorher einen<br />
Mitarbeiter des Kardinals gefragt. „Den<br />
beiden Weihbischöfen, dem Generalvikar<br />
und dem Nuntius“, lautete die Antwort.<br />
Dass diese dann auch alle kommen würden,<br />
war für mich mit meiner deutschen Erfahrung<br />
einfach nicht vorstellbar. Doch alle<br />
Genannten kamen wirklich und so ging es<br />
dann im Altarraum unserer kleinen Kirche<br />
ziemlich eng zu. Aus Agbang in Togo, dem<br />
Heimatkloster von Br. Jacques, war Prior<br />
Boniface gekommen, Abt José Maria hatte<br />
die Anreise aus Venezuela auf sich genommen.<br />
P. Konrad Schaefer OSB, ein großer<br />
Freund Cubas, war aus seinem Kloster in<br />
Mexiko angereist, um uns vor der Weihe die<br />
Exerzitien zu halten. So war nicht nur unser<br />
Kirchlein mit den Besuchern gut gefüllt,<br />
sondern auch ein Zeichen der Verbundenheit<br />
mit den benediktinischen Brüdern in<br />
aller Welt gesetzt. Obwohl Jaime Kardinal<br />
Ortega eine gewisse Müdigkeit seiner über<br />
70 Jahre anzusehen war, strahlte er eine<br />
große Herzlichkeit aus. Offensichtlich ist<br />
ihm die gute weitere Entwicklung unserer<br />
Gemeinschaft ein großes Anliegen. In seiner<br />
Predigt erinnerte er noch einmal an<br />
die kurze Geschichte unseres Klosters. Die<br />
begann mit einem Fax des Kardinals an<br />
Erzabt Jeremias. „Wir bekommen so viele<br />
Anfragen aus aller Welt wegen Klostergründungen,<br />
dass ich dafür schon eine<br />
vorformulierte Antwort habe,“ sagte der<br />
Erzabt beim anschließenden Essen, „aber<br />
irgendetwas war an diesem Fax, das mich<br />
veranlasst hat, es P. Emmanuel zu zeigen.<br />
Und der war sofort bereit, zu einer ersten<br />
Erkundung nach Cuba zu reisen.“ Das Fest<br />
ist vorbei, die Gäste sind wieder abgereist<br />
oder reisen in den nächsten Tagen. Der<br />
Alltag ist durch den Aufbau auf dem zukünftigen<br />
Klostergrundstück außerhalb der<br />
Stadt geprägt, durch die Arbeit in unserer<br />
Kirchengemeinde und durch viele kleine<br />
Schwierigkeiten, aber auch viele schöne<br />
Erlebnisse. Nach einem Jahr kommen wir<br />
mit der spanischen Sprache immer besser<br />
zurecht, und vor allem haben wir mehr<br />
Freunde gefunden, die uns durch die Tücken<br />
des Alltags hindurchhelfen. Ein Erlebnis<br />
mag für viele stehen: „Fahr schnell<br />
in die Stadt. Toni hat angerufen, es gibt<br />
Filter zu kaufen“, so sagte Br. Jacques mir<br />
kurz vor Weihnachten. Ich schwang mich<br />
also auf das Fahrrad und tatsächlich fand<br />
v.l.n.r.: Nuntius Becciu, Br. Robert, Kardinal Ortega, Br. Jacques, Erzabt Jeremias<br />
ich nach einigem Fragen das passende Geschäft.<br />
So haben wir dank Tonis Hinweis<br />
die Qualität unseres Trinkwassers deutlich<br />
verbessern können. Ein kleiner Anfang ist<br />
gemacht, aber die Erwartungen von Kardinal<br />
Ortega und der Christen hier sind groß.<br />
Bitte nehmen Sie die Menschen Cubas und<br />
unsere junge Gemeinschaft mit in Ihr Gebet<br />
und „Danke!“ auch für Ihre wertvolle<br />
fi nanzielle Unterstützung, die wir im vergangenen<br />
Jahr erfahren durften.<br />
Br. Robert Sandrock OSB<br />
Geboren 1966 in Geesthacht •<br />
Profess 1987 • Mathe- und Physiklehrer<br />
• Missionseinsatz Peramiho<br />
2007–2009 • Seit April<br />
2009 Cellerar der Gemeinschaft Monasterio<br />
Benedictino de la Epifania del Señor in Havanna/Cuba
(15) Die liebe Liebe<br />
Tom trat leise in das Näh käst chenzimmer<br />
und beobachtete seine drei<br />
Freunde. Bahati schlief ganz fest oben<br />
auf dem Nähkästchen. Kati und Matata<br />
dagegen saßen ganz eng beieinander,<br />
hielten Händchen und Matata fl üsterte<br />
Kati etwas ins Ohr. Daraufhin begannen<br />
ihre Augen wie Sterntaler zu funkeln.<br />
„Na dann guten Tag!“ meinte Tom<br />
laut und vernehmlich. Matata fuhr<br />
hoch, wie von der Tarantel gestochen.<br />
„Wir haben nur ein kleines Päuschen<br />
gemacht, ääh…“ Kati nickte heftig,<br />
konnte aber nicht verhindern, dass<br />
ihre Birne rot anlief. „Es ist Zettelzeit.<br />
Bahati, du bist an der<br />
Reihe“. Tom deutete auf<br />
Bahati und die griff rasch<br />
nach unten und förderte<br />
einen rosa Zettel hervor, auf<br />
dem zwei rote Herzen gemalt<br />
waren. Mit einem scheelen<br />
Seitenblick auf Matata und<br />
Kati begann sie laut zu lesen:<br />
„Die liebe Liebe! Sein Name<br />
war Hilari und er war ein<br />
lustiger, aufgeweckter Junge.<br />
Hilari hatte ein Gespür für<br />
Musik, und so kam es, dass<br />
ihm sein Pfarrer eine alte<br />
Gitarre schenkte und ihn<br />
unterrichtete. Seitdem<br />
war er der absolute Schwarm<br />
aller Mädchen im Dorf. Doch das<br />
kümmerte Hilari wenig. Er war<br />
ganz vernarrt in seine Musik,<br />
bis…ja bis Pendo in das Dorf<br />
zog. Sie war ein hübsches Mädchen,<br />
aber das schlimmste war, dass sie<br />
sich nicht für ihn interessierte. Ihr<br />
Name Pendo bedeutet ‚Liebe’. So kam<br />
es, dass unser kleiner Troubadour alle<br />
Phasen der ersten Liebe durchlitt. In<br />
seiner Not vertraute er sich seinem<br />
alten Freund, dem Pfarrer an. Der<br />
las ihm aus der Bibel eine Stelle vor,<br />
wo es heißt: Schwarz bin ich, aber<br />
schön! (Hoheslied). Dann sagte er<br />
ihm, er solle darüber ein schönes Lied<br />
machen und es ihr vorspielen. Gesagt,<br />
getan, zwei Tage später hatte er das<br />
Lied fertig und machte sich auf die<br />
Suche nach ihr. Er fand sie unten am<br />
Bach – allein. Wie sein Herz plötzlich<br />
klopfte, als wäre er die ganze Strecke<br />
gerannt. „Hallo Pendo, ich, ich..“ aus.<br />
Nichts ging mehr. Pendo sah ihn groß<br />
an, dann lächelte sie. „Hast Du etwas<br />
für mich?“ – „Ja, ich habe für Dich ein<br />
Lied. Hör mal“. Er nahm seine Gitarre<br />
und sang sein erstes Liebeslied. Als<br />
er fertig war, schaute er auf und sah<br />
in zwei strahlende Augen. Und er sah<br />
eine kleine Träne auf ihrer Wange.
DAS PORTRAIT<br />
36<br />
STECKBRIEF:<br />
Name: P. Jesaja Langenbacher OSB<br />
Geboren: 1972 in Horb/Neckar<br />
1994: Abitur in Tübingen<br />
1994–2000: Studium der Theologie an der Universität Würzburg<br />
2000: Eintritt in die Abtei Münsterschwarzach<br />
2003: Zeitliche Profess<br />
2003–2005: Mitarbeit im Gästehaus, Jugendkurse<br />
2005–2009: Promotion in katholischer Theologie<br />
Thema der Doktorarbeit:<br />
Firmung als Initiation in Gemeinschaft<br />
2007: Feierliche Profess<br />
2008–2009: Schulseelsorger am Egbert-Gymnasium<br />
in Münsterschwarzach<br />
Seit 2009: Magister für zeitliche Professen, Jugendkurse,<br />
seelsorgliche Begleitung<br />
Meine Meinung zum Thema dieser Ruf-Ausgabe:<br />
Liebe ist für mich das Größte und Schönste, was es auf der Welt und im Himmel gibt. Gott ist die Liebe – unfassbar,<br />
nicht begreifbar, jedoch spür- und erfahrbar. Für die Liebe lohnt es sich zu leben und auch sein Leben<br />
hinzugeben. Möge uns dieses Geheimnis in seiner Fülle immer mehr in Fleisch und Blut übergehen und unser<br />
ganzes Leben bestimmen.