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5<br />

Zu Hause liefen dann die Tränen und das<br />

arme Herz schlug heftig in der Brust. Meine<br />

Mutter sagte damals zu mir: „Junge, die erste<br />

Liebe geht zu Herzen, die zweite brennt<br />

nicht mehr so heiß. Die dritte kann man<br />

leicht verschmerzen, weil man die vierte<br />

kommen weiß.“ Meine Antwort darauf: „So<br />

ein Scheißspruch!“ Aber geholfen hat es<br />

ein wenig.<br />

Ich erinnere mich mit viel<br />

dankbarer Freude an die<br />

heißen Phasen von Verliebt<br />

sein. Die Sprungkraft<br />

dieser Zeiten, das<br />

süße Weh dieser Tage und Nächte, – sie<br />

waren so reich, wie es auch weh tat, wenn<br />

wieder Abschiede anstanden. „Liebe ist<br />

ein Hemd aus Feuer“, dieser Schreck hat<br />

mir mein artiges, scheinbar Gott lieben<br />

an einem Weihnachtstag zerschlagen. Ich<br />

schämte mich der frommen Floskeln, als<br />

mir das heiße Erleben in Leib und Seele<br />

wirklich brannte. Das hat mich viel gelehrt.<br />

In meinem Leben gab<br />

es einen Menschen, der<br />

mich von Kindesbeinen<br />

an begleitet und den ich<br />

wirklich lieb hatte. Das<br />

war Oma Hedwig – Mutters Mutter. Oma<br />

Hedwig war früh Witwe geworden und<br />

musste sich mit ihrer ledigen Schwester<br />

und einer kleinen Landwirtschaft durchs<br />

Leben schlagen. Sie war eine fromme,<br />

total naturverbundene, humorvolle Frau.<br />

Wenn Oma früh aufstand, sprang ich mit<br />

aus dem Bett. Feuer machen, anziehen,<br />

Schweine und Hühner füttern, Ziegen melken.<br />

Dann zur Kirche – die anderen haben<br />

noch gepennt. Im Winter war der Weg zur<br />

Kirche eine Rutschpartie. Zurück in der<br />

warmen Küche. Da quirlte Oma mir – und<br />

nur mir – ein rohes Eidotter in den Kaffeepott,<br />

zusammen mit Ziegenmilch und<br />

Zucker. So etwas Herrliches. Als meine Oma<br />

starb, war ich 13 Jahre. Wie schwer fi el mir<br />

ihr Tod. Da war plötzlich eine Lücke. Dieser<br />

Mensch war fort, den ich so geliebt und der<br />

mich so geformt hat.<br />

Vom Vater kenne ich<br />

mehrere Auftritte, da<br />

er schützend wie eine<br />

Mauer mich verteidigte.<br />

So weiß ich: Liebe ist<br />

ein Schützen und Einstehen. Als ich mal<br />

schlechte Schulnoten brachte, gab es keinerlei<br />

Vorwurf. Er sagte nur: „Bring das<br />

wieder in Ordnung, wer nichts schafft,<br />

bringt es zu nichts.“ Mit diesem Zutrauen<br />

entlassen, brachte das nächste Zeugnis<br />

geradezu in jedem Fach die bessere Note.<br />

Liebe ist, etwas zugetraut zu bekommen.<br />

Noch etwas anderes will ich ansprechen.<br />

Als ich aufgewachsen bin, war es nicht so<br />

üblich, dass Eltern die Kinder herzten, mit<br />

ihnen schmusten. Da hab ich sogar einige<br />

Male Halsweh simuliert. Jetzt rieb mir die<br />

Mutter einen Schmalzwickel um Hals und<br />

Brust. Das war ein Fest von Geliebt werden.<br />

Dann hat Liebe ja immer<br />

mit Körper zu tun!<br />

Das hast du recht gesagt.<br />

Manches Mal wird<br />

in frommen Kreisen abwertend<br />

von „nur körperlicher<br />

Liebe“ geredet. So<br />

kann nur reden, wer davon nichts weiß.<br />

Körper ist Seele. Hätten wir nicht diese<br />

vermeintliche Feindschaft eingebläut bekommen,<br />

wir wären viel tiefer im Frieden.<br />

Als mir aus tiefster Ergriffenheit gesagt<br />

wurde: „Du bist schön“, da kam ich in mir<br />

an. Daraus ist das Wort entstanden: „Würde<br />

ich einmal jegliche Feindschaft gegen<br />

mich lassen, ich hätte Gott im Arm.“<br />

Meine Erfahrung mit<br />

dem großen DU. Es war<br />

auf der Farm Lipilipili<br />

in Tansania. Abend für<br />

Abend, bevor ich mir<br />

mein Essen kochte, ging ich zu einem lauschigen<br />

Platz. Ein See, riesige Bäume, Blumen<br />

und Tiere. Wie ein Garten Eden. Dort<br />

saß ich auf einem Baumstumpf, schaute<br />

in den abendlichen Himmel und erzählte<br />

meinem Gott, was ich erlebt und so auf<br />

dem Herzen hatte. Ihm konnte ich alles<br />

sagen und ich fühlte, dass da ein DU, eine<br />

Beziehung war. Und oft kamen Ruhe und<br />

Frieden dabei über mich.<br />

Ich habe Liebe als einen wichtigen Bestandteil<br />

meines Lebens erlebt, denn<br />

Glauben ohne Liebe macht fanatisch,<br />

Ordnung ohne Liebe macht kleinlich, Gerechtigkeit<br />

ohne Liebe macht hart, ein<br />

Leben ohne Liebe macht krank.<br />

Da hast du recht! Ich<br />

brauche Liebe. Und ich<br />

fühle mich geliebt, wenn<br />

jemand oder das Leben<br />

sagt: „Ich brauche dich.“<br />

Die Rede von selbstloser Liebe taugt mir<br />

nichts. Immer gibt das Lieben Wertvolles<br />

zurück, und immer ist das Sich Lieben Lassen<br />

auch ein Geschenk an den anderen. Das<br />

gegenseitige einander nötig haben, das<br />

schafft das Netz, durch dessen Fäden etwas<br />

strömt, das wir lieben nennen. So sehe<br />

ich es beim Menschen, aber auch in der<br />

Natur; solches Brauchen scheint auch auf<br />

Gottes Liebe zu passen, sagt er doch, wie er<br />

sich sehnte nach diesem Mahl, wie es seine<br />

Freude ist, bei den Menschen zu sein. Und<br />

überdies beschreibt die Rede vom Dreieinigen<br />

ein dauerndes Liebesfest in Gott.<br />

Ich ahne die Richtung, weil mein Lebensfi lm<br />

wunderbare – nicht leidfreie – Szenen dazu<br />

kennt, da ich lieben kann und geliebt werde.<br />

P. Meinrad Dufner OSB<br />

Geboren 1946 in Elzach/Schwarzwald<br />

• Profess 1967 • Priesterweihe<br />

1973 • Künstler und geistlicher<br />

Begleiter<br />

Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />

Geboren 1954 in Göttingen •<br />

Profess 1985 • Diplomagraringenieur<br />

• Tansania 1981–84 und<br />

1987–2001 • seit 2001 Mitarbeit<br />

in der Missionsprokura

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