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Zu Hause liefen dann die Tränen und das<br />
arme Herz schlug heftig in der Brust. Meine<br />
Mutter sagte damals zu mir: „Junge, die erste<br />
Liebe geht zu Herzen, die zweite brennt<br />
nicht mehr so heiß. Die dritte kann man<br />
leicht verschmerzen, weil man die vierte<br />
kommen weiß.“ Meine Antwort darauf: „So<br />
ein Scheißspruch!“ Aber geholfen hat es<br />
ein wenig.<br />
Ich erinnere mich mit viel<br />
dankbarer Freude an die<br />
heißen Phasen von Verliebt<br />
sein. Die Sprungkraft<br />
dieser Zeiten, das<br />
süße Weh dieser Tage und Nächte, – sie<br />
waren so reich, wie es auch weh tat, wenn<br />
wieder Abschiede anstanden. „Liebe ist<br />
ein Hemd aus Feuer“, dieser Schreck hat<br />
mir mein artiges, scheinbar Gott lieben<br />
an einem Weihnachtstag zerschlagen. Ich<br />
schämte mich der frommen Floskeln, als<br />
mir das heiße Erleben in Leib und Seele<br />
wirklich brannte. Das hat mich viel gelehrt.<br />
In meinem Leben gab<br />
es einen Menschen, der<br />
mich von Kindesbeinen<br />
an begleitet und den ich<br />
wirklich lieb hatte. Das<br />
war Oma Hedwig – Mutters Mutter. Oma<br />
Hedwig war früh Witwe geworden und<br />
musste sich mit ihrer ledigen Schwester<br />
und einer kleinen Landwirtschaft durchs<br />
Leben schlagen. Sie war eine fromme,<br />
total naturverbundene, humorvolle Frau.<br />
Wenn Oma früh aufstand, sprang ich mit<br />
aus dem Bett. Feuer machen, anziehen,<br />
Schweine und Hühner füttern, Ziegen melken.<br />
Dann zur Kirche – die anderen haben<br />
noch gepennt. Im Winter war der Weg zur<br />
Kirche eine Rutschpartie. Zurück in der<br />
warmen Küche. Da quirlte Oma mir – und<br />
nur mir – ein rohes Eidotter in den Kaffeepott,<br />
zusammen mit Ziegenmilch und<br />
Zucker. So etwas Herrliches. Als meine Oma<br />
starb, war ich 13 Jahre. Wie schwer fi el mir<br />
ihr Tod. Da war plötzlich eine Lücke. Dieser<br />
Mensch war fort, den ich so geliebt und der<br />
mich so geformt hat.<br />
Vom Vater kenne ich<br />
mehrere Auftritte, da<br />
er schützend wie eine<br />
Mauer mich verteidigte.<br />
So weiß ich: Liebe ist<br />
ein Schützen und Einstehen. Als ich mal<br />
schlechte Schulnoten brachte, gab es keinerlei<br />
Vorwurf. Er sagte nur: „Bring das<br />
wieder in Ordnung, wer nichts schafft,<br />
bringt es zu nichts.“ Mit diesem Zutrauen<br />
entlassen, brachte das nächste Zeugnis<br />
geradezu in jedem Fach die bessere Note.<br />
Liebe ist, etwas zugetraut zu bekommen.<br />
Noch etwas anderes will ich ansprechen.<br />
Als ich aufgewachsen bin, war es nicht so<br />
üblich, dass Eltern die Kinder herzten, mit<br />
ihnen schmusten. Da hab ich sogar einige<br />
Male Halsweh simuliert. Jetzt rieb mir die<br />
Mutter einen Schmalzwickel um Hals und<br />
Brust. Das war ein Fest von Geliebt werden.<br />
Dann hat Liebe ja immer<br />
mit Körper zu tun!<br />
Das hast du recht gesagt.<br />
Manches Mal wird<br />
in frommen Kreisen abwertend<br />
von „nur körperlicher<br />
Liebe“ geredet. So<br />
kann nur reden, wer davon nichts weiß.<br />
Körper ist Seele. Hätten wir nicht diese<br />
vermeintliche Feindschaft eingebläut bekommen,<br />
wir wären viel tiefer im Frieden.<br />
Als mir aus tiefster Ergriffenheit gesagt<br />
wurde: „Du bist schön“, da kam ich in mir<br />
an. Daraus ist das Wort entstanden: „Würde<br />
ich einmal jegliche Feindschaft gegen<br />
mich lassen, ich hätte Gott im Arm.“<br />
Meine Erfahrung mit<br />
dem großen DU. Es war<br />
auf der Farm Lipilipili<br />
in Tansania. Abend für<br />
Abend, bevor ich mir<br />
mein Essen kochte, ging ich zu einem lauschigen<br />
Platz. Ein See, riesige Bäume, Blumen<br />
und Tiere. Wie ein Garten Eden. Dort<br />
saß ich auf einem Baumstumpf, schaute<br />
in den abendlichen Himmel und erzählte<br />
meinem Gott, was ich erlebt und so auf<br />
dem Herzen hatte. Ihm konnte ich alles<br />
sagen und ich fühlte, dass da ein DU, eine<br />
Beziehung war. Und oft kamen Ruhe und<br />
Frieden dabei über mich.<br />
Ich habe Liebe als einen wichtigen Bestandteil<br />
meines Lebens erlebt, denn<br />
Glauben ohne Liebe macht fanatisch,<br />
Ordnung ohne Liebe macht kleinlich, Gerechtigkeit<br />
ohne Liebe macht hart, ein<br />
Leben ohne Liebe macht krank.<br />
Da hast du recht! Ich<br />
brauche Liebe. Und ich<br />
fühle mich geliebt, wenn<br />
jemand oder das Leben<br />
sagt: „Ich brauche dich.“<br />
Die Rede von selbstloser Liebe taugt mir<br />
nichts. Immer gibt das Lieben Wertvolles<br />
zurück, und immer ist das Sich Lieben Lassen<br />
auch ein Geschenk an den anderen. Das<br />
gegenseitige einander nötig haben, das<br />
schafft das Netz, durch dessen Fäden etwas<br />
strömt, das wir lieben nennen. So sehe<br />
ich es beim Menschen, aber auch in der<br />
Natur; solches Brauchen scheint auch auf<br />
Gottes Liebe zu passen, sagt er doch, wie er<br />
sich sehnte nach diesem Mahl, wie es seine<br />
Freude ist, bei den Menschen zu sein. Und<br />
überdies beschreibt die Rede vom Dreieinigen<br />
ein dauerndes Liebesfest in Gott.<br />
Ich ahne die Richtung, weil mein Lebensfi lm<br />
wunderbare – nicht leidfreie – Szenen dazu<br />
kennt, da ich lieben kann und geliebt werde.<br />
P. Meinrad Dufner OSB<br />
Geboren 1946 in Elzach/Schwarzwald<br />
• Profess 1967 • Priesterweihe<br />
1973 • Künstler und geistlicher<br />
Begleiter<br />
Br. Thomas Morus Bertram OSB<br />
Geboren 1954 in Göttingen •<br />
Profess 1985 • Diplomagraringenieur<br />
• Tansania 1981–84 und<br />
1987–2001 • seit 2001 Mitarbeit<br />
in der Missionsprokura