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INTERVIEW<br />
21<br />
Schon von Berufs<br />
wegen ist<br />
Bruder Frowin<br />
Rückert (geb. 1977 in Buchen/Erzdiözese<br />
Freiburg) tagaus tagein für seinen<br />
Nächsten da. Vor seinem Klostereintritt<br />
war er in der Caritas Sozialstation Mosbach<br />
tätig. Als Infirmar (Krankenpfleger)<br />
versorgt er seit 2007 zusammen mit<br />
Bruder Abraham Sauer, Pfleger Raimund<br />
Dürr, Krankenschwester Sabine Köberlein<br />
sowie Marliese Kestler und Renate<br />
Möstl die kranken und pflegebedürftigen<br />
Mitbrüder der Abtei Münsterschwarzach.<br />
Zum steten Dienst am Nächsten gehört<br />
eine gehörige Portion Nächstenliebe.<br />
Wochenweise wechseln sie sich im Dienst<br />
ab. Doch manchmal wird das von viel<br />
Routine geprägte Alltagsgeschäft auch<br />
zur echten Herausforderung, wie Bruder<br />
Frowin im Interview berichtet. Anja Legge<br />
sprach für „Ruf in die Zeit“ mit ihm.<br />
Br. Frowin, Sie sind als Pflegefachkraft<br />
schon von Berufs wegen für den Nächsten<br />
da. War die Nächstenliebe auch ausschlaggebend<br />
für Ihre Berufswahl?<br />
Br. Frowin: Im Nachhinein betrachtet ja.<br />
Beruf und Berufung sind bei mir eine enge<br />
Verbindung eingegangen. Schon als Kind<br />
lag mir neben Technischem die Sorge um<br />
kranke und gebrechliche Menschen am<br />
Herzen. Krankheit und Alter waren bei<br />
uns zu Hause nie ein Problem. Kranke und<br />
ältere Familienangehörige wurden immer<br />
in der Familie mitversorgt und gepfl egt.<br />
Außerdem war ich schon als Jugendlicher<br />
beim Roten Kreuz aktiv.<br />
Zwischen Alltagsgeschäft<br />
und Herausforderung<br />
Infirmar Br. Frowin Rückert OSB<br />
über die Facetten der Nächstenliebe<br />
Wie verlief ihr beruflicher Werdegang<br />
und wie kam es zur Berufung für ein<br />
geistliches Leben?<br />
Br. Frowin: Am Anfang stand eine Ausbildung<br />
zum Altenpfl eger. Nach dem Zivildienst<br />
im Rettungsdienst beim DRK, wo<br />
ich mich auch zum Breitenausbilder Erste<br />
Hilfe qualifi ziert habe, war ich bei einem<br />
privaten Pfl egedienst gearbeitet und eine<br />
zweijährige Weiterbildung zur staatlich<br />
geprüften leitenden Pfl egefachkraft absolviert.<br />
Zugleich habe ich immer wieder mit<br />
dem Ordensleben geliebäugelt: Während<br />
meiner Ministrantenzeit begeisterte mich<br />
ein Missionar in meiner Heimatpfarrei mit<br />
seinen Schilderungen über die Mission und<br />
Afrika. Etwas später, bei der Ministrantenarbeit,<br />
bekam ich einfach Lust, mehr<br />
zu entdecken. Unser damaliger Pfarrer<br />
Wilfried West nahm mich öfter mal mit ins<br />
Kloster. Nach einem „Kloster auf Zeit“-Kurs<br />
fi el meine Wahl schließlich bewusst auf die<br />
Missionsbenediktiner in Münsterschwarzach<br />
– denn ich möchte raus in die Mission.<br />
Wie würden Sie den Begriff „Liebe“ definieren?<br />
Br. Frowin: Liebe heißt zunächst einmal<br />
sich öffnen, sich beschenken lassen. Wichtig<br />
ist dabei, dass die Liebe frei ist wie<br />
der Heilige Geist: Man kann sie nicht erzwingen<br />
oder bestechen, sie kommt einfach<br />
von innen. Und: Liebe stirbt nicht,<br />
das bedeutet: Einmal verschenkte Liebe<br />
kann man nicht mehr zurücknehmen, sie<br />
geht ins Unendliche und hat so einen göttlichen<br />
Bezug. Natürlich muss man hier wie<br />
überall das rechte Maß einhalten; in manchen<br />
Beziehungen kann Liebe eben auch<br />
bedeuten, sich selbst zurückzunehmen, um<br />
dem anderen Raum zu geben. Das ist wie<br />
beim Blumengießen: Gibt man zu wenig,<br />
vertrocknen sie, ist es zu viel, ersaufen sie.<br />
In der Begegnung mit schwierigen, verbitterten,<br />
durch die Krankheit aggressiven<br />
Menschen kann die Nächstenliebe<br />
zur echten Herausforderung werden. Wie<br />
gehen Sie mit solchen Situationen um?<br />
Br. Frowin: Ja, das ist richtig – die Nächstenliebe<br />
kann auch zum drückenden Joch werden.<br />
Manchmal ist es ganz schön schwierig,<br />
Christus im Bruder zu sehen und einander<br />
in aller Liebe zu begegnen. Da wird’s dann<br />
schnell zweischneidig. Zum Beispiel wenn<br />
eine nett gemeinte Hilfestellung rüde abgewiesen<br />
wird. Oder wenn ein Mitbruder<br />
seine eigene Verärgerung und Ungeduld<br />
an mir auslässt, weil ich eben der Erstbeste<br />
bin, der in der Nähe ist. Da kann man auch<br />
schon mal die Beherrschung verlieren –<br />
das ist zutiefst menschlich. In aller Regel<br />
schlüpfe ich aber in die Rolle des Pfl egers<br />
und nehme die Vorwürfe nicht persönlich.<br />
Ich lasse mich dann einfach nicht abbringen,<br />
versuche professionell und menschlich<br />
zu reagieren, gebe weiter Hilfestellung, bin<br />
liebenswert, obwohl sich der andere vielleicht<br />
unmenschlich benimmt.<br />
Woher nehmen Sie die Kraft für eine solche<br />
Mammutaufgabe?<br />
Br. Frowin: Aus dem Glauben und dem Getragen-Sein<br />
durch die Gemeinschaft. Ohne<br />
einen starken Glauben, der das Ganze mitträgt,<br />
hätte ich schon längst das Handtuch<br />
geworfen. Natürlich kommt man manchmal<br />
auch an den Punkt, wo man sich fragt:<br />
Was mache ich da eigentlich?<br />
Und wie sieht die Antwort aus?<br />
Br. Frowin: Mein Dienst bedeutet für mich<br />
eine direkte Nachfolge Jesu. Ich möchte<br />
das tun, was Christus uns im Gleichnis<br />
vom barmherzigen Samariter aufgetragen<br />
hat – nämlich barmherzig zu handeln und<br />
Nächstenliebe zu leben.<br />
Wie muss ein Pflegender sich selbst pflegen,<br />
damit er liebenswert bleibt und<br />
nicht selbst verbittert?<br />
Br. Frowin: Indem er ganz bewusst das eigene<br />
Ich pfl egt. Eine Zeit lang habe ich das<br />
vernachlässigt: Da hat sich dann ein Frust<br />
in mir aufgebaut, der mich ungenießbar<br />
für mich selbst und die anderen gemacht<br />
hat. Gerade Menschen in pfl egenden Berufen<br />
treten hier in eine Falle, die einen<br />
eher um- als weiterbringt. Es ist einfach<br />
wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse zu<br />
achten, auch mal einen Gefallen zu verweigern,<br />
nach anstrengenden Dienstnächten<br />
mal auszuschlafen oder den Sonntag am<br />
Montag nachzuholen, ohne ein schlechtes<br />
Gewissen zu haben.<br />
Wie gehen Sie mit schweren Einzelschicksalen<br />
um, ohne daran zu zerbrechen?<br />
Br. Frowin: Hier ist Abgrenzung wichtig.<br />
Am meisten trägt mich aber das unerschütterliche<br />
Wissen, dass danach noch etwas<br />
kommt. Der Glaube an Gott, die Hoffnung<br />
auf seine Gnade und die Verheißung des<br />
ewigen Lebens lassen mich Kraft schöpfen<br />
– Kraft, um immer wieder in aller Liebe<br />
nachts aus dem Bett rauszukommen.<br />
Wir danken Br. Frowin Rückert für das<br />
Interview