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Arbeitshilfe Religionen in der Kita - Fachbereich Kindertagesstätten ...

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10 11<br />

„Gott hat jedem Menschen etwas gegeben, womit er an<strong>der</strong>e glücklich machen kann.“<br />

(Phil Bosmans)<br />

Viele russlanddeutsche Aussiedler haben im Bemühen um<br />

Pflege und Erhalt deutscher Traditionen das Werte- und Normensystem<br />

<strong>der</strong> Vorkriegszeit bewahrt, <strong>in</strong> dem auch Tugenden<br />

wie Ordnung, Fleiß, Sauberkeit, Gehorsam und Leistung<br />

sowie Geme<strong>in</strong>schaft und häufig christliche Nächstenliebe<br />

e<strong>in</strong>e große Rolle spielten (vgl. Olga Neufeld: Fromm <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

fremden Heimat. Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 2007).<br />

In diesem Bereich haben möglicherweise auch die engeren<br />

sexuellen Werte ihren Platz. Was kann die <strong>Kita</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

genannten Situation tun?<br />

Zunächst ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiver Austausch mit den Eltern angesagt,<br />

<strong>in</strong> dem die Eltern ihre Wünsche, Bedürfnisse und<br />

Sorgen ansprechen. Zugleich ist es wichtig, dass auch die<br />

Erzieher<strong>in</strong> den Bildungsauftrag <strong>der</strong> <strong>Kita</strong>, die Ziele von Prävention<br />

und die Chancen für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> beschreibt. Sollte e<strong>in</strong><br />

solch offenes Gespräch nicht zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>igung führen, so<br />

ist selbstverständlich <strong>der</strong> Elternwille zu respektieren.<br />

2.5. Formen <strong>der</strong> religiösen Praxis –<br />

beson<strong>der</strong>s Rituale und Gebete<br />

?<br />

– Wie wird <strong>der</strong> <strong>Kita</strong>-Alltag organisiert, wenn die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

an bestimmten religiösen Angeboten nicht teilnehmen<br />

dürfen/sollen?<br />

– Muss e<strong>in</strong>e Erzieher<strong>in</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das zur<br />

Geme<strong>in</strong>schaft „Jehovas Zeugen“ gehört, Sterne bastelt?<br />

– Dürfen K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen Gebetshaltungen<br />

beten und diese auch ausprobieren/spielen?<br />

– Wie geht die <strong>Kita</strong> mit den Heiligen Büchern <strong>der</strong> verschie<br />

denen <strong>Religionen</strong> um?<br />

In <strong>der</strong> Adventszeit basteln die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> evangelischen <strong>Kita</strong><br />

Sterne. Anna, <strong>der</strong>en Eltern Zeugen Jehovas s<strong>in</strong>d, beg<strong>in</strong>nt<br />

gerade mit ihrer Freund<strong>in</strong> Sterne zu basteln. Die Erzieher<strong>in</strong><br />

sieht dies und spricht Anna wertschätzend an: „Anna,<br />

stimmt’s, du möchtest auch gern e<strong>in</strong>en Stern basteln?“ „Ja“,<br />

stimmt Anna zu. „Ich weiß von de<strong>in</strong>er Mama, dass du ke<strong>in</strong>e<br />

Sterne basteln sollst. Nachher, wenn de<strong>in</strong>e Mama kommt,<br />

können wir sie fragen, ob du doch e<strong>in</strong>en Stern basteln<br />

darfst. Wenn de<strong>in</strong>e Mama ja sagt, dann kannst du morgen<br />

Sterne basteln.“ Die Erzieher<strong>in</strong> kann auch so reagieren:<br />

„Weißt du, was du stattdessen basteln möchtest?“ Dabei<br />

hält sie Blickkontakt zu Anna und nimmt ihre Gefühle wahr.<br />

Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> evangelischen <strong>Kita</strong> haben die Moschee <strong>in</strong><br />

ihrer Stadt besucht. Dort haben sie auch gesehen, wie<br />

Muslime beten. Seitdem spielen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> „Beten“ und vor<br />

allem die unterschiedlichen Körperhaltungen im Freispiel.<br />

Die meisten Eltern f<strong>in</strong>den es wichtig, dass ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> diese<br />

unterschiedlichen Erfahrungen machen und ausprobieren<br />

dürfen. E<strong>in</strong>e Mutter allerd<strong>in</strong>gs beschwert sich bei <strong>der</strong><br />

Leitung, wieso ihre Tochter <strong>in</strong> <strong>der</strong> evangelischen <strong>Kita</strong><br />

„muslimisch“ beten müsse.<br />

Beide Beispiele berühren grundlegende Rechte:<br />

– das Recht des K<strong>in</strong>des darauf, verschiedene Zugänge<br />

zu den Themen unserer Welt zu erleben<br />

– das Recht <strong>der</strong> Eltern, <strong>in</strong> ihrem Verständnis gut für<br />

ihr K<strong>in</strong>d zu sorgen – was auch das Schutzbedürfnis<br />

e<strong>in</strong>schließt<br />

– das Recht <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong> auf die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Konzeption verankerten Werte.<br />

Diesen Rechten o<strong>der</strong> Bedürfnissen gerecht zu werden, ist<br />

nicht immer e<strong>in</strong>fach. Und es gibt ke<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Rezept<br />

für solche und viele ähnliche Situationen, son<strong>der</strong>n jeweils<br />

kompetente E<strong>in</strong>zelfallentscheidungen. Dabei muss die<br />

Erzieher<strong>in</strong> nicht jeden Wunsch von Eltern erfüllen. Zu strittigen<br />

Fragen macht sie sich selbst kundig und tauscht sich<br />

mit Eltern darüber aus. An<strong>der</strong>erseits gibt es Situationen,<br />

<strong>in</strong> denen das Bedürfnis <strong>der</strong> Eltern über dem Bedürfnis des<br />

K<strong>in</strong>des steht, wenn dabei <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> Eltern nicht <strong>der</strong><br />

Konzeption <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> wi<strong>der</strong>spricht.<br />

Hier ist es allerd<strong>in</strong>gs nicht Aufgabe <strong>der</strong> Erzieher<strong>in</strong>, streng<br />

zu verbieten, weil es die Eltern gewünscht haben, son<strong>der</strong>n<br />

das K<strong>in</strong>d mit <strong>in</strong> die Verantwortung zu nehmen und es mit<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Herr und Frau A. melden ihren Sohn Jan <strong>in</strong> <strong>der</strong> evangelischen<br />

<strong>Kita</strong> an. Beim Erstgespräch machen die Eltern deutlich,<br />

dass sie zur Geme<strong>in</strong>schaft „Jehovas Zeugen“ gehören.<br />

Sie erwarten, dass ihr Sohn <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> nicht an Geburtstagsfesten<br />

(auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>), an Weihnachts- und<br />

Osterfeiern, an St. Mart<strong>in</strong> und am Sommerfest teilnimmt.<br />

Sie möchten über alle Feste im Vorfeld <strong>in</strong>formiert werden,<br />

damit sie ihren Sohn an diesen Tagen an<strong>der</strong>weitig betreuen<br />

können.<br />

Feste zu erleben und mitzufeiern, auch e<strong>in</strong>mal im Mittelpunkt<br />

zu stehen, s<strong>in</strong>d wesentliche Entwicklungserfahrungen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Gemäß dem Auftrag, jedes K<strong>in</strong>d als <strong>in</strong>dividuelle<br />

Persönlichkeit zu achten, kann es hilfreich se<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d wie Jan solche Erfahrungen zu ermöglichen.<br />

Dies setzt jedoch das E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> Eltern voraus.<br />

Wenn die Eltern dies akzeptieren, dann könnte Jan an e<strong>in</strong>em<br />

beliebigen Tag im Jahr im Mittelpunkt <strong>der</strong> Gruppe stehen,<br />

beispielsweise als Spielführer o<strong>der</strong> als <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Aktivität vorschlägt. So hat auch Jan die Gelegenheit, den<br />

an<strong>der</strong>en etwas von sich zu zeigen, an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>zuladen und<br />

selbst e<strong>in</strong>mal im Zentrum des Geschehens zu stehen. Ob<br />

Eltern zu diesem Kompromiss bereit s<strong>in</strong>d, lässt sich meist<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em behutsamen Gespräch klären.<br />

!<br />

– In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Zeugen Jehovas werden Ge<br />

burtstage, Weihnachten, Ostern, St. Mart<strong>in</strong> etc. nicht<br />

gefeiert – mit <strong>der</strong> Begründung, dass diese Feste auch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bibel nicht gefeiert werden. Wichtige Ausnahme ist<br />

die geme<strong>in</strong>same Mahlfeier. Zeugen Jehovas praktizieren<br />

die Erwachsenentaufe. Also kann auch die Taufe <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Kita</strong> nicht gefeiert o<strong>der</strong> er<strong>in</strong>nert werden. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

christlichen Tradition ist es relativ neu, die Geburtstage<br />

zu feiern. Die katholische Tradition kennt eher das<br />

Feiern <strong>der</strong> Namenstage. Die frühen Christen er<strong>in</strong>ner<br />

ten nicht die Geburts- son<strong>der</strong>n die Todestage, welche<br />

Grundlage <strong>der</strong> Namenstage s<strong>in</strong>d. Die Namenstage von<br />

Mart<strong>in</strong>, Barbara, Nikolaus u.v.a. s<strong>in</strong>d ihre Todestage.<br />

!<br />

– Die Heiligen Bücher aller <strong>Religionen</strong> sollten mit Respekt<br />

behandelt werden. Klar geregelt ist <strong>der</strong> Umgang mit<br />

dem Koran: Nach muslimischer Überzeugung ist <strong>der</strong><br />

Koran Gottes Offenbarung an Mohammed, das Siegel<br />

<strong>der</strong> Propheten, <strong>in</strong> arabischer Sprache. Alle Übersetzun-<br />

gen s<strong>in</strong>d Annäherungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Landesspra-<br />

che. Sie haben deshalb e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e religiöse Qualität als<br />

das arabische Orig<strong>in</strong>al. Das Heilige Buch <strong>der</strong> Muslime<br />

wie auch alle Textauszüge dürfen nicht mit dem –<br />

unre<strong>in</strong>en - Boden <strong>in</strong> Kontakt kommen. Sie liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel auf dem Tisch, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Regal o<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>em<br />

Buchstän<strong>der</strong>.<br />

2.6 Umgang mit Speisevorschriften<br />

?<br />

– Warum dürfen muslimische und jüdische Menschen<br />

ke<strong>in</strong> Schwe<strong>in</strong>efleisch essen?<br />

– Welche Rücksichten müssen im Blick auf Speisen<br />

genommen werden, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> angeboten werden?<br />

– Darf bzw. soll Fleisch von geschächteten Tieren<br />

angeboten werden?<br />

Im Christentum gibt es ke<strong>in</strong>e religiös begründeten Speisevorschriften.<br />

Das ist im Vergleich zu den meisten an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Religionen</strong> e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit. Im Judentum und im Islam<br />

etwa ist das Essen von Schwe<strong>in</strong>efleisch verboten. Schwe<strong>in</strong>e<br />

galten im Orient als unre<strong>in</strong>e Tiere. Fleisch von an<strong>der</strong>en<br />

Tieren muss auf e<strong>in</strong>e bestimmte Art und Weise zubereitet<br />

werden, damit es „koscher“ beziehungsweise „halal“, also<br />

erlaubt ist. Die Tiere müssen geschächtet werden, d.h.<br />

so getötet, dass sie ausbluten können, bevor das Fleisch<br />

weiter verarbeitet wird. Man sieht den Sitz <strong>der</strong> Seele im Blut<br />

und gibt dieses frei, bevor man das Fleisch isst.<br />

Im H<strong>in</strong>duismus gelten Kühe als heilig und dürfen nicht<br />

verspeist werden, <strong>der</strong> Buddhismus bevorzugt vegetarische<br />

Speisen. Aber auch außerhalb von <strong>Religionen</strong> s<strong>in</strong>d Speiseverbote<br />

verbreitet. Ob aus gesundheitlichen, ethischen o<strong>der</strong><br />

diätbed<strong>in</strong>gten Gründen: Immer mehr Menschen verzichten<br />

auf bestimmte Nahrungsmittel wie Tierprodukte, Kohlenhydrate,<br />

Zucker o<strong>der</strong> Cholester<strong>in</strong>.

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