Arbeitshilfe Religionen in der Kita - Fachbereich Kindertagesstätten ...
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8 9<br />
E<strong>in</strong>e evangelische <strong>Kita</strong> wird von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus unterschiedlichen<br />
Herkunftslän<strong>der</strong>n besucht (Türkei, Ägypten, Iran,<br />
Deutschland). E<strong>in</strong>e Mutter äußert eher beiläufig die Frage,<br />
ob man <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> auch das Zuckerfest feiern könnte. Sie<br />
bezieht sich dabei auf folgende Aussagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konzeption:<br />
„Im Umgang mit an<strong>der</strong>en <strong>Religionen</strong> und Kulturen erfahren<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>e wertvolle Erweiterung ihres Weltbildes. E<strong>in</strong><br />
selbstverständlicher Umgang mit <strong>der</strong> kulturellen Vielfalt<br />
unserer heutigen Gesellschaft wird Ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Toleranz<br />
und Respekt näher br<strong>in</strong>gen.“<br />
Können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er evangelischen <strong>Kita</strong> islamische Feste wie<br />
z.B. das Fest des Fastenbrechens gefeiert werden? Ja, denn<br />
die entsprechenden K<strong>in</strong><strong>der</strong> (und Eltern) feiern das Fest.<br />
Die Frage ist eher: Wollen dies die Erzieher<strong>in</strong>nen auch und<br />
wenn ja, wie zeigen sie den muslimischen Familien gegenüber<br />
ihre Bereitschaft dazu?<br />
Hierzu s<strong>in</strong>d verschiedene Situationen und Antworten vorstellbar.<br />
Zu e<strong>in</strong>em Fest können am besten die Menschen<br />
e<strong>in</strong>laden, die mit diesem Fest vertraut s<strong>in</strong>d – also muslimische<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> und ihre Eltern. Im Idealfall würde also die<br />
<strong>Kita</strong> die Räume und die Erfahrung <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> zur Verfügung<br />
stellen und Unterstützung anbieten. Gastgeber wären dann<br />
die muslimischen Familien. Die Erzieher<strong>in</strong>nen und die nicht<br />
muslimischen K<strong>in</strong><strong>der</strong> und ihre Eltern wären „Gäste im eigenen<br />
Haus“.<br />
In e<strong>in</strong>em muslimischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten <strong>in</strong> Karlsruhe werden<br />
den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n auch die biblischen Geschichten von Weihnachten<br />
und Ostern erzählt und veranschaulicht.<br />
E<strong>in</strong>e Checkliste mit wichtigen Fragen zu religiösen Festen<br />
f<strong>in</strong>det sich im Anhang (Anhang 2)<br />
!<br />
– Muslime feiern im Jahreskreis zwei wichtige Feste, die<br />
für den <strong>Kita</strong>alltag bedeutsam s<strong>in</strong>d: Das Fastenbrechen<br />
(Ende vom Ramadan) und das Opferfest. Das oft<br />
erwähnte Zuckerfest hat im eigentlichen S<strong>in</strong>n ke<strong>in</strong>e<br />
Wurzeln im Koran. Muslime feiern das Fest des Fasten-<br />
brechens, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei auch Zuckerfest genannt<br />
wird. K<strong>in</strong><strong>der</strong> vor <strong>der</strong> Pubertät fasten grundsätzlich nicht.<br />
Sie erleben allerd<strong>in</strong>gs die zeitigen und späten Fasten-<br />
mahlzeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie, haben daran Anteil und erzäh-<br />
len auch manchmal, dass sie schon mitfasten. Das Mit-<br />
Fasten beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> manchen Familien für die Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
stundenweise, meist an den Wochenenden zum E<strong>in</strong>üben.<br />
2.3. Gotteshäuser<br />
?<br />
– Darf jedes K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Moschee, Kirche o<strong>der</strong> Synagoge<br />
mitgehen?<br />
– Welche Verhaltensregeln sollen die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />
kennen und beachten?<br />
– Wie kann mit Vorbehalten von Eltern, die e<strong>in</strong>en Besuch<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Gotteshaus nicht wollen,<br />
umgegangen werden?<br />
– Wo werden Gottesdienste o<strong>der</strong> religiöse Feste gefeiert?<br />
– Welche an<strong>der</strong>en Orte als die Kirche kommen für e<strong>in</strong>e<br />
Gottesdienstfeier <strong>in</strong> Betracht?<br />
Zwei- bis dreimal im Jahr wird sonntags e<strong>in</strong> Familiengottesdienst<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche gefeiert.<br />
Fatmas Vater fragt nach: „Muss Fatma mit <strong>in</strong> die Kirche,<br />
wenn Sie Gottesdienst feiern? Ich möchte das nicht,<br />
dass Fatma dorth<strong>in</strong> geht.“<br />
„Fatma muss nicht <strong>in</strong> die Kirche gehen, aber sie kann.<br />
Steht nicht im Koran, dass Muslime an<strong>der</strong>e Gotteshäuser<br />
besuchen dürfen? Wir würden uns auf jeden Fall freuen,<br />
wenn Fatma mitkommen kann. Und gerne würden wir<br />
ja auch mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mal Ihre Moschee besuchen.<br />
Dann kann uns Fatma ihr Gotteshaus zeigen.“<br />
Gottesdienste werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gotteshaus<br />
gefeiert. Hier ist <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise Raum für die Erfahrung<br />
<strong>der</strong> Nähe Gottes, die sich <strong>in</strong> Symbolen, Geschichten,<br />
Ritualen, im S<strong>in</strong>gen und Beten und im Segen zeigt.<br />
Vielleicht kann es aber auch s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, die gottesdienstlichen<br />
Feiern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Raum stattf<strong>in</strong>den zu lassen.<br />
Das kann z.B. die <strong>Kita</strong> selbst se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Wäldchen o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong> Ort bei e<strong>in</strong>er Quelle, aber auch e<strong>in</strong> Spielplatz o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Sporthalle. Die Wahl des Raumes wird zum e<strong>in</strong>en auf<br />
das Thema und die Form <strong>der</strong> Feier bezogen se<strong>in</strong>, aber auch<br />
auf die Teilnahme- und Beteiligungsmöglichkeiten <strong>der</strong><br />
Eltern und Familien.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>er evangelischen <strong>Kita</strong> nehmen an e<strong>in</strong>em Projekt<br />
teil. Sie besuchen verschiedene Gotteshäuser, um diese<br />
kennen zu lernen. Sie waren bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> evangelischen<br />
Kirche und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Synagoge – jetzt steht <strong>der</strong> Besuch <strong>der</strong><br />
Moschee bevor. Im Projekt werden u.a. die äußerlich sichtbaren<br />
Zeichen wahrgenommen - welche Funktion haben<br />
Türme? In welcher Haltung beten Menschen – wie zeigt sich<br />
dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstattung <strong>der</strong> Räume? Wie s<strong>in</strong>d die Menschen<br />
beim Gebet bzw. beim Gottesdienst gekleidet?<br />
Wie können sich die Erzieher<strong>in</strong>nen auf e<strong>in</strong>en Besuch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Moschee vorbereiten? E<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise zu e<strong>in</strong>em respektvollen<br />
Verhalten bef<strong>in</strong>den sich unten im Kasten. Im Vorfeld<br />
sollte geklärt werden, ob bzw. dass alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> mitgehen<br />
dürfen. Sollten Eltern an diesem Punkt an<strong>der</strong>e Bedürfnisse<br />
haben, die sich auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zugewandten Gespräch nicht<br />
klären lassen, dann muss die <strong>Kita</strong> geme<strong>in</strong>sam mit den Eltern<br />
e<strong>in</strong>e akzeptable Lösung f<strong>in</strong>den.<br />
Hilfreich zum Start ist beispielsweise <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> offenen<br />
Moschee, an welchem Führungen für Erwachsene wie für<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> angeboten werden.<br />
E<strong>in</strong> schönes Beispiel für e<strong>in</strong> Projekt zum Besuch verschiedener<br />
Gotteshäuser f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dem Buch „Erzähl mir was<br />
von Gott“ (Siehe 8.2).<br />
!<br />
– Die Moschee ist vor allem e<strong>in</strong> Gebetsraum und wird im<br />
Normalfall geschlechtergetrennt genutzt. In e<strong>in</strong>igen<br />
Moscheen sollen auch nicht-muslimische Frauen aus<br />
Respekt e<strong>in</strong> Kopftuch tragen (Bitte vorab erkundigen). In<br />
jedem Fall sollten <strong>der</strong> Körper e<strong>in</strong>schließlich Arme, Schul-<br />
tern, Be<strong>in</strong>en bekleidet se<strong>in</strong>. Der Gebetsraum ist nicht<br />
bestuhlt. Der Boden ist mit Teppichen bedeckt. Während<br />
des Gebetes sitzen, knien und verbeugen sich die<br />
Gläubigen darauf. Die Schuhe werden am E<strong>in</strong>gang <strong>der</strong><br />
Moschee ausgezogen. Das Ablegen <strong>der</strong> Schuhe<br />
geschieht auch <strong>in</strong> Anlehnung an die Erfahrung von<br />
Mose, <strong>der</strong> die Schuhe am heiligen Ort ausziehen sollte.<br />
(2. Mose 3,5 und Koran 20,12)<br />
„Lasst uns aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen!<br />
2.4. Umgangsformen<br />
?<br />
(Brief an die Hebräer 10, 24)<br />
– Wie kann mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladung zum Beschneidungsfest<br />
umgegangen werden? (Ist es möglich, die E<strong>in</strong>ladung<br />
höflich und respektvoll abzulehnen?)<br />
– Wie wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> mit christlichen Familien umgegan-<br />
gen, die beson<strong>der</strong>e Bedürfnisse anmelden? Beispiels-<br />
weise wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht an e<strong>in</strong>em Projekt zur Sexualer<br />
ziehung teilnehmen dürfen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht<br />
nackt sehen sollen?<br />
!<br />
– E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung zum Beschneidungsfest wird dann ausgesprochen,<br />
wenn die Beschneidung hier <strong>in</strong> Deutsch-<br />
land gefeiert wird. Häufig reisen Familien zu diesem<br />
Anlass auch <strong>in</strong> ihre Herkunftslän<strong>der</strong>. Mit <strong>der</strong> Beschnei-<br />
dung wird <strong>der</strong> Junge <strong>in</strong> die Welt <strong>der</strong> Männer aufgenom-<br />
men. Ob die E<strong>in</strong>ladung zum Fest angenommen wird,<br />
hängt von vielen Faktoren ab. Wie wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong><br />
generell mit E<strong>in</strong>ladungen zu Familienfesten aller K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
umgegangen? Wenn die E<strong>in</strong>ladung angenommen wird,<br />
erwartet die Familie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e Blumen o<strong>der</strong><br />
Präsente, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Beitrag zur F<strong>in</strong>anzierung des<br />
Festes.Wenn die E<strong>in</strong>ladung abgelehnt wird, ist Ehr-<br />
lichkeit wichtig. Vorgeschobene Ausreden verletzen viel<br />
mehr als e<strong>in</strong> klares: „Ich möchte nicht kommen, weil …“<br />
Zwei russlanddeutsche Familien, vor e<strong>in</strong>igen Jahren aus<br />
Kasachstan e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>t, gehören zur Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />
Baptisten. Sie wollen nicht, dass ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Kita</strong> an<br />
e<strong>in</strong>em Projekt zur Sexualerziehung und Prävention gegen<br />
sexuellen Missbrauch teilnehmen.<br />
Familien mit e<strong>in</strong>er russlanddeutschen Lebensgeschichte leben<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong> eher traditionelles Wertesystem, welches vom<br />
mitteleuropäischen Ma<strong>in</strong>stream (wenn es e<strong>in</strong>en solchen gibt)<br />
erheblich abweicht. Dieses Wertesystem wird u.a. gespeist<br />
aus den unterschiedlichen <strong>Religionen</strong>, denen diese Familien<br />
angehören können. Die Bandbreite hier ist groß und reicht<br />
vom Judentum über orthodoxes Christentum bis h<strong>in</strong> zu evangelischen<br />
Freikirchen. Prägend für das Wertesystem mancher<br />
Familien war aber vor allem ihre ethnische Identität: In <strong>der</strong><br />
Sowjetunion galten sie als Deutsche (häufig als Faschisten<br />
beschimpft), <strong>in</strong> Deutschland gelten sie als Russen.